Ein Spaziergang gegen schlechte Laune

  • Graecina konnte manchmal ziemlich launisch sein, besonders wenn sie erst einmal mit dem falschen Fuß aufgestanden war. Sie hatte schon an ihren guten Tagen meistens ihren eigenen Kopf, aber an schlechten konnte sie sich wirklich benehmen, als ob eine Gewitterwolke direkt über ihrem Kopf schwebte. Heute war einer dieser schlechteren Tage und sie war deshalb schon den ganzen Morgen so unruhig und gereizt gewesen, dass sie schließlich beschlossen hatte, in der Nähe der Villa Aurelia einen Spaziergang zu unternehmen, ohne ein besonderes Ziel zu haben, zu dem es sie hingezogen hätte. Vor allem wollte sie gerade nicht Gefahr laufen, irgendwem zu Hause grundlos an die Gurgel zu springen, nur weil sie gerade schlechte Laune hatte, ohne richtig benennen zu können, woher die eigentlich kam. Nicht, dass sie ein Problem mit Konflikten gehabt hätte, aber normalerweise suchte sie sich die lieber bewusst aus und nicht nur aus Versehen. Das lohnte sich in der Regel ohnehin nicht und am Ende musste sie sich nur bei irgendwem entschuldigen und sowas hasste sie sowieso.


    Sie war, natürlich, trotzdem nicht allein losgezogen, auch wenn sie in der Stimmung gewesen wäre, das zu tun. Salome, die sie eigentlich hatte aufhalten wollen, war ihr wie selbstverständlich auf den Fersen, was Graecina erst recht nervte, und die wiederum hatte, nachdem sie zwar gut darin war, ein wachsames Auge auf ihre Herrin zu haben und sich nicht von ihren Launen einschüchtern zu lassen, aber keinen echten Schutz darstellte, noch so einen jungen Kerl unter den Sklaven eingesammelt, dessen Namen Graecina entweder bisher nicht kannte oder der ihr schon wieder entfallen war. "Du musst nicht so rennen, Herrin. Du bist ja nicht auf der Flucht", versuchte Salome sie gerade etwas auszubremsen, woraufhin Graecina mit den Augen rollte, aber trotzdem ihre Schritte verlangsamte. Auf Salome zu hören, kam aber natürlich selbstverständlich nicht infrage, deshalb wandte sie sich demonstrativ ihrem anderen Begleiter zu. "Wie heißt du? Ich glaube, ich habe deinen Namen noch nicht mitbekommen", sprach sie ihn direkt an und musterte ihn nun zum ersten Mal aufmerksam. Auch wenn sie sich jetzt eigentlich in erster Linie ihm zugewandt hatte, weil ihr Salome auf den Geist ging, war sie doch in der Lage ihre Aufmerksamkeit ehrlich zu verschieben. "Erzähl mir etwas über dich."

  • Es war ein merkwürdiger Morgen gewesen. Alaric hatte nicht mehr so besonders viel zu tun seit ihrer Rückkehr in den aurelischen Haushalt. Das beunruhigte ihn ein wenig, denn er fürchtete, dass man bald keinen Nutzen mehr für ihn sah. Dass er heiße Ware war, das war dem jungen Nordmann durchaus klar. In einem Haushalt, in dem für die Sicherheit gesorgt war, brauchte man ihn vielleicht nicht so sehr wie das Geld, welches man für ihn bekommen konnte.

    Diesen Gedanken war er nachgehangen, als er mal eben so ohne jede Vorwarnung "aufgesammelt" wurde.

    Das hübsche Mädchen, das neu im Haushalt war, war ihm schon vorher aufgefallen, doch sie hatte ihn nie angesprochen - bis heute. Und auch die ältere Sklavin lernte er nunmehr zum ersten Mal kennen und sein erster Eindruck von beiden war... durchwachsen.

