[Atrium] Omne initium difficile est

  • Caesoninus unterhielt sich gerade im Atrium und war somit nicht weit entfernt, als Wonga die Tür geschlossen und ins Innere des Hauses getrottet war. Als der Nubier vor ihm erschien wandte er den Kopf und fragte: "Ja? Was gibt es?" Der Nubier antwortete ihm: "Vawandta da." Caesoninus blinzelte. "Was ist?", da sein Herr ihn offensichtlich nicht verstanden hatte wiederholte er die Worte: "Vawandta da."

    "Hä? Wer ist da?", "Vawandta, Vawandta da.", "Bitte Wonga, drücke dich klarer aus! Wer ist da?", "Vawandta da", schön langsam dämmerte es Caesoninus wieder wieso sie in Rom damals Wonga durch Vibilius an der Tür ersetzt hatten. Solche Rätselratereien mochten mitunter doch etwas an den Nerven zerren. Er seufzte. "Ich frage dich ein letztes Mal und wehe du antwortest wieder mit dem gleichen Stuss! Wer - ist - an - der - Porta?"

    Wonga sah ihn unbeeindruckt an und sprach: "Vawandta, Vawandta von Dominus. Zeigt Wonga Siegelring. Vawandta kommt und besucht Dominus. Wonga einlasse?" Jetzt mit zwei drei Worten mehr konnte sich Caesoninus schon eher einen Reim darauf machen was Wonga mit "Vawandta" ausdrückte. "Du meinst einen Verwandten von mir? Jemand von unserer Familie will mich sehen?" Caesoninus sah kurz seine vorige Gesprächspartnerin an und zog eine Braue hoch. Wer sollte das sein? Wäre es jemand bekanntes hätte Wonga seinen Namen gesagt, somit musste es jemand Fremdes sein von dem der Ianitor trotzdem überzeugt war, dass er zur Familie gehören musste. Jetzt wurde er schon etwas neugierig. "So hole ihn herein!" Wonga verschwand und kam wenige Augenblicke mit einem schwarzhaarigen Mann im Schlepptau wieder, der nur etwas jünger als Caesoninus selbst zu sein schien. Es war definitiv ein Fremder, denn Caesoninus hatte ihn noch nie gesehen. Freundlich sah er ihn an und sprach: "Salve, ich bin Gaius Iulius Caesoninus. Mein Ianitor hat mir eine interessante Neuigkeit gebracht Wenn ich ihn recht verstanden habe bist du ein Iulius?"

  • Er ließ es sich nicht anmerken, doch Antias war doch sehr erleichtert, dass man ihm keinen Tritt verpasst hatte. Welcher Ableger seiner Familie sich auch immer hierher verirrt hatte, diese war groß und es kannten sich nun einmal nicht alle. Wie viele Cousins hatte er noch gleich? Irgendwas zwischen drei oder vier Dutzend? Er hatte nicht aufgepasst.

    Und dann kam der Herr des Domus auch schon in Sicht und beobachtete, wie der einfältige Nubier ihn herbeiführte. Iulius Caesonius machte einen stattlichen Eindruck auf Antias, ganz der vorbildliche Iulier-Mann. Er hatte das immer als etwas pompös empfunden, doch selbst stand er aufrecht und aufgeschlossen, nicht eingeschüchtert wie einer, der eigentlich nur Bittsteller war.

    "Ich grüße dich", sprach auch Antias und neigte kurz respektvoll das Haupt, die Hand auf dem Herzen, ehe er dem Gegenüber seinen Ring zeigte. "Mein Name ist Tiberius Iulius Antias und mein Vater ist Aulus Iulius Scervo. Bitte verzeih mir mein plötzliches Hereinplatzen in dein Haus, aber ich habe heute erst erfahren, dass sich Verwandte von mir in dieser Stadt befinden. Sonst hätte ich mich natürlich angekündigt." Oder auch nicht... Er war ja froh, dass die Aussicht, irgendwann in der Gosse zu schlafen, augenscheinlich vom Tisch war...

