• Die vielen kleineren und größeren Geschäfte nach seiner Krönung hatten Mithridates Aufmerksamkeit gefordert und dafür gesorgt, dass er wenig Zeit hatte, sich um andere dinge zu kümmern. Sein Hofstaat musste personell neu aufgestellt werden, alle möglichen verbliebenen Sympathisanten seines verblichenen Bruders aufgespürt und ausgemerzt werden und die eigene Macht gesichert werden. Einen guten Teil davon hatte er schon im Vorfeld seiner Krönung erledigt, aber wie der Fall des dreisten Orodes gezeigt hatte: Seine Macht war noch nicht allumfassend. Es genügte ein übrig gebliebener Diener seines Bruders, verlockt durch die Versprechungen aus Edessa von Freiheit, Rache und einem besseren Leben, ein unaufmerksamer Vorkoster und ein wenig Missgunst, und er, Mithridates, wäre vergiftet und tot.

    Auch in seiner eigenen Familie musste er noch einige Entscheidungen treffen. Diejenigen seiner Halbbrüder, die alt genug waren, um als möglicher Gegenkönig eine Rolle spielen zu können, waren noch am Tag seiner Machtergreifung getötet worden, ebenso jeder männliche Säugling im Harem. Niemand sollte auch nur ein Gerücht streuen, ein anderer Anwärter auf den Thron würde leben. Mithridates würde es niemals erlauben, dass sich jemand hinter dem Banner eines Verwandten scharte, um ihn zu stürzen. Dafür hatte er zu viel riskiert, um nun an der Macht zu sein.


    Nun aber galt es, auch weiter auszusortieren, wer noch übrig war, ihm gefährlich zu werden. Auch in seinen Schwestern floss das Blut des letzten Schahanschas, und nicht alle waren gehorsam genug, um als Mittel zu seinem Machterhalt verheiratet zu werden oder ihm selbst als Frau oder Nebenfrau gefällig zu sein.

    Seine eigene Mutter hatte sich hier ja schon einmal geirrt, als sie ihm ein Mädchen vorschlagen wollte, welches sich als unliebsame Natter entpuppt hatte. Sie hatte seinen Sohn bekniet, ihr ihren Fehler nachzusehen und ihre Unschuld beteuert. Aber Mithridates Zorn war erwacht, und die Flucht des römischen Gesandten trug auch nicht zu seiner Laune bei. Die eigene Mutter zu töten scheute er sich dennoch. Aber so wusste er, wo er mit seinem Verhör im Harem beginnen sollte.


    Also erging eines Morgens von ihm der Befehl an die Wachen, sie mögen Prinzessin Shireen holen und vor ihn bringen. Er hätte sie auch einfach unauffällig erdrosseln lassen können, aber seine Laune verlangte eine persönlichere Vorgehensweise.

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  • Als die Türen des Harems aufgerissen wurden und Wachen mit ihrem unverkennbaren, festen Schritt diesen Teil des Palastes betraten, herrschte sofort Panik. Mit lautem Schreien liefen einige der Frauen weg, versteckten sich in Nischen und hinter Möbeln und fingen an, zu beten und zu weinen. In den letzten Tagen war hier sehr viel Blut geflossen und es hatte sehr viele Tränen gegeben. Vor allen Dingen, als die Säuglinge getötet worden waren, war das Wehklagen sehr groß gewesen. Einige Frauen hatten versucht, ihre Kinder zu verteidigen und waren ebenfalls getötet worden. Und auch, wenn ihnen zugesichert worden war, dass hiermit ein Ende des Blutvergießens erreicht worden sei, trauten die meisten Frauen diesen Versprechungen nicht mehr. Vor allen Dingen diejenigen, die noch Kinder hatten, die nicht getötet worden waren, stoben zu eben jenen und versuchten, sie irgendwie in Sicherheit zu bringen vor dem vermuteten Todesurteil von ihnen allen.


    Über all das Wehklagen, den schrecken und das Jammern hinweg donnerte die Stimme des Hauptmannes dieser Abteilung: “Wo ist die Prinzessin Shireen? Der Schahanschah wünscht sie zu sehen!“

    An einigen Stellen war erleichtertes Schluchzen zu hören, andernorts hemmungsloses Weinen, aber keine Prinzessin Shireen. “Sucht sie“, befahl der Hauptmann seinen Wachen, die daraufhin ausschwärmten und anfingen, die Frauen einzeln nach ihrem Namen zu fragen und sie anzublaffen, ob sie wüssten, wo die Prinzessin Shireen wäre. Die Tore des Harems waren geschlossen, es gab nur einen Weg hinaus, also musste sie hier sein.

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  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Nilofer war als Kind in den Harem des Schahanschahs gekommen und hatte lange Jahre der Prinzessin gedient. Sie war mit den Jahren zu ihrer engsten Vertrauten geworden. Nur sie hatte Kenntnis von ihrer Sehnsucht nach Freiheit und ebenso war sie die einzige unter ihren Dienerinnen gewesen, die von dem geheimnisvollen Brief des jungen Surena gewusst hatte. Sie war mehr als einmal ein Risiko für Shireen eingegangen. Doch das allergrößte Risiko war sie für sie an dem Tag eingegangen, an dem Prinzessin Shireen mit dem jungen Herrn Surena während eines heftigen Sandsturmes geflohen war. Ganz wagemutig hatten die beiden Frauen ihre Kleidung getauscht. Aus der edlen Prinzessin Shireen, 16. Tochter der dritten Nebenfrau des Schahanschahs Osroes, war Nilofer die Dienerin geworden und aus Nilofer die edle Prinzessin.

