Noch vor Mitternacht stand Sextus auf. Es waren Lemuria, der Schleier zwischen den Welten war aufgehoben und die toten streiften umher. Und dieses Haus hatte wahrlich genug tote gesehen, deren Geister hier herumstreifen konnten, um die Lebenden zu quälen. Da waren natürlich die jüngsten Todesfälle von Curtia Minor und dem ungeborenen Kind, an die sich wohl noch alle erinnern würden. Aber es gab auch andere, länger zurückliegende, deren Geister manchmal durchs Haus zu wehen schienen. Flavia Celerina, die Ehefrau von Marcus Aurelius Corvus, die sich selbst getötet hatte, nachdem sie beim Ehebruch erwischt worden und den Zorn der Götter auf sich gezogen hatte. Ihr Ehemann etwas später, der sich aus Scham darüber die Pulsadern geöffnet hatte. Aber auch Tiberius Aurelius Avianus, der von Publius Vettius Phanias aufgegriffen worden war kurz vor Beginn des wirklichen Bürgerkrieges und in dessen Folterkellern ein schmerzhaftes Ende gefunden hatte. Sextus’ Cousinen Flora und Narcissa, die eine im Kindbett gestorben, die andere an einer Krankheit. Ja, die Aurelier hatten einige Tode, die vor ihrer Zeit gekommen waren, und einige Geister, die hier herumstreifen konnten. Und es war Sextus’ Aufgabe, diese zu vertreiben.
Er legte sich also seine schwarze Tunika an, als Zeichen der Trauer dieser Tage, und wusch sich ausführlich die Arme und das Gesicht mit reinem Quellwasser, das extra hierfür geholt worden war. Dabei murmelte er die alten Reinigungsformeln, um sich von allem irdischen zu befreien. Barfuß ging er danach durchs Haus, in seiner linken ein Beutel mit getrockneten, schwarzen Bohnen. Mit der rechten Hand holte er nach und nach immer wieder welche heraus und warf sie sich, ohne sich umzusehen, über die linke Schulter.
"Haec ego mitto, his redimo meque meosque fabis", sprach er jedes Mal laut und deutlich. Dies hier opfere ich, und mit diesen Bohnen kaufe ich mich und die meinen frei. Nein Mal wiederholte er dies an den verschiedensten Stellen der Villa, um jeden Ort von der Anwesenheit der Geister zu befreien.
Schließlich wusch er sich noch einmal die Hände mit dem Quellwasser und griff die eisernen Rasseln.
"Manes, exite paterni!" rief er laut und schepperte laut mit der Erzrassel. Hinaus, Geister der Vorfahren! Auch dies wiederholte er, bis dem Ritual genüge getan war und alle Geister, die dieses Haus heute eventuell heimsuchten, vertrieben waren.