[Atrium] Omne initium difficile est

  • Caesoninus unterhielt sich gerade im Atrium und war somit nicht weit entfernt, als Wonga die Tür geschlossen und ins Innere des Hauses getrottet war. Als der Nubier vor ihm erschien wandte er den Kopf und fragte: "Ja? Was gibt es?" Der Nubier antwortete ihm: "Vawandta da." Caesoninus blinzelte. "Was ist?", da sein Herr ihn offensichtlich nicht verstanden hatte wiederholte er die Worte: "Vawandta da."

    "Hä? Wer ist da?", "Vawandta, Vawandta da.", "Bitte Wonga, drücke dich klarer aus! Wer ist da?", "Vawandta da", schön langsam dämmerte es Caesoninus wieder wieso sie in Rom damals Wonga durch Vibilius an der Tür ersetzt hatten. Solche Rätselratereien mochten mitunter doch etwas an den Nerven zerren. Er seufzte. "Ich frage dich ein letztes Mal und wehe du antwortest wieder mit dem gleichen Stuss! Wer - ist - an - der - Porta?"

    Wonga sah ihn unbeeindruckt an und sprach: "Vawandta, Vawandta von Dominus. Zeigt Wonga Siegelring. Vawandta kommt und besucht Dominus. Wonga einlasse?" Jetzt mit zwei drei Worten mehr konnte sich Caesoninus schon eher einen Reim darauf machen was Wonga mit "Vawandta" ausdrückte. "Du meinst einen Verwandten von mir? Jemand von unserer Familie will mich sehen?" Caesoninus sah kurz seine vorige Gesprächspartnerin an und zog eine Braue hoch. Wer sollte das sein? Wäre es jemand bekanntes hätte Wonga seinen Namen gesagt, somit musste es jemand Fremdes sein von dem der Ianitor trotzdem überzeugt war, dass er zur Familie gehören musste. Jetzt wurde er schon etwas neugierig. "So hole ihn herein!" Wonga verschwand und kam wenige Augenblicke mit einem schwarzhaarigen Mann im Schlepptau wieder, der nur etwas jünger als Caesoninus selbst zu sein schien. Es war definitiv ein Fremder, denn Caesoninus hatte ihn noch nie gesehen. Freundlich sah er ihn an und sprach: "Salve, ich bin Gaius Iulius Caesoninus. Mein Ianitor hat mir eine interessante Neuigkeit gebracht Wenn ich ihn recht verstanden habe bist du ein Iulius?"

  • Er ließ es sich nicht anmerken, doch Antias war doch sehr erleichtert, dass man ihm keinen Tritt verpasst hatte. Welcher Ableger seiner Familie sich auch immer hierher verirrt hatte, diese war groß und es kannten sich nun einmal nicht alle. Wie viele Cousins hatte er noch gleich? Irgendwas zwischen drei oder vier Dutzend? Er hatte nicht aufgepasst.

    Und dann kam der Herr des Domus auch schon in Sicht und beobachtete, wie der einfältige Nubier ihn herbeiführte. Iulius Caesonius machte einen stattlichen Eindruck auf Antias, ganz der vorbildliche Iulier-Mann. Er hatte das immer als etwas pompös empfunden, doch selbst stand er aufrecht und aufgeschlossen, nicht eingeschüchtert wie einer, der eigentlich nur Bittsteller war.

    "Ich grüße dich", sprach auch Antias und neigte kurz respektvoll das Haupt, die Hand auf dem Herzen, ehe er dem Gegenüber seinen Ring zeigte. "Mein Name ist Tiberius Iulius Antias und mein Vater ist Aulus Iulius Scervo. Bitte verzeih mir mein plötzliches Hereinplatzen in dein Haus, aber ich habe heute erst erfahren, dass sich Verwandte von mir in dieser Stadt befinden. Sonst hätte ich mich natürlich angekündigt." Oder auch nicht... Er war ja froh, dass die Aussicht, irgendwann in der Gosse zu schlafen, augenscheinlich vom Tisch war...

