Das Thermopolium der Charis - Garküche

  • Re: tectumque providere - Obdach gewähren



    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Charis lachte leise in sich hinein: Hatte Helia sie gerade gütig genannt? Das war ihr noch nie passiert; meistens titulierte man sie ganz anders.

    Das Mädel war so naiv, dass es quitschte.

    "Nenn mich Claudiana Charis oder Patrona, du bist nicht meine Sklavin.", sagte sie: "Dann sind wir uns also handelseinig. Das ist fein.

    Gib mir den Geldsack, Mädchen."

    Falls diese Helia unangenehm auffiel, konnte man immer noch der Obrigkeit Bescheid sagen. irgendwas stimmte nicht mit der Kleinen, das sagte Charis ihr Instinkt.


    Charis begutachtete die Handschrift, die war hübsch und zierlich und soweit sie beurteilen konnte, fehlerfrei.

    "Ich werde ja sehen, wie du rechnen kannst, wenn du die Gäste abkassierst.", sagte sie: "Und danach halten wir Mittagspause - du natürlich nicht, du kannst die Wohnung im ersten Obergeschoss durchputzen, die steht schon länger leer. Charis minor führt dich hin. Und danach werde ich noch andere Tätigkeiten für dich finden. Du könntest meinen Vater später füttern und ihm vorlesen, dann hat der Alte gute Laune."


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    Als Acciana Helia so lieb nach ihren Aufgaben fragte, lächelte Charis minor fast schüchtern.

    Ihr Lehrer schrie sie immer an, und ihre Mutter vergötterte sie zwar, war aber schnell mit einem Klaps bei der Hand. Eigentlich gab es niemanden hier, der ruhig und freundlich war, außer dem alten Großvater früher, doch der hatte nichts zu sagen, obgleich er der Tutor der beiden Charites war.

    Sie schob ihr die Wachstafeln hin: "Guck mal, das ist das Verb ire, gehen. Ich soll das niederschreiben: Ich gehe, du gehst, er, sie geht und so weiter und das für alle Zeiten. Kannst du

    das denn? Ich bin gerade beim Imperativ. Wenn ich das bis Morgen nicht habe, haut mich der Magister mit dem Stock auf die Hand."


    Die Grundschullehrer der für ihre Schicht zugänglichen Schulen, die meist in Säulengängen öffentlicher Gebäude untergebracht waren, waren gesellschaftlich schlecht angesehen und oft sehr streng. Da sich die Eltern nicht einmischten, hatten die Schüler oft Angst vor ihnen. Auch Charis Minor war wohl so einem Exemplar ausgeliefert, denn nun zog sie die Stirn in lauter Sorgenfalten.

  • tectumque providere - Obdach gewähren


    Von den Gedanken Claudiana Charis ahnte Helia nichts. Im Gegenteil. Die junge Frau hatte ihren Kopf leicht auf die Seite geneigt und lauschte Claudiana Charis‘ Stimme. Als die dickliche Frau dann jedoch nach ihrem Geldsäckchen verlangte, verengten sich Helias Augen für einen kurzen Augenblick. Was hatte das zu bedeuten? Wollte die Ältere sie etwa bestehlen? Dabei gehörten die Münzen doch ganz alleine ihr. Immerhin hatte sie diese von ihrem verstorbenen Dominus erhalten. So war es nicht verwunderlich das sich Helias Finger etwas fester um das Ledersäckchen krallten und sie die ältere Charis‘ misstrauisch musterte.


    “Das sind meine Münzen, die sich in diesem Säckchen befinden.“


    Erwiederte Helia und erinnerte die Charis zugleich daran. Bevor sie ihr dann jedoch das Ledersäckchen entgegen hielt. Die Insulabesitzerin würde diese Münzen ganz sicher für sie verwahren. Wie naiv die Gedanken der Freigelassenen.


    Als Charis ihre Handschrift begutachtet, hielt Helia für einen kurzen Augenblick die Luft an. Und entließ diese erst, als ihre Patrona ihre Handschrift für hübsch und zierlich befand. Ein Pluspunkt. Zumindest in Helias Gedanken.


    “Wie du wünscht Patrona.“


    Antwortete die Weißblonde auf die gesprochenen Worte der älteren Charis und schenkte dieser ein leichtes Lächeln, welches ihre Mundwinkel umspielte.


    “Wenn mir später alles gezeigt wird, dann werde ich sofort mit meinen Aufgaben beginnen.“


    Erklärte Helia mit ihrer samtweichen Stimme. Bevor sie ihre komplette Aufmerksamkeit der jüngeren Charis widmete und sich über deren Wachstäfelchen beugte, nachdem sie sich neben ihr auf die Bank gesetzt hatte.


    “In der zweiten Person Singular, das ist die Du-Form, benutzt du das Verb ‚ire‘ folgendermaßen. i, das bedeutet gehe, aber auch geh! Und in der zweiten Person Plural, das ist die Ihr-Form, benutzt du das Verb ‚ire‘ wie folgt, ite, das bedeutet geht! Ich hoffe du hast mich verstanden?“


    Fragend wurde das Mädchen angeblickt, während ein sachtes Lächeln um Helias Lippen spielte und sie ihr nachdem sie ihren Blick über die Wachstafeln gleiten ließ, die übrigen Zeiten ebenfalls in dieser Art- und Weise erklärte.


    “Wirst du denn häufiger von deinem Magister mit dem Stock geschlagen?“


    Wollte Helia mit einem mitfühlenden Klang in ihrer Stimme wissen und ließ ihren Blick musternd über die Hände der Charis minor gleiten. Sie wirkten tatsächlich etwas gerötet, aber nicht geschwollen, was Aufschluss darüber gegeben hätte, ob Charis minor auch am heutigen Tag mit dem Stock Bekanntschaft gemacht hatte.


    “Wenn du möchtest und es deine Mutter erlaubt, dann kann ich dir gerne bei deinen Aufgaben helfen.“

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    Acciana Helia

    Libertus

  • "Ich weiß, dass dies deine Münzen sind.", sagte Claudiana Charis kopfschüttelnd: " Aber du brauchst hier bei mir kein Geld. Alles was so ein kleines Ding wie du benötigt, bekommt sie ab heute von mir: Essen, Obdach und was zu tun."

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Sie lächelte, als das Mädchen ihr den Beutel aushändigte. Sie war wohl noch nicht lange freigelassen, wenn das denn stimmte. Aber im Grunde begab sie sich bereitwillig in erneute Sklaverei, denn das war das, was ihr die Eigentümerin des Thermoplolium anbot. Nur schlagen würde sie Helia nicht, sie war ja nicht wirklich ihr Eigentum.


