[Ad Romam ] Den Preis der Freiheit habe ich hundertmal bezahlt

  • Palmyra>>>


    Anippe hatte sich beeilt, die Parther einzuholen. Aber sie war spät dran, und sie waren natürlich schon fort. Und die Alexandrinerin unterschätzte sowohl die Entfernungen des Landes als auch die Möglichkeiten, die jemand ohne finanzielle Mittel hatte. Sie hatte nur sich selbst, was sie eintauschen konnte. Der schlimmsten Gewalt wich sie aus, indem sie bereitwillig gab. So ließ sie sich von verschiedenen Männern nach Antiochia mitnehmen, und es gelang ihr, sich dort mit einer Gruppe Kaufleute einzuschiffen, für deren Entspannung sie auf der Reise zu sorgen hatte. Ihre Gefährten fand sie jedoch nicht wieder. Aber sie wusste ja, wohin die Reise ging: Das parthische Paar wollte nach Rhome, in die Stadt ihrer Feinde.


    Fast vierhundert Jahre später sollte eine andere junge Frau auf ähnliche Weise wie Anippe die Wanderung von Alexandria nach Konstantinopel zurücklegen: Die spätere Kaiserin Theodora. Sie würde fast zwei Jahre und zwei Schwangerschaften für diese Reise brauchen. Aber das war noch die Zukunft, und die Alexandrinerin wusste davon nichts.

    Als Anippe endlich italischen Boden betreten konnte, war sie etwas über ein halbes Jahr unterwegs, und schwanger war sie bisher nie gewesen, was in ihrer Situation ihr eher eine Gnade als ein Fluch der Großen Isis schien.

    Zwei Gedanken trieben die junge Frau an : Die Dame Nilofer wiederzufinden und niemals wieder zu ihrem Herren zurückkehren zu müssen. Denn auch wenn sie Nichts und Niemand war, und auf der Reise immer wieder erfahren hatte, dass auch andere in ihr ein Nichts sahen, so war die kleine Flamme, die die Partherin in ihr entzündet hatte, nicht erloschen. Irgendwo in dieser grausamen Welt gab es Liebe, Güte und Mitgefühl., und sie war ein menschliches Wesen. Einmal war ihr das Wunder schon in der Gestalt der Nilofer begegnet. Vielleicht würde Anippe dem Guten noch einmal begegnen, vielleicht zur Ruhe kommen, vielleicht sogar glücklich werden.


    Es war Frühsommer des Jahres DCCCLXXXIV A.U.C, als die entlaufene Sklavin Anippe über die Via Ostiensis in die Urbs gelangte.

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  • Anippe trug einen Peplos, den sie hochgeschürzt hatte, damit er sie nicht behinderte, und bewegte sich, wie sich ein Mensch bewegte, der jederzeit Ungutes erwartete: Rasch und mit misstrauischenm Blick. Ihr knurrte der Magen. Sie hatte das letzte Mal in Portus Ostiensis etwas gegessen; ein dicker, gutmütiger Matrose hatte seinen Puls mit ihr geteilt. Bevor sie in die Stadt gekommen war, hatte sie sich an einem der Brunnen Hände und Gesicht gewaschen, und dann hatte sie sich von der Menge mitschieben lassen. Soviele Leute waren unterwegs, da fiel eine junge zierliche Frau nicht auf. Sie wurde in Richtung Circus Maximus geschoben und dachte daran, dass sie dringend Nahrung und einen Schlafplatz brauchte.