[tablinum] Memento Mori - nach der Feier

  • Wie gewünscht waren der Tiberier und Corvina nach der Feier noch geblieben. Als die Gäste sich also verabschiedet hatten, bat Sextus sie, doch einmal im Tablinum Platz zu nehmen. Auch seinen Neffen bat er hinzu, dass es eindeutig etwas von einer Familienversammlung an sich hatte. Auch Lucius war anwesend und nahm auf einen Wink seines Vaters hin Platz.

    Curtia Minor war mit Sextus' Tochter nach oben gegangen, um das Kind zum Schlafen hinzulegen und sich selbst dazu. Da seine junge Ehefrau aber ohnehin die Verstorbene nicht kannte und seine Tochter sie nie kennenlernen würde, war es Sextus so durchaus lieber. Eine vermutlich heulende Frau war mehr als genug.


    Sextus wartete also, bis alle ihre Plätze eingenommen hatten, ehe er sich vor seine junge Verwandtschaft und den Tiberier stellte und die Hände mit den Fingerspitzen aneinander führte, ehe er zu sprechen anfing.

    “Ich habe euch gebeten, nach dem festlichen Teil noch etwas zu bleiben, weil ich euch eine traurige Mitteilung machen muss“, begann er. Es gab keinen schmerzlosen Weg, das folgende zu sagen, und Sextus war kein besonderer Freund ausschweifender Reden und theatralischer Pausen, also fuhr er direkt fort. “Antonia Iavolena ist verstorben. Ich bekam Nachricht von Primus Aurelius Taurus, dass sie den Winter nicht überlebt hat und nach kurzer Krankheit ihrem Leiden erlag. Sie wurde bereits mit allen Ehren in Athen beigesetzt. Ich hoffe, ihr verzeiht, dass ich euch erst jetzt aufkläre, aber ich wollte die Feierlichkeiten zur Namensgebung meiner Tochter nicht durch schlechte Omen und offenkundige Trauer überschattet wissen. Mit ist bewusst, dass meine Mutter zu ihren Enkeln ein enges Verhältnis gepflegt hat und möchte euch damit die Möglichkeit zur Trauer nicht weiter verwehren.“

    Es tat dem Hund nun einmal nicht weniger weh, wenn man ihm den Schwanz in Scheibchen abschnitt. Daher redete Sextus auch zuende und ließ sich darin nicht unterbrechen. Ihm selbst war keine besondere Gefühlsregung anzuerkennen, er hatte mit der Nachricht seines Bruders schon an dem Tag abgeschlossen, als sie gekommen war.

  • Mein Onkel hatte uns nach der Feier noch zusammengeholt. Ich wusste nicht worum es ging. Als ich aber das ernste Gesicht meines Onkels, dass so gar nicht zum heutigen Anlass passte sah, versteifte ich mich. Was konnte passiert sein? Nun meine Onkel hielt uns nicht hin und auch keine langen Reden. Was er aber zu verkünden hatte, zog mir dann doch den Boden unter den Füßen weg.

    Antonia Iavolena unsere Großmutter, sie war … Gerade im Moment verfluchte ich, dass ich einen Mann war und meine Trauer nicht zeigen konnte. Ich senkte meinen Kopf, damit niemand die Tränen, die in meine Augen glitzerten sehen konnte. Ja es war wie mein Onkel gesagt hatte, wir Enkel haben immer ein enges Verhältnis zur Großmutter gehabt und gerade verfluchte ich mich dafür, dass ich es in letzter Zeit das Etruskische hatte schleifen lassen. Ich schwor meine Großmutter jetzt und hier im Stillen, dass ich es wieder intensivieren würde, denn das hätte sie gewollt. Ich stand nun also da, den Blick gesenkt und versuchte mit meiner Trauer zurechtzukommen.