    "Und nun kannst du solange, bis die Gäste kommen, meiner Tochter helfen."




    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Charis minor rückte ein Stück. Eigentlich war Helia nett, fand sie, und dazu nützlich. "I - geh, ite - geht.", schrieb sie schnell auf.

    Als Helia ihr nun alles weitere erklärte, nickte sie:

    "Ja, ich habe auch einen Mund und kann sprechen. Aber das so runterzuschreiben, das bringt mich durcheinander. Doch ich glaube, jetzt habe ich verstanden, was der Magister meinte. Nur - für was ist das gut?"

    Sie seufzte. Sie wusste natürlich, für was alles gut sein sollte. Charis Minor sollte einmal einen wohlhabenden Bürger heiraten, vielleicht jemand mit einem eigenen Geschäft. Oder vielleicht noch höher hinaus. Und wenn es ein alter reicher Witwer wäre! Dabei mochte sie keine alten Männer, sondern lieber so jemanden wie den Gladiatoren Flamma ankucken.


    "Der Magister schlägt mich jedesmal, wenn ich was nicht weiß.", antwortete Charis minor: "Er ist so ein mieses Rabenaas.", sie schaute sich um, ob ihre Mutter zuhörte, denn die erlaubte keine schlechten Reden über die Schola. Die Gebühren waren hoch genug:

    "Er meint, sonst würde ich nichts lernen. Wurdest du denn auch so arg geprügelt, Helia, in deiner Schule? Erzähl mal."


    Wenn das ältere Mädchen etwas erzählte, verging die Zeit auch schneller, dachte Charis minor.

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    Unwillkürlich umwölkte sich Helias Stirn, als die Patrona meinte, dass sie ab sofort, wenn sie in der Garküche arbeitete, keinerlei Münzen benötigte. Aber was wäre, wenn sie sich auf den Märkten etwas schönes kaufen wollte? Denn wie Claudiana Charis treffend formulierte, sie war keine Sklavin, sondern so etwas wie eine Angestellte. Und dennoch streckte Helia nach einem kurzen Augenblick ihre Hand nach vorne und Claudiana Charis den Beutel entgegen.


    “Dann danke ich dir noch einmal, dass du auf meinen Besitz aufpasst.“


    Erwiederte die Weißblonde und nickte in Richtung des Ledersäckchens, welches sich nun in der fleischigen Hand der Charis befand. Hoffentlich würde sie ihre Münzen auch wirklich zurück bekommen. Denn in Helias Augen wirkte Claudiana Charis wie ein gefräßiges Ungeheuer.


    Schließlich nickte Helia auf die gesprochenen Worte der Älteren und begab sich in Richtung der dicklichen Charis minor, die an einem der Tische über ihren offensichtlichen Hausaufgaben brütete. Geschmeidig rutschte Helia neben die junge Frau und begann mit ihrer leisen und dennoch wohlklingenden Stimme die Aufgaben und das schlußendliche Endergebnis zu erläutern. Ob Charis minor wirklich verstanden war, würde Helia unkommentiert lassen. Denn wenn sie sich das Mädchen so ansah, dann hatte sie alles, bloß nichts verstanden. Also hielt die Freigelassene lieber ihren Mund ob dieser Aussage und strich sich stattdessen eine ihrer weißblonden Strähnen hinter die Ohren.


    “Deine Lehrer wollen aus dir eine gebildete, junge Dame machen. Damit du mit deinem Wissen und deinem Geschick, sowie Können, später einen reichen Mann heiraten kannst.“


    Erklärte Helia auf die fragenden Worte Charis minors und blickte diese direkt an. Ob sie verstanden hatte, worauf Helia mit ihren Worten hinaus wollte?


    “Du lernst für dein zukünftiges Leben Charis minor.“


    Sprach’s, während ein leichtes Lächeln ihre Mundwinkel umspielte. Als Charis minor dann jedoch erklärte das ihr Lehrer ein mieses Rabenaas wäre, musste Helia trotzallem leise lachen. Bevor sie dann wieder ernst wurde und Charis minor mit einer empor gezogenen Augenbraue anblickte.


    “Aber … aber Charis minor. Spricht man so von seinen Lehrern? Ich denke doch nicht.“


    Tadelte die Libertina die dickliche junge Frau und schnalzte leicht mit der Zunge. Wie um Charis minor zu erinnern, dass ihre Worte ganz und gar nicht nett gemeint waren.


    “Passt du denn auch immer aufmerksam auf und befolgst die Worte deines Lehrers, mh?“


    Schmunzelte die Libertina mit einem kecken funkeln in ihren Augen. Welches im nächsten Augenblick ebenso rasch verschwand und Helia ernst dreinblickte.


    “Ich habe nie eine Schule besucht Charis minor. Alles was ich weiß, hat mir mein verstorbener Dominus beigebracht. Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben und seit diesem Tag diente ich meinem verstorbenen Dominus. Er hatte einige Schenken und Tavernen und in diesen Tavernen durfte ich später die Gäste bedienen, in dem ich das schmutzige Geschirr abräumte und die Gäste nach dem Essen abkassierte. Schreiben, lesen und rechnen hat mir mein einstiger Dominus beigebracht. Er hat immer gemeint, dass ich ein schlaues Köpfchen auf meinen schmalen Schultern tragen und wollte mich fördern. Doch dann brach ein Feuer in einer seiner Tavernen aus und Marcus Accius Natalis war nicht mehr der selbe. Manche meinen er ist an gebrochenem Herzen gestorben. Ich denke aber, dass ihn der Verlust seiner Tavernen lebensmüde gemacht hatte und sein Herz deswegen aufhörte zu schlagen.“


    Abrupt endete Helia in ihrer Erzählung und schluckte hart. Bevor sie tief durchatmete und sich wieder unter Kontrolle zu haben schien.


    “Na komm Charis minor. Du möchtest doch heute noch mit deinen Aufgaben fertig werden, oder?“

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    Acciana Helia

    Libertus

  • Re: tectumque providere - Obdach gewähren


    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Charis minor freute sich, als Helia lachte. Das junge Mädchen schien doch sehr ernst, obwohl sie gewiss nicht so viel mehr Jahre zählte als sie selbst.

    " Wie hübsch du aussiehst wenn du lachst!", stellte sie fest: "Du hast so schöne Haare, wärst du die Sklavin meiner Mama, würde sie dich gewiss jedes Jahr kahlscheren, um dein Haar an die Perückenmacher zu verkaufen. Dein früherer Dominus kam nicht auf diese Idee, nicht wahr? Meine Mutter schon. Sie ist sehr geschäftstüchtig."