    Die Domina Aurelia wirkte wie eine verzogene Göre, die jeden Rat ihrer Amme schon aus Prinzip in den Wind schlug und die Amme selbst wirkte auf ihn wie eine Glucke, die auf ihren Küken saß, die bereits ausgebrütet waren.

    Aber er hielt die Schnauze. Das letzte was er brauchte war, sich mit einer Aurelierin anzulegen.

    Stattdessen beobachtete er das Schauspiel schweigend. Das Mädel beeilte sich so, um sich der Sklavin zu widersetzen, doch würde sie dadurch bald aus der Puste sein. Er hielt solch ein Tempo durch, doch das zierliche Mädchen?


    Als sie ihn schließlich ansprach ('Ach, jetzt merkt sie, dass es mich gibt...'), wandte er sich ihr zu, mühelos mit seinem Schützling Schritt haltend.

    "Mein Name ist Alaric", sagte er knapp. "Und ich komme aus dem Norden. Viel zu erzählen gibt es da denke ich nicht..."

  • Na wunderbar, da hatte sie auch noch jemanden von der ganz ungesprächigen Sorte erwischt. Graecina rollte kurz mit den Augen. "'Norden' ist ein weit gefasster Begriff", erwiderte sie trocken und warf einen Blick über die Schulter zu Salome, die sich offenbar mit Graecinas bisherigen Tempo schwerer tat als Alaric neben ihr. Graecina grinste zufrieden. Das geschah ihrem Wachhund gerade recht. Sie beschleunigte ihre Schritte wieder und lachte leise, wenn auch mehr zu sich selbst, als sie hörte, wie Salome hinter ihr genervt aufstöhnte, ehe Graecina sich dann doch erbarmte und mit einem Mal deutlich besser gelaunt in ein gelassenes Schlendertempo verfiel. Sie ärgerte zwar manchmal andere - besonders Salome - wirklich ganz gerne, aber sie war trotz allem meistens nicht grundsätzlich gemein oder bösartig, nur um andere zu quälen. Was aber nicht bedeutete, dass sie zugeben würde, dass sie gerade doch auf Salome Rücksicht nahm. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder voll Alaric neben sich zu. "Also: Was heißt 'Norden' in deinem Fall?"

  • Alaric hatte es nicht erwartet, doch die junge Dame schien es tatsächlich auf eine Unterhaltung mit ihm anzulegen. Nun, wer war er, sich darüber zu beschweren, dass ihm mal ein wenig Aufmerksamkeit zukam?

    „Stimmt“, pflichtete er dem Mädchen schmunzelnd bei und bemerkte, dass sie das Tempo drosselte. Da Alaric nicht angestrengt war und alle Zeit der Welt hatte, störte er sich nicht daran, doch konnte nun die nörgelnde Sklavin zu ihnen aufschließen.

    Beide kümmerten sie sich nicht groß um Salome. Alaric, der immer wieder aufmerksam den Blick schweifen ließ, damit keine unangenehme Überraschung näherkam, seufzte leise und erklärte:

    „Mein Stamm kommt aus den Bergwäldern, weit im Nordwesten. Die Römer sind in dem Gebiet schon länger präsent. In eurer Sprache nennt man mein Volk die ‚Caeroser‘. Unser Gebiet lag sozusagen zwischen Germanien und Gallien, könnte man wohl sagen. Es ist kaum ein Land, das deinen Gefallen finden würde, Domina.“ Klein und zierlich selbst für eine Römerin, fand Alaric. Klein und zierlich wie sie war, musste seine Heimat auf sie wild und schrecklich wirken.

    „Wo kommst du her? Du bist noch nicht lange im Haus, oder? Ich selbst bin erst kürzlich dorthin zurückgekehrt…“

  • Graecina lachte leise, als Alaric meinte, dass ihr seine Heimat wohl kaum gefallen würde. "Das stimmt wahrscheinlich, aber ich kann immer noch danach fragen, auch wenn es mir da nicht gefallen würde", erwiderte sie achselzuckend und legte dann ein wenig den Kopf schief. Zugegeben, sie hatte nur danach gefragt, um Salome demonstrativ ignorieren zu können, aber das musste sie ja Alaric nicht auf die Nase binden. "Ist es da wirklich so kalt und nass wie es immer heißt?"


