Der Brautzug - oder ich bringe meine Frau in meine Höhle

  • Das Dessert war soeben abgetragen worden, als ein extra dafür angeheuerter Ausrufer hereintrat, sich vor der feiernden Gemeinschaft verneigte und mit klarer Stimme erklärte:"Die Venus ist aufgegangen!"

    Dies war das Zeichen für den finalen Schritt des Rituals: der Domum Deductio der Braut. Nichts an diesem Tage fürchtete Nero mehr als diesen Schritt, ja er brachte mehre Probleme mit sich. So würden einerseits sie durch das nächtliche Rom gehen müssen, was für den heute extrem nervösen Tiberii die Gefahr zu stolpern oder zu stürzen und sich damit zum Gespött der gesamten Gesellschaft zu machen, mit sich brachte. Hinzu kamen die Spottverse, welche zu diesem Anlass gesungen wurden und Nero ahnte, dass Atticus da einige vorbereitet hatte. Schließlich auch noch der Vollzug der Ehe selbst, welche ihm zwar keine Bedenken bereitete, aber da er heute seine Nervosität einfach nicht in den Griff bekam hoffte und betete er, dass sie nicht desaströs enden würde.


    Seine Nervosität stieg in dem Moment als er sich nun erhob und die jüngeren Gäste sich um ihn scharten, um die Braut ihrer nächsten Verwandten, Nautia Eburna, zu entreißen.

    "Auf, Nero, holen wir uns deine Braut!"

    Rief Atticus vergnügt und schob den jungen Tiberius vorwärts, sodass Nero mit einem Lächeln den Arm seiner Gattin ergriff und sie nach kurzem Widerstand zu sich zog.

  • Der wichtigste Teil war mit der Unterzeichnung des Ehevertrages und den anderen Riten zwar geschafft, dennoch wurde Corvina zunehmend nervöser, je weiter die Feier voranschritt. Immer wieder hatte sie Neros blick gesucht, um sich bei ihm Sicherheit zu suchen, aber auch er schien zunehmend nervös zu werden, was nicht gerade zu Corvinas Sicherheit beitrug. Als es langsam anfing, zu dunkeln, huschte Corvina mit Kara schnell noch einmal auf die Latrine. In diesem Kleid war das eine kompliziertere zwei-Frau-Angelegenheit, und sie wusste nicht, ob sie bei dem folgenden dazu kommen würde.


    Sie war also zurück und gerade dabei, sich mit einem der Hochzeitsgäste aus der Nachbarschaft ein klein wenig zu unterhalten, als der Ruf erscholl, dass die Venus aufgegangen sei. Corvina wusste, was das hieß. Sie entschuldigte sich bei ihrem Gesprächspartner und ging zu Nautia Eburna, der Mutter von Onkel Sextus' Ehefrau Curtia Minor, die schon am Vorabend die Rolle der Brautmutter übernommen hatte, da Corvinas leibliche Mutter ja in Athen war und nicht hatte herreisen können.

    Diese kam ihrer Rolle auch mit Leidenschaft nach und hielt Corvina eng in ihren Armen umschlossen und klagte laut und weinend, als Nero Corvina am Arm ergriff und mit sich zog. Corvina sah noch einmal zurück, dieses Mal musste sie ihre aufkommende Angst und Unsicherheit nicht spielen, sondern konnte sie einen Augenblick offen zeigen und eine kleine Träne aus Nervosität aus ihren Augen herauslassen. Noch einen letzten Blick warf sie auf das aurelische Atrium und die Villa, die zwischenzeitlich ihr Zuhause gewesen war, und ihre vielen verwandten, die sie noch in ihr neues Leben begleiten würden. Und doch war es ein Abschied.


    Draußen war es kalt. Instinktiv griff Corvina stärker Neros Hand und sah ihn einmal an. Sie war mindestens so nervös wie er. Kurz mussten sie warten, bis die Fackeln aus Weißdornholz entzündet waren. Um Corvina herum stellten sich drei Jungen auf, deren Eltern noch lebten. Einer davon war Lucius, die anderen beiden waren Kinder von Marcus Cilnius Lanatus und seiner Gattin. Sie sah auch Flötenspieler, die ihre Instrumente aufnahmen. Corvina zitterte und wusste selber nicht, ob es wegen der Kälte oder ihrer Nervosität war. Aber nun konnte der Brautzug losgehen.