    Als Helia mit der Zunge schnalzte, senkte Charis Minor den Blick: "Du hast ja recht.", murmelte sie:

    " Es ist nicht nett so zu reden. Ich soll den Magister re- spe-ktieren. Aber ich mag ihn trotzdem nicht.

    Ich hoffe, ich bekomme später wenigstens einen netten Mann. Und gut aussehen soll er. Mich graust es vor den alten Säcken, die manchmal hier herein kommen und mich anglotzen...so"

    Charis Minor riss zur Demonstration die Augen weit auf:

    "Aber jetzt bist du ja hier zum Anglotzen.", sagte sie zufrieden: " Du musstest nicht in die Schule, hast du es gut. Accius Natalis hieß dein Herr? Ich weiß nicht wer das ist und was das für ein Feuer war. In Roma brennt es andauernd. Aber meine Mutter kennt alles und jeden.

    Soll ich sie mal fragen, wer Accius Natalis ist?"


    Charis Minor sah Helia an, bevor sie wieder zwei Wörter schrieb.

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    Das Lachen der jungen Frau wirkte glockenhell und klar. Regelrecht unbeschwert. So dass Helia ob dieser Gefühlsregung wahrlich überrascht wirkte und sich am liebsten ihre Finger auf ihre Lippen gepresst hätte, um dieses Geräusch zu verbergen. Dann jedoch waren es Charis minors Worte, die das Lächeln auf Helias Lippen kaum merklich intensivierten und sich zugleich ein strahlen in ihre gräulich schillernden Augen schlich. Jenes strahlen gefror im nächsten Augenblick zu Eis, als Charis minor erklärte, dass ihre weißblonden Haare eine wahre Augenweide waren und Claudiana Charis offenbar jedes Jahr ihren Schädel kahlscheren würde.


    “Nein! Wieso sollte mein früherer Dominus auf solch‘ Ideen kommen? Meine Mutter hatte auch solch‘ weißblondes Haar. Und Marcus Accius Natalis hat die Haare meiner Mutter geliebt.“


    Erklärte Helia mit einem wehmütigen Schimmer in ihren Augen, eh‘ sie langsam ihren Blick niederschlug.


    “Würde deine Mutter auch deinen Schädel kahlscheren, um deine blonden Haare zu Geld zu machen?“


    Wollte Helia im nächsten Moment mit einem energischen Klang in ihrer Stimme wissen. Wobei sie die dickliche Charis minor mit ihrem Blick regelrecht zu erdolchen schien. Denn die Tatsache, dass Claudiana Charis zu solchen Mitteln fähig war, ängstigte Helia. Auch wenn sie sich diese Gefühlsregung nach außen hin nicht anmerken ließ. Lediglich in ihrem Bauch bildete sich ein Eisklumpen, der sie innerlich erfrieren ließ.


    “Wieso sprichst du so böse über diese Männer Charis minor? Glaubst du denn nicht das diese Männer auch nur einsam sind, weil sich niemand für sie interessiert?“


    Noch immer heftete Helias Blick auf der stämmigen, jungen Frau. Wobei ihr Blick nun nicht mehr ganz so schneidend wirkte. Die Sanftheit hatte ihr Blick jedoch auch verloren.


    “Solange mich diese Männer nicht berühren und Dinge von mir verlangen, zu denen ich nicht bereit bin. Soll es mir Recht sein.“


    Erwiederte Helia und zuckte leicht mit den Schultern. Bevor ihr Herz auch schon schwer wurde, als sie an ihren verstorbenen Dominus zurück dachte. Denn Marcus Accius Natalis hatte Helia wahrlich lieb gewonnen gehabt.


    “Nein. Ich glaube es ist keine gute Idee, sollte sich deine Mutter zu sehr nach meinem verstorbenen Dominus erkundigen. Seine Verwandten würden das missbilligen.“


    Versuchte Helia die Gedanken der jungen Charis minor auf etwas anderes zu richten. Und beugte sich über deren Geschriebenes, um mit ihrem schlanken Finger auf ein Wort zu deuten.


    “Das ist nicht fein geschrieben Charis minor. Das kannst du besser. So wie die Wörter davor auch.“

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    Acciana Helia

    Libertus

  • Re: tectumque providere - Obdach gewähren


    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Jetzt lachte Charis minor doch etwas überlegen und sagte zu dem älteren Mädchen: "Du bist ein Dummchen, natürlich würde mir Mama nie die Haare abscheren, denn ich bin schließlich ihre Tochter und keine Sklavin. Das bist du ja auch nicht, also musst du dich davor nicht fürchten. aber wenn du mal in Not gerätst und einen Perückenmacher brauchst, kann dir meine Mutter bestimmt mit einer Adresse weiterhelfen."

    Den Götter sei Dank hatte Charis Minor den Namen Accia bereits wieder vergessen.


    "Du meinst, die Männer sind einsam, weil sich keiner für sie interessiert? Ich interessiere mich aber auch nicht für sie. Sie sind hässlich.

    Ich mag Männer wie den Flamma - kennst du den?"


    Sie zog das Bild des Gladiators heraus, der ihr damals seine Unterschrift gegeben hatte, unter ihren Sachen hervor:

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    "Der war richtig nett und soo gutaussehend. Weiß gar nicht, was aus dem geworden ist nach seinem letzten Kampf. Ich wollte ihn ja für mich mieten, aber das hat mir Mutter nicht erlaubt.", sie seufzte:

    "Dann kamen noch eine alte Kuh von Patrizierin, mindestens fünfundzwanzig war die, und so eine dunkelhaarige Sklavin, die mit ihrem Hintern gewackelt hat...", Charis machte es vor und streckte die Zunge raus:
    "Bääääh! Alte Frauen sollten ein bisschen mehr Würde zeigen"


    Dann deutete Helia mit ihrem schlanken Finger auf ein von Charis Minor geschriebenes Wort und bemängelte es, und das Mädchen drehte sofort den Griffel um, um es auszuradieren.

    "Du bist aber voll streng!", maulte sie und schrieb das Wort nochmal:

    "So jetzt besser?"


    Mittlerweile füllte sich das Thermopolium mit Gästen. Die meisten waren Mieter der Insula, in der kochen ja strengstens untersagt war, Arbeiter aus der Gegend und kleine Geschäftsleute. Ein paar Soldaten nahmen sich auch etwas mit.


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    Claudiana Charis winkte Acciana Helia zu: "Mach, dass du die Gäste bedienst!", befahl sie. Sie würde die Neue ganz genau im Auge behalten, während sie wie eine Königin über der Theke thronte.