    Bei seiner nächsten Frage dagegen hielt sie dann aber überrascht einen Moment lang inne. "Zurückgekehrt?" Graecina runzelte kurz die Stirn ehe der Groschen bei ihr doch fiel. "Ah, du gehörst meiner Tante, richtig?", fragte sie dann. "Und ja, ich bin selbst noch nicht lange hier. Oder überhaupt in Rom." Ein kleines, verschmitztes Grinsen zuckte um ihre Mundwinkel. "Ich komme aus dem Süden", fuhr sie mit ihrer Antwort fort und kam sich dabei selbst kurz raffinierter vor als sie war, als sie damit Alarics vage Antwort von eben scherzhaft spiegelte und noch eine kleine Kunstpause hinterher schob, so als ob sie ihre Antwort nicht weiter ausführen wollte ehe sie es dann doch tat. "Aus Griechenland. Ich bin in der Nähe von Athen aufgewachsen, auf dem Landgut meiner Familie." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. "Alles nicht besonders interessant. Viel Familie, alles sehr idyllisch, wenig wirklich Spannendes." Hinter ihr murmelte Salome irgendetwas, das wahrscheinlich tadelnd gemeint war, Graecina aber wie immer gekonnt überging. "Rom ist da interessanter."

  • Alaric musterte die junge Dame interessiert. Sie schien also aufregendere Umfelder vorzuziehen. Eine junge Abenteurerin, wie es ausschaute.

    "Ich habe von Griechenland gehört", gab er zu. "Und was ich gehört habe, hört sich viel besser an als dieses Loch, das sie Stadt nennen. Eine weite Landschaft, die vielen Heldensagen. Mir wäre dieses Land viel lieber als Rom."

    Er amüsierte sich darüber, dass sie den Spieß so umgedreht hatte. Sie war jedenfalls nicht dumm. Ja, aufgeweckt, definitiv. Er mochte sie irgendwie.

    "Aber vielleicht liegt es nicht am Land, sondern an den Leuten. Bei uns gibt es auch viel Idylle, aber deshalb kommt keiner auf die Idee, sich die Eier zu schaukeln. Es gibt immer irgendwen, der deine Kinder verheiraten will und wenn er sie nicht bekommt, aus verletztem Stolz eine Fehde startet. Dann gibt es noch Feste, Spiele und gefährliche Tiere. Dir wird dort oben ganz sicher nicht langweilig - auch nicht als Frau. Und nass und kalt ist es höchstens im Winter. Ja, es regnet öfter als hier, aber wir ersaufen nicht im Schnee, wie es hier immer heißt."

    Gut, gefährliche Tiere gab es hier auch. Doch trugen diese weiße Tuniken und nannten sich "Römer". Aber dies behielt er lieber für sich.

    "Also sag, Domina. Wohin treibt es dich? Also, heute."

  • "Das klingt auch nicht viel anders als hier", erwiderte Graecina mit einem kleinen Grinsen auf Alarics Beschreibung seiner Heimat. "Also abzüglich der Nässe und Kälte. Und der gefährlichen Tiere. Aber zum Beispiel Leute, die beleidigt sind, weil irgendeine Heirat klappt oder nicht klappt und sich darüber mit anderen streiten, gibt es wahrscheinlich überall." Sie schnaubte. "Das gab es sogar zu Hause und da ist selten wirklich viel passiert." Zumindest, wenn man sich auf Graecinas Welt mit all ihren Grenzen beschränkte, was sie eigentlich immer tat. Und in gewisser Weise hatte sie ja eine Beleidigung bei einem geplatzten Verlobungsversuch hierher gebracht, weil ihr Vater sich von seinem Bruder bei dem Versuch, Graecina zu verheiraten, mehr Erfolg erhoffte als er gehabt hatte. Das Votum, ob er damit recht haben würde, stand zwar noch aus, aber das stand ja auf einem anderen Blatt.


