Der erste Morgenappell der neuen Rekruten

  • Wenige Stunden später nur, nachdem sich die neuen Rekruten von ihrem kleinen Gewaltmarsch von Seleukia Pieria hierher in ihren neuen Baracken hinlegen haben konnten, setzten da frühmorgens die Bucinatores auch schon wieder das Mundstück ihrer Bucinae an die Lippen und bliesen das Zeitsignal zum Morgenappell. Die schon länger dienenden Soldaten in den anderen Baracken wussten natürlich was zu tun war und begannen aufzustehen und sich zum Antritt fertig zu machen. Indes ging Optio Appius Herminius Creticus von Baracke zu Baracke der neuen Rekruten, um ein Neulings-Contubernium nach dem anderen aus den Federn zu schmeißen. "AUFSTEHEN IHR WASCHLAPPEN! AUFSTEHEN UND AUF DEN CAMPUS MIT EUCH! MARSCH! MARSCH! MARSCH!"


    Auf diesen netten Morgengruß hin kam es in jeder Neulingsbaracke zu hektischem Treiben hin. Da fielen hier Leute aus dem Bett und dort versuchte einer verzweifelt sich seine Schuhe und die Tunika gleichzeitig anzuziehen. Die Neuen hatten noch keine Ausrüstung erhalten, weshalb sie "nackt" wie sie waren zu ihrem ersten Appell antreten müssen würden. So also ging Optio Creticus aufwecken. "AUFSTEHEN UND AUF DEN CAMPUS! AUFSTELLEN IN EINER LINIE! WIRDS BALD!"

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    Ein wenig chaotisch musste es schon gewirkt haben, als wir Neuen hinaus aus unseren Baracken gestürmt waren, um uns auf dem Campus in einer Reihe aufzustellen. Mancher von uns sah noch richtig verschlafen aus. Ich war nun auch nicht wirklich topfit, aber ich gab mir Mühe, mir das nicht unbedingt anmerken zu lassen. Ich hatte ja gewusst, dass die nächsten vier Monate hart werden würden und schließlich war ich ja auch keine Mimose. Also hieß es ab jetzt 'Zähne zusammenbeißen und früher ins Bett gehen, wenn möglich'.

    Auch diesmal war unsere Linie noch weit davon entfernt, perfekt zu sein. Aber es war ja auch erst unser erster Tag!

  • Normalerweise wurde der Morgenappell nicht auf dem Campus abgehalten, doch neue Rekruten wurden hierfür beim ersten Mal schon gern aufs freie Feld gestellt. So waren sie unabgelenkter und verzögerten nicht den regulären Appell ihrer übrigen Centurie. Centurio Gaius Varius Asina war der neue vorgesetzte Offizier der gestern angekommenen Rekruten. Er würde heute mit ihnen sprechen, während sich sein Optio den übrigen Soldaten der Centurie vor der Bracke annehmen würde.


    Nachdem sich also die Neuen am Campus in einer Linie aufgestellt hatten, erschien da auch schon ihre zukünftige Nemesis. Varius Asina war ein bärbeißiger Mann. Mit strengem Blick und die Vitis in der rechten Hand trat er vor die Tirones. "Milites state! Oculos ad prosam!"

    Der Centurio wartete, bis seinem Befehl Folge geleistet worden war. "Tirones, seid Willkommen in der Legion! Ich bin Centurio Gaius Varius Asina, euer neuer Befehlshaber! Merkt euch gut, was ich euch im folgenden jetzt sagen werde, denn ich werde es nur einmal sagen, verstanden?" Die meisten der vierzig angetretenen Rekruten gaben einen kollektiven Ruf der Zustimmung von sich. Der Centurio nickte. "Ich werde euch als nächstes sagen in welcher Einheit ihr ab sofort dient, diese müsst ihr immer wissen! Danach einige allgemeine Einführungen. Ist auch das erledigt geht ihr zurück ins Lager, um euch medizinisch untersuchen zu lassen und euch eure Ausrüstung im Armamentarium abzuholen. Dann seid ihr auch schon bereit für den 13 Meilen-Marsch*, den wir um die Mittagszeit heute noch machen werden! Das ist der Plan für den heutigen Tag! Irgendwelche Fragen?"


    Sim-Off:

    Soldaten, stillgestanden! Augen geradeaus!


    Sim-Off:

    * = 20 km-Marsch

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  • Auch den übrigen Rekruten aus Decimus Scamanders Contubernium taten sich an diesem Morgen alles andere als leicht. Alle waren in hektische Bewegungen ausgebrochen, als der Optio Wecken gekommen war, Firmius Damasippus hatte es dabei auch tatsächlich geschafft aus dem Bett zu fallen. Während des Ankleidens murrte Gnaeus Cincius Centho, der Älteste von ihnen, dass er von gestern noch einen schmerzenden Rücken hätte Scamanders bislang neuer bester Freund, Tiberius Ovinius Macer, hatte immer noch übel zugerichtete Füße vom Fußmarsch, jedoch zu seiner Verteidigung muss hierbei auch angefügt werden, dass er sich am Ende fast am meisten schwer mit dem Marsch getan hatte durch das unbedachte Verschwenden seiner Energie am Anfang. Vergangene Nacht hatte sich Macer ebenfalls etwas von Gaius Falanius Frugis Ringelblumensalbe ausgeborgt und seine Füße dick einbandagiert. Im Scherz hatte er vor dem Zubettgehen zu Lyso noch gesagt gehabt, dass die ihnen heute bestimmt einen Tag Ruhe gewähren würden, um sich von den ungewohnten körperlichen Anstrengungen ausruhen lassen zu können, doch später am Campus wurden sie eines besseren belehrt.


