[Achaia] Piräus - Von einem, der auszog...

  • Geh zu den Legionen, mein Junge! hatte mein Vater zu mir gesagt. Sieh dir die Welt an, reise in fremde Länder, triff faszinierende Leute und reiß ihnen die Eingeweide raus!


    Mein Vater, Manius Decimus Pulcher, hatte gut reden! Er war der Jüngste von vier Brüdern. Sozusagen ein Nachzügler, der erst geboren worden war, als mein ältester Onkel bereits erwachsen war. Besagten Onkel hatte ich leider nie kennenlernen dürfen, da er bereits tot war, als ich geboren wurde. Er ist in Germanien gefallen, betonte mein Vater immer. Abgeschlachtet von Barbaren, fügte er dann gerne noch dazu, um seine Gesprächspartner zu schocken. Als ich noch ein Kind gewesen war, hatte er das zumindest bei mir geschafft. Als ich älter wurde, übte es eine gewisse Faszination auf mich aus.


    Auch meine anderen Onkel waren bereits tot, obwohl sie nicht von Barbaren abgeschlachtet worden waren. Und sie hatten noch etwas gemeinsam: Alle waren sie von hier fort gegangen. Hatten Piräus irgendwann den Rücken gekehrt, um zur Legion oder zur Classis zu gehen oder um in Rom ihren Weg zu machen. Ebenso alle meine Neffen. Lediglich mein Vater war hier geblieben und hatte sich als Provinzpolitiker und Beamter versucht. Doch wenn ich seinen Worten glauben durfte, dann hatte er immer von etwas Größerem geträumt. Von einer politischen Karriere in Rom oder als Offizier bei den Legionen. Warum er keinen dieser Wege eingeschlagen hatte, wollte er mir nie verraten und ich hatte es niemals gewagt, ihn danach zu fragen.


    Die Zeit verging und ich wuchs zu einem Jungen Mann heran. Ich legt meine Bulla ab und legte stattdessen zum ersten Mal die Toga virilis an. Zum Leidwesen meiner Mutter hatte ich meinem Vater dann vor einigen Monaten erklärt, nicht in seine Fußstapfen treten zu wollen. Stattdessen wollte ich Soldat werden. Hauptsache weit weg von Piräus. Natürlich hatte ich letzteres nicht ausgesprochen, doch ich denke, er hatte verstanden was mich trieb.


    Nun stand ich hier im Hafen und wartete darauf, den Truppentransporter zu besteigen, der mich nach Antiochia bringen sollte. Eines störte mich an dieser Sache. Scheiße Mann, warum musste ich erst auf ein Schiff, um zur Legion zu kommen? Wenn ich hätte Schiffchen fahren wollen, wäre ich doch zur Classis gegangen! Mir wurde jedes Mal speiübel, wenn ich auf einem Kahn war. Bei dem Gedanken, mehrere Tage, ja sogar Wochen auf einem Schiff leben zu müssen, wurde mir jetzt schon schlecht!

  • Nachdem die Charybdis, aufgrund ihrer, auf Kreta erhaltenen neuen Befehle, in Piräus festgemacht hatte und der neue Tribunus Laticlavius der XII. Legion nach Athen abgereist war, ging die übrige Schiffsmannschaft unter der Ägide von Trierarchus Gaius Obsidius Barbillus daran die neuen Vorräte aufzunehmen, während sich Centurio Classicus Appius Icilius Ahenobarbus und sein Optio um die Schar neuer Rekruten kümmerten. Centurio Ahenobarbus schritt durch das versammelte Grüppchen und schwang seine Vitis* in engen kreisenden Bewegungen in ihre Richtung und brüllte "MILITES, IN ACIEM STATE!**"


    Natürlich gab es hierbei zuerst ein wenig Durcheinander und es sah in der Ausführung bei weitem nicht so aus wie es eigentlich aussehen sollte, aber etwas besseres war auch nicht zu erwarten gewesen. Das hier waren grünfrische Rekruten, die jetzt gerade ihren allerersten militärischen Befehl erhalten hatten, deshalb war der Centurio Classicus für heute nachsichtig. Formationstraining würden sie noch früh genug bekommen, hier jetzt ging es um die passende Registrierung der Anwesenden und diese funktionierte am schnellsten und effizientesten, wenn die Neuen in einer Linie standen.