  • Nero hatte ihr die Bitte ihres Onkels überbracht, dass sie danach noch bleiben sollten. Natürlich waren sie daher geblieben und hatten sich im Tablinum versammelt. Corvina saß neben ihrem Mann und wartete, welche Neuigkeit ihr Onkel wohl zu verkünden hatte. Er trat auch bald zu ihnen und redete nicht lang, sondern kam direkt zum Punkt.


    Im ersten Moment saß Corvina ganz still da und rührte sich nicht. Sie saß nur da und starrte vor sich hin ins nichts. Sie atmete nicht einmal wirklich, und die Hand, die sie in Neros Hand zuvor gelegt hatte, wurde ganz kalt.

    Sie hatte ihre Großmutter lange nicht mehr gesehen. Zuletzt an dem Tag, als sie nach Rom geschickt worden war. Antonia Iavolena hatte sie umarmt und ihr zugeflüstert, dass sie stolz auf sie wäre und hatte sie ihr Sonnenscheinchen genannt. Corvina erinnerte sich noch an ihre schlanken Hände mit der weichen Haut, an ihre blauen Augen und den strengen Mund mit dem seltenen Lächeln, das dafür umso wärmer war, wenn es einen traf. Sie erinnerte sich an die Abende mit der Familie, an denen sie vorgelesen hatte, und an die vielen Stunden, in welchen sie ihnen allen etruskisch beigebracht hatte.


    Es dauerte eine Weile, bis das erste Schluchzen kam, dicht gefolgt von weiteren heftigen Schluchzern. Corvina vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und weinte bitterlich mit heftigen Schluchzern. Als Frau erwartete glücklicherweise niemand von ihr, dass sie ihre trauer irgendwie zurückhielt, und so weinte sie, bis sie das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen.

  • Nero spürte wie die Hand seiner Frau kalt wurde und drückte sie sanft, als das erste Schluchzen kam, und sie ihr Gesicht hinter ihren Händen verbarg, streichelte er ihr sanft über den Rücken. Als sie bitterlich weinte, zog er sie sanft auf seinen Schoss und umfing sie in einer Umarmung. Er konnte nicht viel mehr tun, als ihr Halt zu geben. Sie zu halten, ihr sanft über den Rücken zu streicheln und ihr leise tröstende Worte zuzuflüstern. Ja er war eigentlich hilflos, denn er konnte ihr diesen Schmerz, so gern er es auch gewollt hätte nicht abnehmen. So war er einfach nur für sie da und hielt sie in einer engen Umarmung an sich gedrückt.

  • Da Kara dank des Tiberiers schon wusste, was kommen würde, hielt sie sich im Hintergrund auf, als Senator Aurelius seine Ankündigung verlautbarte. Wie zu erwarten brach Corvina erst einmal zusammen. Sie hatte ihre Großmutter sehr geliebt, wie Kara wusste, und jetzt, wo sie ihre Freundin so weinen sah, lief auch Kara eine kleine Träne, die sie aber sofort wegwischte. Es stand ihr nicht zu, hier herumzuheulen, und sie wollte sich die Blöße auch nicht geben.


    Kara kannte Corvina sehr gut, und als die vor Weinen anfing, nach Luft zu japsen, war ihr klar, dass an eine schnelle Rückkehr in die Ville Tiberia wohl nicht zu denken war. Zum Glück hielt ihr Mann sie im Arm und tröstete schon, so gut er konnte. Auch, wenn er wohl nicht viel machen konnte. Kara kannte das schon, Corvina würde weinen, bis sie erschöpft einschlief.

    Sie überlegte kurz und trat dann demütig einen Schritt nach vorne, wohlwissend, dass sie dem ungeschrieben Gesetz der Villa widersprach und sich aus ihrer Zimmerpflanzenecke herausbewegte.

    “Dominus, darf ich das alte Zimmer meiner Domina herrichten, damit sie sich etwas ausruhen kann?“ fragte sie leise, aber doch deutlich vernehmbar. Vermutlich würde nicht viel herzurichten sein, in acht Wochen konnte wohl kaum eine schlimme Verunstaltung stattgefunden haben. Aber so würde Corvina einen Rückzugsort haben, wo sie dann auch erst einmal einschlafen würde können.