    Zunächst hatte sich die junge Dienerin ganz unwohl in den edlen Gewändern aus Seide gefühlt. Nicht nur, weil sie darum wusste, was mit ihr geschehen würde, wenn man den Schwindel aufdecken würde. Meist hielt sie sich aus Furcht im Verborgenen auf, mied das Zusammensein mit den anderen Dienerinnen und erst Recht den Kontakt mit den anderen Frauen, Kindern und Konkubienen des Shahanshahs. So hatte sie einige Zeit ganz unbehelltigt im Harem leben können.

    Mit der Zeit hatte sie sich an ihre neue Rolle gewöhnt und mit jedem Tag wurde sie besser darin, die Prinzessin zu mimen. So hatte sie es sogar geschafft, die Feierlichkeiten zur Krönung des neuen Shahanshahs Mitridathes unbeschadet zu überstehen. Langsam begann sie davon zu träumen, wie es wäre, nun den Rest ihres Lebens ein Leben als Prinzessin leben können. Doch kurze Zeit nach seiner Machtergreifung hatte Mitridates' Zorn dessen Halbbrüder getroffen. Er hatte nicht einmal vor den kleinen Knaben und Süglingen Halt gemacht, die im Harem bei ihren Müttern heranwuchsen und deren einziges Vergehen es gewesen war, den gleichen Vater zu haben. Wieder hatte eine Zeit des Schreckens Einzug gehalten und Nilofers Sicherheit schwand mit jedem Tag. Sie betete dafür, dass wenigstens ihre Herrin Shireen die ersehnte Freiheit gefunden hatte.


    An dem Tag, an dem die Türen des Harems aufgestoßen worden waren und ein schlimmes Wehklagen erklang, als die Wachen eintraten, war Nilofer bereits darauf gefast gewesen, dass nun ihr schönes Leben eine einschneidende Wendung nehmen würde. Es hatte keinen großen Sinn mehr sich zu verstecken und so schritt sie erhobenen Hauptes den Wachen entgegen, um ein letztes Mal ihre Rolle zu spielen.

    "Hier bin ich, was wollt ihr von mir?" Ganz gleich was sie mit ihr vorhatten, hatte sie doch ihre Genugtuung, dass ihre Herrin bereits seit mehrere Wochen fort war und sich bestenfalls nun in Sicherheit wiegen konnte.

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    Nilofer

  • Es dauerte nicht lange, bis eine junge Frau hervortrat und sich als die Gesuchte vorstellte. Der Hauptmann beschwerte sich nicht darüber, das vereinfachte die Sache ungemein. Er gab seinen Wachen einen Wink, dass sie aufhören konnten, zu suchen, und nach und nach kamen sie alle wieder und bauten sich rings um die vermeintliche Prinzessin auf. Natürlich kannte keiner von ihnen die Prinzessin und wusste, wie sie aussah. Woher auch? Der Frauentrakt war den Wachen üblicherweise aus gutem Grund verboten. Sie betraten ihn nur, wenn sie den Befehl dazu hatten, taten dann das, was ihnen aufgetragen worden war, und gingen wieder, ehe irgendjemand auf die Idee kommen könnte, irgendeiner von ihnen hätte sich einer der Prinzessinnen und Konkubinen mehr als unbedingt nötig genähert. Die Wachen waren nicht dumm und keiner von ihnen war besonders wild darauf, kastriert oder getötet zu werden – was in den meisten Fällen dasselbe war. Immerhin verbluteten sieben von zehn Jungen bei der Prozedur.


    Der Hauptmann wartete also, bis die Eskorte rund um diese Prinzessin Shireen stand. “Unser aller Herrscher, Schahanschah, Hüter der Flamme Ahura Mazdas, Herr von Parni, Bezwinger des Siegreichen und euer aller Wohltäter“, sagte er laut und deutlich, damit die schluchzenden Frauen hier es alle hörten und daran erinnert wurden, wem sie hier alle gehörten. “...wünscht dich zu sehen. Folge uns.“

    Es war freundlich formuliert, aber im Grunde hatte die Frau keine Wahl. Sie wurde von den sechs Wachen flankiert, während der Hauptmann vorneweg ging. Sie hatte keine andere Wahl, als ihm zu folgen.


    Sie gingen bis zu den königlichen Räumen. Nicht den Privatgemächern, sondern dem repräsentativen Bereich, in welchem Mithridates bisweilen Gäste empfing, dies aber nicht so öffentlich wie im Thronsaal machen wollte. Dennoch waren auch hier die Räume groß, herrschaftlich und beeindruckend und mehr als geeignet, die Besucher einzuschüchtern.

    Dort wartete der Herrscher aller Herrscher auch schon auf einem goldenen Thron. Seine Mutter kniete neben ihm, den Kopf gesenkt. Offensichtlich hatte auch sie sein Zorn getroffen. Der Hauptmann verneigte sich tief vor seinem Herrscher, so tief es seine Rüstung eben zuließ.

    “Oh Erhabener! Hier ist Prinzessin Shireen, wie du befohlen hast“, verkündete er und trat beiseite, so dass sich besagte Prinzessin nun seiner Majestät stellen konnte.

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  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Mit jedem Schritt, den Nilofer tat, schwand ein Stückchen ihrer Selbstsicherheit, mit der sie sich dem Hauptmann gestellt hatte. Sie machte sich keinerlei Illusionen, sobald sie vor dem Schahanschah stand, würde der Schwindel aufgedeckt werden, denn ihre Herrin, Prinzessin Shireen, war dem König der Könige bereits einmal begegnet. Zudem hatte sie dabei seinen Zorn erregt, durch ihre vollkommen abstruse Bitte, den Palast und somit auch den Harem verlassen zu dürfen. Die edlen Kleider der Prinzessin, sowie deren Schmuck und Haartracht verliehen der Dienerin eine kleine Ähnlichkeit mit ihrer Herrin. Schließlich waren sie im gleichen Alter und hatten in etwa die gleiche Statur. Doch die feinen Gesichtszüge der Prinzessin hatten nur wenig mit dem eher bäurisch anmutenden Aussehen Nilofers gemein. Jeder der Augen im Kopf hatte und die Prinzessin kannte würde früher oder später dahinter kommen, dass hier etwas nicht stimmte.