    "Am besten nach Hause", brummte Salome dann leise auf Alarics Frage hin, auch wenn er die an Graecina gerichtet hatte, und klinkte sich so zumindest wieder halb in das Gespräch ein. Graecina verdrehte die Augen. Einmal ein Wachhund, immer ein Wachhund. "Nirgendwo", gab sie zurück und ignorierte damit Salome, so wie sie es meistens tat. "Überall. Eigentlich ist mir das im Moment fast egal. Manchmal ist einfach ein Spaziergang besser als sich zu Hause die Decke auf den Kopf fallen zu lassen." Sie hob die Brauen. "Warum?"

  • Alaric würdigte das Gejammer der Salome nur eines kurzen Seitenblicks. Gute Güte, musste sie so schlechte Laune verbreiten?

    Im Gegensatz dazu war Domina Graecina geradezu abenteuerlustig und gab als Richtung einfach mal alle Richtungen vor. Belustigt schmunzelte Alaric, der sich selbst noch nicht besonders, aber durchaus auf der Einkaufsstraße schon ein wenig auskannte.

    "Ich versuche nur, zu erfahren, wohin wir spazieren wollen", grinste er angesichts ihres... war es Misstrauen oder Neugier? "Schön, auch wenn du 'alles' sehen willst, so werde ich die Hurenhäuser einmal auslassen. Vielleicht finden wir einen Laden, in dem du ein schönes Kleid für dich findest."

    Römische Weiber mochten doch ihre Kleider, oder? Alaric kannte keine Frau in seiner Heimat, die so einen Aufriss darum gemacht hätte... obwohl einige der Schmuckstücke in dieser Stadt sie schon gereizt hätten. Ganz sicher sogar.

    "Aber... natürlich bestimmst du", fügte er jedoch noch an. Er wollte keinen Ärger, weil die Kleine herumerzählte, dass er sie herumkommandiert hätte.

  • Graecina stieß ein kleines Prusten bei der Bemerkung über die Hurenhäuser aus und warf Alaric dann einen langen, amüsierten Blick zu. Dafür, dass Salome sich ihn vermutlich einfach nur geschnappt hatte, weil er stark genug aussah, um als Leibwächter herhalten zu können, entpuppte er sich als überraschend kurzweilige Gesellschaft. Oder vielleicht auch deswegen, schließlich hätte Salome ihn sonst vermutlich nie mitgenommen, sondern eher jemand Langweiliges gesucht, der ein Verbündeter gegen Graecinas Launen gewesen wäre. "Schöne Kleider sind immer eine gute Idee", erwiderte sie gut gelaunt und überging damit erneut Salomes müdes Seufzen, die langsam wohl komplett aufgab, ihre Herrin dazu zu bringen, einfach wieder umzukehren. "Schöner Schmuck auch, da bin ich nicht wählerisch." Graecina grinste. Eigentlich war sie ja sehr wohl wählerisch, sogar zu sehr, je nach dem, wen man so fragte. Und das in vielen Dingen.

    Deshalb reagierte sie auf Alarics nachgeschobenen Satz, dass sie natürlich das Sagen hatte, nur mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Ja, natürlich", meinte sie leicht gelangweilt, denn das war in ihren Augen sowieso selbstverständlich. "Aber ich kenne mich in der Stadt noch nicht aus und habe heute nichts Konkretes vor, also bin ich für Vorschläge offen." Sie blieb an einer Straßenkreuzung stehen und sah Alaric fragend an. "Also hoffe ich sehr, dass du weißt, wo wir entlang müssen, um einen vernünftigen Laden oder wenigstens einen Garten oder so zu finden, ansonsten muss ich nämlich leider früher oder später auf Salome hören und wieder umkehren." Ein kleines Grinsen zuckte um ihre Mundwinkel und sie sah kurz zu Salome hinüber, die nun skeptisch die Brauen hochzog, aber sonst stoisch hinnahm, dass Graecina mal wieder über sie hinweg sprach als ob sie nicht wirklich da war. "Und glaub mir, ich hasse es, wenn ich ihr Recht geben muss."