  • Iulia war Caesoninus' Gesprächspartnerin gewesen, als dieser sich gerade bei Iulius Antias' Ankunft im Atrium aufgehalten hatte. Sie war zufällig hier auf ihn getroffen und hatte ihn auf seine Pläne bezüglich ihres weiteren Aufenthalts angesprochen. Iulia war es nur recht, wenn sie noch so lange wie möglich hier in der Fremde bleiben würden, wusste sie doch was sie erwarten würde, sobald sie wieder in Rom wären und damit hatte sie inzwischen überhaupt keine Eile mehr. Seltsam, wenn sie daran dachte wie das noch vor ein paar wenigen Jahren gewesen war, doch damals war sie noch jünger und unbedarfter gewesen. Ihre Mädchenjahre waren endgültig vorbei und Iulia zu einer intelligenten jungen Frau herangereift. In den Augen mancher mochte sie vielleicht auch einen unfähigen Fall darstellen, da sie mit ihren inzwischen einundzwanzig Jahren immer noch unverheiratet war, doch diese Leute kümmerte sie von nun an nicht mehr. Dieses elende Heiratsthema hatte schon genug Zwietracht zwischen sie und ihre Familie gestreut und auch wenn sie es immer in den Hintergrund zu schieben versuchte, kam es doch ständig wieder an die Oberfläche, entweder im Gespräch mit anderen oder allein in ihren Gedanken. Es war einfach lästig...


    Heute trug Iulia nur ein sehr leichtes azurblaues Kleid mit großteils freien Schultern. Ihr oberer Haaransatz war geflochten, während der Rest sich zu einem eleganten dunkelblauen Zopf verschlang, den sie locker über der rechten Schulter trug. In derartiger Aufmachung stand sie dort im Atrium, hoch aufgerichtet und die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr Gesichtsausdruck war unergründlich. Seit jener Geschichte zuhause in Rom die sie dort bei ihrer Rückkehr sofort wieder einholen würde, war ihr Umgang mit ihrem Vetter Gaius wesentlich kühler und höflicher geworden, als er sonst immer zwischen ihnen gewesen war, sie schätzte eine gewisse geistliche Distanz zwischen ihnen, wo ihr Konflikt ja keinesfalls beigelegt war, sondern bloß ruhte. Die früher von Iulia an den Tag gelegte Zuneigung und Wärme würde sich Gaius erst wieder erarbeiten müssen, was ohnehin erst möglich wäre, wenn die eheliche Nemesis nicht mehr Iulias Leben bestimmte. Doch schob Iulia all diese Gedanken und Eindrücke beiseite, als Wonga neben ihnen auftauchte und die Ankunft eines Verwandten verkündete. Interessant, wer das wohl sein mochte? Als der Neu endlich in Erscheinung trat wandte auch sie den Kopf, um ihn in Augenschein zu nehmen. Höflich stellte er sich bei Gaius vor und erwähnte dabei auch den Namen seines Vaters. Iulias Blick hellte sich auf. "Wie trollig, Onkel Antipater hatte einen jüngeren Bruder der genauso hieß wie dein Vater."

    Doch natürlich konnte das nicht sein, denn laut ihren letzten Informationen waren alle Söhne von Iulias Großvater Tiberius Iulius Numerianuns tot bis auf dessen ältestem Sohn Decimus Iulius Antipater, was für diesen immerhin damals der Grund gewesen war, warum er nach Rom eilte, um die Vormundschaft über Iulia und seine anderen Nichten zu übernehmen.

  • Caesoninus musterte den Ring, der war zweifellos echt. Also war Iulius Antias wirklich Teil ihrer Familie. Caesoninus grinste. "So heiße ich dich Herzlich Willkommen, Tiberius Iulius Antias! Du kannst mich Gaius nennen. Moment, ich mache es uns ein wenig gemütlicher." Er klatschte in die Hände und sofort eilten zuvor verborgen gewesene Sklaven durch das Atrium und holten aus dem angrenzenden Tablinum drei bequeme Stühle und einen Tisch und stellten alles zurück im Atrium direkt neben dem Impluvium auf. Dann kamen zwei andere Unfreie und komplettierten dieses Ambiente mit drei Kelchen verdünnten Weines und mit einer Obstschale.

