[OSRHOENE] Edessa

  • Edessa ist eine uralte Stadt. Schon die Sumerer, die Akkadier

    und später die Hethiter erwähnten sie in ihren Texten.

    Ihren heutigen Namen erhielt die Stadt jedoch erst nach den Eroberungszügen

    Alexanders des Großen, als einer seiner Diadochen, Seleukos I. Nikator,

    die Stadt Edessa neu gründete. Während der Regentschaft

    von König Antiochos IV. Epiphanes hieß die Stadt auch zeitweise

    Antiochia Kallirhoe. Nach der Periode der Herrschaft

    der Seleukiden, fiel Edessa von deren Reich ab und wurde neue Hauptstadt

    des jungen und unabhängigen Königreichs Osrhoene,

    bis zu jenem Tage, da Großkönig Mithridates II.

    Edessa ins Partherreich eingliederte.

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  • Die Öffnung von Pandoras Büchse


    Es war der Tag der Krönung von Mithridates V. in Ktesiphon. König Abgars Bruder, Prinz Orodes, stand in jenem Moment auf den Stufen der Großen Treppe und hatte gerade erst vor dem Großkönig Osrhoenes Abfall vom parthischen Thron erklärt und den römischen Beobachter der Feier, Senator Gnaeus Helvidius Eburna um Roms Hilfe angerufen gehabt. So stand der Prinz nun auf der Treppe und erwartete die Antwort des Römers. Orodes hatte sich sehenden Auges in diese Gefahr begeben, darauf vertrauend, dass die Parther sich an ihren Brauch halten und niemanden am Krönungstag umbringen würden. Nun hatte er die Botschaft seines Bruders überbracht und alles hing von Roms Reaktion ab. Mit stummen Bitten in seinem Blick ließ der Prinz diesen auf Senator Eburna ruhen, bis dieser endlich einlenkte und verkündete: "Kraft der mir verliehenen diplomatischen Vollmacht gewähre ich Osrhoene provisorisch Roms Unterstützung, bis der Augustus und der Senat die entgültige Entscheidung hierüber getroffen haben!" Orodes strahlte und sein Herz wurde um vieles leichter. Also hatte der Plan seines Bruders doch den leichten Hauch einer Chance. Nur zu verständlich, dass dies dem Großkönig gar nicht gefiel. An den Osrhoener gewandt rief er daher: "Danke den Göttern, dass am Krönungstag kein Blut fließen darf, ansonsten würdest du auf der Stelle sterben! Und auch du, Römer!", ließ er auch Senator Eburna wissen. Zurück bei Orodes sprach Mithridates weiter: "Verschwinde nun aus meinem Angesicht und überbringe meine Botschaft an deinen Bruder! Freut euch eurer Freiheit, sie wird nicht lange währen! Ich werde mit hunderttausend Soldaten nach Edessa kommen, ich werde eure Mauern niederreißen und die Straßen mit dem Blut eurer Frauen und Kinder füllen! Der Kopf deines Bruders wird auf einem Pfahl enden und seine Gedärme die Schweine fressen! Tod und Verderben soll euer Los sein! Geh, und künde deinem König welche Saat er seinem Volke gesäht hat!" Orodes' Blick verhärtete sich, doch er machte sofort kehrt und begann die Stufen hinunter zu laufen, vorbei an den übrigen immer noch am Boden liegenden Satrapenkönigen. Würdet ihr euch doch auch nur unserer Sache anschließen, anstatt euch ein weiteres Leben lang binden zu lassen, dachte sich der Prinz im Vorbeigehen. Auch hörte Orodes wie in seinem Rücken der Großkönig seine Wachen dazu aufrief den Römer verhaften zu lassen und dass in weiterer Folge ein Tumult ausbrach, doch Orodes blieb nicht stehen und drehte sich auch nicht um, um die Geschehnisse dort oben am Pavillon selbst sehen zu können, besser er machte sich jetzt daran, dass er aus der Stadt verschwand, ehe es sich König Mithridates anders überlegte und auch ihn verhaften ließ.