  • tectumque providere - Obdach gewähren


    Der gehässige Klang in der Stimme der ungefähr Gleichaltrigen ließ Helias Augen für einen kurzen Augenblick sichtlich aufblitzen. Und dies nicht weil sie sich freute. Im Gegenteil. Dieses glitzern in ihren Augen sollte als Warnung für die vorlaute Charis minor dienen. Nach außen hin ließ sie ein Lächeln auf ihren Lippen erscheinen, während sie sich dienstbeflissen über die Wachstafeln der jungen Frau beugte.


    “Ich werde garantiert keinen Perückenmacher benötigen. Woher nimmst du nur diese Gedanken Charis minor?“


    Wollte Helia wissen und hatte sich bei diesen leise gezischelten Worte etwas näher gebeugt. Die Thermopoliumbesitzerin musste ja nicht unbedingt etwas von diesem Gespräch mitbekommen. Nicht das Claudiana Charis wahrlich auf merkwürdige Gedanken kam und über den Gedankenstrang ihrer Tochter stärker nachzugrübeln begann.


    Als Charis minor in gar lästerlicher Art- und Weise über die älteren Herrschaften sprach, schnalzte Helia abermals mit der Zunge und blickte die dickliche junge Frau tadelnd an. Denn mittlerweile kam sie sich wahrlich wie die Lehrerin der jungen Frau vor.


    “Es heißt doch nicht, dass du diese Männer gleich heiraten musst Charis minor. Aber du solltest diesen Männern mit Respekt begegnen. Eben genauso, wie sie dir gegenüber treten sollten.“


    Mahnend ließ die Weißblonde ihren Blick auf der jungen Frau ruhen und lauschte weiterhin ihren Worten, die unaufhörlich über ihre Lippen strömten.


    “Hm. Flamma? Du meinst den Gladiator? Gehört habe ich schon von ihm. In den Schenken meines verstorbenen Dominus wurde über ihn erzählt. Aber persönlich bin ich ihm noch nicht begegnet. Ich mag keine Gladiatorenkämpfe Charis minor.“


    Die junge Frau dagegen offensichtlich schon. Denn das Bild des Gladiators auf eine Tabula gebannt, ließ Helias Augen sichtlich weiten.


    “Du bist diesem Gladiator also schon begegnet? Interessierst du dich denn für diese Art von Kämpfe?“


    Augenblicklich verstummte die Weißblonde, denn Charis minors Stimme erklang erneut und Helia unterdrückte nur mit Mühe und Not ein Seufzen.


    “Charis minor! Was habe ich dir gesagt? Sei nicht so respektlos.“


    Mahnte Helia mit einer gewissen Schärfe in ihrer Stimme. Bevor sie sich abermals den Aufgaben der jungen Frau widmete und tatsächlich etwas zu bemängeln hatte. Zufrieden nickte Helia dann, als Charis minor das Wort noch einmal in ihrer schönsten Schrift niederschrieb. So dass Helia nichts mehr daran auszusetzen hatte und nickte.


    Als es auf einmal lauter im Thermopolium wurde, hob Helia langsam ihren Kopf an und bemerkte wie sich immer mehr Besucher an den Tischen drängten. Und dies war ihr Stichwort. Auch wenn sie auf die Worte Claudiana Charis wartete. Bevor sie sich langsam von der Holzbank erhob und mit Claudiana Charis einen kurzen Blick wechselte. Dann begab sie sich zum ersten Tisch, an dem sich vier Männer niedergelassen hatten. Augenblicklich umspielte ein freundliches Lächeln die Lippen Helias, während ihre gräulich schillernden Augen intensiver zu leuchten begannen. Und sie die Bestellung der vier Männer registrierte. Viermal verdünnter Wein. Diese Bestellung gab Helia an die Küche weiter und nahm eine weitere Bestellung auf. Während in der Zwischenzeit die Bestellung der vier Männer zur Abholung bereit stand. Geschickt umrundete Helia einen weiteren Tisch und griff sich schließlich das Tablett, auf dem die vier Becher bereitstanden. Jene Becher brachte sie zu den vier Männern. Ebenso wie sie eine dampfende Suppe an einen weiteren Tisch balancierte. Dabei blieb Helia immer freundlich, lächelte die Gäste an und merkte sich unwillkürlich deren Gesichter.

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    Acciana Helia

    Libertus

  • Re: tectumque providere - Obdach gewähren


    "Na ja, wenn du eines Tages mal ganz arm bist und deine Haare verkaufen musst.", erklärte Charis Minor. Helia konnte gut lesen und schreiben, aber wirklich viel von der Welt wusste sie nicht, dachte sie. Sie meinte doch wahrhaftig, dass die Leute nett wären. Aber die meisten Leute waren nicht nett.

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Die meisten Leute wollten immerzu etwas von einem.

    "Entschuldigung", murmelte sie, denn Helia war ja gerade so etwas wie ihre Lehrerin:

    "Aber ja, ich mag Gladiatoren", sagte sie: "Aber leider muss ich immer ganz oben sitzen im Circus, und da sehe ich das Blut nicht richtig. Aber bei Flamma habe ich mir immer gewünscht, dass er gewinnt. Ich finde ihn enorm unterhaltsam."

    Sie schrieb zu Ende.




    Mittlerweile hatte sich das Thermopolium gefüllt.Vier Männer riefen nach Wein. Drei Arbeiter, deren bis zum Nabel entblößte, kräftige Leiber staubig waren, riefen nach Posca. Drei Frauen standen Schlange, sie hatten Schüsseln dabei und würden das Essen mitnehmen.



    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Dann kamen zwei Frauen herein, die Perücken und Kleider aus einem Stoff trugen, der wenig der Vorstellungskraft überließ. Ihre Gesichter waren jung und weißgeschminkt, die Augen schwarz umrandet und die Lippen purpurrot.

    Sie rochen stark nach billigem Veilchenparfüm. Eine von ihnen gähnte herzhaft.

    "Puella! ", rief die andere Acciana Helia zu: "Bring mal zwei tüchtigen Mädels einen Krug Wein, aber vom besten und das heutige Tagesgericht! Was ist es?"

    Die eine stieß die andere an.

    "Bist du neu? Was bist du denn für eine Süße? Wenn dir es bei Charis nicht gefällt, komm zu uns, da kannst du mehr verdienen, so hübsch wie du bist!"


  • tectumque providere - Obdach gewähren


    Als Charis minor erklärte, dass sie ihre weißblonden Strähnen eines Tages zu Münzen machen konnte, in dem sie ihre Haare verkaufte, furchte sich Helias Stirn unwillkürlich. Wieso sollte sie eines Tages in Verlegenheit kommen, ihre Haare verkaufen zu müssen?