    Zufrieden setzte sich Caesoninus. "Leider habe ich die Schriftrolle mit unserem Stammbaum zuhause in Rom gelassen, sodass wir darauf jetzt nicht nachschauen können, aber ich denke der Name deines Vaters kommt mir bekannt vor. Ganz vage, irgendwo im hintersten Winkel meines Verstandes." Iulia hatte ja ebenfalls schon erwähnt, dass ihr ein Aulus Iulius Scervo bekannt sei, doch ließ er diese Bemerkung unkommentiert. Dafür war er jetzt viel zu neugierig auf ihren Neuzugang. "So Tiberius, jetzt wo wir es so schön gemütlich haben und mit Speis und Trank versorgt sind, erzähl doch mal, was führt dich hierher? Ich hoffe doch nur nicht, dass du vorher schon bei der Domus Iulia in Rom gewesen bist und uns jetzt extra hinterherreisen musstest?"

    Nein, das wäre wirklich sehr anstrengend gewesen.

  • Antias war überglücklich. Wahrlich, die Gosse schien passé. Gaius, so der Vorname seines Vetters, schien nicht nur nicht sauer, sondern auch noch glücklich zu sein, einen Verwandten bewirten zu dürfen. Der junge Neuankömmling, der auch die Frau grüßte, welche von seinem Onkel gesprochen hatte, setzte sich auf einen der Stühle und bedankte sich für den Wein. Endlich mal ein wenig Komfort.

    „Sehr wohl, Gaius! Gleichsam, ich bin Tiberius. Oder Antias, was euch besser gefällt. Und mein Großvater ist der alte Numerianuns, falls das hilft. Kein Grund, die alten Stammbäume hervorzukramen.“

    Die nächste Frage war zwar nicht von Feindseligkeit oder Misstrauen getragen, doch war Antias angesichts ihrer Beantwortung verständlicherweise nervös. Immerhin hatte sein Alter ihn rausgeworfen und in die Provinz verschifft, weil er ihn für einen faulen Nichtsnutz hielt. Was ja nicht so ganz falsch war…

    „Vater hat sich schon recht früh in die Provinz abgesetzt, weg von Rom. Wollte wohl eine ruhige Kugel schieben. Aber die alten Werte hält er immer noch hoch. Schickt mich auf eine Art… Bildungsreise nach Antiochia. Und hier bin ich nun. Er denkt, reisen bilde den Charakter.“ Nicht völlig gelogen, aber das strapazierte die Wahrheit doch arg. „Nun, aber keine Sorge. Es ist nicht, als habe ich euch gesucht. Wie gesagt, meine Reise ging ohnehin hierher. Was ich nicht erwartete war, hier lang verschollene Verwandte zu finden! Ich freue mich sehr, euch kennenzulernen.“

  • Iulia musste lächeln angesichts von Caesoninus‘ kleinem Trick mit den Sklaven und den Sitzgelegenheiten. Was hatten die Sklaven nicht üben müssen, bis es endlich alles so geklappt hatte wie gewollt. Doch es machte sich bezahlt, keine Frage. Auf Besucher musste es bestimmt mächtig Eindruck machen, wenn im Handumdrehen ein leerer Raum nur mit einem Klatschen plötzlich ein gemütlicher Festsaal war… jetzt mal überspitzt formuliert. So setzte sich auch Iulia und nahm den ihr gereichten Kelch entgegen. Klinen im Atrium wären unschicklich, so konnte sie ganz normal bei den beiden Männern sein, da diese ja auch Stühle benutzten.


    Nachdem sie jetzt alle versorgt waren, wandte sie ihre Aufmerksamkeit ihrem neuen Gast zu. Oder vielleicht auch Mitbewohner, so genau war das für sie noch nicht abzusehen. Tiberius also hieß er. Doch das nächste ließ sie stutzen. Er nannte den großen iulischen Ritter Numerianuns seinen Großvater, was hieß, dass sein Aulus Iulius Scervo gleichzeitig auch Onkel Antipaters Aulus Iulius Scervo war, was Antias zu einem direkten Cousin erster Hand von ihr machte! Aber das ging doch nicht!