  • Wie zu erwarten nahmen die Männer es eher mit Fassung, während Corvina anfing, herzzerreißend zu schluchzen. Lucius schaute betreten zu Boden und ließ die Schultern hängen und wandte sich nach einer Weile ab. Rufio ließ den Kopf hängen und der Tiberier hielt einfach nur seine Frau in dem versuch, sie irgendwie zu beruhigen. Sextus hätte sie ihm gerne abgenommen und sie selbst getröstet, aber er war nur der Zuschauer dieses Schauspiels.


    Eine Sklavin trat vor, die hübsche Dunkle, die Corvina mitgebracht hatte und die sie auch zu den Tiberiern begleitet hatte. Sie bat um Erlaubnis, ihr Zimmer zu richten. Sextus entließ sie mit einem kurzen Winken, damit sie ihre Pflicht versah.

    “Vielleicht ist es in der Tat gut, wenn Corvina sich etwas zurückziehen kann“, sprach Sextus zu Tiberius Caudex. “Ihr Zimmer ist oben.“ So lange würde die kleine Sklavin sicherlich nicht benötigen, alles herzurichten. Sextus erwartete immer einen tadellosen Zustand aller Zimmer, auch derjenigen, die nicht genutzt wurden.

  • Nero nickte seinem Patron zu und erhob sich mit Corvina auf den Armen. „Liebling ich bring dich nach oben.“ Flüsterte er ihr zu. Er wusste nicht ob sie es mitbekam, ihr Weinen war inzwischen in ein herzzerreißendes Wimmern übergegangen. Nero trug sie sicher in seinen Armen zu ihrem alten Zimmer, hier wartete auch schon kara. Nero sah auf und flüsterte ihr ein lautloses „Danke“ zu. Ja so gern er sie auch hochnahm. Hier und jetzt war er Kara einfach nur von Herzen dankbar das die da war. Nero legte seien Frau vorsichtig auf ihr altes Bett und sah dann zu Kara. Sie kannte Corvina besser und wusste wohl eher was zu tun war. Nero war gerade hilflos und überfordert, was man ihm wohl auch überdeutlich ansah.

  • Im Zimmer war nicht wirklich was zu tun. Kara schlug einfach nur die Decke des Bettes zurück und lüftete noch einmal ordentlich, als dann auch schon der Tiberier mit Corvina auf dem Arm kam und sie aufs Bett legte. Er sah recht hilflos aus. Gut, er hatte seine Frau auch noch nie so erlebt und wahrscheinlich recht wenig Ahnung davon, wie man sensible, junge Frauen tröstete. Kara hingegen hatte sehr viel Ahnung davon, wie man Corvina tröstete.

    Sie zögerte nicht einmal und legte sich zu Corvina einfach ins Bett, kuschelte sich ganz dicht an sie und streichelte ihr über die Seite. Das hatte sie schon so oft getan in ihrem Leben, dass sie nicht wusste, ob es ihr jemals komisch vorgekommen war. Aber wenn Corvina Angst hatte, sich traurig und verlassen fühlte, dann brauchte sie einfach nur eines: Nähe.

    Kara gab Caudex einen Wink, dass er sich auch zu ihnen legen sollte – natürlich auf die andere Seite von Corvina, nicht an Kara als Zwischenstück. Sie hoffte doch sehr, dass das klar war.


    War es seltsam, mit Corvina und ihrem Mann in einem Bett zu liegen und zu kuscheln? Ja. Einfach nur JA. Kara sah kurz mit einem warnenden Blick zu ihm, aber der war wohl gar nicht nötig. Der Tiberier sah grade eher aus wie ein Hundewelpe, als wie irgendwer, der auch nur ansatzweise einen versauten Gedanken hegen könnte.

    “Einfach streicheln, bis sie eingeschlafen ist“, flüsterte Kara ihm leise über Corvinas beständige Schluchzer hinweg zu und tat ihrerseits dasselbe, während sie leise vor sich hin summte.