    Der Hauptmann brachte die vermeintliche Prinzessin zu dem Räumen des großen Herrschers, die Nilofer noch nie in ihrem Leben betreten hatte. Unter anderen Umständen wäre sie gewiss sehr aufgeregt gewesen, doch nun war sie auf einer ganz andere Art aufgeregt - vor Angst.

    Schließlich erblickte sie Mithridates. Sofort senkte sie ihren Blick. Die ehrwürdige Mutter der Großkönigs war ebenfalls anwesend. Sie kauerte auf ihren Knien vor ihrem Sohn. Nilofer durchfuhr ein ganz übeles Gefühl, als sie die Königinmutter in dieser Haltung erblickte. Sie hatte anscheinend den Zorn ihres Sohnes und Herrn auf sich gezogen. Ob dies im Zusamenhang mit dem Schwindel stand?

    Nilofer trat näher und warf sich dem Shahanschah zu Füßen.

    "Oh Erhabener, du hast nach mir verlangt. Hier bin ich nun, deine bescheidene Dienerin." Ihre Stimme klang ruhig und gefasst, doch innerlich zitterte sie vor Angst.

  • Noch immer kauerte seine Mutter zu seinen Füßen. Er erlaubte ihr bislang nicht, sich zu erheben, zu groß war sein Zorn auf ihre Fehleinschätzung. Der einzige Grund, warum sie überhaupt noch hier war, war, weil er zum einen nicht die Frau töten wollte, die ihm das Leben geschenkt hatte, und zum anderen, damit sie mitbekam, was mit Prinzessin Shireen geschehen würde.

    Selbige wurde auch gleich hereingeführt und warf sich gehorsam zu Boden, während die Wachen vor ihm in ihren Rüstungen knieten. Irgend etwas an dem Bild nagte leicht an Mithridates Bewusstsein, aber er schob es auf seine Wut. Er erhob sich von seinem Thron uns stieg langsam die Stufen hinunter. Ein Herrscher auf seinem Thron war eine ehrfurchtgebietende Erscheinung. Ein solcher Herrscher, der mit grimmigen Blick auf einen zuging, war noch viel angsteinflößender. Und ja, diese dumme Prinzessin sollte ihn fürchten. Sie sollte ihn bis zu ihrem Tod jeden einzelnen Augenblick fürchten.


    "Bist du das denn? Eine bescheidene Dienerin?" Seiner Stimme war der Groll anzuhören, als er außerhalb ihrer Reichweite stehen blieb, aber so, dass sie wohl seine goldverzierten Schuhe gerade so sehen konnte, sollte sie es wagen, den Blick auch nur einen Fingerbreit zu heben. "MEINE Dinerin?" grollte er weiter.

    "Ich nehme an, du hast erlebt, was mit jenen geschieht, die mir nicht gedient haben?" Die Frage war wohl eher rhetorischer Natur. Er hatte keinen Zweifel daran, dass die Frauen im Harem alle in steter Furcht lebten, als nächstes sein Missfallen zu erregen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie anfangen würden, sich gegenseitig zu verraten, um seine Gunst zu erlangen und so sich selbst in Sicherheit zu bringen. Manche Herrscher gaben sich der Illusion hin, von den Frauen aufrecht geliebt zu werden. Aber Mithridates war nicht dumm. Die Frauen waren nur Mittel zum Zweck, seine eigene Nachkommenschaft hervorzubringen. Sie mussten ihn nicht lieben. Es genügte, wenn sie ihn als Gott verehrten und ihn zu sehr fürchteten, um ihn je zu verraten. Und bereitwillig seinen Samen empfingen, um Söhne zu gebären, und ein paar Töchter, die man verheiraten konnte.

    "Also, sag mir, Shireen, bist du wirklich meine Dienerin? Oder eine Natter in meinem Garten, die nur einen Weg sucht, heraus zu gelangen?"

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  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Nilofers Angst wuchs noch mehr, als sich die grollende Stimme des Großkönigs an sie richtete. Sie zuckte zusammen und versuchte sich noch kleiner zu machen als sie tatsächlich war. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt. All ihre Fassung war mit einem Mal davon gefegt worden. Wenn es ihr möglich gewesen wäre, hätte sie sogar auf das Atmen verzichtet, um sich nicht rühren zu müssen.


    Mithridates hatte binnen kürzester Zeit ein Reich des Schreckens errichtet. Der kleinste Fehler konnte das Leben kosten. Doch wenigstens hatte sie ihrer Herrin noch einen guten Dienst erweisen können, indem sie nach ihrer Flucht in ihre Rolle geschlüpft war und ihr dadurch einen Vorspung verschafft hatte. Mit jedem Tag, an dem sie unentdeckt geblieben war, war dieser Vorsprung größer geworden. Nilofer war fest davon uberzeugt, dass Prinzessin Shireens Flucht geglückt war und dass sie sich nun in Sicherheit befand - wo auch immer! Im Moment sah alles danach aus, als ob es damit nun vorbei war. Wenn der Schwindel nun aufgedeckt wurde, würde der Schahanschah alles in seiner Macht stehende in Bewegung setzen, um die Prinzessin wiederzufinden und sie zurückzuholen.