    So spurtete der junge Prinz die Treppe hinab und dann seitlich zu jenem Pferd, mit dem er vorhin zusammen mit den anderen Königen an seines Bruders Stelle in Ktesiphon eingezogen war. Wie gut, dass er auf diese Weise gleich ein Reittier bei der Hand hatte! Er riss dem Sklaven, die Zügel aus der Hand, der sie die ganze Zeit über gehalten hatte und schwang sich auf sein Ross. Dann wendete er es in Richtung Stadttor und sprengte los. Verdutzte Blicke aus der Menge des Volks verfolgten ihn. Sie hatten nicht genau verstanden was hoch oben am Pavillon genau gesprochen worden war, doch des Großkönigs Gesichtsausdruck und Fuchtelei und der Umstand, dass der stehengebliebene "Vasallenkönig" sich vor Ende der Zeremonie vom Großkönig entfernte und auf dem Rücken eines Pferdes davonritt, war merkwürdig genug, damit auch die in den hintersten Reihen sofort wussten, dass etwas entsetzlich schief gelaufen sein musste bei dieser Krönung.


    Prinz Orodes passierte das Stadttor und wandte sein Pferd in Richtung Nordwesten. Die darauffolgende Zeit der nächsten Tage ritt er entlang des linken Ufers des Tigris. Bei Aššur setzte Orodes über den Fluss über und folgte dem Tigris bis Ninive, von da an verließ er ihn und ritt nach Osten bis Singara und Carrhae. 15 Tage später nach seinem Aufbruch aus Ktesiphon hatte Prinz Orodes dann endlich Edessa erreicht.

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  • RE: Die Öffnung von Pandoras Büchse


    Es war Mittag, als Prinz Orodes in Edessa ankam. Die Torwache ließ ihn ohne Probleme passieren und so galloppierte er wie von den Furien gejagt durch die Straßen der Stadt. Erst gestern hatte er in Carrhae wieder das Pferd gewechselt, um noch schneller wieder zuhause sein zu können und die schrecklichen Drohungen des Großkönigs überbringen zu können. Dann, vor dem Palast seines Bruders angekommen, brachte Orodes schlitternd sein Pferd zum stehen und sprang ab. "Der König! Schnell! Wo hält er sich im Moment auf? Ist er im Palast anwesend?" Die verdutzte Wache hatte den Prinz erkannt und meinte nur: "An mir ist er heute noch nicht vorbeigegangen, also muss er sich im Palast aufhalten, ja Herr." Das genügte Orodes. "Hier" sagte er und drückte der Wache die Pferdezügel in die Hand, dann lief er weiter.


    Im Inneren des Palastes fragt er noch einmal diverse Diener, bis er endlich herausbekommen hatte, dass sein Bruder sich im Moment im Westflügel im Sitzungssaal aufhielt bei einer Stabsbesprechung mit hochrangigen Generälen seiner Armee. Wie passend für das kommende Gespräch. In hohen Bogen sprangen die Türflügel zum Saal auf und Orodes stürzte keuchend herein und blieb vor den Anwesenden stehen.


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    Abgar VIII., König von Osrhoene


    König Abgar VIII. blickte überrascht auf. "Orodes, mein kleiner Bruder!", rief er erfreut, als er ihn erkannte und stand dann auf, um Orodes in den Arm zu nehmen. Dann streckte er ihn wieder eine Armlänge von sich und fragte: "Ich freue mich sehr dich lebend wiedersehen zu können, doch sprich, wie hat der Schahanschah reagiert?" Noch bevor sein kleiner Bruder auch nur den ersten Ton herausbrachte, sagte sein Gesichtsausdruck bereits alles was der König wissen musste. "Er möchte uns für unseren Ungehorsam bestrafen. Der Schahanschah möchte mit hunderttausend Soldaten in unsere Länder einfallen, unsere Frauen und Kinder umbringen, Edessa zerstören und deinen Kopf, geliebter Bruder.. deinen Kopf möchte er auf der Spitze eines Pfahls wiedersehen." König Abgar hatte diese Neuigkeiten mit Sorge aufgenommen und auch seine Generäle im Hintergrund hatten miteinander zu tuscheln begonnen. Abgar seufzte. "So wurde die Büchse der Pandora also über uns allen geöffnet. Wie steht es mit Rom? Wird es uns zu Hilfe eilen?"