    Macer machte ein ungläubiges, ja fast verzweifeltes Gesicht, als ihr neuer Centurio ihnen eröffnete, dass sie heute NOCHMAL 13 Meilen marschieren sollten! Auch "Großväterchen" Cincius Centho schluckte bei diesen Neuigkeiten. Da würde sich sein Rücken aber freuen dürfen.

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  • Noch waren wir alle darauf gespannt, was der neue Tag uns bringen mochte. All diejenigen, die vom Marsch am Vortag noch gebeutelt waren (zu denen ich ja auch gehörte), hofften auf so etwas wie einen Ruhetag. Allerdings machte ich mir da kaum Hoffnungen. Das letzte Fitzelchen Hoffnung ging in dem Moment flöten, als unser Centurio erschien. Alleine schon sein Blick ließ darauf schließen, dass man es sich mit ihm am besten nicht verscherzen sollte.

    Nach einer kurzen Begrüßung, ließ er uns wissen, wie es für uns heute weitergehen sollte. Medizinische Untersuchung, Ausrüstung abholen, Dreizehn Meilen Marsch! "Scheiße!" horte ich es aus Centhos Mund raunen und auch mein Freund Macer seufzte, denn auch seine Füße waren stark mitgenommen gewesen. Ich war auch nicht gerade entzückt von unserem Tagesprogramm. Aber mal ehrlich, was hatte ich denn erwartet? Das würde kein entspannter Frühlingsspaziergang werden. "Wir schaffen das, Jungs!" raunte ich meinen Kameraden zu, obwohl ich das selbst nicht so ganz glauben wollte.

  • Centurio Asina wartete einige Momente, doch niemand meldete sich mit einer Frage. Sehr schön, so mochte er es. "Nun denn, beginnen wir! Ihr wurdet bereits bei eurer Ankunft in Contubernia eingeteilt, wird Zeit, dass ihr auch den Rest eurer Zugehörigkeit erfahrt! Achtung! Ihr dient unter meinem Kommando in der 1. Centurie des 2. Manipels der IV. Kohorte der Legio XII Fulminata! Alle Mann laut nachsprechen! XII. Legion, IV. Kohorte, 2. Manipel, 1. Centurie!"

    Der Centurio sah zu, wie die vierzig anwesenden Rekruten laut ihre neue Truppenzugehörigkeit aufsagten. Dies wäre fortan ihre Einheit in der Legion und damit waren sie auch bei tausenden von gleichzeitig anwesenden Soldaten eindeutig identifizierbar, verbunden mit der zugehörigen Vorgesetztenkette. "XII. Legion, IV. Kohorte, 2. Manipel, 1. Centurie!"


    Nachdem dies geklärt war, ging es an die allgemeinen Ausführungen. "Kommen wir nun zu einigen weiteren Dingen. Zuerst der genaue Aufbau einer Legion, eurer neuen Heimat. Gehen wir ihre Struktur vom kleinsten Nenner der Reihe nach bis zum größten vor. Ganz am Anfang der Kommandokette steht euer Contubernium, eure Zeltgemeinschaft. Das sind jene Männer, mit denen ihr euer Nachtlager teilt, zusammen esst und zusammen kämpft! Ein Contubernium besteht aus 8 Mann. 10 Contubernia bilden eine Centurie von 80 Mann. 2 Centurien bilden ein Manipel von 160 Mann. 3 Manipel bilden eine Kohorte von 480 Mann. Jede Legion zählt 9 solcher regulären Kohorten. Doch dazu kommt noch die I. Kohorte, die immer aus 800, anstatt der üblichen 480 Mann besteht, gebildet durch 5 Doppelcenturien zu je 160 Mann. Weiters gibt es 120 Reiter für Aufklärungs- und Meldedienste, organisiert in 4 Turmae zu je 30 Mann. Der Legionsstab zählt ebenfalls nochmals 250 Stabsoffiziere und Stabssoldaten, was eine Standarttruppenstärke von rund 5500 Mann pro Legion ausmacht!" Eine kurze Pause.

    "Wiederholen wir! Eine Legion von 5500 Mann besteht aus 9 Kohorten zu je 480 Mann, einer I. Kohorte zu 800 Mann, aus 4 Turmae Kavallerie zu je 30 Mann und dem Legionsstab aus 250 Mann! Aufbau einer Kohorte! 3 Manipel! Ein Manipel aus 2 Centurien, eine Centurie aus 10 Contubernia, ein Contubernium aus 8 Mann!"