    Seit den Krönungsfeierlichkeiten und den skandalösen Vorkommnissen, die dabei geschehen waren, hatte der neue Herrscher damit begonnen, den Palast und seine nächste Umgebung 'säubern' zu lassen. Dabei hatte er keinerlei Rücksicht genommen, ob sogar engere Familienmitglieder davon betroffen waren. Warum sollte er also vor ihr Halt machen?


    Wieder donnerte seine Stimme auf sie hernieder. Doch diesmal verlangte er eine Antwort. War sie seine Dienerin? Natürlich war sie das! Doch wenn er dahinter kam, dass die wahre Prinzessin Shireen ihn getäuscht hatte und nun ihre Dienerin vor ihm kauerte, dann war sie als Verräterin entlarvt. Ihr Mund fühlte sich trocken an und ihre Kehle war wie zugeschnürrt, nicht fähig, auch nur einen Ton herauszubringen. Ihre Worte, die sie dann sprach, hörten sich rauh an. Ihre Stimme bebte vor Angst.

    "Ich bin wahrhaftig deine Dienerin, oh Almächtiger!"

  • Sie hatte Angst, aber noch nicht genug, um Mithridates' Laune zu heben. Sie sollte vor ihm im Staub kriechen und um ihr erbärmliches Leben flehen. Und nur vielleicht würde er dann genug Gnade zeigen, um ihren jungen Körper erst zwei oder drei Mal zu benutzen, ehe er sich ihrer entledigte. Vielleicht, sollte sie empfangen, würde er bis zur Geburt auch warten. Aber all dies nur vielleicht.

    Im Moment verzog Mithridates verächtlich den Mund und ging weiter um die vermeintliche Prinzessin herum. Irgend etwas nagte weiterhin an seinem Bewusstsein, aber er vermochte nicht, es zu bestimmen. "Ach, wirklich? Dann träumst du nicht mehr davon, den Palast zu verlassen? Und dich einen Tag unter den Pöbel der Stadt zu mischen wie eine Straßenhure? Du möchtest nun doch lieber in meinem Harem sein?"

    Seine Stimme ätzte fast vor Spott und Hohn. Oh ja, es tat gut, diese Frau so erniedrigt vor ihm zu sehen, so im Staub vor seiner Gegenwart und in dem Wissen, dass ihr Leben einzig in seiner Hand lag.


    Hinter ihm rührte sich seine Mutter, nur ganz leicht, aber er bemerkte es. Er war gerade in der passenden Stimmung, alles zu bemerken und aufs Äußerste zu bestrafen. "Habe ich dir erlaubt, dich zu erheben?"" donnerte er in ihre Richtung, und seine Mutter sackte wieder weiter auf die Knie und auf den Boden wie zuvor.

    "Mein Sohn, bitte..."

    "SCHWEIG!" donnerte er noch lauter und ärgerlicher. Was erdreistete sich diese Frau, ihn anzusprechen? Auch noch mit Sohn und nicht mit König? Vielleicht überdachte er seine Haltung zur Tötung der eigenen Mutter auch noch einmal. Jetzt schwieg sie erst einmal zitternd, während er, Mithridates V., schnaubte.

    "Du hast diesen Ungehorsam in die Zimmer der Frauen gebracht, Shireen. Deinetwegen erdreisten sich nun Frauen, ungebührlich in Gegenwart ihres Königs zu sprechen! Leugnest du das?" wandte er sich nun wieder der Prinzessin zu, deren Bestrafung ihm ein Vergnügen sein würde, so viel stand fest.

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  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Mithridates genoss es, sie so zu sehen - zitternd vor Angst. Die junge Dienerin geriet langsam an ihre Grenzen. Lange würde sie nicht mehr standhalten können. Doch es gab keinen anderen Weg, als hier vor dem Großkönig zu knien und zu zittern, so lange es ihm gefiel. Es gefiel ihm, mit Menschen zu spielen, als seien es Puppen. Doch wozu würde er fähig sein, wenn ihm bewusst wurde, dass man ihm eine seiner Puppen weggenommen hatte und durch eine andere ersetzt hatte?

    Nilofer wusste, wie ihr Auftrag lautete. Sie hatte es ihrer Herrin versprochen, ihr Verschwinden so lange geheim zu halten, wie es nur möglich war. Immer wenn jemand sie ansprach wuchs die Angst in ihr, dass ihr Betrug aufflog. Hier nun vor dem Shahanshah selbst zu sitzen verstärkte diese Angst um ein tausendfaches. Erst recht, als er wieder seine Stimme erhob, die diesmal nur so von Hohn und Spott triefte. Wäre sie doch nur mutiger gewesen! So mutig wie ihre Herrin, Prinzessin Shireen. Dann hätte sie sich diesem Thyrannen entgegengestellt und ihm süffisant mitgeteilt, dass Prinzessin Shireen geflohen war, dass es ihr gelungen war, aus seinem Dunstkreis zu entkommen und ja, dass sie nun endlich dieFreiheit errungen hatte, von der sie so lange geträumt hatte. Diesen Mut jedoch konnte sie nicht aufbringen, was womöglich auch ganz gut war.

    "Nein, Erhabener! Davon träume ich nicht mehr." quiekte sie wie ein Mäuslein, dass vor einer monströsen Katze saß, die nur dauf wartete, es endlich verschlingen zu können. "Mein einziger Wunsch ist es, unter deinem Schutz leben zu dürfen."


