Die vielen kleineren und größeren Geschäfte nach seiner Krönung hatten Mithridates Aufmerksamkeit gefordert und dafür gesorgt, dass er wenig Zeit hatte, sich um andere dinge zu kümmern. Sein Hofstaat musste personell neu aufgestellt werden, alle möglichen verbliebenen Sympathisanten seines verblichenen Bruders aufgespürt und ausgemerzt werden und die eigene Macht gesichert werden. Einen guten Teil davon hatte er schon im Vorfeld seiner Krönung erledigt, aber wie der Fall des dreisten Orodes gezeigt hatte: Seine Macht war noch nicht allumfassend. Es genügte ein übrig gebliebener Diener seines Bruders, verlockt durch die Versprechungen aus Edessa von Freiheit, Rache und einem besseren Leben, ein unaufmerksamer Vorkoster und ein wenig Missgunst, und er, Mithridates, wäre vergiftet und tot.
Auch in seiner eigenen Familie musste er noch einige Entscheidungen treffen. Diejenigen seiner Halbbrüder, die alt genug waren, um als möglicher Gegenkönig eine Rolle spielen zu können, waren noch am Tag seiner Machtergreifung getötet worden, ebenso jeder männliche Säugling im Harem. Niemand sollte auch nur ein Gerücht streuen, ein anderer Anwärter auf den Thron würde leben. Mithridates würde es niemals erlauben, dass sich jemand hinter dem Banner eines Verwandten scharte, um ihn zu stürzen. Dafür hatte er zu viel riskiert, um nun an der Macht zu sein.
Nun aber galt es, auch weiter auszusortieren, wer noch übrig war, ihm gefährlich zu werden. Auch in seinen Schwestern floss das Blut des letzten Schahanschas, und nicht alle waren gehorsam genug, um als Mittel zu seinem Machterhalt verheiratet zu werden oder ihm selbst als Frau oder Nebenfrau gefällig zu sein.
Seine eigene Mutter hatte sich hier ja schon einmal geirrt, als sie ihm ein Mädchen vorschlagen wollte, welches sich als unliebsame Natter entpuppt hatte. Sie hatte seinen Sohn bekniet, ihr ihren Fehler nachzusehen und ihre Unschuld beteuert. Aber Mithridates Zorn war erwacht, und die Flucht des römischen Gesandten trug auch nicht zu seiner Laune bei. Die eigene Mutter zu töten scheute er sich dennoch. Aber so wusste er, wo er mit seinem Verhör im Harem beginnen sollte.
Also erging eines Morgens von ihm der Befehl an die Wachen, sie mögen Prinzessin Shireen holen und vor ihn bringen. Er hätte sie auch einfach unauffällig erdrosseln lassen können, aber seine Laune verlangte eine persönlichere Vorgehensweise.