  • Erneut musste Alaric sich eingestehen, dass das hübsche zarte Mädel vor ihm einen ganz eigenen Kopf hatte. Was war das mit den Aurelia-Frauen, die so fragil und folgsam anmuteten und einen dann mit ihrer selbstbewussten Art völlig überraschten? Es war… einerseits beeindruckend, andererseits war es als Mann doch etwas zum Fürchten, konnte er sich vorstellen. Von Zuhause kannte er starke Frauen ja. Denen sah man das aber auch in der Regel an. Wie mussten sich dann die römischen Kerle fühlen?

    „Ich fürchte, mit Kleidern und Schmuck kenne ich mich nicht aus“, gab Alaric zu. „Ich trage, was mir gegeben wird (und sehe auch ohne gut aus…), außerdem weiß ich gar nicht, was Männer überhaupt tragen sollen.“

    Mit den Schultern zuckend, deutete er in eine Richtung, in der er die meisten Geschäfte vermutete. Ein paar davon hatte er mit seiner Domina bereits aufgesucht. Aber ob diese Sachen für ein so junges Mädchen ebenso geeignet waren wie für eine erfahrene Frau wie seine Domina? Nun, er würde es sehen.


    Auf dem Weg blieb er stets nah an Graecinas Seite und bemerkte, dass sich auch andere wie sie hier langsam zu tummeln schienen. Während die Männer weitaus geschäftiger unterwegs waren, nahmen die Frauen sich Zeit, vor den Geschäften zu bummeln und sich Auslagen anzusehen. Einige von ihnen wurden ebenso von Sklaven begleitet, wenn auch nicht alle. Und viele von ihnen tuschelten und gackerten dabei. Die Frauen hier waren wirklich ganz anders…

    Alaric ignorierte die fremden Blicke, die entweder auf Graecina oder auf ihm ruhten, und konzentrierte sich auf sie und den Weg vor sich.

    „Nun, da wären wir. Siehst du schon etwas, das dich interessiert, Domina?“

  • Graecina ließ mehr halb interessiert ihren Blick über die Auslage gleiten. Eigentlich war sie in denkbar schlechter Gesellschaft für eine Einkaufstour. Salome war in jedem Fall eine schlechte Ratgeberin bei sowas und Alaric hatte eben schon zugeben, genauso wenig Ahnung zu haben. Nicht, dass sie etwas anderes erwartet hätte. Es machte nur trotzdem deutlich weniger Spaß, sich umzusehen, wenn sie niemanden mit einer gesteigerten Meinung dabei hatte - und wenn es nur war, um kontra zugeben. "Nein", erwiderte sie und reckte kurz den Kopf, um einen Blick auf die zweite Reihe Stoffe in dem Laden zu werfen, den sie gerade passierten, ohne jedoch stehenzubleiben. "Aber mal sehen, da vorne ist etwas mehr los, vielleicht gibt es da etwas Interessantes." Sie zuckte mit den Achseln. Irgendwie langweilte sie das, was sie bisher so im Vorbeigehen in den Läden hier sah. "Wie lange bist du schon in Rom?", fragte sie also stattdessen rundheraus und wechselte so unvermittelt das Thema, während sie schon weiterging und sich dabei an zwei anderen Frauen vorbeischob, die sich offenbar sehr für ein paar Ohrringe begeistern konnten. Eigentlich gab es ja ohnehin nicht viel, worüber sie mit Alaric hätte reden können, aber auf die Alternative, sich Salomes Gejammer anhören zu müssen, hatte sie definitiv keine Lust.