  • Iulia war Caesoninus' Gesprächspartnerin gewesen, als dieser sich gerade bei Iulius Antias' Ankunft im Atrium aufgehalten hatte. Sie war zufällig hier auf ihn getroffen und hatte ihn auf seine Pläne bezüglich ihres weiteren Aufenthalts angesprochen. Iulia war es nur recht, wenn sie noch so lange wie möglich hier in der Fremde bleiben würden, wusste sie doch was sie erwarten würde, sobald sie wieder in Rom wären und damit hatte sie inzwischen überhaupt keine Eile mehr. Seltsam, wenn sie daran dachte wie das noch vor ein paar wenigen Jahren gewesen war, doch damals war sie noch jünger und unbedarfter gewesen. Ihre Mädchenjahre waren endgültig vorbei und Iulia zu einer intelligenten jungen Frau herangereift. In den Augen mancher mochte sie vielleicht auch einen unfähigen Fall darstellen, da sie mit ihren inzwischen einundzwanzig Jahren immer noch unverheiratet war, doch diese Leute kümmerte sie von nun an nicht mehr. Dieses elende Heiratsthema hatte schon genug Zwietracht zwischen sie und ihre Familie gestreut und auch wenn sie es immer in den Hintergrund zu schieben versuchte, kam es doch ständig wieder an die Oberfläche, entweder im Gespräch mit anderen oder allein in ihren Gedanken. Es war einfach lästig...


    Heute trug Iulia nur ein sehr leichtes azurblaues Kleid mit großteils freien Schultern. Ihr oberer Haaransatz war geflochten, während der Rest sich zu einem eleganten dunkelblauen Zopf verschlang, den sie locker über der rechten Schulter trug. In derartiger Aufmachung stand sie dort im Atrium, hoch aufgerichtet und die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr Gesichtsausdruck war unergründlich. Seit jener Geschichte zuhause in Rom die sie dort bei ihrer Rückkehr sofort wieder einholen würde, war ihr Umgang mit ihrem Vetter Gaius wesentlich kühler und höflicher geworden, als er sonst immer zwischen ihnen gewesen war, sie schätzte eine gewisse geistliche Distanz zwischen ihnen, wo ihr Konflikt ja keinesfalls beigelegt war, sondern bloß ruhte. Die früher von Iulia an den Tag gelegte Zuneigung und Wärme würde sich Gaius erst wieder erarbeiten müssen, was ohnehin erst möglich wäre, wenn die eheliche Nemesis nicht mehr Iulias Leben bestimmte. Doch schob Iulia all diese Gedanken und Eindrücke beiseite, als Wonga neben ihnen auftauchte und die Ankunft eines Verwandten verkündete. Interessant, wer das wohl sein mochte? Als der Neu endlich in Erscheinung trat wandte auch sie den Kopf, um ihn in Augenschein zu nehmen. Höflich stellte er sich bei Gaius vor und erwähnte dabei auch den Namen seines Vaters. Iulias Blick hellte sich auf. "Wie trollig, Onkel Antipater hatte einen jüngeren Bruder der genauso hieß wie dein Vater."

    Doch natürlich konnte das nicht sein, denn laut ihren letzten Informationen waren alle Söhne von Iulias Großvater Tiberius Iulius Numerianuns tot bis auf dessen ältestem Sohn Decimus Iulius Antipater, was für diesen immerhin damals der Grund gewesen war, warum er nach Rom eilte, um die Vormundschaft über Iulia und seine anderen Nichten zu übernehmen.

  • Caesoninus musterte den Ring, der war zweifellos echt. Also war Iulius Antias wirklich Teil ihrer Familie. Caesoninus grinste. "So heiße ich dich Herzlich Willkommen, Tiberius Iulius Antias! Du kannst mich Gaius nennen. Moment, ich mache es uns ein wenig gemütlicher." Er klatschte in die Hände und sofort eilten zuvor verborgen gewesene Sklaven durch das Atrium und holten aus dem angrenzenden Tablinum drei bequeme Stühle und einen Tisch und stellten alles zurück im Atrium direkt neben dem Impluvium auf. Dann kamen zwei andere Unfreie und komplettierten dieses Ambiente mit drei Kelchen verdünnten Weines und mit einer Obstschale.

    Zufrieden setzte sich Caesoninus. "Leider habe ich die Schriftrolle mit unserem Stammbaum zuhause in Rom gelassen, sodass wir darauf jetzt nicht nachschauen können, aber ich denke der Name deines Vaters kommt mir bekannt vor. Ganz vage, irgendwo im hintersten Winkel meines Verstandes." Iulia hatte ja ebenfalls schon erwähnt, dass ihr ein Aulus Iulius Scervo bekannt sei, doch ließ er diese Bemerkung unkommentiert. Dafür war er jetzt viel zu neugierig auf ihren Neuzugang. "So Tiberius, jetzt wo wir es so schön gemütlich haben und mit Speis und Trank versorgt sind, erzähl doch mal, was führt dich hierher? Ich hoffe doch nur nicht, dass du vorher schon bei der Domus Iulia in Rom gewesen bist und uns jetzt extra hinterherreisen musstest?"

    Nein, das wäre wirklich sehr anstrengend gewesen.

