[Aventin] Der Medicus Machaon Asklepiades und seine Patientin Claudia Marcella

  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Claudia Marcella hatte bis zu dem Tag abgewartet, an dem ihre liebe Pina ihre zukünftige Pronuba besuchte, um ungestört und unbemerkt das Haus zu verlassen. Für ihre Verhältnisse war sie gerade abenteuerlich schlicht unterwegs - nur eine Sänfte mit vier nubischen Trägern und ihre Ornatrix Daphne, deren Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit sie schätzte.


    Machaon Asklepiades, der behauptete, seine Familienlinie tatsächlich bis zu dem Heilgott Aeskulap und damit auch bis zu Apoll zurückverfolgen zu können, machte grundsätzlich keine Hausbesuche, sondern empfing nur in seiner Praxis. (Vielleicht hätte er bei Augustus oder Augusta eine Ausnahme gemacht, aber nur vielleicht. Sein Spruch war immer, dass bedeutende Ärzte seltener und daher kostbarer waren als bedeutende Kaiser, und er war ein bedeutender Arzt.)


    Claudia Marcella kam an und wurde in das Untersuchungszimmer geführt, in dem der Medicus sie schon erwartete. Er begrüßte sie, schaute ihr in die Augen und fühlte ihren Puls.

    Er wiegte den Kopf:
    "Claudia Marcella, gestatte mir, auch deine Brust und deinen Rücken zu examinieren.", sagte er.


    Die Claudia verging fast vor Scham, sie hatte sich, wenn sie ehrlich war, nicht einmal ihrem verstorbenen Lucius wirklich nackt gezeigt: "MUss das?"


    Der Medicus nickte.

    Sie verblieben schließlich so, dass sie ihr Gewand ablegte und ihre Tunika intima anbehielt. Daphne hielt sie ihr von ihrem Körper weg, während der alte Arzt seinen Kopf und die Hände daruntersteckte und klopfte.

    Schmerzhaft war das nicht, doch Claudia Marcella verging fast vor Scham. Sie wurde rot und Tränen stiegen ihr in die Augen.


    Als Machaon Asklepiades fertig war, wich er zurück und setzte sich. Er bemerkte das Unbehagen seiner Patientin und scherzte:

    "Keine Sorge, verehrte Claudia, meine Keuschheit ist schon die einer männlichen Vestalin. Mein Alter und mein ärztlicher Ethos schieben Eros den Riegel vor, und das auf jede Weise."

    Dann wurde er ernst:

    " Du hast eine blühende Gesichtsfarbe, verehrte Claudia, rote Wangen. Und...", er nahm eines ihrer Handgelenke:

    "Du bist sehr schlank, fast schon mager. War das schon immer so? Und warum suchst du mich auf, und hast deinem Tutor nicht gesagt, er solle einen Medicus in die Claudische Villa befehlen."


    " Ich wollte niemanden meiner Familie beunruhigen. Und Ersteres: Ich fühle mich seit den Saturnalien etwas... merkwürdig. Ich friere ständig. Ich glaube, ich habe mich dort erkältet, ich trug nämlich ein sehr eng anliegendes ultramodernes Kleid, nur warm hat es mich nicht gehalten. Aber dann ging es mir wieder besser.

    Das ich dünner werde, ist mir auch aufgefallen, ich muss all meine Gewänder mit Fibeln stecken. "

    Sie zuckte die Schultern.


    " Ich sehe deinen Körper in einem Zustand des status mixtus, nachdem du wohl zuerst einen status strictus, einen Spannungszustand, der ganz und gar verhinderte, dass deine Körperflüssigkeiten abfließen konnten, was eine Überhitzung deines Leibes zur Folge hatte, aufgewiesen hast. 

    Als du glaubtest, dich besser zu fühlen, ist deine akute Erkrankung lediglich zu einer chronischen geworden, wobei hier der status laxus vorherrschend war, und eine Hypersekretion verursachte. Sag mir, verehrte Claudia, hast du nicht bemerkt, dass du mehr Körpersäfte produzierst und dich derer durch Räuspern oder Husten zu entledigen suchst?