  • Dem jungen Tiberius erschien dieser Raub als Brauch welcher lustvoll zelebrierte, insbesondere in seinem Falle kam dies der Wahrheit wohl sehr nahe, da jener inszenierte Raub einer ungestüme, zweifelsohne einer erotisch Begierde Ausdruck verlieh. "Talassio!" rief bereits Atticus und klopfte seinem Nero auf die Schulter.

    Den ersten Akt, die große Hochzeitszeremonie hatten sie nun hinter sich und vollendeten nun den zweiten Akt, der weitgehend nach römischer Tradition vonstatten ging. Vor der Villa Aurelia hatte sich der Brautzug bei leichten Schneefall in in Bewegung gesetzt, an dessen Spitze drei Fackelträger und den beiden Brautleuten und war nun auf den Weg zur Villa Tiberia.

    Nero legte seinen Arm um seine Braut und schützte sie sie so vor dem Wetter und der Kälte des Abends.

    Auf dem Weg hatten sich einige weiter entfernte Bekannte der Familien versammelt und warfen mit Nüssen, die sie - falls sie sich nicht bereits selbst welche gekauft hatten, von Neros Sklaven erhielten. Auch durfte natürlich der Rufe "Tallassio" nicht fehlen, der in regelmäßigen Abständen ertönte, besonders, wenn sie an größeren Menschengruppen vorbeikamen.


    Auf dem Weg hielt Nero zusätzlich die ganze Zeit Corvinas Hand. Zudem ließ er es sich während des Zuges, der immer auch mit gewissen Frivolitäten verbunden war, nicht nehmen, Corvina immer mal wieder ein Kuss auf die Wange oder den Hals zu hauchen. Teilweise ließ er während der Küsse sogar schon seine Zungenspitze kurz ihre Haut berühren. Das konnte freilich niemand sehen, der nicht direkt vor, hinter oder neben ihnen lief.

  • Atticus hatte au0erordnetlich gute Laune. Denn jetzt kam der wirklich spaßige Teil des Festes und Nero konnte ihm noch nicht einmal wirklich übel nehmen, wenn er die Gelegenheit nutzte, um ein wenig Spaß zu haben. Denn: An dieser Stelle des Festes gehörte es explizit dazu, möglichst derbe Späße zu machen.


    Atticus schloss sich also dem Brautzug an und fing auch schon bald damit an, die ersten Spottverse vorzutragen. Als Vigil hatte man schließlich Übung darin, nachts durch Straßen zu ziehen und durch die Gegend zu rufen. Normalerweise war es zwar die aktuelle Nachtstunde und die Mitteilung, alles sei in Ordnung, aber so festgefahren in seinen Gewohnheiten war Atticus nun doch nicht. Man konnte schon mal was anderes rufen.

    “Beeilt euch nur, hopp! Wir wissen, ihr wollt ins Bett, übereinander herfallen wie die Kaninchen, Jawoll, das wird nett! Hoffen wir nur, dass der Ehemann sich nicht auch dort so beeilt, wenn er in der Braut seinen Samen verteilt. Sonst müssen wir ihnen das Fascinum nachschicken, auf das es hilft, die Braut zu beglücken!“

    Oh, ja, Atticus würde Schläge kriegen, das wusste er. Nero würde ihn beim nächsten gemeinsamen Übungskampf ordentlich verhauen. Aber die Lacher, die von hier und da aus den Brautzug oder von nahe stehenden Passanten kamen, waren es wert. Und es hatte Tradition, jawollja!