    "Ich weiß es nicht, mein König. Der Römer dort bei der Krönungsfeier hatte uns Hilfe zugesagt, doch hörte ich noch im Gehen, wie der Schahanschah seine Verhaftung befohlen hatte. Gut möglich also, dass er es nicht mehr aus Ktesiphon hinausgeschafft hat." Abgar nickte und brummte. "Gut, dann müssen wir uns noch einmal direkt an die Römer wenden. Auf ihren Gesandten dürfen wir uns nicht verlassen. General Philemon!" rief er und drehte sich zu seinen Generälen um. "Wieviel Zeit haben wir, bis wir mit dem Auftauchen der parthischen Armeen an unseren Grenzen rechnen dürfen?" Der Angesprochene General kratzte sich am Kinn. "Schwer zu sagen, es kommt darauf an aus welchen Ecken des Reichs der Schahanschah seine Truppen zusammenzieht. Wenn er nur auf Soldaten aus dem westlichen Teil, von Ekbatana bis Armenien, zurückgreift vermutlich so in 2 bis 3 Monaten, doch will er auch die Reiterhorden aus Chorasan einsetzen, vermutlich noch 1 oder 2 Monate länger." König Abgar nickte. "Gut, also im schlimmsten Fall in zwei Monaten. Wir müssen uns darauf vorbereiten und entsprechende Vorräte anlegen und Soldaten ausheben. Auf welcher Gesamtstärke liegen wir im Moment?"


    Fragend blickte er in die Runde, bis sich einer der Generäle räusperte. "Unsere letzte Rekrutierungsinitiative letzten Monat hat uns zusätzliche 6000 Mann gebracht. Damit liegen wir jetzt bei einer Gesamtstärke von 45.000 Mann. 30.000 davon Kavallerie, die restlichen 15.000 Infanterie." Das gab dem König einen leichten Stich ins Herz. "Das ist zu wenig, das ist viel zu wenig..."

    "Ich weiß, o königliche Majestät, doch nicht mehr lange und wir kommen an die Grenzen unserer Rekrutierungskapazitäten. Wir müssen auch noch genügend Leute auf den Feldern lassen zur Nahrungsmittelproduktion, damit der Nachschub gesichert ist. Wenn wir jedoch wirklich an unsere äußersten Grenzen in der Truppenaushebung gehen würden, dann würden wir zusätzliche Truppen in Höhe von..."

    Abgar seufzte. "Es bringt nichts, wir werden wohl wirklich auf die Hilfe der Römer setzen müssen."

    "Fragt sich eben nur, ob sie uns auch beistehen werden", mischte sich da Prinz Orodes ein.

    "Das müssen sie einfach! Sie versuchen doch auch schon seit langem die Parther niederzuwerfen! Welche bessere Gelegenheit hätten sie denn, außer die jetzige?"

    "Ja schon, aber es wird gewiss auch seinen Grund haben warum sie es bislang trotzdem nicht geschafft haben! Außerdem, was denkst du wieviele Krieger sie uns schon schicken werden?"

    "Das weiß ich nicht, jedoch habe ich gehört, dass schon eine einzige Legion der Römer es mit einer barbarischen Übermacht von der doppelten Kriegerzahl und mehr aufnehmen kann! Alles was wir brauchen würden, wären also nur zwei  bis drei ihrer Legionen, zusammen mit unseren eigenen Soldaten könnten wir den Angriff des Schahanschah abwehren..."


    Schweigen herrschte für eine Weile im Raum, während der jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Ob Rom zu Hilfe eilen würde oder nicht stand in den Sternen und alleine konnten sie den Partherkönig niemals zurückschlagen. Nicht nur, dass ihre Truppenzahlen viel zu niedrig dafür waren, sondern auch, weil sich die Soldaten Osrhoenes in ihrer Qualität nicht groß von denen der übrigen parthischen Streitkräfte unterschieden. Also war vielleicht eine genügend hohen Mannesstärke doch ausschlaggebend.


    "Majestät, was befehlt Ihr nun?" unterbrach da dann General Philemon die Stille. Abgar leckte sich über die Lippen. Er durfte jetzt nicht die Nerven verlieren, immerhin hatte Alexander der Große im gleichen Alter bereits den Perserkönig gestürzt und Persepolis gebrandschatzt gehabt und wäre gerade mitten in den Vorbereitungen seiner Feldzüge nach Sogdien und Indien gewesen, also sollte König Abgar VIII. doch wohl auch in der Lage sein Großkönig Mithridates V. von Edessa fernzuhalten!


    "Hebt weiterhin Truppen aus und legt so viele Vorräte wie möglich an! Außerdem verstärkt die Stadtmauern von Edessa und holt die Landbevölkerung in den Schutz der städtischen Mauern, doch noch nicht sofort, sondern erst im Laufe des kommenden zweiten Monats. Das wäre es soweit." Für genauere Befehle und genauere Zahlen müsste der König noch einmal exakter die Unterlagen und öffentlichen Aufzeichnungen prüfen. Doch jetzt entließ er seine Generäle und seinen Bruder und machte sich auf den Weg in seine königliche Kanzlei. Immerhin galt es einen Brief an den römischen Imperator aufzusetzen. Jede Minute war kostbar, der Feind konnte schon in wenigen Monaten vor den Reichsgrenzen Osrhoenes auftauchen.

