Dass er diesem Eid zugestimmt hatte, war unter der Voraussetzung geschehen, dass sie es eher so allegorisch meinte, wie man es halt so sagte... "Iovem lapidem iuro". Aber da hätte er seine Base besser kennen müssen, sie hatte es ernst gemeint. Und so ging er am selben Tage, direkt nachdem er Iunia Axilla von seinen Plänen erzählt hatte, in die Legion zu gehen.
Während er den Südgipfel des Mons Capitolinus erklomm und am Tempel der capitolinischen Trias vorbeiging, erschauderte es ihn. Der Stein des Iuppiter. Die Dinge, die ihm über das Brechen eines solchen Schwures erzählt worden waren, das war das eine; das schiere Alter dieses Tempels und des Kultes an dieser Stätte und die historische Bedeutung waren das andere. Als er ankam, war er überrascht, die Aedis war sehr klein - wie sollte denn hier einer der kolossalen Statuen des großen I.O.M. hineinpassen. Und als dann hineintrat in das Sacellum überkam ihn die Ehrfurcht. Es gab keine Statue, kein Opferaltar, keine Räucherpfannen. In der Mitte des Sacellum lag ein Stein und darum waren sehr, sehr alte Waffen und Rüstungen angebracht. "Die Spolia opima", entfuhr es ihm flüsternd, "und der silex." Seine Schritte kamen zum Stehen und seine Stimme versagte. Er konnte nicht sagen wie lange er so dastand. Aber eines wusste er, diesen Eid, den er hier schwören, den würde er niemals freiwillig brechen. Und auch die zugegebenermaßen kindischen Pläne, Schlupflöcher in den Text einzubinden, waren nichtig. Er war ergriffen vom numen dieses Ortes.
"Was bringt Dich zu diesem heiligen Ort", fragte ihn eine Stimme, die aus dem Nichts zu ihm sprach. Er erschreckte sich nicht, es war auch kein Donnern, sondern eher eine ruhige, freundliche Stimme. "Ich bin gekommen, um einen Termin für einen Schwur zu machen.", antwortete er noch bevor der Priester aus dem Schatten trat, der sich als ein gutmütigschauender Mann im gesetzten Alter herausstellte. "Du kannst gleich hier und jetzt schwören. Ich habe Zeit und Feretrius hat Zeit. Oder bist Du noch nicht bereit, willst es Dir vielleicht anders überlegen?" - "Nein, nein das ist es nicht, nur meine Base, die mir wie eine Mutter ist und die mich sagen wir mal gebeten hat, will sicher dabei sein.", antwortete der junge Iunier, seine Fassung langsam wiederfindend.
Der Priester deutete auf einen Stapel mit leeren Papyrusblättern und einen Federkiel. "Du kannst dein Iusiurandum niederschreiben und kopieren. Einmal für Dich und einmal für Deine Base. Ich spüre, dass Du bereit bist. Feretrius steht Dir bei."
Welch bemerkenswerte Worte von diesem frommen Mann. Nicht oft hatte Varus es erlebt, dass ein Priester seine Religion so ernst nahm. Viele waren doch nur auf dem Weg in den Senat oder in eine andere Aufgabe in diese Rolle gekommen, oft ging es ja auch gar nicht um das religiöse, sondern das Politische oder Juridische war das eigentliche. Aber dieser hier und dieser ganze Ort war anders. Also nahm der Iunier den Kiel und schrieb:
IOVEM lapidem iuro, rem publicam et Augustum defendere, exercitui romano servire, neque me sine necessitate in periculis conferre, neque honorem gentis mei extenuari, etiam iuro per IOVEM Feretrium me consobrinae aestimatissimae Iuniae Axillae saepe scribere - semel per mensem.
Iusiurandum datum ANTE DIEM VI KAL NOV DCCCLXX A.U.C. Scripsi cum mano proprio - Appius Iunius Varus f. Nero IUN Serenus n. P IUN VAR
Das kopierte er dann noch einmal und schaute dann zum Priester und der nickte ihm zu und lud ihn ein zum Stein vorzutreten. Als er sich diesem sakralen Gegenstand näherte und er ihn anschaute, dachte er bei sich, dass dieser Stein - beim IOVI - nicht von dieser Welt sei. Und er erschauerte ein weiteres Mal. "Leg nun Deine rechte Hand auf den Stein und lies den Schwurtext vor. Ich werde zuhören und auf beiden Exemplaren bestätigen, dass Du diesen Schwur hier vor mir und vor IOVI LAPIDI abgelegt hast", sagte der Priester freundlich aber bestimmt. Und Varus tat wie ihm geheißen, er legte die Hand auf den Stein, erneut ein Schaudern, dann erhob er seine Stimme und sprach: ""Beim Stein des Iuppiter schwöre ich den Staat und den Augustus zu verteidigen, dem römischen Heer zu dienen, mich weder ohne Notwendigkeit in Gefahr zu bringen, noch die Ehre meiner Familie zu mindern, außerdem schwöre ich bei Iuppiter Feretrius meiner hoch geschätzten Cousine Iunia Axilla oft zu schreiben - einmal im Monat. Der Schwur wurde gegeben am sechsten Tag vor den Kalenden des November im Jahre 870 nach Gründung der Urbs. Ich habe dies mit meiner eigenen Hand geschrieben. Appius Iunius Varus, Sohn des Nero Serenus und Enkel des Publius Varus. "", er zitterte als er dies gesagt hatte und der Priester nahm ihm die beiden Papyri ab und schrieb noch schnell seine Bestätigung und gab sie ihm zurück. Dann entließ er den jungen Iunier. Dieser hinterließ noch einige Münzen in einer Opferbox und machte sich nach einigen Momenten ehrfurchtsvollen Schweigens auf, um von diesem Berg herabzussteigen in das Gewühl der Stadt.