[Cubiculum Claudia Agrippina] Tod, überall Tod!

  • In den frühen Morgenstunden war ich wieder in Begleitung einiger meiner Sklaven in die Villa Claudia zurückgekehrt. Die Villa, die einst mein Zuhause gewesen war, wirkte still und verlassen, seitdem Tante Marcella gestorben war. Nach ihrem tod hatte man einige Sklaven verkauft oder auf diverse Landsitze der Familie geschickt, wo sie gebraucht wurden. Lediglich einige wenige Sklaven, darunter Typhon, der Maiordomus, Solon der Ianitor und Salome die alte Köchin waren in Rom geblieben.


    Der vorangegangene Tag hatte hoffnungsvoll begonnen. Die Sklaven hatten die Nachricht schnell auch in mein Cubiculum getragen: Bei Curtia Minor hatten die Wehen eingesetzt. In wenigen Stunden schon würde ein weiteres Mitglied der Familie das Licht der Welt erblicken. Wie man sich vorstellen konnte wuchs auch bei mir eine Anspannung Stunde um Stunde. Denn in wenigen Monaten würde auch ich vor der Geburt meines ersten Kindes stehen. Doch je länger sich die Geburt hinzog, umso mehr wuchsen auch meine Sorgen, die ich mir jedoch nicht anmerken ließ.

    Als mich dann die schreckliche Nachricht von Curtia Minors Tod aus meinem Schlaf riss, musste alles sehr schnell gehen. Ich hatte kaum Zeit, um richtig zu begreifen, was geschehen war. Die Sklaven packten alles notwendige zusammen, damit ich die Villa Aurelia umgehend verlassen konnte. Der Tod durfte mir und meinem ungeborenen Kind nicht zu nahe kommen.


    Erst als ich mein altes Cubiculum wieder betrat, das die Sklaven eilig für mich hergerichtet hatten, kam ich ein wenig zur Ruhe. An Schlaf war nicht mehr zu denken, denn nun begannen meine Gedanken um Curtia Minor und ihr totes Kind zu kreisen. Schließlich trat Eleni zu mir. "Ich habe dir einen Kräuteraufguss zubereitet. Hier, trink das! Der tut dir gut, Liebes!" Ohne zu widersprechen nahm ich den Becher mit dem heißen Getränk entgegen und begann daran zu nippen.

  • Ich sah wie jeden Tag nach meienr Frau, auch wenn ich aufgrund der Trauerzeit nicht bei ihr liegen konnte, kam ich doch jeden Tag vorbei und nahm mir ein paar Stunden Zeit für sie. Denn ja ich machte mir Gedanken, erst war ihre Tante verstorben und nun auch noch die Frau meines Onkels und das ausgerechnet bei der Geburt eines Kindes. Ich hoffte wirklich, dass meine Frau sich nun nicht zu sehr Gedanken darüber machten, denn immerhin trug sie auch ein Kind unter ihrem Herzen. Ein Kind von dem wir beide wollten, dass es gesund und kräftig zur Welt kam. Ein Kind das unsere Ehe sichern und festigen würde. Ich nahm sie wie jeden Tag in den Arm und fragte. „Liebste wie geht es dir heute?“

  • Eleni kümmerte sich aufopfernd um mich. So wie es meine Mutter getan hätte, wäre sie noch unter den Lebenden. Die letzten Wochen hatten mir wahrlich sehr zugesetzt! Nicht nur die morgendliche Übelkeit, die mich kurz nach Tante Marcellas Tod heimzusuchen begann. Auch ihr Tod selbst und nun der von Curtia Minor.

    Eleni versuchte jeden Tag hartnäckig mich auf andere Gedanken zu bringen. Ein Spaziergang im Garten - jedoch hatte es die letzten Tage immer geregnet. Ein anregendes Bad - doch nein, ich wollte nicht länger als nötig im Wasser sitzen.