    Als sich vor ihr etwas rührte und dann Mithridates Stimme erneut herab donnerte, zuckte Nilofer noch mehr zusammen. Doch diesmal war nicht sie das Ziel, sondern die Mutter des Erhabenen, die hinter ihm kniete und sich nun an ihren Sohn gewandt hatte. Sollte etwa die Königinmutter für sie ein gutes Wort einlegen wollen? Ausgerechnet für sie? Oder waren ihre Dienerinnen Nilofer bereits auf die Schliche gekommen und hatten sie als Betrügerin entlarvt? Dieser Gedanke versteifte sich noch, als die donnernde und anklagende Stimme des Mithridates sie ein weiteres Mal traf. Was wenn unter den Frauen längst bekannt geworden war, dass Shireen geflohen war? Nilofer hatte seit der Flucht ihrer Herrin sehr zurückgezogen gelebt und hatte mit kaum einem anderen Menschen gesprochen. Plötzlich tat sich in ihren Gedanken doch noch ein Ausweg auf.

    "Nein, mein Gebieter! Es ist alleine meine Schluld! " antwortete sie schluchzend. Sollte er sie doch dafür bestrafen. Solange er dies im Wissen tat, Shireen zu bestrafen, würde Nilofer alle Qual auf sich nehmen.

  • Es war fast schon zu einfach, dieses kümmerliche Wesen vor ihm in den Staub zu treten und sich winden zu lassen. Ja, sie zitterte und flehte, sagte ihm alles, um ihr erbärmliches Leben damit zu retten. Nur schaffte sie es nicht, damit wirklich seine Laune zu heben, denn in der Tat war es zu einfach. Mithridates hatte sich selbst mehr davon versprochen, sie so erniedrigt zu sehen, aber jetzt konnte es seinen Hunger nach Vergeltung nicht wirklich stillen. Enttäuscht verzog er den Mund und ging wieder zurück in Richtung seines Thrones.

    "Was mache ich nun also mit einer Dienerin, die Unruhe in meinen Palast bringt und zu Aufwiegelung und Trotz anstachelt?" fragte er, als würde er darauf ernsthaft eine Antwort suchen. Im Grunde war das Schicksal der Prinzessin doch schon längst besiegelt gewesen, seit dem Augenblick, als sie danach gefragt hatte, den Palast verlassen zu dürfen. Und so langsam langweilte Mithridates dieses Spiel.

    "Nun, Prinzessin Shireen, was denkst du, was ich mit dir am besten machen soll?" fragte er also noch einmal süffisant, als er sich hinsetzte.


    In dem Moment geschah dann doch etwas Unerwartetes und Ärgerliches. Seine Mutter hatte wohl die Lektion ihres Sohnes doch nicht verstanden, denn sie verließ ihre Position schräg rechts vor ihm und warf sich ihm direkt vor seine Füße. Niemand hatte ihr erlaubt, sich zu bewegen, und sie hatte Glück, dass keine Wache direkt neben Mithridates stand, denn diese Dummheit hätte sie das Leben kosten können. Ein kleiner Fluch zum Schutz entfleuchte dem König der Könige und er starrte auf seine Mutter, die noch einmal ungebührlich sich selbst die Erlaubnis erteilte, zu sprechen. "Mein Sohn, das ist nicht die Prinzessin Shireen!"


    Mithridates wollte gerade schon seinen Zorn aufflammen und auf beide Weiber niedergehen lassen, als die Nachricht seiner Mutter in sein Bewusstsein drang und ihn einen Moment verstummen ließ. Oh, er war so ein Narr! Das war es, was ihn gestört hatte! Die Wachen hatten ihm die Falsche gebracht!


    Sofort war er wieder auf den Beinen und ging um seine Mutter herum, die durch diese Äußerung ihr eigenes, erbärmliches Leben trotz ihrer Anmaßung gerettet hatte, und trat drohend in Richtung der vermeintlichen Prinzessin. "Wachen!" befahl der Großkönig kurz seinen Wachen mit einer Geste, dieses Gewürm vor ihm auf die Beine zu zerren, damit er sie ansehen konnte.

    Und tatsächlich, diese Gesichtszüge erinnerte er nicht. Während die vermeintliche Prinzessin von zwei Wachen links und rechts gehalten wurde, funkelte der Großkönig sie vor Wut entsetzt an. "Wer bist du und wo ist die Prinzessin Shireen?"

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  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Das Schluchzen der armen Nilofer wurde noch heftiger, als der Großkönig ausgerechnet sie fragte, was er mit ihr anstellen sollte. Ausgerechnet sie! Er erwartete doch wohl nicht auch eine Antwort auf diese Frage? Eine solche Frage war schließlich dazu da, um ihr bewusst zu machen, wie aussichtslos ihre Lage war und dass längst ein Urteilsspruch feststand. Doch Mithridates war ein grausamer Mann und Herrscher. Er dürstete förmlich danach, seine Untergebenen in Angst und Schrecken zu bersetzen. So auch sie, seine vermeintliche eigene Schwester.

    Als er sie ein weiteres Mal fragte, rang Nilofer nach einer Antwort. Aber ihr wollte nichts einfallen, was sie ihm hätte sagen können, denn ihre Furcht vor dem eigenen Schicksal überwog gerade mehr, als alles andere. Sie musste sich eingestehen, dass sie keine adäquate Antwort hatte, die sie ihm geben konnte. Doch im gleichen Moment drang die Stimme der Königinmutter an ihr Ohr und unterbrach die quälende Stimme. Was eine Art Rettung für sie hätte sein können, stellte sich doch als endgültiges Todesurteil für Nilofer heraus, als sie der Bedeutung der Worte gewahr wurde. Mein Sohn, das ist nicht die Prinzessin Shireen! Wie tausend Nadelstiche quälten sie diese Worte. Sie war entlarvt worden! Der Betrug war aufgedeckt worden. Der Zorn des Großkönigs würde maßlos sein. Sie war bereits jetzt schon so gut wie tot! Noch zitterte sie am ganzen Leib. Erst recht, als Mithridates nach den Wachen rief.

