Regen prasselte auf das Dach des Hauses. Die letzten Tage waren sehr warm gewesen, doch endlich hatten die Götter ein Einsehen gehabt und schickten Regen in dicken Tropfen herunter.
Ich lag in meinem Bett und starrte an die Decke. Das hatte ich die letzten Tage oft getan. Eigentlich jede Nacht. Immer, wenn der Schlaf nicht kommen wollte und meine Gedanken angefangen hatten, auf Wanderschaft zu gehen.
Angus war nicht gekommen. Er ging mir aus dem Weg. Zumindest hatte ich das Gefühl. Nicht, dass ich explizit seine Nähe gesucht hätte, aber ich hatte ihn selten mehr als flüchtig gesehen, und dann war es mir so erschienen, als hätte er schnell etwas gesucht, um gehen zu können, nur um nicht in meiner Nähe zu sein. Vielleicht tat ich ihm da unrecht. Aber der Fakt blieb, dass er seit unserer Trennung kein Wort mehr mit mir geredet hatte.
Anfangs hatte ich mir damit noch schwer getan. Ich hatte sehr viel geweint. Sehr sehr viel. Und mir alle möglichen Vorwürfe gemacht. Inzwischen ertrug ich es besser, auch wenn es jetzt noch Momente gab, wo mich die Selbstvorwürfe auffraßen. Aber sie wurden weniger und waren mehr einer generellen Sehnsucht gewichen, die eine dumpfe Leere in mir hinterließ. Ich fühlte mich einsam. Nicht allein, hier waren viele Leute um mich herum. Aber einsam. Und gerade, wenn ich allein im Bett lag, der Schlaf nicht kommen wollte und mein Körper sich nach Wärme und Berührung sehnte, war es schlimmer als am Tag, wenn ich viel zu tun hatte.
Donner grollte über uns. Immer wieder fiel grelles Licht durch das kleine Fenster meines Raumes, wenn ein Blitz über den Himmel zuckte. Die Zeit zwischen Licht und Donnergrollen wurde kürzer. Bald würde das Gewitter direkt über uns sein. Mich fröstelte. Mein Vater hatte, als ich noch ein Kind war, dann immer spaßeshalber gemeint, dass uns der Himmel auf den Kopf fallen wollte. Als Kind hatte ich davor fürchterliche Angst gehabt. Und auch jetzt nagte ein bisschen von dieser Unsicherheit an mir und ließ mich weiter auf den regen und den Donner lauschen.
Wieder ein Blitz. Dicht gefolgt von tiefem, grollenden Donner. Laut. Das Gewitter war nah. Ich setzte mich auf die Bettkante und schaute zum Fenster. Ich war jetzt nicht gern allein. Ich war kein Kind mehr, das sich unter Mutters Röcken verstecken wollte, aber ganz wohl war mir auch nicht. Und in solchen Momenten vermisste ich Angus, seine breite Brust mit dem Tattoo und seine warme Umarmung noch mehr.
Ich blickte zu der Tür, die mein Zimmer mit dem meines Herrn verband. Schon oft hatte ich sie angestarrt und überlegt. Mein Herr hatte mich die letzten Tage auch nicht beachtet. Er war nicht fies oder abweisend, aber ich war wieder unsichtbar für ihn. Abgesehen von ein paar eher zufälligen Berührungen hatte ich nicht das Gefühl, dass er meine Nähe suchte, seit wir miteinander geschlafen hatten. Ich war mir nicht sicher, ob er mir nur Zeit geben wollte, oder ob ich ihn bereits langweilte. Ich wollte darüber auch nicht zu viel nachdenken.
Wieder ein Blitz, dessen Donner sehr laut über uns knallte und mich zusammenzucken ließ. Mein Herz klopfte und ich schaute auf, aber nein, da war kein Feuer, keine Schreie. Trotzdem fühlte ich mich unwohl.
Sollte ich? Die Frage stellte ich mir häufig in letzter Zeit. Bislang war die Antwort immer nein gewesen. Entweder aus schlechtem Gewissen, oder weil ich ihn nicht liebte – was ich immer noch nicht tat – oder aus Furcht vor seiner Ehefrau. Oder aus tausend anderen Gründen, die mir immer einfielen. Und auch jetzt zögerte ich, bis der nächste Blitz mich doch auffahren ließ. Ich wollte wirklich nicht allein sein. Auch wenn er mich für ein Kind halten würde.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und schlüpfte in sein Cubiculum, in der Hoffnung, dass er wach wäre. Oder besser, er würde schlafen, dann könnte ich mich einfach zu ihm stehlen und hoffen, dass er es nicht bemerkte. Aber als ich hinüber zum Bett blickte, sah ich, wie sein Blick schon meinem begegnete, als ein weiterer Blitz das Zimmer kurz in helles Licht tauchte, ehe der nächste Donner mich wieder etwas zucken ließ.
Ich stand einen Moment da, nackt – denn bei der Hitze schlief ich nunmal so – und zitterte leicht in der Dunkelheit. "Dominus?" sagte ich leise und unsicher. "Ich… ich kann nicht schlafen."