    "Soldaten! Während eurer Rekrutierung hat jeder von euch eine Marke und ein ausgefülltes Meldeformular erhalten. Zeigt mir beides vor, wenn ihr an der Reihe seid, damit wir eure Anwesenheit bestätigen können und ihr zum Transport auf der Charybdis berechtigt seid! Sobald ihr mit unserer Liste verglichen wurdet, tretet ihr einen Schritt vor, fangen wir an!"


    Nachdem also alles klar war, ging der Centurio zusammen mit dem Optio und einem Schreibergehilfen, der eine Liste in Händen hielt, von links nach rechts die Reihen durch. Der Centurio stellte sich mit einem auffordernden Blick vor den ersten Rekruten und hielt vor ihm seine linke Hand auf (in der rechten hielt er immer noch die Vitis). Schüchtern zeigte der Junge seine Marke vor, dann händigte er Ahenobarbus seine Rekrutierungsmeldung aus:


    Rekrutierungsmeldung


    Name: Nero Canuleius Marcellus

    Alter: 21 Jahre

    Besondere Fähigkeiten: Lesen, Schreiben, Reiten

    Rekrutierungsort: Korinth


    Ahenobarbus ließ kurz seinen Blick auf der Meldung ruhen, dann gab er sie zurück und sprach für den Schreibergehilfen mit seiner Liste laut und deutlich: "Nero Canuleius Marcellus!" Einmal ein schneller Blick die ganze Liste hinunter und wieder hoch und schon war darauf besagter Name gefunden und durchgestrichen worden. Dieser Rekrut war also korrekt gemeldet worden. "Vortreten!"

    Canuleius Marcellus trat einen Schritt aus der Linie hervor, damit jeder wusste, dass er bereits überprüft worden war, dann ging der Centurio auch schon einen Schritt weiter zum nächsten. Dieser zeigte ihm wieder seine Marke und händigte ihm seine Rekrutierungsmeldung aus:


    Rekrutierungsmeldung


    Name: Appius Crepereius Cerrinius

    Alter: 25 Jahre

    Besondere Fähigkeiten: Lesen, Schreiben

    Rekrutierungsort: Athen


    "Appius Crepereius Cerrinius!" Auch dieser stand auf der Liste des Gehilfen. Ahenobarbus gab ihm seine Tafel zurück. "Vortreten!", und schon weiter zum nächsten. So ging es immer weiter, ein Rekrut nach dem anderen. In der Mitte der Reihe fand sich dann doch einer, der zwar seine Rekrutierungsmeldung bei der Hand, jedoch seine Marke verloren hatte. "Einen Schritt aus der Linie zurücktreten!" Dieser Rekrut war vorerst aussortiert. Um ihn (und weitere eventuelle Fälle mit fehlender oder mangelhafter Meldung) würde sich später gekümmert werden. So wurde also wieder ein Rekrut nach dem anderen abgeglichen, bis der Centurio Classicus schließlich vor einem drahtigen jungen Burschen mit schwarzem Haar stand und vor ihm in Erwartung der Rekrutierungsmeldung die linke Hand aufhielt.


    Sim-Off:

    * = Die Vitis ist ein Stab aus Rebenholz, den römische Centurionen als Rangabzeichen an der rechten Seite tragen und die auch als Bestrafungsinstrument für Soldaten dienen kann (Stockschläge).

    ** = Soldaten! In einer Linie stillgestanden!

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  • Ein wenig kritisch beäugte ich diese Nussschale, der ich mein Leben anvertrauen würde. Auch wenn die Wintersonne auf uns herabschien und heute der Himmel herrlich blau war, konnte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es da draußen auf dem Meer richtig ungemütlich zugehen konnte. Ich war am Meer aufgewachsen und hatte einige heftige Winterstürme miterlebt. Eigentlich hätte ich mich fragen sollen, was ich hier gerade tat. Allerdings war der Wunsch, endlich von zu Hause weg zu kommen wesentlich größer. Da war es doch besser, sich einfach abzulenken und sich mit einigen der neuen Kammeraden auszutauschen. Schließlich würden sie in den nächsten Monaten so etwas wie meine Familie sein. Außerdem verging so die Zeit schneller, denn das ewige Warten nervte schon sehr.

    Nach einer Weile aber schien dann doch die scheinbar ewige Warterei ein Ende zu haben. Als ein Centurio mit seinem Optio erschien, wurde es unter den Neuen nach und nach ganz still. Wie immer brauchte es eine Weile, bis auch der Letzte gecheckt hatte, dass es nun besser war, die Klappe zu halten und dafür die Ohren zu spitzen. Wobei es schon eine Kunst war, das Gebrüll des Centurios zu überhören.