  • Antias war überglücklich. Wahrlich, die Gosse schien passé. Gaius, so der Vorname seines Vetters, schien nicht nur nicht sauer, sondern auch noch glücklich zu sein, einen Verwandten bewirten zu dürfen. Der junge Neuankömmling, der auch die Frau grüßte, welche von seinem Onkel gesprochen hatte, setzte sich auf einen der Stühle und bedankte sich für den Wein. Endlich mal ein wenig Komfort.

    „Sehr wohl, Gaius! Gleichsam, ich bin Tiberius. Oder Antias, was euch besser gefällt. Und mein Großvater ist der alte Numerianuns, falls das hilft. Kein Grund, die alten Stammbäume hervorzukramen.“

    Die nächste Frage war zwar nicht von Feindseligkeit oder Misstrauen getragen, doch war Antias angesichts ihrer Beantwortung verständlicherweise nervös. Immerhin hatte sein Alter ihn rausgeworfen und in die Provinz verschifft, weil er ihn für einen faulen Nichtsnutz hielt. Was ja nicht so ganz falsch war…

    „Vater hat sich schon recht früh in die Provinz abgesetzt, weg von Rom. Wollte wohl eine ruhige Kugel schieben. Aber die alten Werte hält er immer noch hoch. Schickt mich auf eine Art… Bildungsreise nach Antiochia. Und hier bin ich nun. Er denkt, reisen bilde den Charakter.“ Nicht völlig gelogen, aber das strapazierte die Wahrheit doch arg. „Nun, aber keine Sorge. Es ist nicht, als habe ich euch gesucht. Wie gesagt, meine Reise ging ohnehin hierher. Was ich nicht erwartete war, hier lang verschollene Verwandte zu finden! Ich freue mich sehr, euch kennenzulernen.“

  • Iulia musste lächeln angesichts von Caesoninus‘ kleinem Trick mit den Sklaven und den Sitzgelegenheiten. Was hatten die Sklaven nicht üben müssen, bis es endlich alles so geklappt hatte wie gewollt. Doch es machte sich bezahlt, keine Frage. Auf Besucher musste es bestimmt mächtig Eindruck machen, wenn im Handumdrehen ein leerer Raum nur mit einem Klatschen plötzlich ein gemütlicher Festsaal war… jetzt mal überspitzt formuliert. So setzte sich auch Iulia und nahm den ihr gereichten Kelch entgegen. Klinen im Atrium wären unschicklich, so konnte sie ganz normal bei den beiden Männern sein, da diese ja auch Stühle benutzten.


    Nachdem sie jetzt alle versorgt waren, wandte sie ihre Aufmerksamkeit ihrem neuen Gast zu. Oder vielleicht auch Mitbewohner, so genau war das für sie noch nicht abzusehen. Tiberius also hieß er. Doch das nächste ließ sie stutzen. Er nannte den großen iulischen Ritter Numerianuns seinen Großvater, was hieß, dass sein Aulus Iulius Scervo gleichzeitig auch Onkel Antipaters Aulus Iulius Scervo war, was Antias zu einem direkten Cousin erster Hand von ihr machte! Aber das ging doch nicht!

    Verwirrt wartete sie eine passende Stelle ab um sich in das Gespräch einzuhaken und sagte dann:“Verzeihung, dass ich kurz unterbrechen muss, aber sagtest du wirklich, dass dein Vater Aulus Iulius Scervo war und zwar der, dessen Vater, dein Großvater, der große Ritter Tiberius Iulius Numerianuns ist? Aber wie kann das sein? Nach unserem Kenntnisstand sind alle Kinder von Opa Tiberius, darunter auch mein eigener Vater Kaeso Iulius Iuvenalis, schon seit langem tot! Alle bis auf Onkel Antipater. Achja und ich bin Iulia Phoebe, falls du das wissen willst“, fügte sie noch hastig hinzu, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie sich in der ganzen Zeit noch nicht vorgestellt gehabt hatte, wo Tiberius schon im Hause war. Ob er extra nach seinem Großvater benannt worden war?

  • Sim-Off:

    Antias: Dein anhaltendes Schweigen werte ich mal so, dass ich als nächstes schreiben soll.


    Ah, dann bist du also ein direkter Vetter von unserer Iulia Phoebe hier, schön!“ Caesoninus nippte an seinem Weinbecher, als sich da ebenjene in das Gespräch einbaute, um ein verwandtschaftliches Detail zu klären, das ihn selbst weniger interessierte im Moment. Dafür schmeckte dieser Rebensaft hier vor ihm wirklich zu gut. Was war das bloß für einer? Er musste später unbedingt den Schanksklaven danach fragen.