    Nilofer vernahm die herannahenden Schritte der Soldaten. Dann packten sie mehrere Hände und zerrten die auf die Füße. Es war gut, dass sie die arme Dienerin festhielten, sonst wäre sie auf der Stelle wieder zusammengesunken. Ihr verhäultes gequältes Gesicht wurde nun offenbart, als sie ihren Kopf anhob und dem Thyrannen, der vor Wut schäumte, selbst in die Augen schaute.

    "Ich bin Nilofer, die treue Dienerin meiner Herrin Prinzessin Shireen. Und ich hoffe, dass der Allmächtige es zugelassen hat, dass meine Herrin nun wohlbehalten in einem fernen Land in Freiheit lebt, so wie sie es sich gewünscht hat!" Mit jedem Wort, das ihr über die Lippen kam, wurde ihr leichter ums Herz. Und als sie geendet hatte, fühlte sie soger eine Art Genugtuung. Es war, als wollte ein zartes Lächeln über ihre Lippen huschen. Nun war sie bereit, ihrer Herrin auch noch den allerletzten Dienst zu erweisen.

  • Das konnte, das DURFTE nicht sein! Erst floh dieser Römer, nachdem er um Haares Breite einen Krieg ausgelöst hätte, und nun entzog sich diese Natter an seinem Hof und floh? Mithridates war außer sich vor Zorn. "Ich bin der einzige Allmächtige hier!" brüllte er die trotzige Sklavin an und gab ihr eine Ohrfeige, die ihren Kopf von einer Seite zur anderen warf und danach einen roten Handabdruck auf ihrer Haut hinterließ.


    Nein, das eben war nicht königlich gewesen. Er richtete sich auf und räusperte sich. Kurz blickte er zu seiner Mutter, die sich nun doch als sehr nützlich erwiesen hatte. "Erheb dich, Mutter", sagte er ruhig und gab ihr damit zu verstehen, dass sie seinem Zorn bis auf weiteres entkommen war.

    Ganz anders aber als die trotzige Sklavin hier vor ihm, die es gewagt hatte, ihn anzulügen, und obendrein noch, ihn zu verspotten. Nein, die würde sich in den nächsten Tagen noch wünschen, dass sein Zorn ihn übermannt hätte, um ihr all das, was folgen würde, zu ersparen.

    "Bringt sie in die Kerker. Ich will alles wissen, was sie über die Prinzessin weiß. Ihr könnt es auf jede Weise aus ihr herauspressen, die euch angemessen erscheint, aber ich will sicher sein, dass kein einziges ihrer Geheimnisse zurückgehalten wurde." Es war Mithridates vollkommen gleich, ob die komplette Kaserne seiner Wachen sich an ihr vergehen würde, solange sie noch alle Zähne und Finger hatte, oder ob sie sie gleich damit beginnen würden, ihre Knochen zu brechen.

    "Aber tötet sie nicht schnell. Sie soll um die Gnade des Todes betteln, ehe ich entscheide, ob ich ihn ihr gütig gewähre." Und betteln würde sie zweifellos. Alle bettelten, wenn die Folterer erst einmal richtig loslegten. Bei manchen dauerte es nur ein paar Stunden, bei anderen mehrere Tage. Aber betteln taten sie alle.


    Die Wachen beherrschten sich, nicht zu grinsen, sondern behielten ihre Ernste Miene bei, als sie sich vor ihrem Schahanschah verneigten und die Sklavin Nilofer mit sich schleppten.

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  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Dieses Gefühl der Befreiung hielt nur kurze Zeit an. Umgehend traf ihr Gesicht die Hand des brüllenden Großkönigs und schleuderte ihren Kopf zur Seite. Tränen schossen ihr in die Augen, doch sie schrie nicht. Sie hielt sich nur die Hand an ihre Backe, als könne dies den brennenden Schmerz ein wenig lindern. Erst als Mithridates den Wachen befahl, sie in den Kerker zu bringen, um sie zu Foltern, um alles aus ihr herauszupressen, was sie wusste, weiteten sich ihre Augen und sie schrie laut auf. In Nilofer breitete sich nun die Gewissheit aus, dass dies erst der Anfang eines langen Martyriums sein würde. Sie kannte die Gerüchte, die um die Methoden im Kerker kursierten, um den Unglücklichen, die dort einsaßen, jedes einzelne Geheimnis zu entlocken. Nilofer machte sich nichts vor, man würde sie quälen und ihr dabei unvorstellbares Leid zufügen. Erst lange danach, wenn es dem Großkönig genehm war, würde man sie endlich sterben lassen.

    Nilofer leistete Widerstand, als die Soldaten sie abführten. Jedoch bat sie nicht um Gnade, denn ihr war klar, dass ihr niemand diesen Akt der Barmherzigkeit zu Teil werden lassen würde. Man warf sie in ein dunkles stinkendes Loch, riss ihr dort die Kleider vom Leib und sperrte hinter ihr die Tür zu. Wie lange sie dort eingesperrt war, konnte sie nicht sagen, denn da sie in vollkommener Dunkelheit verharren musste, verlor sie schnell jegliches Zeitgefühl.

    Irgendwann wurde die Tür zu ihrem Gefängnis aufgerissen. Ein Aufseher zerrte sie heraus und brachte sie in einen Raum, wo bereits etliche Soldaten der Wache auf sie warteten. Solange sie noch ansehnlich war, hatte sie noch einen gewissen Reiz. Doch nachdem sich unzählige Männer sich stundenlang an ihr vergangen hatten, sie dabei geschlagen und getreten hatten, hatte sich ihr Zustand deutlich verschlechtert. Jedoch achtete man peinlich genau, dass die Gefangene nicht so schwer verletzt wurde, dass sie einfach wegstarb.