    So gut es ging stellten wir uns in einer Linie auf. Mhh, was war gleich noch die Definition für eine Linie? Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf einer Oberfläche oder in einem Raum. Unser Gebilde hatte wohl eher Ähnlichkeit mit einer Kurve. Na ja, das war sicher noch ausbaufähig! Trotz allem empfand ich einen gewissen Stolz, hier sein zu dürfen. Der Centurio hatte uns Soldaten genannt, als er meinte wir sollten nun unsere Marke und das ausgefüllte Meldeformular vorzeigen. Ja, genau das Meldeformular, welches ich noch nicht griffbereit in meiner Hand hielt, sondern das noch irgendwo in meiner Tasche herumdümpelte und auf schöneres Wetter wartete. Als der Centurio sich mir langsam aber unaufhaltsam näherte, verspürte ich plötzlich von rechts einen unsanften Rempler in meiner Seite. "Das Formular!", wisperte mein Nebenmann." He! Äh, was?" Ich wollte mich ja schon beschweren, begriff aber, das das gerade ungünstig war. "Dein Meldeformular und die Marke, du Idiot!" zischte mein Nebenmann zurück. "Oh!"entgegnete ich und zückte schnell meine Tasche, um beides gekonnt herauszufischen. Gerade noch rechtzeitig, bis der Centurio schließlich vor mir stand und seine linke Handaufhielt. Aus einem Reflex heraus, wahrscheinlich weil ich so ein netter Junge war, lächelte ich dem Centurio zu, als ich ihm die Marke und das Meldeformular reichte.


     . 

    Rekrutierungsmeldung


    Name: Titus Decimus Scamander

    Alter: 18 Jahre

    Besondere Fähigkeiten: Lesen, Schreiben

    Rekrutierungsort: Athen


  • Dieser Nebenmann war Tiberius Ovinius Macer gewesen, ein Junge aus Athen. Das Getuschel der beiden hatte der noch ein paar Mann von ihnen entfernte Centurio soweit mitbekommen gehabt, dass er wusste, dass jemand in der Linie gesprochen hatte, auch wenn er nicht genau bestimmen konnte wer. "RUHE!"


    Tiberius Ovinius Macers Meldung war ebenfalls korrekt:


    Rekrutierungsmeldung


    Name: Tiberius Ovinius Macer

    Alter: 19 Jahre

    Besondere Fähigkeiten: Lesen, Schreiben, Singen

    Rekrutierungsort: Athen


    Macer trat einen Schritt vor, dann war Centurio Ahenobarbus bei Scamander angekommen. Das Lächeln des Jungen ignorierte der Kommandant, viel wichtiger für ihn war, dass der Rekrut seine Marke bei sich hatte und auch die Rekrutierungsmeldung vorweisen konnte.


    Rekrutierungsmeldung


    Name: Titus Decimus Scamander

    Alter: 18 Jahre

    Besondere Fähigkeiten: Lesen, Schreiben

    Rekrutierungsort: Athen


    Ahenobarbus las die vollständig ausgefüllte Meldung, dann sprach er seinen Namen ebenfalls laut aus: "Titus Decimus Scamander!" Der Gehilfe prüfte die Liste, während der Centurio Scamander seine Tafel zurückgab. Der Gehilfe hatte Scamanders Namen auf der Liste gefunden, einmal genickt und durchgestrichen. "Vortreten!" Und schon wandte er sich Scamanders rechten Nebenmann als nächstes zu. Macer indessen grinste Scamander an.