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  • Die Tränen der Hoffnungslosen


    Wie König Abgar VIII. gesprochen hatte, so geschah es. Ein königlicher Abgesandter von höchstem adeligen Geblüt wurde nach Rom losgeschickt, um Hilfe zu holen. Auf den Römer von der Krönungszeremonie wollten sie sich besser nicht verlassen. So also wurde er mit großem Prunk und viel Hallo in die Ferne verabschiedet. Doch was man zuhause in Edessa nicht wusste war, dass der Abgesandte nach wenigen Wochen in Kilikien von Piraten überfallen und ermordet wurde. So geschah es, dass das osrhoenische Hilfegesuch des Königs niemals Rom erreichte, mit fatalen Folgen.


    Nach Ablauf der Frist, die der Großkönig benötigt hatte, um seine Truppen zusammenzuziehen, war das Los Osrhoenes besiegelt. Als die parthische Armee an den Grenzen des Königreichs erschien, bebte die Erde unter dem Stampfen vieler hunderttausend Stiefel, der ganze Horizont war eine einzige schwarze Masse. Die schwachen osrhoenischen Verteidigungsheere wurden wie mürbe Blätter hinweggefegt und Großkönig Mithridates persönlich ritt als Erster auf einem goldgepanzerten Schlachtross ins Landesinnere. Die feindlichen Horden kamen schnell vorwärts, da viele Dörfer und Städte sich kampflos ergaben und die Tore öffneten, als sie die Überzahl vor sich erblickten. Doch sie sollten diesen Verzweiflungsakt bitter bereuen. Denn der Großkönig war nicht für bloße Eroberung gekommen, er sinnte auf Rache. Rache zur Wiedergutmachung der Schande, die ihm Osrhoene während seiner Krönung beigebracht hatte!


    Alle Städte, auch die die sich kampflos ergeben hatten, wurden geplündert und ein Großteil der Bevölkerung massakriert. Blut floß in Bächen die Straßen hinab. Bald schon setze eine panische Flucht der Bevölkerung nach Westen ein, wenn sie hörte, dass die Front kurz davor war auch zu ihnen zu gelangen. Bald waren schon Scharen von Flüchtenden unterwegs in Richtung Edessa, in der Hoffnung dort Schutz zu finden. Immerhin besaß die Hauptstadt die höchsten und dicksten Mauern des Königreichs. Doch zu ihrem Entsetzen fanden die Flüchtlinge verschlossene Tore vor, sobald sie Edessa erreicht hatten. Sie hämmerten wild an dem Holz und schrien und flehten um Einlass, doch war Befehl ergangen worden die Tore nicht zu öffnen. Nicht, dass der Feind plötzlich erschien und das Tor sich nicht schließen ließ, weil es von Menschen verstopft war!


    So also stand König Abgar mit Tränen in den Augen oben an der Stadtmauer und blickte hinunter auf jene Untertanen, die er mit seinem Entschluss bereits jetzt schon zum Tode verdammt hatte. Nicht viel später erschienen dann auch die parthischen Krieger an den Rändern der Ebene von Edessa. Einzelne Verbände der Kataphraktoi lösten sich von der Hauptmasse und galloppierten bis zu den Stadtmauern vor. Sie mähten durch die flüchtenden Osrhoener, die am Tor Einlass begehrt hatten und lachten und sangen dabei, während von den Opfern nur noch ihre letzten Schreie zu vernehmen waren. König Abgar musste sich an den Zinnen aufstützen so sehr schmerzte es ihn, während osrhoenische Bogenschützen rund um ihm herum damit begannen Pfeilhagel um Pfeilhagel auf die Panzerreiter abzuschießen, doch sie konnten keinen nennenswerten Schaden anrichten.


    Sobald das Hauptheer des Großkönigs die Mauern erreicht hatte, begann die Belagerung von Edessa. Abgar VIII. war fest entschlossen so lange wie möglich durchzuhalten, auch wenn er wusste, dass es sinnlos war. Alle die in den vorigen Monaten aufgebauten Verteidigungswerke und all die rekrutierten neuen Soldaten waren am Ende nutzlos gewesen angesichts der erdrückenden parthischen Übermacht. Wo war Rom nur geblieben? Warum war es nicht gekommen? Warum hatten sie zumindest nicht einmal geantwortet?