  • Nero nickte und legte sich neben seine Frau. Er streichelte sie und versuchte ihr zu vermitteln, das sie nicht allein war. Nur ganz kurz sah er zu Kara und fing ihren Blick auf. Er verstand den gerade nicht denn seine Gedanken waren gerade nur bei seiner Frau, ihrer Trauen und vor allem bei der Sorgen ob das Auswirkungen auf das Kind haben können. Er hatte Angst, einfach nur viel zu großen Angst um Corvina und sein ungeborenes Kind. „Liebling wir sind hier. Kara, ist da ich bin da. Du bist nicht allein.“Flüsterte er ihr immer wieder leise zu.

  • Von den weiteren Besprechungen bekam Corvina nicht wirklich etwas mit. Ihr Kopf war gefüllt mit den Erinnerungen an ihre Großmutter, an die vielen kleinen Dinge, die sie mit ihr verband, die leisen Gesten, das seltene Lachen, das gemeinsame Weben. Die Art und Weise, wie sie das ganze Haus zusammengehalten und geführt hatte. Dass sie nicht mehr da sein sollte, war einfach unvorstellbar.

    Sie bekam auch nicht mit, dass sie nach oben in ihr altes Zimmer getragen wurde und dann auf dem Bett lag. Am Rande bekam sie mit, dass Kara da war und sie umarmte und streichelte, und dass Nero ebenfalls da war und auf sie einsprach. Sie weinte einfach, zog die Person vor ihr – Nero – näher an sich und versicherte sich mit einem Griff nach hinten, dass Kara auch noch da war. Und so weinte sie, bis ihr Kopf von allem befreit war und ihr Atem gleichmäßig und tief ging, weil sie eingeschlafen war.

  • Als Corvina anfing, sich näher an ihren Mann zu kuscheln, hatte Kara schon Hoffnung, dass sie sich von ihr lösen könnte, aber nein, ihre Freundin griff auch nach hinten und zog Kara dicht an sich. Sie kuschelte sich also ganz dicht an ihre Freundin und gab ihr einen leichten Kuss auf ihr Haar. Danach kuschelte sie sich einfach ganz eng weiter an sie und ignorierte die gelegentlichen Berührungen mit deren Ehemann. Irgendwann ging dann Corvinas Atem nur noch gleichmäßig. Kara richtete sich ganz leicht auf, und als die Bewegung Corvina nicht weckte und sie sicher war, dass sie schlief, löste sie sich ein wenig mehr von ihr und vor allen Dingen von ihrem Mann und stützte sich halb auf einen Arm auf im Bett, um zu dem Tiberier zu schauen.

    “Wenn sie aufwacht, wird es ihr besser gehen. Sie muss nur einmal alles rauslassen“, flüsterte sie ihm ganz leise zu. “Möchtest du alleine mit ihr sein?“ fragte sie dann noch ebenso leise, denn es fühlte sich nach wie vor mehr als seltsam an, so zu dritt im Bett zu liegen.

  • Nero hielt seine Frau einfach nur fest und als sie ihn nähe zog, folgte er widerstandslos und lag nun ganz dich bei ihr. Er streichelte sie sanft und berührte dabei wohl gelegentlich auch Kara. Aber er maß dem keine Bedeutung bei. Als sie eingeschlafen war und Kara sich vorsichtig aufrichtete, sah er auf und griff nach Karas Hand. Er schüttelte den Kopf. „Nein bleib.“ Sagte er ganz leise. „Du hast auch jemanden verloren. Gestatte dir zu trauern. Wenn du willst kann ich gehen.“ Bot er statt dessen an.

  • Mit einem stänkernden Caudex kam Kara klar. Mit einem strengen Caudex kam Kara klar. Der fürsorgliche war ihr unheimlich. Sie sah auf seine Hand, die ihre festhielt, und sah dann zu dem dazugehörigen Mann auf. Sie sollte hier und jetzt trauern? Und er wollte dafür gehen?