    Mehrere Tage folgten schließlich, an denen man sie auf grausamste Weise folterte. Nilofer hatte lange durchgehalten. Nichts war über ihre Lippen gekommen, wohin und mit wem ihre Herrin geflohen war oder wer ihnen bei der Flucht geholfen hatte. Doch nachdem fast alle ihre Glieder zerschmettert waren und ihr Dasein nur noch aus furchtbaren Schmerzen bestand, bat sie darum, dass man ihr endlich den Tod gewährte. Schließlich gestand sie, ein Freund des ermordeten Prinzen Phraates habe der Prinzessin geholfen, aus dem Palast zu fliehen. Außerdem nannte sie die Namen derer, die den Kontakt zu Phraotes aufrecht erhalten hatten. Über den genauen Aufenthaltsort hatte sie den Folterknechten schließlich Palmyra genannt. Mehr hatten sie ihr nicht mehr entlocken können.

    Nicht nur die entsetzlichen Schmerzen der Folter quälten sie nun, auch das Bewußtsein, dass sie ihre Herrin verraten hatte. Jetzt wollte sie einfach nur noch sterben

  • Viele Tage hatte die Sklavin der geflohenen Prinzessin den schlimmsten Folterungen standgehalten. Sie war zäh gewesen und hatte alles, zwar unter furchtbaren Schreien, über sich ergehen lassen. Die Folterknechte aber hatten kein Erbarmen mit ihr und setzten ihr grausames Werk fort, bis die Sklavin endlich an dem Punkt angekommen war, an dem sie endlich gestand. Dutzende Namen von Helfershelfern hatte sie preisgegeben. Bahram Chobin, ein Kommandant der Palastwache, der die Befragung der Delinquentin führte, hatte alles peinlich genau von einem Schreiber notieren lassen. Keiner, der sich gegenüber dem Schahanschah schuldig gemacht hatte, sollte seiner gerechten Strafe entkommen! Als die Sklavin dann auch endlich preisgegeben hatte, wohin die Prinzessin und ihr Kumpan geflohen war, eilte Bahram sofort in den Palast, um dem Erhabenen Bericht zu erstatten. Es dauerte dann auch nicht lange, bis er zu Mithridates vorgelassen hatte.

    Sofort warf er sich vor seinem Herrscher zu Boden und wartete ergebenst, bis er das Wort an ihn gerichtet hatte.

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  • Wenigstens einige gute Nachrichten waren in der Zwischenzeit eingetroffen. Der flüchtige Römer war noch innerhalb der grenzen des Reiches aufgegriffen und gefangen worden und wurde nun heimlich, still und leise zurück nach Ktesiphon gebracht. Seine Wachen hatten den Befehl, ihn beim kleinsten Anzeichen eines Fluchtversuches zu töten. Als Geisel war er für spätere Verhandlungen, sollte es jemals soweit kommen, zwar wertvoller, aber Mithridates wollte kein weiteres Risiko eingehen. Sollte der Römer die Kerker unter dem Palast erreichen, gut. Wenn nicht, auch gut. Hauptsache, niemand hatte Gelegenheit, von diesem entwürdigenden Debakel bei der Krönungsfeier zu berichten. Und dass niemand davon berichten würde, dafür würde Mithridates Sorge tragen.


    Der Harem war nun auch weitestgehend gesäubert von sämtlichen subversiven Kräften. Der Rest der Frauen war ihm treu ergeben oder zumindest so weit in Angst, dass sie es nicht wagen würden, sich zu verschwören. Endlich konnte er sich also auf die Gründung seiner eigenen Dynastie konzentrieren und mit einigen weiteren, eigenen Nachkommen seinen Thron noch festigen.

    So hatte sich Mithridates’ Laune auch im Vergleich der letzten Tage etwas gebessert. Nun musste nur noch die flüchtige Viper geschnappt und gerichtet werden, dann wäre endlich alles so, wie es sein sollte.


    Als nun also der Kommandant der Palastwache kam und sich vor dem Thron auf dem Boden warf, ließ Mithridates ihn sich auch bald erheben. "Was gibt es zu berichten?" fragte er und hoffte auf weitere, gute Neuigkeiten.

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  • Bahram erhob sich und zog eine Wachstafel hervor. "Oh Erhabener! Die ruchlose Sklavin der verschwundenen Prinzessin Shireen hat endlich gestanden. Meine Männer konnten ihr eine ganze Liste von Namen entlocken. Namen von Helfershelfern der Prinzessin, oh Erhabener." Er hielt dem Schahanschah seine Wachstafel entgegen, auf der fast zwanzig Namen verzeichnet waren. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Sklavinnen des Harems. Doch fanden sich dort auch zwei Namen der Haremswächtern wieder, die sich bestechen hatten lassen, sowie Bedienstete des Palastes und ein Name, dessen Klang dem Herrscher bekannt vorkommen musste, denn er entstammte einer der vornehmsten Familien des Landes, deren Oberhaupt das Privileg zukam, die parthischen Großkönige zu krönen: Phraotes Surena! Eben jener Phraotes Surena, der zu den Freunden des verräterischen Bruders des Schahanschahs, Phraates gezählt hatte. Von letzterem fehlte ebenfalls jede Spur, denn er war es gewesen, der die Prinzessin aus dem Palast geschafft hatte und mit ihr geflohen war.