    Mittlerweile bist du in einem Mischzustand der Spannung, was bedeutet, dass sich Phasen, in denen du dich schlecht fühlst und welche, in denen du dich gesund fühlst, abwechseln werden. Wir sprechen bei deiner Erkrankung auch von Phthysis.", sprach der Medicus:


    "Es ist wichtig, das Du eine umfassende Therapie beginnst: Viel Ruhe, Massagen, angenehme Umgebung, keine Aufregung und keinen Ärger. Du musst genug essen, Fettes und Butter auch. 

    Ich werde dir eine Medizin auf der Basis von zerriebener Schlangenhaut, Quendel, Wein, Mehl und Salz herstellen. Und ach ja, verbring den kommenden Sommer nicht in Roma. Dein maleus ist unzweifelhaft durch die Miasmen des Tibers gekommen, und auch wenn der ehrenwerte Tiberius Caudex durch seine Abfallbeseitigung viel verbessert hat, ist die Luft beispielsweise in den Albaner Bergen besser für dich." 


    Claudia Marcella verzog das Gesicht, vor Miasmen hatte sie sich immer gefürchtet. Nun schien sie mit ihrer Furcht Recht behalten zu haben.

    "Ich spüre aber keine Hypersekretion, nur Frieren und Mattigkeit und das besonders abends.", wandte sie ein.


    Machaon Asklepiades sah sie freundlich an: " Versuchen wir es mit der Therapie, verehrte Claudia Marcella.", sprach er sanft.


    Claudia Marcella hob den Kopf und erwiderte den Blick: " Medicus", begann sie: " Ich bin eine ältere Dame, eine Witwe und eine Kranke, aber ich bin nicht auf den Kopf gefallen. Sag mir die Wahrheit! Ich werde sterben, oder?"


    Machaon Asklepiades wiegte den Kopf hin und her: "Ja, verehrte Claudia Marcella, das wird geschehen, wenn kein Wunder geschieht. Du solltest Aeskulap auf der Tiberinsel ein Opfer bringen und auch dem Apollo Medicus selbstverständlich."


    Claudia Marcella griff mit einer Hand ihre andere, als wolle sie sich selbst die Hand drücken. Sie dachte an Agrippina und Calvus, die heiraten wollten. Wenn sie starb, würde das zunächst nicht gehen, da die Trauerzeit eingehalten werden musste. Alles nur das nicht! Nie hatte sie den lieben Kindern im Weg stehen wollen, niemals!

    Und dann dachte sie an ihre pullae, ihr Waisenhaus. Auch das würde nicht zustande kommen, wenn sie nicht mehr war.


    Sie hob den Kopf, und wenn sie etwas besaß, so war es die Würde der Claudier, den Stolz, zu ihnen zu gehören und sich dem Schicksal nicht zu beugen.

    "Wie lange bleibt mir noch?", fragte sie und mit einem kleinen Lächeln: "Ohne göttliches Wunder, meine ich?"


    " Vielleicht nur drei Monate, vielleicht auch sechs, verehrte Claudia.", erwiderte der Arzt.


    Claudia Marcella fiel ein Stein vom Herzen. Sie würde ihre Angelegenheiten regeln können, nur das zählte. Die jungen Claudier würden versorgt sein.


    "Ich danke dir, Machaon Asklepiades von Kos, auch dafür, dass Du aufrichtig warst.", sprach sie und winkte Daphne. Das Mädchen reichte ihr ein Säckchen mit Goldstücken, die waren für den Arzt.

    "Sobald die Medizin fertiggestellt ist, wird sie Daphne abholen. Vale bene."


    Claudia Marcella stand nun auf. Als nächstes würde sie ihr Testament machen und bei den Vestalinnen hinterlegen, dazu brauchte sie die Unterschrift ihres Tutors.

    Wie seltsam war es, dass sie so kühl planen konnte.

    Dabei würde in einem halben Jahr schon nichts mehr von ihr übrig sein.


    "Komm, puella",winkte sie Daphne, die sie mit ihren klugen dunklen Augen anblickte:

    "Nach Hause, bevor jemand mein Ausbleiben bemerkt."


    >>> Villa Claudia