• Ein etwas anderer dies Iustricus


    Wäre Sonnmar im gesetzlichen Zeitrahmen geboren worden, hätte ihn mir meine Fridila zu Füßen gelegt, ich ihn aufgehoben und als meinen Sohn anerkannt. Er wäre unter den Schutz meiner Laren gestellt worden, und ich hätte ihm seine Bulla gegeben. Für mich war dies alles ganz klar und natürlich, aber bei den Römern war es anders; mein Sohn war außerehelich und ein Furius, und die furischen Laren würden über ihn wachen. Es war sein Onkel, Furius Saturninus, der die Weihe vornehmen müsste, und ich wusste, dass der stolze Römer alles andere als freundliche Gefühle für mich hegte. Ich hoffte nur, dass er irgendwann einmal seinen Neffen Caius Helius lieben würde, wenn er vielleicht Sonnmar nicht lieben konnte.



    Eine Zeremonie führten wir dennoch durch. Ich trug mein Hochzeitsgewand, die weiße Tunika und den blauen Umhang und wartete am Fuße der Treppe auf mein Albenmädchen und meinen Kleinen, die noch oben waren.

    Die Familia trug ihre beste Kleidung und war versammelt. Und mein Herz klopfte wie am ersten Tag. Ganz gleich wie oft ich Stella sah, immer wieder war es, als würde ich sie zum ersten Mal sehen, und ich fühlte Liebe und Entzücken wie damals im Hortus der Casa Furia im Mondenschein.

  • Heute wurde dies Iustricus eine traditionelle Namenszeremonie für das neugeborene Kind, das seinen Namen offiziell bekommt, gefeiert ...


    Stella kam vorsichtig die Treppe hinunter, wo ihr Sonnwinn bereits auf seine Frau und sein Kind wartete. Sie trug eine Tunika aus blassblauem, mit Goldfäden bestickten Musselin. Das feierliche Kleid war nur an einer Schulter mit einer silbernen Spange geschlossen, die andere Schulter war frei. Ein breiter Gürtel betonte ihre schlanke Figur, sie trug keine Palla, auf ihren Armen trug Fridila das Kind, das Lyda es für dieses Ereignis sorgfältig gewaschen hat und in ein weiches und warmes Wolltuch einwickelte. Nur seine kleine Händchen waren zu sehen, zu Fäustchen geschlossen. Er schaute seine Mutter neugierig an und sie lächelte ihn zärtlich an.


    Nun erblickte sie ihren Friudel, der seinen Hochzeitsgewand trug und atemberaubend aussah. Stella strahlte ihn an und blieb ihm gegenüber stehen.


    "Mein liebster Gemahl, obwohl unser Sohn nach römischenen Gesetzen den Namen Caius Furius Helius als römischer Bürger bekommt, nach den Gesetzen der Natur aber bist DU sein Vater, werden wir ihn, so wie du es dir gewünscht hast: Sonnmar Sonnwinnsohn, der Sonnenmächtige nennen!".


    Stella machte eine kleine Pause und sprach dann leise aber feierlich:


    "Ich lege dir dieses Kind zu Füßen, Friudel, willst du ihn als deinen leiblichen Sohn anerkennen, ihn lieben und beschützen...?"


    Und Stella legte den kleinen Sonnmar zu Füßen seines Vaters und senkte ihren Blick in Demut.

  • Der Stern meines Lebens kam die Treppe hinab, und sie trug unseren kleinen Sohn. Er war in ein warmes Tuch gehüllt und ganz still. Nur seine winzigen Händchen schauten ab und zu aus dem Tuch heraus, und sie öffneten und sie schlossen sich.

    Bei ihrem Anblick verstummten die festlich angezogen Anwesenden.

    Und meine Fridila sprach, wie es einer edlen Frau zukam, nicht laut, aber mit fester Stimme:

    Mein liebster Gemahl, obwohl unser Sohn nach römischenen Gesetzen den Namen Caius Furius Helius als römischer Bürger bekommt, nach den Gesetzen der Natur aber bist DU sein Vater, werden wir ihn, so wie du es dir gewünscht hast: Sonnmar Sonnwinnsohn, der Sonnenmächtige nennen!


