[Triclinum] Familienbande

  • Auch wenn die Villa Flavia über ein überaus luxeriöses Balneum verfügte, hatte sie es sich nicht nehmen lassen und den frühen Nachmittag in den Thermae Agrippae zu verbringen. Dort fand sie nicht nur Ruhe und Entspannung, sondern wurde auch über den neuesten Klatsch informiert, der momentan in ihren Kreisen die Runde machte. Meist waren es nur unwichtige Informationen, die auf diese Weise an ihr Ohr drangen. Manchmal aber waren es aber auch brauchbare Neuigkeiten, die eventuell noch nützlich sein konnten.


    Nach ihrer Rückkehr hatte sie sich noch etwas der Literatur gewidmet und hatte sich dann von ihrer Leibsklavin Praxilla für die Cena ankleiden lassen. Es war eine einfache Tunika aus ägyptischer Baumwolle, die sie trug, als sie sich zum Triclinum begab. Sie erwartete heute keine Gäste. Lediglich ihre Cousine und ihr Neffe würden ihr Gesellschaft leisten, was ihre Vorfreude keineswegs minderte. Schließlich hatte sie es sich auf ihre Fahnen geschrieben, den beiden jungen Leuten zu helfen, wo es nur ging. Die Karriere ihres Neffen hatte dabei natürlich Priorität. Leider fehlte es dem jungen Mann noch ein wenig Elan, fand Domitilla. Doch mit etwas gutem Zureden würde sie ihn schon dazu bringen, ein wenig mehr Motivation an den Tag zu legen. Zunächst war es von Nöten, einen passenden Patron für den jungen Mann zu finden.


    Der zweite Punkt auf ihrer imaginären Liste war ihre Cousine Marciana. Das arme Kind hatte ihr bisheriges Leben fernab in der Provinz gefristet und musste nun Rom und seine Bewohner erst noch kennenlernen. Außerdem musste für sie früher oder später ein passender Gemahl gefunden werden. Besser früher als später, wie Domitilla meinte. Schließlich war das Kind schon achtzehn Jahre alt! Wenn nicht jetzt, wann dann? Wer wollte schon eine alte Jungfer heiraten?


    So begab sie sich zur mittleren Kline und ließ sich dort nieder. Ein Sklave reichte ihr einen stark verdünnten Wein, den sie genießen würde, bis ihre beiden Verwandten eintrafen.

  • Eine Einladung der Hausherrin kommt man am besten schnell nach, auch wenn es sich dabei um die eigene Großcousine handelte. Den Vormittag hatte sie mit Septima verbracht. Tuniken und Brustbänder probiert. Getratscht und gelacht. Dann wurde es Zeit sich ins Triclinum zu begeben. Da es sich um keine offizielle Einladung handelte, wählte sie eine schlichte Tunika aus feingewebter Baumwolle, die Blau eingefärbt war. Dazu wieder das schon fast obligatorische Schultertuch. Jung und züchtig sah sie aus. Sie musste unbedingt mit ihrer Cousine über ihre Zukunft reden. Achtzehn und noch unverheiratet. Eigentlich ein Unding. Wäre da nicht ihrer Mutter gewesen, die keinerlei Interesse an der Familie zeigte, nach dem Versust von Mann und Sohn. Um sich aber nichts nachsagen zu lassen, schickte sie Marciana nach Rom. Hier, so meinte Amilia Flavia, wäre die Auswahl an Kandidaten größer. Wichtiger aber war die Tatsache, dass sich andere, vor allem Domitilla um den Heiratsmarkt kümmern mussten. Konsequenter wäre es gewesen, hätte Amilia Flavia ihre Tochter begleitet. Doch sie gab sich ganz dem Gram hin und versauerte langsam auf ihrem Gut. Marciana musste ihr Schicksal nun selbst in die Hand nehmen.

    Als sie das Triclinum betrat, lag ihre Cousine schon zu Tisch. Sie bewunderte die Schönheit ihrer Cousine. "Ich grüße Dich, Domitilla.". Marciana legte sich auf die rechte Kline. "Ein Familientreffen?", fragte sie leise, als sie auf die leere Kline sah.