    Verwirrt wartete sie eine passende Stelle ab um sich in das Gespräch einzuhaken und sagte dann:“Verzeihung, dass ich kurz unterbrechen muss, aber sagtest du wirklich, dass dein Vater Aulus Iulius Scervo war und zwar der, dessen Vater, dein Großvater, der große Ritter Tiberius Iulius Numerianuns ist? Aber wie kann das sein? Nach unserem Kenntnisstand sind alle Kinder von Opa Tiberius, darunter auch mein eigener Vater Kaeso Iulius Iuvenalis, schon seit langem tot! Alle bis auf Onkel Antipater. Achja und ich bin Iulia Phoebe, falls du das wissen willst“, fügte sie noch hastig hinzu, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie sich in der ganzen Zeit noch nicht vorgestellt gehabt hatte, wo Tiberius schon im Hause war. Ob er extra nach seinem Großvater benannt worden war?

  • Sim-Off:

    Antias: Dein anhaltendes Schweigen werte ich mal so, dass ich als nächstes schreiben soll.


    Ah, dann bist du also ein direkter Vetter von unserer Iulia Phoebe hier, schön!“ Caesoninus nippte an seinem Weinbecher, als sich da ebenjene in das Gespräch einbaute, um ein verwandtschaftliches Detail zu klären, das ihn selbst weniger interessierte im Moment. Dafür schmeckte dieser Rebensaft hier vor ihm wirklich zu gut. Was war das bloß für einer? Er musste später unbedingt den Schanksklaven danach fragen.


    Caesoninus wartete ab bis die beiden alles geklärt hatten, ehe er wieder zu sprechen begann: „Nun, Tiberius, es ist nicht nötig, Zeit deines Aufenthalts in einer tristen Spelunke zu verbringen, selbstverständlich wirst du hier bei uns in der Domus Iulia bleiben! Weißt du denn schon wie lange du in Antiochia bleiben wirst? Wo wird dich deine Bildungsreise sonst noch überall hinführen? Wenn du für deine Route den Osten des Imperiums bevorzugst, nehme ich an auch Jerusalem und Alexandria stehen auf deiner Liste, vielleicht auch Tyrus oder sogar Zypern, nicht wahr?“ Zumindest würde Caesoninus all diese Orte besuchen, wenn er die Zeit dazu hätte. Die schönen Perlen der Küste, er selbst hatte bislang ja eher das staubige Inland der syrischen Wüste gesehen. Palmyra mochte nicht schlecht gewesen sein, ohne Zweifel, doch lag es trotzdem mitten in der Wüste. Und an die Kulturangebote von Antiochia kam es natürlich ebenfalls nicht heran. Jetzt wo er so darüber nachdachte, war er sich nicht mal sicher, ob er in Palmyra überhaupt ein noch so winziges Theater gesehen hatte, vermutlich war aber Theater eher weniger das Interessensgebiet der dort lebenden Nomaden.

  • (Ah. Ja, sorry. Dachte, wir halten uns an die Reihenfolge. xD Nächstes Mal antworte ich sofort, sorry!!)


    "Ah, eine Cousine also!", lachte Antias und nickte Phoebe noch einmal zu. "Nun, wie gesagt, Vater hat sich recht früh abgesetzt und wir hatten seitdem kaum Kontakt nach Rom, wenn ich recht darüber nachdenke. Er ist jedenfalls sehr, sehr lebendig. Komisch, dass du dachtest, er sei tot...? Aber wie auch immer, es freut mich, dich kennenzulernen, Cousine. Ich seh schon, wir haben die gleichen Augen."

    Mit einem schiefen Grinsen hörte er nun dem übrigen Verwandten zu, dem beeindruckenden Gaius, der ihm ein großzügiges Angebot machte, auf das Antias wiederum gehofft hatte.

    "Ich danke dir für deine Großzügigkeit. Ich gestehe, ich hätte sonst auch nicht wirklich gewusst, wo ich auf Dauer hätte bleiben können. So vorausschauend war Vater dann leider doch nicht. Umso dankbarer bin ich, meine Zeit hier in eurem Haus verbringen zu dürfen." Dass er nicht vorhatte, weiterzuziehen, musste ja nun noch keiner wissen.

    "Oh, wer weiß. Bisher gefällt mir diese Stadt sehr gut. Vielleicht bleibe ich auch eine Weile im Schoß der lieben Familie? Jedenfalls, wenn ich keine Umstände mache. Es scheint ja, als hätten wir viel nachzuholen."