    “Ich werde niemals betteln gehen müssen Charis minor.“


    Erklärte Helia mit einem strengen Klang in ihrer Stimme und musterte die junge Frau. Auf was für Gedanken Charis minor nur kam. Oder war die Libertina in dieser Hinsicht eindeutig zu leichtgläubig? Nein. Definitiv nicht. Denn die harte Schule ihres Dominus und die Lehrstunden der Gens Accia hatten aus Helia eine starke Persönlichkeit werden lassen. Eine starke Persönlichkeit dem äußeren Anschein nach. Das in der jungen Frau eine unsichere Freigelassene lauerte, die mit ihrer Freilassung erst noch umzugehen lernen musste, ließ Helia niemanden wissen. Und so schnalzte sie auch leicht missbilligend mit ihrer Zunge. Nur um im nächsten Moment leicht versöhnlich zu lächeln, als sie Charis minors Entschuldigung vernahm.


    “Du wünscht dir das Blut im Sand der Arena versickern zu sehen? Das bedeutet aber auch, dass dort im Sand gerade eine Person ihr Leben ausgehaucht hatte. Findest du das etwa amüsant Charis minor?“


    Abermals schüttelte Helia ihren Kopf und konzentrierte sich schließlich auf das niedergeschriebene Wort Charis minors. Und tatsächlich hatte die Weißblonde an den nachfolgenden Worten und ganzen Sätzen nichts zu bemängeln. So dass sie Charis minor ein leichtes Lächeln schenkte.


    “Das hast du wirklich schön geschrieben Charis minor.“


    Lobte Helia. Erhob sich und begab sich an die ihr aufgetragenen Aufgaben, denn die Garküche hatte sich bereits erheblich gefüllt. Unterschiedliche Gesellschaftsschichten und Personenkreise hatten sich an den Tischen niedergelassen und Helia begegnete einem jeden mit Freundlichkeit in der Stimme und einem Lächeln auf den Lippen. Den drei Arbeitern servierte Helia Posca in Tonbechern. Vier weiteren Männern, dem Aussehen nach Soldaten, stellte sie eine Karaffe Wein und vier dazugehörige Becher auf den Tisch. Bevor einer der Männer jedoch nach ihr greifen konnte, drehte sie sich geschwind zur Seite, schlug ihren Blick nieder und begab sich in Richtung der Küche. Um dort weitere Anweisungen entgegen zu nehmen.


    Die beiden stark geschminkten Frauen bemerkte Helia nicht. Erst als diese nach ihr riefen und sie vom Koch mit unwirschen Handbewegungen nach draußen gescheucht wurde, sah Helia die beiden nach Parfüm riechenden Frauen.


    “Das heutige Tagesgericht sind ‘ Pisum Vitellianam sive fabam‘.“


    Erklärte Helia mit ihrer sanften Stimme.


    “Das sind Erbsen oder Bohnen auf vitellianische Art. Ein sogenanntes Erbsenpüree.“


    Sprach’s und servierte den beiden offensichtlichen Dirnen einen Krug Wein, sowie zwei tönerne Becher.


    “Entschuldigt. Ich habe nicht vor meine neu gewonnene Anstellung zu verlieren.“


    Erwiederte Helia mit einem entschiedenen Klang in ihrer Stimme und warf den beiden Frauen einen strengen Blick zu.

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    Acciana Helia

    Libertus

  • Re: tectumque providere - Obdach gewähren

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Charis minor guckte skeptisch drein. Jeder konnte doch mal in Not geraten. Aber bei der nächsten Frage antwortete sie:

    " Nicht nur das Blut, sondern die Muskeln der Männer möchte ich sehen. Ich meine, das ist doch eine Verschwendung, wenn Frauen und Mädchen ganz oben sitzen müssen. Nur die Patrizierinnen dürfen alles genau anschauen, wenn die Gens eine Loge hat und die Vestalinnen, aber die dürfen sich ohnehin nicht für Männer interessieren.", sie senkte die Stimme, hätte ihre Mutter das gehört, hätte sie ihr einen Klaps gegeben.

    Claudiana Charis wollte aus Charis Minor umbedingt eine Dame machen, war aber selbst nicht wirklich eine, und daher wusste Charis minor nie so genau, ob sie sich gut benahm.


    Dann aber hatte Acciana Helia erstmal keine Zeit mehr für das Mädchen, weil nun einige Gäste den Schankraum betraten.

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    Claudiana Charis war sehr angetan von ihrer neuen Hilfe. Die junge Frau arbeitete rasch, war jedoch freundlich zu allen, und das Wichtigste war, sie sah, wo sie anzupacken hatte, ohne dass man ihr jeden Pieps erklären musste.

    Tüchtig und freundlich gegenüber war sie auch den beiden aufgetakelten lupae, die anscheinend gerade von der Arbeit kamen und sich stärkten.

    Sie wehrte sogar einen Abwerbungsversuch der beiden Huren mit den Worten, dass sie ihre neue Anstellung nicht verlieren wollte, ab.

    Claudiana Charis hörte es mit großer Freude.

    Dann aber bemerkte sie, dass die beiden Mädchen nun Charis minor ins Auge fassten und ihr zulächelten. Und Charis minor, die alles besser als Hausaufgaben fand, lächelte zurück und packte ihre tabulae zusammen, da sie mit Helias Hilfe ihre Aufgaben erledigt hatte.


    Das ging gar nicht! So rief Claudiana Charis Helia zu sich:

    "Das war nicht schlecht für den Anfang.", sagte sie: "Aber da nun weniger Kunden da sind, werde ich mit ihnen alleine fertig. Du könntest schon einmal die Wohnung im ersten Stock durchputzen.

    Und nimm Chariuela mit, die soll sich nützlich machen. Charis, hör auf Helia!",

    sagte sie noch, während sie ihre neue Angestellte und ihr vorwitziges Töchterlein in die Wohnung im ersten Obergeschoss schickte, die zuvor von einem Furius Saturninus, einem Staatsbeamten aus der kaiserlichen Kanzlei, bewohnt worden war.

  • tectumque providere - Obdach gewähren


    Mit einer entschiedenen Bewegung wandte sich Helia von den beiden Lupae ab und der Theke zu, auf der sich bereits wieder Speisen und Getränke befanden. Mit zwei Schüsseln des Tagesgerichts in den Händen, schob sich Helia zwischen den Tischen hindurch, bis sie einen jungen Mann und eine junge Frau erblickte, die zweimal das Tagesgericht geordert hatten. Freundlich lächelte Helia das offensichtliche Pärchen an und stellte die beiden Schüsseln mit dem Tagesgericht vor den beiden jungen Leuten ab.