  • Stunden hatte ich nun mit dem Studieren der Iudizprudenz zugebracht, um versäumtes oder bereits vergessenes Wissen so gut es ging nachzuholen, damit mir auf dem Beschreiten meiner Wege keine kardinalen Fehler unterliefen. Nichts wäre peinlicher als das und ich wollte mir Rügen aus Baiae, ob ich schriftlicher oder persönlicher Form, doch gerne ersparen. Wie immer, wenn ich etwas studierte, was eigentlich nicht recht mein Interesse hatte, wurde ich launisch und ungnädig. So auch meinem schönen Telys gegenüber, der sich ungeschickt verhielt und dem ich nun deswegen eine grobe Rüge erteilt hatte. Dennoch war er nun artig an meiner Seite, um bei dem angeraumten familiären Essen an meiner Seite zu sein. Artig hielt er isch hinter mir, als ich den Raum betrat. "Salve, Tante!", sagte ich, nickte ihr zu und dann begrüßte ich auch Marciana, welche sich ebenso bereits nieder gelegt hatte. "Salve, Marciana!" Indem ich mich nun auch auf die noch freie, linke Kline begab, komplettierte ich nun so also die Runde und schaute beide Damen erwartungsvoll an. Fragen stellte ich jedoch nicht. Telys eilte sich, mir anmutig einen stark verdünnten Wein anzureichen. Dass diese Cena keine reinweg fröhliche werden würde, war mir deutlich. Es würde etwas zu besprechen geben und das war mir recht. Aber ich wartete, dass meine Tante nun das Gespräch eröffnete in ihrer Rolle als Älteste unter den Anwesenden und in ihrer Rolle als weise Matrone, die hinter verschlossenen Türen die Geschäfte ja auch trefflich führte.

  • Domitilla musste nicht lange auf ihre beiden Verwandten warten. Kurz aufeinander erschienen auch Marciana und Meaecenas im Triclinum. Damit waren sie vollzählig. Sie wartete noch einen Moment, bis beide mit Getränken versorgt waren. Erst dann richtete Domitilla das Wort an sie. "Meine Lieben, wie schön es ist, euch hier zu haben! Ich freue mich auf eine gemeinsame Cena mit euch!" Im gleichen Moment gab sie einem der Sklaven ein Zeichen, damit er der die Sklaven in der Culina davon in Kenntnis setzen konnte, dass die Vorspeise serviert werden konnte.

    "Daher möchte ich die Gunst der Stunde nutzen, um mit euch einige wichtige Punkte erörtern, die schon in naher Zukunft enorm wichtig werden. Für euch, für mich, für uns, ja für unsere ganze Familie!" Domitlilla sah nach links und rechts zu den beiden jungen Leuten, für deren Fortkommen sie sich verantwortlich fühlte. Doch zunächst richtete sie ihre Worte an ihren Neffen.

    "Maecenas, mein lieber Neffe! Dein Vater hat dich aus einem bestimmten Grund hierher nach Rom geschickt. Er hat all seine Hoffnungen in dich gesetzt, auf dass du eines Tages in die Fußstapfen jener großen Männer trittst, die unserer Familie viel Ehre und Ansehen verschafft haben. Du sollst wissen, dass ich dich bei allem, was du nun und in naher Zukunft zu tun gedenkst, unterstützen werde." Dann wandte sie sich in gleicher Weise zu ihrer Cousine. "Marciana, meine Liebe! Als dich deine liebe Mutter nach Rom sandte, hatte sie auch nur das Beste für sich im Sinn. Du ehrst sie, indem du unsere Familie ehrst. Selbstverständlich werde auch ich alles dafür tun, für dich einen passenden Gemahl zu finden." Nun, da sie ihre Absichten erklärt hatte, wartete sie sehr gespannt darauf, inwieweit sich die beiden selbst schon Gedanken über ihre Zukunft gemacht hatten.


