• So langsam kam der Mann wieder zu sich. Er murmelte etwas von Calcei. Axilla musste ihn wirklich ordentlich erwischt haben. Wachhunde, Leibwächter oder bezahlte Schläger waren offensichtlich ein Fliegenschiss verglichen mit einer in Panik geworfenen Holzpantolette. Was Axilla wohl mit einem Schwert hätte anrichten können, wäre sie als Mann geboren worden?

    So aber versuchte sie irgendwie, der Erzählung zu folgen. Aha, Neffe aus Misenum. Kreatives Köpfchen. Und... Moment was? "Du... du willst mir grade sagen, dass du einen DIEB in unser Haus gebracht hast?" fragte Axilla noch einmal nach, ob sie den Sachverhalt jetzt richtig verstanden hatte und deutete auf den etwas ramponierten Mezena, der von Lea verpflegt wurde.

    Das Prinzip der Überschuldung und damit einhergehenden kurzfristigen, vertraglich vereinbarten Sklaverei zum Abbau der Schulden war Axilla gut bekannt. Sie hatte zwar noch nie persönlich mit solchen Dingen zu tun gehabt, aber sie war ja nicht blind und wusste, dass es viele arme Menschen da draußen gab. Nicht umsonst hatte der Staat diverse Gesetze gegen Glücksspiel oder den Verkauf von Kindern in die Sklaverei erlassen. Das war nicht wirklich das Problem. Wäre Mezena einfach nur ein Schuldner, der zu viel Schulden angehäuft hätte, um sie ordentlich zu bezahlen, wäre es eine Sache gewesen, ihn solange als Sklaven im Haus zu beschäftigen. Den Sklaven des Hauses ging es weitaus besser als jedem Tagelöhner außerhalb des Hauses. Sie hatten zu essen, einen Platz zum Schlafen, sehr viele Freiheiten, wurden nicht geschlagen und wie Familienmitglieder behandelt. Das war für die meisten wohl eher Belohnung als Strafe.

    Aber ein DIEB? Jemand, der ihre Gens bestohlen hatte? Und der sollte jetzt hier mit ihr unter einem Dach schlafen?


    Die nachgeschobene Information, dass er Agricola das Leben gerettet hatte, indem er ihn aus einem Hafenbecken gefischt hatte, erwischte Axilla unvorbereitet. Sie fühlte sich aus ihrer Zeit gerissen in eine Erinnerung, die sie vergessen zu haben schien. Der Tiberhafen, als sie jung und unbedarft war. Naiv und so lebendig. Er war auch ins Hafenbecken gefallen, und sie hatte ihn herausgezogen. Er hatte so sehr dabei geflucht, in verschiedenen Sprachen, dass sie hatte lachen müssen. Und er hatte sie nach Hause begleitet, den ganzen Weg vom Tiberhafen bis zum Viminal. Axilla hatte schon Männer kennengelernt und Liebschaften gehabt. Sie hatte Liebeskummer kennengelernt und Träumereien von romantischen Beziehungen mit verschiedenen Männern gehabt. Aber dieses Gefühl, wie ihr Herz flatterte und ihre Seele brannte, als er sie angesehen hatte, das immer nur noch stärker geworden war, wann immer sie bei ihm war, das hatte sie in dieser Intensität und Tiefe in ihrem ganzen Leben nie wieder bei einem anderen Mann empfunden.

    Axilla machte einen kleinen, ausgleichenden Schritt nach hinten, als sie merkte, dass ihr schwindelig wurde. Die Gegenwart kehrte mit der Wucht eines Blitzschlages Iuppiters zurück und Axilla hatte das Gefühl, gleich umzufallen. Blut rauschte, ihr Herz pochte, ihre Seele schmerzte. Sie hatte es wirklich vergessen.


    Was immer sie hatte sagen wollen, welchen Eimer an Vorwürfen sie über Agricola hatte ausschütten wollen, er war weg. Einfach weg. "Er... er kann bleiben, wenn du für ihn bürgst. Ich..." Es war zuviel. Axilla konnte das jetzt nicht. Sie sah den Verletzten an und es kam ihr vor, als wäre seine Verletzung eine Strafe für sie. "ich muss mich umziehen", murmelte sie abwesend.

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    Ius Trium liberorum

  • - Sauberkeit ist sicher gut -


    Von den Sklavenmärkten kommend ließ sich Maliku durch die Straßen der Urbs Aeterna führen. Der Hebräer war während des gesamten Fußmarsches äußerst schweigsam und auch der Schwarzgelockte schwieg. Bis Malachi unwillkürlich seine Schritte verlangsamte und den Gelockten näherzog. Doch nur um Maliku tief in die Augen zu blicken und einen Finger gen seiner Lippen zu pressen. Und der junge Nabatäer verstand. Er würde sich mucksmäuschenstill verhalten. Da ging es auch schon weiter und Maliku wurde an dem Ianitor vorbei- und durch den Sklaveneingang in das Innere der Domus Iunia geschoben.


    Dort angekommen wurde dem Lockenkopf keine Möglichkeit gegeben sich umzusehen. Stattdessen befand er sich im nächsten Moment im balneum wieder. Dort erst befreite ihn der Hebräer von dem Strick um seine Handgelenke. Und Maliku lächelte dankbar. Dann erst deutete Malachi auf den Zuber mit dem Wasser, welches wohl nicht mehr warm war. Und drehte sich herum.