    “Bitteschön. Das heutige Tagesgericht ‘Pisum Vitellianam sive fabam‘


    War Helias Stimme zu vernehmen. Bevor sie sich abwandte und sich einem weiteren Tisch näherte. Dieser Tisch war beladen mit schmutzigem Geschirr und Helia begann das dreckige Geschirr in die Küche zu räumen. Bevor sie sich erneut in den Schankraum begab und mit einem nassen Lumpen bewaffnet, die leeren Tische von Essensresten zu befreien.


    Mit dem nassen Lappen in den Händen begab sich Helia zurück in die Küche, als sie Claudiana Charis‘ Stimme vernahm und sich augenblicklich in deren Richtung wandte. Mit einem freundlichen Ausdruck in den Augen näherte sie sich ihrer Patrona und lauschte auch schon deren Stimme, die an ihr Ohr drang.


    “Vielen Dank Claudiana Charis. Für deine lobenden Worte.“


    Bedankte sich Helia mit noch immer jenem freundlichen Ausdruck in den Augen.


    “Wird sofort erledigt.“


    Fehlte eigentlich nur noch das Helia artig knickste. Dann ließ Helia ihren Blick in Charis minors Richtung wandern und folgte der jungen Frau in die Kammer im Obergeschoss. Auf dem Weg dorthin, erfuhr Helia, dass diese Kammer von einem römischen Staatsbeamten bewohnt wurde. Einem Furius Saturninus.

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    Acciana Helia

    Libertus

  • Du sollst mit Arbeit nach Gutem streben / Gleich, als wollt'st du ewig leben

    -Johann Nepomuk Vogl-


    Ihre überstürzte Flucht aus der Casa Furia lag mittlerweile einige Tage zurück und dennoch schämte sich Helia innerlich für ihren überstürzten Aufbruch. Was mochte nun der Furier über sie denken? Bestimmt das, was alle über sie dachten und darüber konnte Helia nur ihren Kopf schütteln. Den Göttern sei gedankt hatte sie die Bronzefibel abgegeben, so konnte sich zumindest Claudiana Charis nicht darüber echauffieren. Diese Gedanken verdrängte die junge Frau mit einem leichten Lächeln auf ihren Lippen, als sie ihren Kopf durch den Türspalt steckte, um herauszufinden, ob sich die Garküche mittlerweile gefüllt hatte. Jedoch waren die Tische noch immer relativ spärlich besetzt und diese Tatsache ließ Helia ein seufzen unterdrücken.


    Natürlich war der Libertina bewusst das die meisten Menschen solche Garküchen erst in den Abend- oder gar Nachtstunden besonders frequentierten. Dann wenn der Hunger und Durst übermächtig wurde und das Weibchen zu Hause nichts anständiges auf den Tisch zauberte. Schließlich wandte sie sich langsam herum und näherte sich der Kochstelle in der Küche. Merkwürdig, der Koch war nirgends zu sehen. Etwas was Claudiana Charis ganz und gar nicht gefallen würde. Doch die Thermopoliumbesitzerin schien ausgeflogen zu sein. Zumindest war sie nicht zugegen. Und so verließ Helia auch schon die Küche, um hinaus zutreten.


    Bewaffnet war die junge Frau mit einem nassen Lumpen, mit dem sie die Tische noch einmal sauber wischte. Damit man sich in der Oberfläche spiegeln konnte, wenn dies denn möglich wäre. Leise musste Helia bei diesem Gedanken kichern und war heilfroh das sie sich alleine im Inneren des Thermopolium befand. Nachdem sie sich innerlich wieder zu Ruhe und Ordnung gerufen hatte, atmete Helia tief durch und ließ den nassen Lappen immer wieder über die Tischoberfläche gleiten. So versunken bemerkte sie gar nicht, ob sich nicht doch bereits jemand in das Innere der Garküche verirrte.

  • Ein Besucher


    Furius Saturninus musste zugeben, dass ihm die "Flucht" der Acciana Helia durchaus zugesagt hatte, auch wenn er sich zunächst über die verpasste Gelegenheit ärgerte. Sie hatte sich nicht bei der ersten Begegnung verführen lassen, obwohl er doch ein junger Ritter war. Ein wenig grinste Saturninus in sich hinein, diese Haltung imponierte ihm.

    Er hatte zwei Beute mit gefüllten Datteln aus dem furischen Handelshaus dabei, eine für Charis Minor, um sich bei dem Mädchen zu bedanken, doch auch einen für Acciana Helia. Und nein, er war sich nicht zu gut dafür, bei seiner ehemaligen Vermieterin vorbeizusehen.


    Die Tür des Thermopolium stand halb offen, und der Furius drückte sie auf, ohne anzuklopfen. Er war der erste Gast, aber als er sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatte, sah er einen schmalen Schatten zwischen den Tischen umherhuschen.

    Er erkannte die junge Liberta sofort, blieb aber stehen, rührte sich nicht und beobachtete sie einen Moment. Dann hob er die Hand, denn er wollte die junge Frau nicht erschrecken.

    "Salve Helia", sagte er leise.

  • Du sollst mit Arbeit nach Gutem streben / Gleich, als wollt'st du ewig leben

    -Johann Nepomuk Vogl-


    Als Helia beim letzten Tisch ankam und auch über diesen den feuchten Lappen gleiten ließ, ließ sie ein knarzendes Geräusch unwillkürlich in ihrer Bewegung inne halten. Was war das? Gäste konnten es nicht sein. Vielleicht war es Claudiana Charis oder gar Charis minor, die sich anschickten, um nach dem rechten in der Garküche zu sehen. Langsam drehte sich Helia herum, konnte jedoch niemanden erblicken. So dass ihren Lippen ein tonloses seufzen entwich. Vielleicht hatte sie sich dieses knarzende Geräusch auch einfach nur eingebildet. So beugte sich die junge Frau abermals über den Tisch und säuberte die Oberfläche. Schade das einige der Tische bereits mit unzähligen Kratzern versehen waren; ihr verstorbener Dominus hatte immer etwas gegen zerstörtes Mobiliar gehabt. Als Helias Gedanken in Richtung ihres verstorbenen Dominus abzudriften drohten, schüttelte die Libertina energisch ihren Kopf, wobei sie den feuchten Lappen etwas zu fest in ihrer schmalen Hand umklammerte. Schließlich wandte sie sich abrupt herum, ließ den feuchten Lappen in den Eimer mit dem schmutzigen Wasser hinein sinken und trug den Eimer in Richtung des Eingangs, um diesen vor der Türe in den Rinnstein zu gießen.