    Caesoninus wartete ab bis die beiden alles geklärt hatten, ehe er wieder zu sprechen begann: „Nun, Tiberius, es ist nicht nötig, Zeit deines Aufenthalts in einer tristen Spelunke zu verbringen, selbstverständlich wirst du hier bei uns in der Domus Iulia bleiben! Weißt du denn schon wie lange du in Antiochia bleiben wirst? Wo wird dich deine Bildungsreise sonst noch überall hinführen? Wenn du für deine Route den Osten des Imperiums bevorzugst, nehme ich an auch Jerusalem und Alexandria stehen auf deiner Liste, vielleicht auch Tyrus oder sogar Zypern, nicht wahr?“ Zumindest würde Caesoninus all diese Orte besuchen, wenn er die Zeit dazu hätte. Die schönen Perlen der Küste, er selbst hatte bislang ja eher das staubige Inland der syrischen Wüste gesehen. Palmyra mochte nicht schlecht gewesen sein, ohne Zweifel, doch lag es trotzdem mitten in der Wüste. Und an die Kulturangebote von Antiochia kam es natürlich ebenfalls nicht heran. Jetzt wo er so darüber nachdachte, war er sich nicht mal sicher, ob er in Palmyra überhaupt ein noch so winziges Theater gesehen hatte, vermutlich war aber Theater eher weniger das Interessensgebiet der dort lebenden Nomaden.

  • (Ah. Ja, sorry. Dachte, wir halten uns an die Reihenfolge. xD Nächstes Mal antworte ich sofort, sorry!!)


    "Ah, eine Cousine also!", lachte Antias und nickte Phoebe noch einmal zu. "Nun, wie gesagt, Vater hat sich recht früh abgesetzt und wir hatten seitdem kaum Kontakt nach Rom, wenn ich recht darüber nachdenke. Er ist jedenfalls sehr, sehr lebendig. Komisch, dass du dachtest, er sei tot...? Aber wie auch immer, es freut mich, dich kennenzulernen, Cousine. Ich seh schon, wir haben die gleichen Augen."

    Mit einem schiefen Grinsen hörte er nun dem übrigen Verwandten zu, dem beeindruckenden Gaius, der ihm ein großzügiges Angebot machte, auf das Antias wiederum gehofft hatte.

    "Ich danke dir für deine Großzügigkeit. Ich gestehe, ich hätte sonst auch nicht wirklich gewusst, wo ich auf Dauer hätte bleiben können. So vorausschauend war Vater dann leider doch nicht. Umso dankbarer bin ich, meine Zeit hier in eurem Haus verbringen zu dürfen." Dass er nicht vorhatte, weiterzuziehen, musste ja nun noch keiner wissen.

    "Oh, wer weiß. Bisher gefällt mir diese Stadt sehr gut. Vielleicht bleibe ich auch eine Weile im Schoß der lieben Familie? Jedenfalls, wenn ich keine Umstände mache. Es scheint ja, als hätten wir viel nachzuholen."

  • Trotz der bislang geherrschten Realität, dass alle Geschwister von Onkel Antipater tot seien behauptete Iulius Antias hier das Gegenteil, doch da er sich in dieser Sache sehr sicher zu sein schien und Iulia seinen lebendigen Zustand genausowenig beweisen konnte wie seinen Tod, entschied sich Iulia nach kurzem Überlegen seiner Darlegung zu folgen, ihm also zu glauben. Es war jedoch trotzdem noch immer merkwürdig, dass plötzlich ein ganzer weiterer Zweig ihrer Familie aufgetaucht war von dem sie bislang nichts gewusst hatte. Im Grunde hatten sie und ihre Mutter ja auch mal so eine Art Nebenzweig dargestellt, wo sie ja früher in Misenum gelebt hatten. Aber nein, das war doch etwas anderes gewesen, wo ihr Hausherr doch immer Verbindung zur Kernfamilie in Rom gehabt hatte. Antias würde schon Recht haben, jemand mit solch einem hübschen Gesicht und diesen Augen log bestimmt nicht… Iulia leckte sich über die Lippen. Dann schreckte sie wieder aus ihren Gedanken hoch, offenbar war sie wohl ein wenig zu tief drinnen gewesen. Hastig wandte sie sich ihrem Becher für einen Schluck zu, um ihr Verhalten zu überspielen, zum Glück zog in diesem Moment Gaius wieder die Aufmerksamkeit ihres Gastes auf sich und ersparte ihr so eine weitere Reaktion. Sie nahm gleich darauf einen zweiten Schluck und trug eine interessierte Miene für das Gespräch zur Schau, während ihre Wangen immer noch puterrot waren.