    “Wir streiten uns jetzt nicht ernsthaft darüber, wer hier bei Corvina bleiben soll, oder?“ fragte sie ihn ernst. “Du bist ihr Ehemann, in ihr ist dein Kind, du bleibst gefälligst hier.“ Ja, das war keine Bitte. Dass Kara nur Sklavin war überging sie an dieser stelle einfach mal dezent. Der Tiberier sah grade nicht so aus, als lege er großen Wert darauf, jetzt Entscheidungen zu treffen.

    “Wenn du mich lieber mit dabei haben willst, dann bleib ich. Ansonsten würde ich einmal schauen, wie es Rufio geht.“ Nein, Kara hatte nicht vor, hier und jetzt zu trauern. Irgend jemand hier musste stark sein. Und für Corvina war sie schon immer stark gewesen.

  • Nero nickte, er drückte nochmal kurz ihre Hand und ließ sie dann los. „Danke Kara und in ein paar Tagen frotzeln wir wieder, versprochen.“ Sagte er, denn er war ihr gerade wirklich einfach nur dankbar, dass sie da war. „Geh nach Rufio sehen.“ Sagte er und zog sein Frau in seine Arme und bette ihren Kopf auf seien Brust. Eine Hand streichelte über ihren Rücken Die andere Legte er ganz unbewusst schützend auf ihren Bauch.

  • Oh, ja, da 'freute' Kara sich schon drauf, wenn der Tiberier wieder anfing, zu frotzeln. “Nur, wenn ich Erlaubnis zum zurückfrotzeln habe, sonst gildet das nicht“ flüsterte sie in einem kleinen Anflug von Frotzelei zurück und stand dann auf. Sie sah noch einmal zurück auf Corvina, beugte sich nochmal runter zu ihr und gab ihr nochmal einen sanften Kuss auf den Kopf, ehe sie dann endgültig das Zimmer verließ und die Tür leise hinter sich schloss.

    Sie musste eine der anderen Zimmerpflanzen fragen, wo Rufio war. Anscheinend war auch er auf sein Zimmer gegangen. Kara also atmete einmal kurz durch und ging dann zum Zimmer von Corvinas Cousin. Sie kannten sich ja auch schon ihr ganzes Leben. Er war ein wenig älter als Kara und hatte sie in der Kindheit sehr häufig geärgert, aber er war der einzige aus Athen, der sonst noch hier war. Und im Gegensatz zu Corvina hatte er niemanden, der mit ihm reden würde. Der Hausherr ganz sicher nicht.

    Sie klopfte also an seine Tür. “Ich bin es. Kara. Darf ich reinkommen?“ fragte sie ganz sittsam. Männer waren da manchmal etwas schwierig, und sie wusste nicht, ob er sich grade lieber als starker Kerl und Dominus aufspielen wollte, oder ob er Gesellschaft wollte.

  • Nur kurze Zeit, nachdem Caudex meine Cousine in ihr altes Zimmer gebracht hatte, hate mein Onkel auch uns entlassen. Ich hatte mich in mein Zimmer zurückgezogen und saß nun mit dem Buch auf etruskisch, dass mir meine Großmutter geschenkt hatte, als ich mich nach Rom auf die Reise gemacht hatte ans Fenster gesetzt. Ich hatte nur ihre Widmung an mich gelesen. Seither starrte ich in das Buch und stumme Tränen liefen mir über die Wangen. Als Kara klopfte, sagte ich nur. „Ja komm rein.“ Ich sah aber nicht auf, ob sie dies tat. Ich sah immer noch auf das Buch und fuhr mit meinen Fingerspitzen sanft die Worte meiner Großmutter nach. Jene Worte auf etruskisch, die davon sprachen, dass ich einen große Zukunft haben würde, das mich ihre Gebete und Wünsche begleiteten. „Wie geht es Corvina? Fragte schließlich ich ohne aufzusehen.