  • Alaric hatte ein wenig den Eindruck, dass sie sich langweilte. Das oder sie war wirklich pingelig, was ihren Schmuck betraf. Er hatte wirklich keine Ahnung, was sie denn nun suchte. Ob es Sinn machte, sie zu fragen?

    Frohen Mutes blieb er ihr immer dicht auf den Fersen, was in der Menge schon nicht einfach war. Glücklicherweise überragte er die meisten hier und so machten sie ihm schon automatisch Platz. Die Schneise hinter ihm war auch noch breit genug, damit Salome hinter ihm herschlüpfen konnte.

    "Ich bin seit einigen Monaten in Rom. Seitdem bin ich im Besitz der Domina Claudia", erklärte er. "Vor ihr hatte ich keinen anderen Besitzer. Inzwischen habe ich mich an diese Stadt gewöhnt, wenngleich sie ganz anders ist als mein Zuhause."

    Wie üblich wenn er nach seinem Leben gefragt wurde, hielt sich Alaric kurz. Er war keiner, der aus dem Nähkästchen plauderte, doch war dies wohl nicht, was die junge Domina hier hören wollte. Daher fügte er an:

    "Frag mich, was immer du wissen willst. Ich werde so gut antworten, wie ich kann. Oder du kannst mir sagen, was genau du suchst und worauf ich achten soll. Vielleicht bin ich dann ein besserer Gesprächspartner."

  • Nun hielt Graecina doch inne und warf Alaric einen langen, amüsierten Blick zu. Seine Einsilbigkeit auf ihre vorherige Frage wäre ihr sonst wohl aufgefallen, aber gerade fing seine Ergänzung ihre Aufmerksamkeit ein. "Du willst, dass ich dir irgendetwas über Kleidung oder Schmuck erzähle, damit du mit Ausschau halten kannst?", echote sie und zog dabei skeptisch die Brauen hoch. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass er sich groß dafür begeistern konnte. Oder musste. Ein Leibwächter war eben ein Leibwächter. Von dem erwartete sie keine Modeberatung. Graecina schüttelte den Kopf. "Ich suche ohnehin nach nichts", erklärte sie, während sie sich wieder in Bewegung setzte. "Das ist der Witz daran, einfach zum Spaß einkaufen zu gehen. Man sucht nichts und im besten Fall findet man doch wieder alles Mögliche." Sie zuckte mit den Achseln und blieb vor der nächsten Auslage mit einigen hübschen Armreifen stehen. "Sowas zum Beispiel", sagte sie dann und nahm einen etwas breiteren Armreif mit ein paar zwar nicht bemerkenswerten, aber trotzdem ganz netten Verzierungen in die Hand. Graecina drehte ihn einen Moment zwischen den Fingern ehe sie ihn zurücklegte und dann weiter schlenderte. "Oder irgendetwas anderes. Man muss einfach ein gutes Auge haben. Oder wissen, bei welchen Läden man schauen muss." Sie grinste. "Frustrierend, ich weiß. Aber das ist der Punkt."

  • "Ja, wieso nicht?", fragte Alaric, der sich da gerne was beibringen ließ. Nicht, dass er dieses Wissen je selbst anwenden können würde. Aber wenn es die kleine Domina glücklich machte...

    Aber sie schien wohl ohnehin gänzlich andere Absichten zu verfolgen, wenn er das richtig verstand. Nun redete sie jedoch sehr geschäftsmäßig, wie jemand, der genau verstand, wovon er sprach. Bei Alaric taten sich da große Fragezeichen auf.