    "Ich lege dir dieses Kind zu Füßen, Friudel, willst du ihn als deinen leiblichen Sohn anerkennen, ihn lieben und beschützen...?"


    Sie bückte sich anmutig, obgleich sie noch schwach war, und sie legte mir das Bündel zu Füßen. Sonnmar gab keinen Laut von sich.

    ich bückte mich, und ich nahm das Kind vom Boden auf. In meinen beiden großen Händen hielt ich es:


    "Dies ist Caius Furius Helius aus der Gens Furia. Dies ist Sonnmar der Jüngere, Sonnwinnsohn. Ich verkünde hiermit, dass er mein erstgeborener Sohn und Erbe ist, und dass ich ihn anerkenne. Er ist aufgenommen in die Sippe Sonnmars des Älteren, des Skalden und des Hüters der Heiligen Pferde der Chatten"


    Ich zeigte Sonnmar allen Menschen, und da fing er mit ganz leiser Stimme an zu quäken. Es war der Moment, da ein Lächeln über alle Gesichter glitt.

    Wir sprachen von Erben und Sippen und Gentes, doch da war auch ein kleines Baby, und seine Mama und sein Papa, die es sehr lieb hatten.

    Jetzt nahm ich ihn in die Arme und wiegte ihn leise hin- und her, und sang in sein Ohr ein Lied, welches mir so ähnlich meine Mutter Ortrun gesungen hatte:

    "Schlafe bis zum Morgen, holdes Söhnlein,
    Ostara schenkt dir Honig und Eier,
    Hera bringt dir rote Blümlein
    Zanfana schenkt dir Schafe zweier
    und Wuodan einen kleinen Speer.
    ...
    "


    Ich strahlte meine Fridila an, und ich trat nun an ihre Seite. Ich wusste, nun würde unser Kleiner seine Bulla, das Zeichen des freigeborenen römischen Knaben, von seiner Mutter erhalten.

  • Stella war tief bewegt, als Sonnwinn sich bückte, das Kind vom Boden zu sich heraufnahm und in seinen beiden großen Händen hielt und dann feierlich verkündete:


    "Dies ist Caius Furius Helius aus der Gens Furia. Dies ist Sonnmar der Jüngere, Sonnwinnsohn. Ich verkünde hiermit, dass er mein erstgeborener Sohn und Erbe ist, und dass ich ihn anerkenne. Er ist aufgenommen in die Sippe Sonnmars des Älteren, des Skalden und des Hüters der Heiligen Pferde der Chatten"...


    Der stolze Vater zeigte den versammelten Gästen, die das Geschehen ehrfürchtig verfolgten, seinen Sohn und als der kleine Sonnnmar zu quäken begann, lächelten die Menschen ausgelassen. Friudel wiegte das Kind behutsam und sang ihm ein Lied, das dem kleinen Söhnlein offensichtlich gefallen hat, denn er wurde wieder still.


    Dann trat Sonnwinn an Stellas Seite, sie schaute zu ihm auf und ein Glücksgefühl stieg in ihr auf, "Das hast du sehr schön gesagt, lieber Gemahl...", Dann holte sie aus ihrer Börse eine kleine goldene Bulla, in deren Hohlraum sich ein Amulett befand und die auf einer weichen Halskordel hängte, damit es die zarte Haut nicht reizte und legte die um Sonnmars Hals. Dann berührte sie sein Köpfchen mit ihren Lippen und sprach:


    Unser edler Sohn Sonnmar,


    Diese Bulla soll dich schützen und den bösen Blick von dir abwenden...

    Dein Leben soll sehr glücklich werden, unser liebes Kind,

    genauso so glücklich, wie Deine Mama und Dein Papa sind...

  • Unser Sohn trug nun seine kleine Bulla, gegeben von seiner Mutter Hand. Und während unsere Hausgenossen und lieben Freunde jetzt von den Speisen aßen, die Fabricius in der Küche vorbereitet hatte, sah ich zu meiner Fridila hin und nahm ihre zarte Hand:
    "Würden Sonnmar und Du einmal mit mir kommen, ich möchte euch etwas zeigen?“", fragte ich, und als sie mich ansah mit ihren blauen Augen, widerstand ich nicht, sondern küsste meine schöne Frau:

    "Komm, es dauert nicht lange. Es ist eine Überraschung."


    >>> Hortus