  • Nicht im geringsten war Marciana von dem überrascht, was Domitilla zu sagen hatte. Im Grunde war ihr das alles bewusst. Trotzdem war es ein gewaltiger Ansporn jetzt im Sinne der Familie zu handeln. Es würde einiges nicht mehr so leicht erscheinen lassen, wie es ihrem bisherigen Leben üblich war. Der Ernst des Lebens begann. Nun, etwas Spaß und ein paar harmlose Abendteuer werden sich möglich sein. Übertreiben, wollte sie es nicht.

    "Ich danke Dir liebe Cousine. Meine Mutter wird sicher mit allem einverstanden sein, was Du im Sinne der Familie für mich tust.". Vermutlich, so dachte Marciana, war es ihrer Mutter total egal. Sie hatte nie den Eindruck gehabt das sie ihr besonders nahe stand. Sie war halt eine Tochter und kein Sohn. Sonst würde sie nicht in ihrer Landvilla versauern, sondern sich hier, gemeinsam mit Domitilla um sein Fortkommen kümmern. Wenn sie ein Sohn wäre.

    Was Maecenas betraft, so sah sie in ihm den Ersatzbruder. Sie hatte ihn "adoptiert", ob er wollte oder nicht. Für ihn würde sie das tun, was sie für ihren verstorbenen Bruder getan hätte. "Ich habe leider keinen Bruder mehr. Wenn ihr beide es erlaubt, würde ich mich gerne für Maeceans einbringen, wo ich kann. So wie man es für einen Bruder tut.".

  • Wie ich es mir vorgenommen hatte, lag ich erst einmal schweigend auf meiner Kline und hörte zu, was die beiden Frauen zu sagen hatten. Meiner Tante nickte ich zu, als sie Marciana und mich begrüßte und dann rang ich kaum merklich, aber doch so tief wie möglich nach Luft. Die Zukunft war, da hatte meine Tante recht, durchaus wichtig für die gesamte Familie und ich würde meinen Teil dazu beitragen. Ob ich wollte oder nicht. Ich lächelte sogar, als mir Domitilla ihre Unterstüzung versicherte, doch wollte ich nun, nachdem sie sich auch an Marciana gewandt hatte, ersteinmal warten, bis diese sich geäußert hatte. Dass meine Vater mich nach Rom geschickt hatte, wusste ich ja, und auch, dass ich mich schon gehörig anstrengen musste. Doch eine Ehe war ebenso ein wichtiges Thema und für die Damenwelt zunächst einmal sicherlich das deutlich interessantere. Außerdem konnte ich so noch einmal meine Gedanken ordnen, um dann meine nächsten Schritte anzusprechen. Diese sollten weder zu lange aufgeschoben noch überstürzt sein, was schon eine kleine Kunst war, die es zu bewerkstelligen galt. "Auch ich danke dir für deine Worte und deine Loyalität schon jetzt!", sagte ich aber trotzdem in Richtung meiner Tante. Dann schaute ich zu Mariciana und lächelte auch ihr entgegen.


    "Es ist schade, dass du keinen Bruder mehr hast. Ich werde mein bestes tun, damit ich niemanden enttäusche." So wie es klang hatte ich nun nicht nur eine entfernte Verwandte, sondern noch etwas Näheres gewonnen. Ich selbst hatte keine Schwester und von der holden Weiblichkeit aus nächster Nähe keine großen Erfahrungen. Außer natürlich den Umgang mit meiner Mutter, welche ich aber schon vor langer Zeit in Baiae zurückgelassen hatte. "Hast du schon Eindrücke von den heiratbaren Männern gewonnen?", wollte ich dann wissen. Vielleicht mochte die Frage komprommiterend wirken, doch so war sie nicht gemeint. "Welche Familien kämen überhaupt in Frage?", richtete ich meine Worte dann wieder an meine Tante. Dies wäre auch später für mich interessant, denn wie es das Schicksal wollte, würde mir eine Ehe ebensowenig erspart bleiben, auch wenn ich es nicht eilig hatte. Der Männlichkeit und der Notwendigkeit war es gedankt.

