Wer ich bin - das gilt nicht mehr
Ängstlich hatten sich die Mädchen aneinander geklammert und sich gegenseitig getröstet. Iduna hatte zugleich versucht den anderen Mädchen Mut zuzusprechen. Auch wenn sie wusste das ihre Worte nicht verstanden wurden. So konnte man doch am sanften Klang ihrer Stimme heraushören, dass ihre Worte keinesfalls böser Natur war. Hoffentlich hatte Angus ihr verschwinden mittlerweile dem Iulier mitgeteilt und dieser würde seine Wachen nach ihr schicken. Wenn er sich beeilte, dann müsste er sie noch rechtzeitig finden. Dies erhoffte sich die Rothaarige mit jeder Faser ihres Herzens und schickte immer wieder stumme Gebete an ihre Göttin. Die Erdmutter Frija konnte dieser Untat doch nicht tatenlos zusehen. Oder etwa doch? Vielleicht war es eine Prüfung? Für Iduna? Für ihren Gefährten oder sogar für ihren Dominus höchstselbst? Mit diesen gedanklich gestellten Fragen schlief Iduna schließlich eng an die anderen Mädchen geschmiegt ein. So das nur noch der flache Atem der jungen Mädchen zu vernehmen war. Traumlos mutete der Schlaf der Mädchen an und man konnte in diesem Moment fast den Eindruck gewinnen, als wären sie allesamt Schwestern, die unter den wachsamen Augen der größeren Brüder schlummerten.
Dieser Schlaf sollte jedoch beim ersten Hahnenschrei, im Morgengrauen vorbei sein. Und die Mädchen grob auf die Füße gezerrt. Ein jedem der Mädchen gab man einen harten Brotkanten und Wasser; schließlich sollten die Mädchen den anstrengenden Marsch überleben. Denn nur lebende Ware brachte klingende Münzen. Tote Ware brachte dagegen nur Scherereien und unterm Strich rein gar nichts. Nachdem die Helfershelfer des Syrers die Mädchen für die Reise vorbereitet hatten, schritt Hakim die Reihen der Mädchen ab und ließ seinen musternden Blick prüfend über jedes Gesicht wandern. Innerlich überschlug der Syrer bereits die Summe die er für seine Ware beim hiesigen Sklavenhändler in Palmyra verlangen konnte. Nachdem man die Mädchen von Schmutz und Staub befreit hatte, legte man ihnen Halsreifen und Handfesseln an. So wurden die Mädchen aneinander gebunden und Hakim nahm das Seil in die Hand. Der Syrer schritt voran, die Mädchen waren zwischen ihm eingepfercht und seine Helfershelfer umschwirrten die kleine Gruppe. Aufsehen sollte nämlich nicht erregt werden. So wurde Iduna aus Syrien gebracht und ihre Reise nach Palmyra, in eine ungewisse Zukunft begann.
Der Syrer hatte es offensichtlich besonders eilig, denn er gönnte den Mädchen kaum Schlaf und scheuchte sie bereits im Morgengrauen weiter, wenn die Mädchen gerade einmal in einen unruhigen Schlaf gefallen waren. Meistens nächtigten sie unter freiem Himmel, außer der Bandit hatte mit seinen Münzen einen Bekannten geschmiert und konnte dessen Gastfreundschaft genießen. Dann jedoch mussten die Mädchen angebunden im Stall nächtigen, während sich Hakim und seine Helfershelfer im Wohnhaus des Bekannten dessen Gastfreundschaft genossen. Während der Abwesenheit des Anführers versuchte Iduna abermals ein Gespräch mit den anderen Mädchen zu beginnen. Erntete jedoch abermals fragende Blick, meistens nur Kopfschütteln und gab es schließlich vollends auf. Da begnügte sie sich lieber ihre Gedanken schweifen zu lassen. Angus und Aislin. An ihren Gefährten und ihre gemeinsame Tochter dachte die kleine Germanin beinahe ununterbrochen und weinte sich dann doch des Nachts in den Schlaf. Angus war es bestimmt gelungen ihren Dominus von ihrer Rettung zu überzeugen und der Iulier hatte mit Sicherheit alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seine Sklavin wieder zurück zu bekommen. Zumindest klammerte sich die Rothaarige an diesen Gedanken und murmelte diese Worte leise vor sich hin.