    Einzig allein Rufios Besuche schienen mir zu helfen, auf andere Gedanken zu kommen. "Oh mein Liebster! Jetzt geht es mir wieder gut, denn du bist da!" antwortete ich häufig, wenn er mich nach meinem Befinden fragte. Denn so war es auch. Dennoch quälte mich immer wieder der Gedanke, wie meine Niederkunft sein würde. Curtia Minor war doch eine junge gesunde Frau gewesen! Wie hatte sie einfach so sterben können?


    Ich kam Rufio entgegen und umarmte ihn. Auch wenn er nicht bei mir liegen durfte, liebte ich es doch, in seinen Armen zu liegen oder wenn er seine Hände auf meinen Bauch legte. Mein größter Wunsch war es, ihm einen gesunden Sohn zu schenken.

    "Manchmal spüre ich schon unseren Sohn," meinte ich. Dass ich jedoch Angst hatte, dass es eines Tages anders sein könnte, verschwieg ich ihm." Ich glaube, er wird kräftige Beine haben." Was, wenn es nicht so sein würde?

  • Ich drückte meine Frau an mich. „Nur noch ein paar Tage, dann kommst du wieder zurück.“ Sagte ich, denn ja in wenigen Tagen würde die Beisetzung stattfinden, die Villa gereinigt werden und konnte meine Frau wieder zurück kommen. Ich lächelte meine Frau an und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ja er wird gesund und kräftig werden. So wie es seine Mutter auch ist.“ Sagte ich, denn ja ich machte mir natürlich Sorgen, aber im gegesatz zu meiner Tante war meine Frau robuster und nicht so zierlich. Ja ich hegte die Hoffnung, dass meine Frau die Geburt unseres Kindes überleben und wir bald schon einen gesunden Sohn in unseren Armen halten würde. Ich gab ihr noch einen kleine Kuss auf die Stirn und sah sie dann an. „Versprich mir, dass du dir nicht so viele Gedanken machst. Wir sollten uns gemeinsam auf unser Kind freuen und nicht in Ängsten versinken. Lass uns gemeinsam jeden Moment deiner Schwangerschaft genießen und am Ende werden wird unseren Sohn glücklich in unsere Arme schließen.“ Sagte ich, denn ja jeder wusste, dass es wichtig war, dass die werdende Mutter nicht in Depressionen oder sonst was versank. Sie sollte glücklich sein, denn das übertrug sich auf das Kind.

  • Jede seiner Berührungen waren wie Balsam für mich. Gerade jetzt in solch schwierigen Zeiten. Dann kam auch noch die Schwangerschaft dazu. Ja, Eleni hatte mir erzählt, dass Frauen in anderen Umstanden manchmal anders sein konnten. Bei mir wirkte sich das offensichtlich im Verlangen nach Nähe aus. An sich war ich immer schon froh darüber gewesen, wenn die, die mich liebten, ihre Gefühle in Berührungen offenbarten. Nun aber war dieses Verlangen noch größer geworden.

    Eine weitere Begleiterscheinung der Schwangerschaft war, dass ich sehr nah am Wasser gebaut war. Was bedeutete, dass ich bei der kleinsten Kleinigkeit in Tänen ausbrechen konnte, als wäre gerade der Weltuntergang eingeläutet worden. So standen mir dann plötzich wieder die Tränen in den Augen, als Rufio mich drückte und tröstete und versuchte, mich mit seinen Worten wieder aufzumuntern. "Ja ich verspreche es! Ich werde nur noch an unsere Zukunft zu dritt denken! "gelobte ich und meine Augen glänzten bereits wegen der Tränen. "Oh mein Liebling, "sagte ich mit tränenschwangerer Stimme, "Ich bin den Göttern für alle Ewigkeit dankbar, dass ich einen so herzensguten Mann bekommen habe!" Ich vergrub mein Gesicht im Stoff der Tunika, die seine Brust bedeckte. Denn ich wusste, dass er nicht ewig hier bei mir bleiben konnte...


    Doch die Tage vergingen. Der Tag der Beisetzung kam und die Familie nahm endgültig Abschied von Curtia Minor. Auch ich gedachte ihr aus der Ferne.

    Dann kam der Tag, an dem ich zu meinem Mann zurückkehren konnte und ich meinem alten Zuhause, der Villa Claudia wieder den Rücken kehren konnte.