  • "Ich bin mir sicher, dass Du niemanden enttäuschen wirst.". Mit offener Sympathie lächelte sie ihren Neffen an. Sein gutes Aussehen und sein sicheres Auftreten, waren bei seinen Ambitionen von nicht zu verachtendem Vorteil. Er war schon ein sehr gut aussehender Mann., stelle Marciana fest. "Nun, ich kenne mich in Rom nicht aus. Natürlich sind mir die großen Familien vom Namen her bekannt. Doch sind mir die Verflechtungen und die sich daraus ergebenden Koalitionen fremd.. Vor allem sollte meine Ehe im Kontext zu den Ambitionen Maecenas stehen. Beides sollte einem gemeinsamen Ziel dienen.". Sie hoffte zwar einen ansehnlichen und zärtlichen Mann zubekommen, aber wenn es für die Familie wäre, würde sie auch einen Greis nehmen. Sie seufzte leise. Einen der aussieht wie Maeceans, wird sie wohl nicht bekommen. Amüsiert lächelnd, musste sie an ihre ersten Begegnungen denken. An den merkwürdigen Schafscherer und den charmaten Plauderer. Nur von einem hatte sie den Namen behalten. "Meine bisherigen Begegnungen waren eher von der negativen Art", lachte Marciana, "Ein Tölpel und ein Schwätzer. Keine Männer zum heiraten.".

  • Mit einem zufriedenen Lächeln registrierte die Flavia den scheinbaren Zusammenhalt ihrer beiden jungen Verwandten. Sie hatte den Eindruck, dass beide wussten, was man von ihnen verlangte und dass Verbundenheit untereinander Stärke bedeutete.

    Noch bevor die Vorspeise serviert wurde, kam das Gespräch auf einen der Punkte, worüber Domitilla mit den beiden jungen Flaviern sprechen wollte. Maecenas Frage war berechtigt, denn Domitilla hoffte darauf, durch Marcianas Eheschließung ein Bündnis mit einer der großen patrizischen Familien eingehen zu können. Zwar hatte ihre Cousine natürlich noch keine Gelegenheit, die hiesige feine Gesellschaft kennenzulernen, da sie ja erst wenige Tage hier war. Doch es imponierte ihr zu hören, dass ihre zukünftige Ehe im Kontext zu den Ambitionen Maecenas' stehen sollte.

    "Das ist sehr löblich, meine Liebe!", entgegnete sie Marciana. "Wenn ich recht informiert bin, gibt es bei den Claudiern einen jungen  Mann, der noch unverheiratet ist und auch erst jüngst aus Hispania nach Rom gekommen ist: Claudius Calvus. Ich hatte erst kürzlich bei der Verlobungsfeier des Tiberius Caudex Gelegenheit, mit ihm win paar Worte zu wechseln. Wie es mit den anderen Familien bestellt ist, ist mir leider nicht bekannt. Es gäbe da noch einen jungen Aurelius. Doch ich hörte kürzlich Gerüchte, er sein wohl mit den Claudiern im Bund. Man habe ihn bereits mehrmals mit der jungen Claudia Agrippina gesehen. Nun ja, ich freilich nicht, wie viel man auf solche Gerüchte geben kann." Manchmal hatte der Besuch der öffentlichen Thermen eben doch so seine Vorteile. "Vielleiecht sollten wir die bevorstehende Vermählung des Tiberius Caudex zum Anlass nehmen, unsere Fühler ein wenig auszustrecken. Und natürlich könnten wir in naher Zukunft selbst ein Gastmahl ausrichten, zu dem wir dann die edelsten Familien einladen."
    In der Zwischenzeit hatten die Sklaven damit begonnen, die Vorspeise zu servieren: gefüllte Eier, Bohnengemüse, Moretum, frisches Brot und Mulsum, um den Appetit für das noch Folgende anzuregen.