    Nachdem das Wasser versickert war, genauer gesagt die Straße hinab floss, huschte Helia erneut in das innere der Garküche und stellte den hölzernen Eimer zurück in die Küche. Dort wusch sie sich die Hände und strich sich eine ihrer weißblonden Strähnen aus der Stirn. Bevor sie die Küche abermals verließ und begann die Stühle vor den Tischen zurecht zu rücken. Denn einen gewissen Abstand sollten die Stühle immer haben, dies wünschte Claudiana Charis. Und dies hatte sich die junge Helia sorgfältig eingeprägt. Dabei lächelte Helia leise vor sich hin. Zuckte jedoch im nächsten Moment leicht zusammen, als jemand ihren Namen rief. Bestimmt ein Gast, der sich zu dieser frühen Stunde in das Innere der Garküche verirrt hatte. Als Helia dann jedoch bemerkte wer ihr dort einen Besuch abstattete, erstrahlten ihre Augen und das Lächeln auf ihren Lippen intensivierte sich leicht. Oh bei den Göttern. Wieso lächelte sie denn jetzt so dümmlich?


    “Salve Aulus Furius Saturninus. Claudiana Charis ist nicht zugegen, wenn du ihr einen Besuch abstatten wolltest. Deine frühere Wohnung ist auch wieder sauber.“


    Dabei grinste Helia nun doch verschmitzt. Wurde jedoch im selben Moment ernst und versuchte den jungen Furier nicht allzu offensichtlich anzustarren.


    “Kann ich dir einen Becher Wasser anbieten oder Posca?“


    Dienstbeflissen wirkte Helia auf einmal und wartete auf die Antwort des jungen Furiers.

  • Saturninus lächelte Helia an, zog einen Stuhl zu sich und nahm Platz:

    "Claudiana Charis ist gar nicht hier? Dann nehme ich an, die jüngere Charis auch nicht?", er zwinkerte der jungen Frau zu:

    "Ich gestehe, dass ich nicht sehr böse darüber bin. Eher froh. Deine Gesellschaft ist mir entschieden lieber.", er deutete auf die Bank gegenüber:

    "Was ist dein Lieblingsgetränk? Bringe uns einen Krug davon her und dann setze dich ein wenig zu mir, wenn du möchtest. Das letzte Mal bist du fortgelaufen, als würdest du mich fürchten.",

    er stützte seinen Kinn auf die Hände:

    "Es sieht hier sehr schön aus, viel ordentlicher als früher. Aber ich kenne Charis, sie quetscht ihre Leute aus ohne Ende. Warum bist du hier? Warum kümmert sich der Erbe deines früheren Herren nicht um dich?",

    er sah Acciana Helia nun ernst an. Sie rührte ihn, so zierlich und fein wie sie war. Wie eine kleine Nymphe. Und dieses Haar war ungewöhnlich. Claudiana Charis war als Geschäftsfrau skrupellos. Zweifelsohne würde sie versuchen, Helia an Gäste zu verkuppeln. Viele Schankmädchen waren ja auch Gelegenheitslupae. Aber Helia wirkte nicht wie ein Straßenmädchen, obgleich sie von niederer Herkunft war. Der Gedanke, dass Gäste ihr gegenüber grob werden konnten, begann Saturninus zu ärgern, ohne das er wusste, warum.

    Er schaute sich um:

    "Was bezahlt dir Charis und wo schläfst du?", fragte er. Im gleichen Moment wusste er, dass diese Frage zweideutig klang, und er blieb weiterhin ernst.

    Aber er wollte wissen, unter welchen Umständen Helia lebte.

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    -Johann Nepomuk Vogl-


    Schweigend beobachtet Helia, wie sich der Furier einen Stuhl heranzog und sich darauf niederließ. Beinahe so, als würde ihm diese Garküche gehören und nicht der dicklichen Claudiana Charis und ihrer schrecklichen Tochter. Und dieser Gedanke erheiterte Helia innerlich, so dass sich erneut ein Lächeln auf ihre Lippen stahl.


    “Mein Lieblingsgetränk ist mulsum. Aber mit mehr Honig.“


    Erwiederte Helia auf die fragenden Worte des jungen Mannes und beeilte sich, seinen Worten Taten folgen zu lassen. In dem sie in die Küche eilte und von dort einen Krug mulsum, sowie zwei tönerne Becher auf einem Tablett nach draußen in den Schankraum trug. Vorsichtig stellte sie das Tablett auf dem hölzernen Tisch ab, an dem sich der Furier niedergelassen hatte und nahm nach einigem zögern schließlich auf der gegenüberliegenden Bank Platz. Bei den Göttern, wieso zitterten denn auf einmal ihre Hände so? Hoffentlich würde sie es schaffen die beiden Becher ohne ein kleines Malheur zu füllen.


    “Es tut mir Leid das ich einfach so davon gelaufen bin. Aber Claudiana Charis hat auf meine Rückkehr gewartet und sie kann sehr ungehalten werden, wenn ich mich verspäte.“


    Antwortete Helia wahrheitsgemäß auf des Furiers Frage und senkte für einen kurzen Augenblick in betrübter Manier ihren Kopf. Dann jedoch besann sie sich und goss den mulsum in die beiden Becher. Jedoch nicht ganz voll, lediglich bis zur Hälfte.


    “In den Schenken und Tavernen meines verstorbenen Dominus war kein einziges Staubkorn zu sehen und das wollte ich hier auch. Das Thermopolium soll erstrahlen und sich von der Masse in der Urbs Aeterna abheben.“


    Sprudelte es mit leuchtenden Augen über Helias Lippen, während sie den Krug zurück auf das Tablett stellte, nachdem sie beide Becher gefüllt hatte.


    “Warum ich hier bin? Ich habe ein Dach über dem Kopf gesucht und Arbeit. Die Erben meines verstorbenen Herrn hatten keine guten Gedanken in ihren Köpfen. Mein Herr hat mich vor seinen Verwandten gewarnt und da bin ich einfach davon gelaufen. Nur mit einigen Münzen, die mir Marcus Accius Natalis hinterlassen hat.“


    Für einen kurzen Augenblick wirkte Helia gedanklich abwesend und ihr Blick ging ins Leere.


    “Claudiana Charis bezahlt mir zwei Sesterzen in der Woche, davon behält sie vier Asse für Kost und Logis.“


    Erklärte Helia mit ihrer samtweichen Stimme und neigte leicht ihren Kopf auf die Seite.


    “Als Schlafplatz hat mir Claudiana Charis einen Platz in der Küche zugewiesen. Ich werde mich nicht beschweren. Das ist schon gut so.“


    Beeilte sich Helia hastig hinzuzufügen, so dass es nicht klang, als würde sie etwas an ihrem Schlafplatz zu bemängeln haben.

  • "Gesüßter Mulsum, wie passend", lächelte der Furius:"Würze ihn ordentlich, so wie du ihn magst und geize nicht mit dem Honig, was deine Chefin allzu gerne macht."