  • Trotz der bislang geherrschten Realität, dass alle Geschwister von Onkel Antipater tot seien behauptete Iulius Antias hier das Gegenteil, doch da er sich in dieser Sache sehr sicher zu sein schien und Iulia seinen lebendigen Zustand genausowenig beweisen konnte wie seinen Tod, entschied sich Iulia nach kurzem Überlegen seiner Darlegung zu folgen, ihm also zu glauben. Es war jedoch trotzdem noch immer merkwürdig, dass plötzlich ein ganzer weiterer Zweig ihrer Familie aufgetaucht war von dem sie bislang nichts gewusst hatte. Im Grunde hatten sie und ihre Mutter ja auch mal so eine Art Nebenzweig dargestellt, wo sie ja früher in Misenum gelebt hatten. Aber nein, das war doch etwas anderes gewesen, wo ihr Hausherr doch immer Verbindung zur Kernfamilie in Rom gehabt hatte. Antias würde schon Recht haben, jemand mit solch einem hübschen Gesicht und diesen Augen log bestimmt nicht… Iulia leckte sich über die Lippen. Dann schreckte sie wieder aus ihren Gedanken hoch, offenbar war sie wohl ein wenig zu tief drinnen gewesen. Hastig wandte sie sich ihrem Becher für einen Schluck zu, um ihr Verhalten zu überspielen, zum Glück zog in diesem Moment Gaius wieder die Aufmerksamkeit ihres Gastes auf sich und ersparte ihr so eine weitere Reaktion. Sie nahm gleich darauf einen zweiten Schluck und trug eine interessierte Miene für das Gespräch zur Schau, während ihre Wangen immer noch puterrot waren.

  • "Recht so!" rief Caesoninus aus und prostete ihm zu. "Antiochia hat viel zu bieten, ich gebe zu es lässt sich hier ganz gut leben, der Wein ist gut und die Frauen schön, was will man mehr!" er lachte. "Und politisch steht man hier auch nicht gleich in der Schussbahn, wo der Kaiser und der Senat weit weg sind, doch ein kleines Intrigennetz gibt es natürlich auch hier, wo ja fast jede der großen Familien Ableger hier wohnen hat. Erst unlängst erfuhr ich, dass z.B. auch die Cornelier hier eine dauerhafte Residenz unterhalten, nicht gerade eine unbekannte Familie." Er seufzte. "Nun, so bewahrheitet sich wieder einmal der Spruch, dass die Welt doch nur ein Dorf ist, nicht?" Caesoninus leerte seinen Becher und hielt ihn dann einem Sklaven hin. "Nachfüllen!"


    Sobald er wieder derart mit Rebensaft versorgt war, wandte er sich wieder Tiberius zu. "Erzähle doch, was hast du auf deiner Reise bisher erlebt?"

  • Nun, es wäre auch keine der großen Städte ohne ein wenig Intrigenspinnerei. Antias hatte sich schon gefragt, wie es damit hier aussah. Er war ja selber ein Freund guter Unterhaltung, solang er selbst nicht mitten in der Schusslinie stand. Seine Familie war dem schon lange entgangen und er hatte nicht vor, sich wieder mitten hineinzustürzen.

    "Recht hast du", lachte er. "Doch ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. So ereignisreich war die Reise nicht, die zumeist zur See stattfand. Lediglich in den Häfen hat man etwas frische Luft und Erleichterung gefunden. Man kann über die Provinzfrauen sagen was man will, aber Leidenschaft bringen sie mit." Das lag aber vor allem sicher daran, dass sie dachten, ein Patrizier würde sie aus ihrem Provinzdasein erlösen, wenn sie ihm nur ein Kind andrehen konnten oder so...

    "Besonders umgängliche Seeleute hatte ich leider nicht um mich, aber das macht wohl ein wenig die Erfahrung aus. Wir haben allerdings am sechsten Tag von Ferne Piratensegel am Horizont erblickt. Herangetraut haben sich die Halunken allerdings nicht.

    Und hier? Du sprichst von Intrigen, also hast du doch sicher auch eine Rolle, die in dieses Netz passt, nicht wahr? Ich bin neugierig, bist du sehr ambitioniert?"