Flirrend mutete die Sonne an, die auf ihre Köpfe hernieder schien, als Hakim die Mädchen direkt in die Wüste hinein führte. Diese musste durchquert werden, um Palmyra erreichen zu können. Erschrocken blickten sich die Mädchen um, als sie der monumentalen Sanddünen gewahr wurden. Und auch Idunas Blick war von stummen Entsetzen gezeichnet. Solche Sanddünnen kannte sie nicht. Noch nicht einmal vom Hörensagen und instinktiv fürchtete sie sich vor diesen Sandbergen. Wenn sich dieser Sand löste und sie unter sich begrub, konnte sie sich aus eigener Kraft nicht daraus befreien. Der Syrer wusste jedoch zielgerichtet seine Schritte zu setzen, ohne das er seine Ware einer Gefahr aussetzte. Genächtigt wurde unter freiem Himmel. So dass sich die Mädchen abermals eng aneinander kuschelten, denn die Nächte in der Wüste waren doch schon empfindlich kalt. Und die Mädchen trugen lediglich einfache Tuniken. Zum Glück hatte ihnen Hakim Schuhwerk besorgt, damit sie sich ihre zierlichen Füßchen nicht verbrannten oder am Unrat zerschnitten. Auch an Decken hatte Hakim gedacht, auch wenn die Mädchen unter dem dünnen Stoff dennoch froren und man das beben ihrer zierlichen Körper sehen konnte.
Keines der Mädchen beschwerte sich, während der Reise. Auch Iduna war still. Viel zu still. Während ihre Augen in tiefen Höhlen lagen und sich dunkle Ringe unter ihren Augen abzeichneten. Ein deutliches Zeichen von Schlafmangel und der Strapazen dieser Reise. Dann schnitten auch noch die Fesseln in ihre Handgelenke und das Halseisen scheuerte auf ihrer Haut. All dies jedoch nahmen die Mädchen klaglos hin. Und schließlich wurde Palmyra erreicht. Am Stadttor angekommen, entblößte Hakim seine Lippen zu einem demutsvollen Lächeln und präsentierte Schriftstücke, welche ihm erlaubten in dieser Stadt Handel zu treiben. An einem Brunnen inmitten des Marktplatzes ließ er den Mädchen Zeit zur Ruhe zu kommen und gönnte den Mädchen etwas Wasser aus dem Brunnen. Gierig tranken die Mädchen von dem kristallklaren Wasser, welches sie mit ihren hohlen Händen aus dem Brunnen schöpften und sich das Wasser sogar in das Gesicht spritzten. Auch Iduna trank gierig von dem kühlen Nass und seufzte leise, als die Wassertropfen über ihren Nacken glitten und in ihrem Ausschnitt verschwanden. Herrlich diese Erfrischung. Währenddessen wurden sie von Hakims Helfershelfern bewacht. Während der Syrer selbst verschwunden zu sein schien. Denn nach einer gefühlten Stunde kehrte der Syrer zurück und scheuchte die Mädchen mit seiner schroffen Stimme zum Vorwärtsgehen. Das Ende ihrer Reise war angebrochen.
Der Parthische Markt war das Ziel des Syrers und seiner Ware. Genauer gesagt der Sklavenmarkt. Denn auf diesem Markt würde Hakim die Mädchen verkaufen. Und so scheuchte der Syrer die Mädchen voran. Bis er sich beim Vorsteher des Marktes ankündigte und die Unterlagen der Mädchen in sich ihm entgegen gestreckte Hände drückte. Die Mädchen verharrten mit hängenden Köpfen und am Ende ihrer Kräfte regungslos an Ort und Stelle. Denn das Wasser hatte lediglich ihren Durst angefacht und Iduna ertappte sich dabei wie ihr Zünglein verzweifelt über ihre trockenen Lippen huschte.