  • Sie gingen los über die winterlichen Straßen. Nero hielt Corvinas Hand und beugte sich immer wieder zu ihr, um ihr einen kleinen Kuss zu geben. Er konnte nicht wissen, dass er Corvinas Nervosität damit nur noch anfachte. Wieder kamen die Fragen von zuvor auf, auf die sie noch immer keine wirkliche Antwort hatte. Wenn sie gleich bei den Tiberiern ankamen und dann alleine wären, was sollte sie dann tun? Was erwartete er von ihr, dass sie dann tat? Musste sie überhaupt etwas tun? Nicht verkrampfen, das war der einzige Tipp, den sie bekommen hatte, und wohl der einzige, den sie nicht umsetzen konnte.

    Immer wieder versuchte sie, Nero mit einem Blick mitzuteilen, wie sie fühlte, aber es waren einfach so viele Menschen um sie herum, so viel Ablenkung, so viel lachende Gesichter, dass sie nicht konnte und nur immer wieder dem ein oder anderen schüchtern zulächelte, während sie gingen.

    Die ersten Spottverse ließen auch nicht lange auf sich warten. Und drehten sich dann auch um die anstehende Hochzeitsnacht und das, was dort passieren würde. Corvina lief tiefrot an und blickte zu Boden. Sie hatte doch keine Ahnung, was eigentlich überhaupt passieren würde, und was das Fascinum dabei bitte helfen sollte. Also, so grob konnte sie es sich schon denken, aber sie dachte wirklich nicht, dass das auch nur annähernd hilfreich wäre.

    Sie hoffte nur, dass sie bald ankämen. Dann wäre dieser spöttische Teil wenigstens vorbei.

  • „Gleich sind wir zu Hause.“ Sagte Nero leise zu Corvina und auf seinem Gesicht breitete sich ein freudiges Lächeln aus. Immer wieder dachte er dabei daran, dass neben ihm grade seine Ehefrau lief. Sein nächster Gedanke galt Atticus. 'Ich bring ihn um...langsam.. qualvoll...gaanz langsam.' Ein Blick der genau das sagte traf Atticus dann auch. Bevor Nero seine Frau dichter zu sich zog. „Hör nicht auf das was der Schwachkopf sagt.“ Raunte er ihr zu. Denn alle die Erwähnung des Fascinum ließ
    seien Nervosität wieder steigen. Sie hatten noch einige Aufgaben zu erfüllen, bis sie endlich allein wären. Aber nicht nur er war nervös er merkte wie sich Corvina sichtlich anspannte und ihren Blick nach unten richtete. Nero überlegte schon, ob Atticus heute im Freien schlafen würde, damit er einen klaren Kopf bekam. Aber ja er würde sich so was von rächen, wenn sein Freund eines Tages seine Braut nach Hause führen würde.

  • Immer wieder wurde ihnen unterwegs zugejubelt und der ein oder andere trug einen Vers vor so war nun dieser zu hören:


    An Caudex und die schöne Braut

    für euch das schönste Feste

    wenn sich die Braut

    im Bett was traut

    dann ist das wohl das Beste.


    Der Caudex ist ein starker Mann

    und seine Frau so zart und fein

    doch die Natur

    mit Weisheit nur

    vollbringt das Spiel von Raus und Rein...... 






    Sim-Off:

    *vielen Dank an AFS


  • Sextus schloss sich dem Brautzug nicht an. Offiziell blieb er zurück, um den Hochzeitsgästen, die sich aus dem ein oder anderen Grund nicht anschließen konnten, weiterhin ein guter Gastgeber zu sein. Das waren zwar nicht viele Gäste, und einige davon waren betrunken und würden ohnehin nicht mitbekommen, ob er anwesend war oder nicht, aber es war ein veritabler und angesehener Grund, und das reichte ihm.

    Kaum war der Brautzug losgezogen, hörte er auch noch an der Porta stehend die ersten Spottgedichte, die sich natürlich um die anstehende Hochzeitsnacht drehten. Nein, es wäre wirklich besser für seine eigene, finstere Gemütslage, sich nicht anzuschließen.

    Stattdessen hielt er einmal nach diversen seiner Sklavinnen Ausschau. Nicht nur die Braut würde heute eine lange Nacht haben.