    Die Parther belagerten 14 Tage lang Edessa. Während all der Zeit bauten sie Belagerungswerk und die Soldaten verhöhnten die Eingeschlossenen regelmäßig mit Spottliedern und der Frage wo denn ihre römische Hilfe geblieben sei. Wann immer sie konnten, versuchten die Osrhoener Schaden anzurichten, wie mit Brandpfeilen, oder großen Steinbrocken, die sie die Mauern hinunterwarfen. Sie schafften es auch am Anfang 1-2 Belagerungstürme in Brand zu setzen und von einem herangeschobenen Rammbock den hölzernen Stiel des Bocks mit einem Steinbrocken genau rechtzeitig noch abzubrechen, doch letztendlich war all dies trotzdem vergebens. Am 14 Tag waren die Mauern überwunden und das Ende kam über die Stadt.


    Thanatos, der Gott des sanften Todes, war an jenem Tage hier nicht anzutreffen, nur seine Schwester Ker, der gewaltsame Tod. Wie Heuschrecken fielen die Parther in die Unterstadt ein und es dauerte nicht lange, ehe da auch schon die ersten Brände überall aufloderten. Die Luft war erfüllt vom Geschrei der Massakrierten, während die Parther unentwegt lachten und ihre Opfer verspotteten und ihren Großkönig hochleben ließen. Es lebe Mithridates der Große! Bezwinger aller Feinde und Herr der Welt!


    Der Palast war die letzte Bastion die an diesem Tag fiel. Geschützt durch seine eigenen Mauern und den verriegelten Toren hielt er eine ganze Weile länger durch wie der Rest der Stadt, doch auch er war am Ende chancenlos. Nicht, dass es irgendein Osrhoener noch bemerkt haben könnte, aber als der Tag sich dem Ende neigte und eine blutrote Sonne im Westen versank, prangten am Balkon des Königspalastes zehn Pfähle, jeder mit dem aufgespießten Kopf eines osrhoenischen königlichen Familienmitglieds. In der Mitte, am höchsten Pfahl, hing der Kopf von König Abgar VIII. Grausam entstellt und mit einer Narrenkappe auf dem Haupt.


    Der osrhoenische Widerstand war in sich zusammengebrochen, niemand war mehr hier, der sich noch gegen den Großkönig stellen konnte. Noch drei weitere Tage dauerte die Plünderung von Edessa an, ehe die parthische Armee weiter nach Westen zog, um auch die restlichen Städte des Königreichs anzugreifen. Es wurden keine Gefangenen gemacht, wer in die Hände der Parther fiel starb.


    Als nach weiteren zehn Tagen der Feldzug abgeschlossen war und die Armeen des Großkönigs zurück in den Osten marschierten, war das ganze Land eine einzige Ödnis. Die Städte alle zerstört, die Felder niedergebrannt und die königliche Familie ausgelöscht. Nur eine handvoll Einwohner hatte in den Städten überlebt, entweder waren sie früh genug geflohen, oder sie hatten sich gut genug verstecken können. In den abgelegeneren Dörfern, dort wo die Parther nicht durchgekommen waren, sah die Lage besser aus. Doch es blieb dabei, dass Osrhoene zerstört war und seine überlebenden Bewohner nun ein gebrochenes Volk, das dem Großkönig auf Jahrzehnte hinaus keinen Ärger mehr bereiten würde.


    Da das Land eine neue Führung benötigte, wurde später zentral aus Ktesiphon ein treu ergebener Satrap geschickt, der im Namen und zum Ruhme Großkönigs Mithridates V. die Satrapie Osrhoene verwalten sollte, also das was von dem Land noch übrig geblieben war. Die Einheimischen fügten sich, sie würden nichts mehr unternehmen wollen, was ihren Lehnsherrn dazu veranlassen könnte erneut in ihr Land einzufallen, doch sie würden es niemals vergessen was er ihnen angetan hatte. Und sie würden auch nicht vergessen, dass ihnen an jenem Tage Rom nicht zu Hilfe gekommen war, sondern sie im Stich gelassen hatte. Rom hatte sie in ihrer größten Not verraten und ein heißer Zorn begann sich im osrhoenischen Volke auszubreiten, der nur ein Credo kannte: "Rom hatte sie dem Verderben preisgegeben, Rom war der Feind!"


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