    Er beobachtete die junge Frau und hörte ihr zu. Wieder fiel ihm auf, wie zart und fein sie war, und als sie von dem Erben ihres Herren sprach, zeichnete sich eine steile Falte auf seiner Stirn ab. Es war schwer, seine Rechte durchzusetzen, wenn man schutzlos war .

    "Ein Platz in der Küche, das ist nichts für dich", sprach er:

    "Dort bist du hilflos allen preisgegeben, und wer weiß, was manche Gäste der Charis bezahlen, damit sie sie nachts in die Küche lässt. Du brauchst ein Zimmer oder eine Wohnung, würde ich sagen und das mit einem Schloss daran. Und...",

    er beugte sich vor und nahm Helias Hand. Er drückte sie nicht, er hielt sie nicht fest, er hielt sie nur ganz leicht und betrachtete sie:

    "Du hast keine Schankmagdhände", sagte er:

    "Dein Leben sollte ein anderes sein.- Du zitterst ja? Das brauchst du nicht. Ich möchte dir helfen. Sag mir, was ich für dich tun kann und vielleicht geht es in Erfüllung", er legte Acciana Helias Hand wie einen unendlich kostbaren Gegenstand auf den Tisch zurück:

    "Manchmal lächelt Fortuna einem auch zu, Helia. Jetzt gerade. Uns beiden"

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    -Johann Nepomuk Vogl-


    Aufmerksam lauschte Helia den Worten des Dunkelhaarigen und ertappte sich dabei, wie sie dem Furier ein leichtes Lächeln schenkte, als dieser erklärte das sie den Mulsum so würzen sollte, wie sie ihn zu trinken wünschte und nicht wie es ihm gefiel.


    “Du kennst Claudiana Charis gut?“


    Erkundigte sich Helia mit einem aufmerksamen Glanz in ihren gräulich schillernden Seelenspiegeln, wobei sie den Furier interessiert musterte, aber nicht so das es unangenehm werden würde. So sah es zumindest Helia und sollte der Dunkelhaarige gegen ihren Blick etwas einzuwenden haben, müsste er sich einfach zu Wort melden.


    Natürlich wusste Helia, genauso wie Furius Saturninus, das der Platz in der Küche nichts für sie war. Und dennoch wusste sie sich nicht anders zu helfen, als sie von den Erben ihres verstorbenen Dominus regelrecht vor die Türe gesetzt wurde. Denn ihre Flucht war nichts anderes. Sie wollte sich lediglich in Sicherheit bringen.


    “Meinst du wirklich es gibt Gäste in der Garküche die von Claudiana Charis in die Küche gelassen werden?“


    Für einen kurzen Augenblick spiegelte sich Fassungslosigkeit auf Helias Gesichtszügen und ihre schmalen Finger der linken Hand ballten sich unwillkürlich zu einer Faust. Und diesen Moment nutzte der Furier, um nach ihrer zur Faust geballten Hand zu greifen. So dass Helia leicht zusammen zuckte und Furius Saturninus mit großen Augen entgegen blickte. Jedoch zuckte sie auch nicht zurück. Sondern verharrte wie angewurzelt auf der hölzernen Bank.


    “Du willst mir helfen? Aber.. wieso? Ich.. ich habe nichts womit ich deine Hilfe rechtfertigen kann.“


    Dabei senkte die junge Libertina leicht ihren Kopf und betrachtete ihre linke Hand, deren schlanke, lange Finger auf der Tischoberfläche auflagen.


    “Mein verstorbener Dominus hat mir einige Münzen gegeben. Das Säckchen verwahrt Claudiana Charis für mich. War das etwa nicht gut?“


    Fragend blickte Helia abermals in des Furiers Richtung und wartete dessen Meinung ab. Bevor es abermals Helia war, deren leise, zarte Stimme erklang.


    “Ich habe Accius Natalis die Buchhaltung geführt und.. und er hat gesagt das ich wie geschaffen dafür bin, die Zahlen in die richtige Tabellen einzutragen. Ich wünsche mir meinen Lebensunterhalt selbständig bestreiten zu können. Und.. und ein Dach über dem Kopf. Vielleicht eine kleine Wohnung nur für mich alleine. Das wäre schön.“


    Wahrlich verträumt klangen Helias Worte über ihre Lippen, wobei sich ein ebenso verträumter Glanz in ihre Augen gestohlen hatte. Natürlich war dies alles Wunschdenken. Wie sollte sich eine Freigelassene, ohne Rückhalt ihres Patrons, zurecht finden? So seufzte Helia schließlich leise und senkte errötend ihren Blick.


    “Tut mir Leid. Ich weiß dass meine Worte nur Wunschdenken sind. Ich muss in deinen Augen vollkommen übertreiben.“


    Entschuldigte sie sich auch schon bei dem jungen Mann ihr gegenüber.

  • Saturninus lächelte, und er räusperte sich: "Du hast Traumaugen", sagte er: "Wie Perlmutt schillern sie ins Gräuliche, wenn du ins Licht siehst.",

    sein Mund wurde trocken, so über alle Maßen anziehend erschien ihm das zarte Geschöpf:

    "Ob ich die Charis gut kenne? Nein, nicht sehr gut, sie war nur meine Vermieterin. Aber ich kenne ihresgleichen.", er überlegte, wie er Acciana Helia helfen konnte. Als das Mädchen ihm sagte, dass sie Charis das Geld anvertraut hatte, fragte er sofort:

    "Und hat sie es dir quittiert? Denn sonst kannst du nicht beweisen, dass es dir gehört, und wenn du versuchst, es dir wiederzuholen, wird sie sagen, dass du sie bestehlen wolltest. Doch vielleicht tu ich ihr auch Unrecht, wer weiß.",

    Saturninus hörte Acciana Helia zu, wie sie erzählte. Es machte ihm Freude, das junge Mädchen anzusehen. Helia hieß sie wie Helios, doch auch Selene hätte zu ihrer silberschimmernden Anmut gepasst. Vielleicht würde er ihr aus dem Handelshaus grauschimmernde Seide mitbringen, damit sie sich ein Kleid nähen konnte. Sie würde bestimmt schön darin aussehen...er unterbrach seine Gedanken und sprach:

    "Es gibt sicherlich viele Möglichkeiten für dich. Doch erst einmal musst du hier raus. Ich habe einen Einfall, und du sagst mir, ob du einverstanden bist: Ich würde meine alte Wohnung wieder anmieten, ja, genau die große im ersten Stock. Und dafür bräuchte ich eine Villica - eine Verwalterin, die dort wohnt und nach dem Rechten schaut und sie sauberhält. ",

    der Furius legte nun seine warme Hand auf die schmale Faust der jungen Frau:

    "Sag du mir, ob du das tun würdest?", bat er