  • Wie immer sprach Marciana den angebotenen Speisen herzhaft zu. Trotzdem achtete sie sehr darauf, es nicht zu übertreiben. Speck ansetzen, wollte sie auf keinen Fall. Dann lieber schwimmen und etwas Sport treiben. Sie würde bei Gelegenheit ihre Cousine fragen, wo man hier als Frau Sport treiben kann. Sie hörte dabei gespannt den Ausführungen Domitillas zu. Enttäucht nahm sie zur Kenntnis, dass der Heiratsmarkt im Zentrum des Universums genauso klein und überschaubar wie daheim. "Bliebe zunächst wohl nur der Claudier. Hmm, ansehen würde ja  nicht Schaden. Wäre immerhin eine Option. Frage ist, wie er unseren Vorhaben nützlich sein kann? Ob er in dieser Hinsicht die richtige Wahl wäre? Wenn ja, könnte er auch hinken und einen Buckel haben.". Darüber musste Marciana selbst schmunzeln. Gut dass die Zwischenmahlzeit aufgetragen wurde. "Wenn ich mal schwanger werden sollte, entwickliche ich mich sicher zur Matrone", bei dem Gedanken hätte sie sich fast verschluckt.

  • Ich hörte Marciana aufmerksam zu. Im Grunde war ich froh, als Mann die Weltbühne betreten zu haben. Auch wenn dabei ebenso große Verpflichtungen anhängig waren, so hatte man deutlich mehr Mitspracherechte. Besonders bei einer Ehe. Vielleicht sollte ich darüber nachdenken, dass eine gute Karriere noch mehr Möglichkeiten der Auswahl bot, doch letzten Endes war mir klar - auch wenn meine Tante eine Frau war - sie ein erheblicher Faktor meiner eigenen Wahl wäre. Adel verpflichtete eben. Vor allem auch zu unbliebsamen, auch wenn mir wohl keine Greisin als Ehepartnerin ins Haus stehen würde. Mich schauderte kurz, hatte ich doch schon von Schrecklichem gehört, doch anmerken ließ ich mir das nicht. Also lächelte ich. Claudius Calvus war ja nun auch mir ein Begriff, war ich doch bei der Cena im Haus der Tiberier anwesend gewesen. Doch ein klares Bild von all den Leuten konnte ich mir bisher noch nicht verschaffen. Aber das würde noch kommen. Auch Claudia Agrippina sagte mir nun etwas. Ich würde wirklich einen Nomenclator brauchen und ich überlegte, welcher der Sklaven der Villa Flavia dafür infrage kamen. Letzten Endes aber wohl Telys, welcher nun bei dem furischen Maiordomus in der Lehre war. Dieser wusste bestimmt auch über die Herrschaften Roms Bescheid, also wäre es von Vorteil auch diese Verbindung für mich zu nutzen. Doch das alles später. Zunächst einmal ging es ja um die Ehe meiner jungen Verwandten, welche ja kaum älter war als ich selbst.


    "Gab es nicht schon immer gute Verbindungen zu den Tiberii?", wollte ich dann aus meinen eigenen Überlegungen heraus wissen. Dann betrachtete ich die beiden Damen in der Runde. "Vielleicht sollte man bedenken, auch alte Bande wieder zu festigen." Ich war aber zu lange fort gewesen, um mir ein Bild zu machen. Athen war fern und ich war jahrelang fort gewesen. Fort und auch zu jung, um all das überblicken zu können. Auch jetzt fühlte ich mich noch immer nicht kompetent. Ein Gfühl, welches ich mit einem Schluck aus meinem Becher hinfort schwemmte. Ich wusste, dass man in Rom am besten eines nicht zeigte: Schwäche! Also weder schaudern noch zagen, sonst geriet man in die Mäuler der Wölfe. Zwischen Zähne oder scharfe Worte. Letztere waren ebenso vernichtend, wie erstere, weshalb ich nun erst einmal die Antwort meiner Tante abwartete und Marciana wieder zulächelte.

  • Domitilla ließ sich von allem ein wenig reichen und genoss das Mulsum dazu. Dabei hörte sie aufmerksam ihren beiden Tischgenossen zu. Marciana schien ein wenig bekümmert zu sein, da sie erkennen musste, dass die Zahl derer, die für sie als potentieller Ehemann in Frage kam, doch recht klein war. Allerdings bestand immer noch die Möglichkeit, dass es noch mehr Kandidaten gab, die sich bislang noch nicht offenbart hatten. Drum war es sicher geschickt, auf ein gesellschaftliches Ereignis, wie die tiberisch-aurelische Hochzeit zu warten.