  • Natürlich kam Kara dann auch herein. Sie schloss leise die Tür hinter sich und sah zu Rufio hinüber, der auf dem Bett über einer Schrift saß und – nunja, er weinte. Der nächste Mensch, für den sie stark sein musste. Sie kam langsam näher und setzte sich, ohne Erlaubnis abzuwarten oder auch nur zu fragen, einfach neben ihn auf die Fensterbank.

    “Sie hat so lange geweint, bis sie eingeschlafen ist. Ihr Mann ist jetzt bei ihr und passt auf sie auf“ antwortete Kara aufrichtig. Rufio kannte seine Cousine ja auch, auch früher war sie schon mitunter sehr sensibel gewesen und hatte sich dann auf ihr Zimmer zurückgezogen, geweint bis sie eingeschlafen war und dann lange geschlafen. Und am nächsten Tag war es besser.

    “Und wie geht es dir?“ fragte Kara und sah zu Rufio hinüber. Eine doofe frage, sie sah ja, dass es ihm nicht gut ging. Aber vielleicht wollte er darüber reden. Und bei ihm wusste sie nicht, ob es half, wenn sie ihn einfach umarmte und ihn weinen ließ.

  • Ich legte das Buch weg und zog Kara einfach in meine Arme. Sie war immer so was wie Corvinas Schwester für uns gewesen. Sie ist für mich wie ein zweit Cousine. „Sie war immer da. Sie war eine Instanz. Aber nun.. Es zeigt uns wie endlich das Leben ist.“ Sagte ich und umarmte Kara und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Es war eine rein brüderliche Geste. „Wie geht es dir? Du kanntest sie auch und sie war für dich fast das gleiche wie für uns.“ Ja mich mit Kara zu beschäftigen war einfacher als mich meiner Trauer hinzugeben. Von mir wurde eh erwartet, das ich spätestens morgen meinen Aufgaben wieder nachging. Eine längere Trauerzeit würde mein Onkel mir nicht gestatten.

  • Heute legten die Männer es mit zärtlichen Gesten aber drauf an. Kara fand sich auf einmal in seiner Umarmung und bekam sogar einen reichlich verwirrenden Kuss auf die Stirn. Sie sah kurz fragend auf, aber war dann beruhigt, als Rufio keine weiteren Anstalten machte. Er wollte wohl einfach auch grade nur kuscheln und ein wenig menschliche Nähe.

    Sie umarmte also ihn und gab ihm einen kleinen, frechen Kuss auf die Wange, um ihn ein wenig aus dem Konzept zu bringen, und lehnte dann ihren Kopf leicht an ihn. “Ich will nicht darüber nachdenken, wie es mir geht“, sagte sie ehrlich. Und ruckte sich ein wenig in seiner Umarmung zurecht. “Es ist seltsam, sich die villa rustica vorzustellen ohne sie darin. Sie hat immer allen gesagt, was sie tun sollten, und hatte immer den Überblick. Und sie wusste einfach alles. Und jetzt? Das fühlt sich sehr seltsam an.“ Kara schüttelte den Kopf. Sie wollte wirklich nicht darüber nachdenken, wie sie sich fühlte.

  • „Ich auch nicht.“ Sagte ich leise und drückte Kara noch einmal an mich, bevor ich sie aus der Umarmung entließ. „Erinnern wir uns einfach an sie und gedenken ihrer.“ Denn ja ich konnte und durfte meine Trauer ja nicht so zeigen. Nein ein Mann tat so was nicht. „Du hast recht es fühlt sich seltsam an zu wissen, dass sie nicht mehr ist. Ich weiß nicht wer ihren Platz einnehmen sollte. Aber nun ja ich werde auf jeden Fall mein Etruskisch aufbessern, sie hätte es so gewollt.“ Und ich beschloss, dass auch meine Kinder es lernen würden. „Übernachtet ihr heute hier?“ Fragte ich statt dessen allein schon um von dem Thema abzulenken.