    Jetzt wo der genaue Aufbau einer Legion geklärt war, ging es daran sich auf jene Aspekte der Kommandostruktur zu konzentrieren, die die Soldaten im Alltag hauptsächlich betreffen würden, nämlich ihr Contubernium und ihre Centurie. Alles darüber war im friedlichen Lagerleben nichts als heiße Luft. Kommandostrukturen ohne jede Substanz, die nur wichtig wurde, wenn die ganze Legion zum Manöver, oder auf einen Feldzug ausrückte. "Merkt euch den Aufbau! Die Strukturen einer Legion muss jeder Miles im Schlaf beherrschen, sollte ich euch mitten in der Nacht aus den Federn schütteln, erwarte ich, dass ihr mir prompt und fehlerlos den Aufbau einer regulären Kohorte und der gesamten übrigen Legion aufsagen könnt!" Das Gesicht des Centurio macht deutlich, dass dies vermutlich nicht nur eine rhetorische Floskel gewesen war, dass er einzelne Contubernia nachts in ihren Schlafräumen zum Zwecke der Überprüfung ihres organisatorischen Wissensstands aufsuchen würde.

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  • Die Männer des 5. Contuberniums verfolgten zusammen mit den übrigen 32 Rekruten aufmerksam die Ausführungen ihres neuen Centurios, Gaius Varius Asina. Dieser verriet ihnen, dass sie von nun an Teil der 1. Centurie des 2. Manipels der IV. Kohorte wären. Die genaue Zahl ihres Contuberniums (z.B., dass Decimus Scamanders Zeltgemeinschaft das 5. Contubernium der 1. Centurie war), wussten sie schon durch den gestrigen Optio, der sie zu Achtergruppen zusammengestellt und ihnen ihre Nachtquartiere in der Baracke der 1. Centurie angewiesen gehabt hatte. Er hatte jedem Contubernium seine Zahl genannt, außerdem stand sie auch noch einmal über der Tür bei der Baracke. Im Falle ihrer Einheit also eine V.


    Der erste Teil von Centurio Asinas Vortrag bereitete noch keine Schwierigkeiten. Brav sprachen Damasippus, Frugi, Lyso etc. ihre neue Einheitenabfolge nach. War doch sowieso einfach zu merken! Doch bei der anschließenden Aufschlüsselung des genauen Aufbaus einer Legion, konnte man da schon wesentlich mehr Fragezeichen über den Köpfen der Neuen erkennen. Firmius Damasippus z.B. hatte die Zunge zwischen die Zähne eingeklemmt und versuchte mit hochkonzentriertem Blick die einzelnen Einheiten und die zugehörigen Zahlen der Truppenstärken gleich von Anfang an im Kopf zu behalten. Als Händlerssohn war er ja an Zahlen und tabellarischen Aufzählungen halbwegs gewöhnt. Numerius Lyso hatte da mit seinem landwirtschaftlichen Hintergrund schon wesentlich mehr Schwierigkeiten bei den ganzen neuen Informationen nicht durcheinanderzukommen, während "Großväterchen" Cincius Centho bereits völlig aufgegeben hatte und stattdessen einfach nur noch den Centurio mit einem leeren Blick ansah. In den nächsten Tagen würde er sich wohl das alles noch einmal von seinen Kameraden näher erklären lassen müssen und im Zweifelsfall würde er einfach mal bei Gelegenheit das Nachbarscontubernium in der Baracke aufsuchen für ein wenig Nachhilfeunterricht.

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  • Das Nachsprechen war auch für Scamander kein Problem. Wohin er und seine Kameraden gehörten, hatte er ja schon gestern erfahren. Doch als der Centurio dann weiter sprach und den Aufbau einer Legion erklärte, war das schon anders. Eigentlich war es ja alles ganz logisch und wer des Rechnens mächtig war, hatte sicher keine Schwierigkeiten damit. Wären da nicht die Ausnahmen gewesen, die scheinbar alles Logische wieder über den Haufen warfen. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr schwirrten ihm die Zahlen durch seinen Kopf. Doch Scamander war kein Dummkopf! Es gab nichts, was man nicht hätte lernen können! Er würde sich in jeder freien Minute damit beschäftigen, bis dass er tatsächlich alles Gehörte auch im Schlaf widergeben konnte. Denn er zweifelte keine Sekunde daran, dass der Centurio gescherzt hatte, als er ihnen damit drohte, sie nachts aus dem Schlaf reißen zu lassen, um sich von ihnen den Aufbau einer Legion erklären zu lassen.


    Dass er nicht der Einzige war, den die vielen Zahlen verwirrten, war sicher klar. Centhos Gesicht aber spiegelte die reine Verzweiflung wider. Wahrscheinlich hätte er jetzt schon wider nach Hause gehen können, hätte ihn jemand gefragt. Jedoch fragte ihn keiner und außerdem war der Weg nach Athen, wie er ja nun wusste, auch ziemlich lang.