    Nachdem der Centurio einmal durch die ganze Linie gegangen war, waren nun alle Rekruten in korrekt Gemeldete und Aussortierte geteilt. Letztere würden noch eine Weile länger warten müssen, denn jetzt ging es endlich daran, dass jeder erfuhr in welcher Legion sie für die nächsten Jahre dienen würden. Im Gegensatz zu den Offizieren bekamen einfache Legionäre nach ihrer Rekrutierung ja keinen Marschbefehl per Post zugesandt, wo ja viele nicht einmal eine eigene Anschrift besaßen, sondern am Tage ihres Transports in Form einer kleinen Tonmarke, auf der die Nummer der zukünftigen Legion und der Name des Rekruten vermerkt waren (um eventuelle Tauschgeschäfte untereinander von Anfang an zu unterbinden). Der Gehilfe legte die Liste weg und holte nun von einem in der Nähe stehenden Soldaten den Korb herbei, den dieser getragen gehabt hatte. In ihm lagen die Marken mit den Legionszuteilungen. "Mögen wir nun erfahren, wo ihr in Zukunft dienen werdet! Wenn ich euren Namen aufrufe, kommt ihr vor, nehmt eure Marke entgegen und merkt euch auf welchem der Schiffe ihr mitfahren werdet. Geht anschließend direkt an Bord, wo ihr von den einzelnen Schiffskommandanten weitere Instruktionen für eure Unterbringung erhalten werdet. Wir fangen mit den Rekruten für die XXX. Legion an! Euer Schiff wird die Excelsior sein!" Dabei deutete der Centurio auf eine der beiden Triremen, die die Charybdis neben der Galeere schon die ganze Reise seit Ostia über als Geleitschutz gedient hatten. Ahenobarbus nahm eine erste Marke aus dem Korb der Rekruten für die Dreißigste und las laut den Namen vor. Ein kleiner Junge aus der Mitte der Linie kam hervor, nahm seine Marke entgegen, auf der sein Name und ein unübersehbares "XXX" eingeritzt war und ging anschließend in Richtung der Trireme links von der Charybdis davon, die den Namen "Excelsior" trug. Auch Appius Crepereius Cerrinius von vorhin wurde ein Rekrut der XXX. Legion.


    "XI. Legion! Euer Schiff wird die Lusitania sein!" Der Centurio wies auf die Galeere rechts der Charybdis und der beiden Triremen. Nero Canuleius Marcellus aus Korinth von vorhin ging unter anderem an Bord dieses Schiffs. Danach kamen noch die Aufrufe für die IV. und nach denen für die X. Legion an die Reihe. Die Rekruten für die IV. Legion fuhren ebenfalls auf der Excelsior, die von der X. waren auf der Charybdis selbst untergebracht. Danach standen nur noch 15 Jungen in der Linie. "Letzter Aufruf für die XII. Legion! Euer Schiff ist die Charybdis! Alle, die noch in der Linie stehen sind dieser Legion zugeteilt! Nachdem ich euren Namen aufgerufen habe, tretet ihr für eure Marke vor und geht an Bord, weiter gehts!"


    Tiberius Ovinius Macer stand immer noch neben Scamander. An diesen gewandt flüsterte er: "Spitze, wir sind in der gleichen Legion!" Kaum hatte er den Mund geschlossen, als er da auch schon aufgerufen wurde. "Tiberius Ovinius Macer!"


    XII

    Tiberius Ovinius Macer


    Macer trat vor, nahm seine Marke und steuerte auf die Charybdis zu, wo ihn schon Trierarchus Barbillus erwartete. Als dem drittletzten rief dann der Centurio auf: "Titus Decimus Scamander!"


    XII

    Titus Decimus Scamander

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  • Unser kleines 'Gespräch' war nicht unbemerkt geblieben. Als ein unmissverständliches 'RUHE!' erschallte, verkniff ich mir jedes weitere Wort. Für mein dämliches Lächeln, als der Centurio vor mir stand, schämte ich mich schon kurz darauf. Aber zum Glück aber hatte der Centurio heute seinen guten Tag, so dass es für mich und meinen Nebenmann, dessen Name Macer lautete, erst mal keine Konsequenzen bedeutete.

    Macer grinste mir zu, als der Centurio an mir vorbeigeschritten war. Mein dämliches Lächeln war mir zum Glück vergangen. "Danke Mann!" flüsterte ich Macer zu. Wahrscheinlich würden wir sowieso schon bald wieder getrennte Wege gehen, da es kurze Zeit später darum ging, welcher Legion beziehungsweise welchem Schiff wir zugeteilt wurden. Manche von uns waren von Anfang an aussortiert worden. Aber ich hatte Glück und schon bald würde es 'vale Piräus!' heißen.

    Der Platz wurde mit der Zeit immer leerer. Ob es nun Fluch oder Segen war, dass Macer und ich letztendlich zu den letzten fünfzehn Mann gehörten, die noch auf dem Platz standen, sollte sich gleich herausstellen. Wir hatten Glück, denn wir wurden beide der 12. Legion zugeteilt. Macer hatte sich noch gefreut, dass wir beide zur zwölften kommen sollten. "Toll!", entgegnete ich ihm, bevor ich dann selbst aufgerufen wurde, Aber wahrscheinlich dachte er nicht daran, dass im Idealfall noch schlappe 5498 andere Soldaten dieser Legion angehörten.

    Schließlich folgte ich Macer und bestieg die Charybdis.


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