    Bahram war sie bewusst, wie ungeheuerlich diese Neuigkeiten waren und er fürchtete, der Zorn des Erhabenen könne auch ihn treffen. Doch glücklicherweise hatte er auch eine gute Nachricht zu vermelden:"Verzeih mir, Erhabener," begann Bahram schließlich. "Die Sklavin hat uns auch verraten, wohin ihrer Herrin mit diesem frevelhaften Surena geflohen ist: Palmyra!"

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  • Es hatte einige tage gedauert, aber scheinbar war die Sklavin nun gebrochen. Mithridates V. Lächelte und strich sich einmal selbstzufrieden über den Bart. Eine Liste mit Namen von Helfershelfern. Also würden diejenigen, die seiner Rache bislang vielleicht zu entkommen geglaubt hatten, nun noch ihre Strafe erhalten, und auch sie würden zweifellos weitere Leute verraten. Ganz zweifellos, sofern nur genügend Schmerz zugefügt würde.

    Er ließ sich die Tafel geben und überflog die Namen. Die meisten sagten ihm nichts, da sie zu unwichtig waren, sich damit auch nur näher zu beschäftigen. Zweifellos würde seine Mutter die Namen derer erkennen, die im Harem lebten, und bei deren Identifizierung helfen können. Ja, so würde sie noch ein Stück weiter in seiner Gunst steigen, und sie würde sich diese Gelegenheit sicher nicht entgehen lassen.

    Als der Blick des Großkönigs tiefer glitt, verfinsterte er sich aber für einen Augenblick, als tatsächlich der Namen eines Edlen darauf zu finden war. Zuvor war es höchstens ein Verdacht gewesen, ein Schatten, der auf die Familie Surena gefallen war. Nun aber gab es ein Geständnis, einen Beweis, und nichts konnte den Hammer davon abhalten, nun auf die gesamte Familie niederzufallen.

    "Ich will, dass ihr die Mitglieder der Familie dieses Verräters festsetzt und in die Kerker bringen lasst. Sie alle sollen der Folter unterzogen werden, bis auch der letzte von ihnen gestanden hat und offenbart hat, wie weit der Verrat dieser Familie reicht. Und ich meine alle." Nein, Mithridates war nicht weichherzig oder großzügig, er war nicht naiv und leichtgläubig. Er würde nicht die Kinder oder die Alten verschonen aus Nostalgie, nur um sich in zehn Jahren nach dem Dolch im Rücken umzusehen. Nein, er würde nicht die Frauen wieder zu ihren Familien schicken, auf dass sie den Hass in diese weitertrugen. Nein, er würde diesen Quell des Ungehorsams an der Wurzel packen und aus seinem Reich entfernen lassen, auf dass er nie mehr sprießen möge.

    "Die übrigen sollen ebenfalls hingerichtet werden. Verhört sie zuvor, ob sie etwas wissen. Achja, lasst die verräterische Sklavin dabei zusehen." Nein, mit der Sklavin, die es gewagt hatte, ihm zu trotzen, mit der war er noch nicht fertig. Er würde ihr noch nicht erlauben, zu sterben. Oh nein. Sie würde ein langes, schmerzvolles Leben haben, den Kerkerwachen jederzeit zum Vergnügen bereitstehen, einige Sklaven dabei gebären und letztendlich um Erlösung betteln. Aber fertig war Mithridates mit ihr erst, wenn die Prinzessin neben ihr an die Wand gekettet wäre und sie als Spielzeug ablösen würde. Nicht vorher.


    "Ich wünsche keinen diplomatischen Zwischenfall mit dem römischen Reich. Schick eine Gruppe deiner besten Männer. Solche, die auch unter Folter nichts verraten. Sie sollen sich auf ihre Spur begeben und sie suchen. Unauffällig, versteht sich. Wenn sie die Verräterin finden, sollen sie und ihre Familien reich belohnt werden. Sie sollen sie und den Verräter, der sie entführt hat, zurückbringen. Wenn es vernünftig vertretbar ist, lebendig. Wenn nicht, reicht auch ihr Kopf."

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  • Wie zu erwarten war, traf es den Herrscher besonders, als er erkennen musste, dass sich Angehörige vermeintliche getreuen Familien auf jener List zu finden war. Ausgerechnet das Haus Suren, welches auf eine Jahrhunderte lange Tradition zurückblicken konnte und zu das so eng mit dem Königshaus verwoben war! Doch Verrat war Verrat! Der Zorn des Schahanschahs würde sie alle treffen. Die kommenden Tage würden wieder Tage des Blutes werden, so viel stand fest!

    Bahram verbeugte sich vor dem Großkönig." Es wird alles so geschehen, wie du befiehlst, oh Erhabener!"

    Für die Sklavin der Prinzessin würde die Tortur weiter gehen. Es war ihr noch nicht vergönnt, zu sterben. Nun würde sie auch noch miterleben müssen, welche Auswirkungen ihr Geständnis auf die von ihr beschuldigten Personen hatte. Danach würde ihre Todessehnsucht ins Unermessliche steigen, während sie weiterhin durch jeden der Wachen geschändet werden durfte.gss


    Auch die letzte Anordnung des Großkönigs würde er Folge leisten. Er würde sich seine besten Männer herauspicken und die Prinzessin selbst suchen.

    "Wie du befiehlst, oh Erhabener! Wenn du erlaubst, werde ich mich selbst auf die Suche nach der Prinzessin und dem Verräter begeben! Meine fähigsten Männer werden mich dabei unterstützen. Am Ende werde ich dir die Flüchtigen zurückbringen, auf dass sie sich vor dir verantworten müssen!" Noch einmal verbeugte sich Bahram und wartete, bis der Schahanschah ihn entließ.

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