    "Nun, zweifellos wäre Claudius Calvus eine gute Wahl. Er hat einen guten Eindruck auf mich gemacht. Er  besitzt ein sehr aufstrebendes Wesen, ist sich und seiner Familie treu und wie es scheint, ist er auch sehr vermögend. Außerdem meine Liebe, ist er auch recht ansehnlich", fügte sie noch hinzu und warf Marciana ein Lächeln zu.

    Als Maecenas dann die Verbindungen zu den Tiberii ansprach, ließ sie sich selbst nichts anmerken. Schließlich repräsentierte ihr Ex-Gatte nicht die ganze Gens der Tiberii. Ebenso wenig Tiberius Durus, den man seinerzeit des Kaisermordes bezichtigt hatte. Doch das lag schon lange zurück. Sie selbst war damals noch ein Kind gewesen und hatte von alldem erst viel später erfahren.

    "Natürlich gab es die auch früher schon. Wie du vielleicht weißt, war ich selbst mit einem Tiberius verheiratet. Ebenso meine älteste Schwester Vera. Allerdings war dies vor langer Zeit noch vor meiner Geburt." Domitilla nickte beim Vorschlag ihres Neffen, diesen zu erwägen, schließlich war die Schwester des Tiberius Caudex noch unverheiratet. "Natürlich sollte man das, Maecenas. Auch wenn einst auf dem Namen der Tiberii ein gewisser Makel lag. Doch die heutigen Tiberii stammen aus einem anderen Zweig der Familie." Man musste den Göttern danken, dass ein solcher Makel nicht auch die Flavier getroffen hatte, da sie wohl auch an dem Mordkomplott beteiligt gewesen waren. Glücklicherweise war darüber viel Gras gewachsen.

  • "...recht ansehnlich." Also kein Buckel und kein Holzbein. Immerhin, dachte sich Marciana, belustigt. Also ein Tibirii. Zumindest schien sich die Richtung abzuzeichnen. Auch wenn ihre Cousine leise Bedenken zu haben schien. Wegen des gewissen Makels, wie sie sagte oder war es doch die Erfahrung die sie selbst mit einem Angehörigen dieser Familie gemacht hatte? Für Marciana war klar, dass sie wenig bis gar keine Mitsprache in dieser Angelegenheit hatte. "Gibt es eine Möglichkeit, sich den einen oder anderen Kandiaten anzusehen? Wollen wir ein Fest geben? Ein Grund wird uns sicher einfallen. Vielleicht sind wir auch Gäste auf einer der großen Gesellschaften.". Marciana war schon ganz gespannt auf diese Feste. So etwas kannte sie nur vom hörensagen. Es war das Fest, das sie reizte. Gesehen und gesehen werden. "Ich kann mir vorstellen, dass bei so einer Gelegenheit, auch Verbindungen geknüpft werden, die sich auf das Fortkommen Maecenas auswirken könnten.". Sie schaute zu Maecenas hinüber und empfand tatsächlich etwas wie Geschwisterliebe. waren sie nicht eine Art Schicksalsgemeinschaft? Er sollte sich einen Patron suchen, der ihm die Türen öffnete und sie sollte einen Mann heiraten, den sie vermutlich nicht lieben würde. Alles zum Wohle der Familie. Zwei Seiten der selben Münze.