    Dies nahm der junge Sklave zum Anlaß um aus seiner zerschlissenen Hose zu schlüpfen. Diese würde später entsorgt werden. Mit einem erstickten keuchen tauchte Maliku auch schon in das Wasser und begann sich rasch, zudem gründlich zu säubern. Schließlich schimmerte die Wasseroberfläche vom Dreck des Sklaven. Während selbiger sauber aus dem Zuber stieg.


    Die neue Tunika aus ungefärbten Leinen lag auch schon bereit und der Schwarzhaarige schlüpfte in die Tunika. Zum Schluß band er sich das Seil um die Hüften, um die Tunika an Ort und Stelle zu halten.


    Nachdem Maliku angekleidet war, nahm ihn Malachi am Oberarm und geleitete ihn zu seinem neuen Dominus.

  • - Schön sauber -


    Den Weg in das balneum kannte Maliku noch. Und dennoch war es ein merkwürdiges Gefühl. Denn instinktiv vermisste der Schwarzgelockte seinen Herrn. Was war wenn die Hausherrin keinerlei Verwendung für ihn hatte? Über solche Dinge sollte er sich wirklich nicht den Kopf zerbrechen, als er das balneum betrat und sein Blick sogleich in Richtung des Zubers glitt.


    Das Wasser in diesem Zuber durfte wohl nicht mehr warm sein. Was den Lockenkopf jedoch nicht im geringsten störte. Schließlich hatte er das balneum aus einem Grund aufsuchen müssen. Er sollte sich vom Dreck der Reise reinigen.


    Die Säuberung seines Körpers führte Maliku zügig aus. Um nur kurze Zeit später vollkommen sauber aus dem Zuber zu steigen. Das schmutzige Wasser würde wohl durch einen der iunischen Haussklaven entsorgt werden. 


    Ebenso hatte man ihm eine saubere Tunika bereit gelegt. Wer das wohl gewesen ist? Ein Dankeschön war definitiv fällig. Früher oder später. Rasch trocknete sich der Nabatäer ab und schlüpfte in die saubere Tunika. Welch wohliges Gefühl. Als sich auch schon sein Magen mit leisem geummeln bemerkbar machte und Maliku wusste wohin ihn seine Schritte als nächstes führen würden. Die Culina würde er aufsuchen.

  • Axilla genoss die Ruhe am Nachmittag mit einem ausgiebigem, langen Bad. Die Wärme tat ihrem Rücken gut, und die Ruhe ihrem Geist, der sich um so viele Dinge drehte, dass ihr schwindelig manchmal wurde.

    Von Varus war nach wie vor kein Lebenszeichen zu hören. Im Grunde wusste Axilla, dass er tot sein würde. Wenn jemand so lange verschwunden war, dann fand man ihn üblicherweise nicht wieder. Außer, jemand buddelte zufällig eine verscharrte Leiche mit Siegelring aus. Aber das war eher unwahrscheinlich. Aber trotzdem, sie wusste es nicht, und das trübte ihre Gedanken. Sie hatte schon ein paar Mal erwogen, ob sie doch noch einmal Kontakt zur Kaiserin suchen sollte, um deren Einfluss für sich zu nutzen. Vielleicht forschten die Truppen in Syria gründlicher nach ihrem Tribun, wenn der Befehl dazu vom Palatin kam und nicht nur der Bitte eine schrulligen, alternden Tante entsprach. Aber Axilla scheute sich davor. Ihr Verhältnis zur Kaiserin war lange, lange nicht innig genug. Ja, sie würde sogar so weit gehen, zu behaupten, es wäre gänzlich eingeschlafen. Aber gut, viel mehr hatte Axilla da auch nicht erwartet.


    Aber das war nur die eine Hälfte ihrer Kopfschmerzen.

    Ihre Hand streichelte über ihren Bauch, der sich leicht wölbte. Noch konnte sie es mit entsprechenden Kleidern kaschieren. Aber hier im Balneum, so nackt? Nein, diesmal war es sehr viel weiter vorangeschritten als die letzten Male. Weit genug, dass Axilla fast daran dachte, Hoffnung zu haben. Manchmal meinte sie, es zu fühlen, aber sie sagte sich, dass das nur ein unterbewusster Wunsch war. Sie wusste, es würde nicht halten. Es hatte seit sechzehn, nein, siebzehn Jahren nicht ein einziges mal mehr gehalten. Und es hatte viele Gelegenheiten gegeben. Allein im letzten Jahr vor diesem hier drei. Drei blühende Sträucher im Garten. Dreimal tiefer Schmerz und Trauer, die sie nicht zeigte. Dieses Mal würde es auch so sein. Dieses Mal würde es schlimmer sein, weil sie manchmal fast Hoffnung hatte.

    Eigentlich war sie auch zu alt dafür. Sie wurde bald schon vierzig. Das war zu alt. Sie würde dabei wohl sterben. Oder das Kind könnte als Monstrum oder als Idiot zur Welt kommen. Sie hatte von einer Frau gehört, die mit 42 Jahren einen Zwerg geboren hatte.

    Vielleicht sollte sie dem Schicksal vorgreifen und es beenden. Bislang wusste nur ihr Ehemann davon, dem sie es hatte sagen müssen, als es sich nicht wie sonst nach zehn Wochen erledigt hatte. Nicht mehr lange, dann würden es alle sehen. Wenn es hielt. Sie sollte es nicht so weit kommen lassen.

    Axilla lehnte sich im Wasser zurück und streichelte weiter die leichte Wölbung. Noch eine Woche würde sie warten. So, wie sie es auch letzte Woche gesagt hatte. Eine Woche noch. Ja, bis dahin würde es sich von allein gelöst haben.

    Ius Trium Liberorum
    Dominus Factionis (Factio Purpurea)