    "Also... kaufst du ein... um des Einkaufens willen", fasste er zusammen und fragte sich, warum sich das jemand freiwillig antat. Er sah sich in der Auslage um und griff dann unwillkürlich zu. Eine hübsche Halskette, offensichtlich für Frauen gedacht. Prüfend hielt er sie sich an den Hals und sagte so trocken, dass man es für Ernst hätte halten können:

    "Ich glaube, das ist die falsche Farbe für mich."

  • "Ach, aber auch nur ein klein wenig." Graecina lachte leise und betrachtete die Kette, die Alaric hochhielt. Etwas zu verspielt für ihren Geschmack, aber ein Anfang. Besonders wenn man den verwirrten Blick bedachte, den sie ihm eben angesehen hatte, als sie erklärt hatte, dass es bei einem richtigen Einkaufsbummel nun einmal nicht darum ging, etwas zu suchen, sondern etwas zu finden. "Ich empfehle dir etwas dunklere Farben", witzelte sie weiter, schenkte aber der Kette keine weitere Beachtung. Stattdessen strich sie über den Anhänger einer anderen daneben, um beiläufig Unebenheiten wie kleine Kratzer in dem Schmuckstein, der darin eingefasst war, zu ertasten. "Und einkaufen um des Einkaufens willen klingt so ... banal", fuhr sie dabei fort und zog ihre Hand zurück, während sie weiter die Auslage betrachtete und nun einen hübschen Ring in Form einer Schlange in Augenschein nahm. "Mode ist wichtig und die besten Dinge findet man da selten, wenn man danach sucht, sondern wenn man ohnehin auf dem Laufenden ist, was so in Mode ist und was wer in welcher Qualität meistens so verkauft."

  • "Dunklere Farben...", murmelte Alaric prüfend. Er war nicht so als ob er Schmuck gar nichts abgewinnen konnte. Aber das war vermutlich etwas zu delikat für einen wie ihn. Und die "Mode", die so manch anderer Sklave so zur Schau stellte, sprach ihn auch nicht unbedingt an. Er hatte keine Lust, sich Goldringe oder sowas in die Nippel jagen zu lassen beispielsweise. Oder in die Nase gar. Da konnte man dann eine Leine dran befestigen oder so.

    "Ich verstehe. Nun, ich lasse mich von dir gern unterrichten, damit ich dir beim nächsten Mal ein besserer Gesprächspartner bin", sagte er bescheiden. Es war wie verhext, jedes Mal wenn er mit einer Frau sprach, klang es so als würde er flirten.

  • Graecina kicherte ein wenig in sich hinein, als ihr bewusst wurde, dass Alaric wohl gerade tatsächlich versuchte, zu verstehen, wonach sie suchte, während sie eigentlich mehr gewitzelt hatte. Salome dagegen fand den Austausch wohl wieder einmal alles andere als lustig und schnalzte missbilligend mit der Zunge, was Graecina wiederum mit einem Augenrollen quittierte. "Glaub mir, es reicht schon, wenn du einen guten Leibwächter abgibst", meinte sie dann etwas versöhnlicher zu Alaric und grinste leicht. Gerade nahm er einen Teil ihrer altklugen Weisheiten übers Einkaufen wohl wirklich fast schon ernster als sie selbst und langsam hatte sie das Gefühl, ihn unnötig zu ärgern, wenn sie diese Lehrstunde noch weiter trieb. "Das Einkaufen schaffe ich sonst auch allein." Oder viel mehr "Geld verschleudern", wie ihr Vater es beschrieben hätte. Das Grinsen auf ihren Lippen wurde etwas breiter, während sie gleichzeitig noch weiter die Auslage betrachtete, ohne dass sie irgendetwas wirklich anlachte. "Darin bin ich tatsächlich sehr gut, jedenfalls an den meisten Tagen." Sie richtete sich wieder auf und verzog kurz das Gesicht. "Ich glaube, so ein Tag ist aber nicht heute", erklärte sie dann und wandte sich von der Auslage wieder vollends ab. "Lass uns wieder umkehren."