  • Ich lauschte aufmerksam den Worten meiner Tante und nippte an meinem Wasser, welches nur sehr leicht gemacklich mit Wein eingefärbt war. In mir keimte erneut ein gewisser Widerwille gegen all die Vorhaben auf, doch ich ließ mir diese wie immer nicht anmerken. Pflicht war eben Pflicht und daran würde sich auch so schnell nichts ändern. Ich dachte an jenen Tiberius, welchen ich schon kennen gelernt hatte und mehr vermochte ich aus eigener Erfahrung auch nicht zu sagen. Hörensagen war hier nicht dienlich und sollte mich auch nicht leiten. Schon recht nicht in meinen aktuellen Gedanken. Und es wäre so oder so Einerlei, denn eine gute Familie war eine solche. Ob Cluadia oder Tiberia - ohne Makel. Ich nickte dann und hörte einfach weiter zu. Vielleicht war die Damenwelt geschickt im Einfädeln von Ehen als ich. Doch aufmerksam würde ich bleiben. Irgendwann kamen die Jahre, in welchen ich derartige Entscheidungen würde treffen müssen. Ich merkte wieder auf, als Marciana nun von einerm Fest sprach, in welchem Leute von Einfluss zur Ehe und auch zu meinem Fortkommen eingeladen werden sollten. "Das klingt nach einer guten Idee," sagte ich. Die Wahl meines Patrons stand schließlich noch immer im Raum und auch dieser sollte wohlweislich gewählt sein. Dann schürzte ich die Lippen. "Da haben wir die Claudier und Tiberier. Die Aurelier....," sinnierte ich nach. Hatte ich jemanden vergessen? Schließlich konnte derartiges vorkommen.

  • "Die großen Familien halt. Ob mit oder ohne Makel. Egal. Hauptsache die Interessen sind vereinbar.". Das hörte sich so an, als ob Marciana schon hunderte von Feiern organisiert hatte. In Wahrheit, hatte sie darin gar keine Erfahrungen. Doch der angeborene hochherrschaftliche Instinkt zeigte ihr die Richtung. "Also nur die ersten Häuser.". Das wäre zwar überschaubar, doch man war unter Seinesgleichen, das war wichtig. Zudem eine passende Gelegenheit, sich so richtig herauszuputzen. Wann kann man das mal? Da musste sie sich noch mit ihrer Cousine intensiv unterhalten, was man schicklicherweise tragen kann und wie weit man beim zeigen gehen durfte. Hatte sie nicht kürzlich zu Maeceans gesagt: Wozu haben die Götter uns Frauen diesen Körper gegeben?. Hier war eine Gelegenheit davon Gebrauch zu machen.

  • Völlig egal erschien mir die Wahl ihres Ehemannes nicht, doch würde ich mit meiner weiteren Meinung warten, bis sich meine Tante geäußert hatte. Sie war schon länger in der Stadt und hatte ihre ureigenen Informationen und ihr Wissen über etwaige Hintergründe. Vor allem über die ersten Häuser und deren Abgründe. Jene gab es in jeder Gens und wohl im Übermaß vor allem in den ersten Häusern der Stadt. Bisweilen erschien es mir schon Athen, dass die besten und edelsten Familien es sich schier zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, ihre Villen eben auf dem tiefsten Schlund zu errichten, nur um dann damit zu buhlen. Die Tyrannis lag allenthalben überall in der Luft. Besonders in der Ehe. Aber das behielt ich eben so für mich wie alle anderen Gedanken, welche ich mir in diesen Momenten machte. Meine Blicke schwenkten zu meiner Tante hinüber, in Erwartung ihrer Expertise.

  • Domitilla verfolgte aufmerksam die Unterhaltung ihrer beiden jüngeren Verwandten. Es machte sie stolz, dass beide sozusagen Hand in Hand über ihre weitere Zukunft nachdachten und dabei das Fortkommen des anderen dabei nicht ignorierten. Die Idee von einem Fest, welche dabei nach und nach das Licht der Welt erblickte, gefiel ihr. Sie liebte Feste und hatte auch einiges nachzuholen. Die letzten Jahre, die sie geradezu wie eine Verbannte, fernab von Rom, zugebracht hatte, hatte ihr einiges abverlangt.

    "Das ist eine hervorragende Idee! Ich würde vorschlagen, wir warten bis nach der tiberisch - aurelischen Hochzeit. Dann laden wir die Oberhäupter der wichtigsten Familien Roms zu einer Cena ein. Was haltet ihr davon?" Die Flavia blickte fragend nacheinander zu ihren beiden Verwandten, um deren Meinung zu erfahren. Natürlich konnte man besagte Hochzeit auch schon dazu nutzen, um sich umzuschauen, nach potentiellen Ehemännern für Marciana und einem Patron für Maecenas, der ihn bei seinem politischen Aufstieg unterstützte.