  • "Also nicht einmal ein kleines Piratengefecht als Abwechslung des tristen Lebens unter Deck", gluckste Caesoninus, "ich muss zugeben auch meine zweite Fahrt nach Antiochia war sehr ruhig und kein Vergleich mit meiner ersten Reise hierher, du musst wissen ich war hier in Antiochia nämlich schon früher einmal als Tribun der hier stationierten 12. Legion." Erinnerungsseelig lächelte er und nippte an seinem Weinbecher. "Das war vielleicht eine Reise! Mitten im ionischen Meer dachten zwei meiner Sklaven sie könnten sich vor versammelter Legionärsmannschaft ihrem Liebesspiel hingeben, auf Kreta war ich zu Gast beim dortigen Statthalter und in Athen traf der Zorn der Minerva meinen Sklaven Angus, weshalb ich eine Opferzeremonie am Altar des berühmten Parthenons oben auf der Akropolis abhalten hatte müssen, um die Göttin zu besänftigen und den Fluch von Angus zu nehmen. So eine Reise erlebt man wohl nur einmal im Leben." Kurz glitten Caesoninus' Augen ins Leere, während die Bilder von dieser vergangenen Seereise wieder in ihm aufstiegen. Der stolze Truppentransporter Charybdis mit dem immer grummeligen Trierarchus Gaius Obsidius Barbillus, der etwas feminin angehauchten kretische Proconsul Gaius Glicius Gaetulicus und natürlich der weise Legat Gaius Corfidius Cotyla, noch immer ein Mentor im Geiste für Caesoninus. Schöne Tage waren das gewesen...


    Mit einem Ruck kehrte er in die Gegenwart zurück. "Wo war ich? Achja! Seereise! Davon weißt du ja jetzt alles. Also Antiochia. Kennst du die Papyri des Dichters Gaius Rabinius Romoladus Martinus* und seiner Erzählung vom Krieg dieser sieben griechischen Kleinkönige auf dem Peloponnes und dieser einen Tochter der Iuno mit ihrer Hydra? Genau so ist es teilweise auch hier!" Caesoninus lachte. "Aber natürlich nur auf Antiochia begrenzt und ohne Waffen. Meistens. Ich schreibe im Namen des Legatus Augusti pro Praetore Gnaeus Publicius Marcellus gerade an zwei wichtigen Gesetzen. Für diese Arbeit habe ich schon mit sehr - sehr - sehr - sehr vielen kommunalen Funktionären und Magistraten von hier gesprochen, viel zu vielen wenn du mich fragst und viele von ihnen wissen sehr genau welche Rädchen sie wo drehen müssen, damit sie einen Vorteil davon haben. Doch damit werde ich aufräumen! Wenn ich Antiochia den Rücken zukehre, wird der Großteil von ihnen ohne Amt und Würden sein, dann können sie ja sehen wo sie bleiben. Ich werde den Sumpf austrocknen der dieses Gewürm ernährt und sie durch klare römische Strukturen ersetzen! Ich werde das Feuer sein, das diese eiternde Wunde ausbrennt!" Caesoninus dachte dabei an seinen Plan die Myriaden an Unterbezirken abzuschaffen die die Stadt in ihrer Struktur gliederte, doch ging er natürlich jetzt nicht näher auf so ein trockenes Thema wie Stadtverwaltung ein. Gähn. Nein, deshalb hatte er jetzt extra am Schluss rhetorisch etwas übetrieben, damit alles ein wenig eindrucksvoller klang, als es das wirklich war. Wobei, vielleicht kam ja wirklich noch Gegenwehr von Seiten der abzuschaffenden Beamtenschaft, dann durften diese aktuell leeren hochtrabenden Worte für ihn tatsächlich noch einmal spannend werden.


    "So!" Caesoninus leerte seinen Becher, stellte ihn weg und stand auf. "Genug einander begrüßt! Sehen wir zu, dass wir dich hier bei uns bequem unterbringen! Wo hast du dein Gepäck? Ich will es gleich von den Sklaven wegschaffen lassen." Caesoninus deutete zwei Sklaven an der Wand, welche sich sogleich in Bewegung setzten und neben Tiberius traten, um seine Auskunft seines Gepäcks wegen zu erwarten.


    Sim-Off:

    Wir kennen Gaius Rabinius Romoladus Martinus als George R. R. Martin und seine Geschichte als das Lied von Eis und Feuer :saint: :undweg:

  • „Du scheinst ein aufregendes Leben zu führen, Vetter“, lachte Antias, der an sowas natürlich kein Interesse hatte. Nein, ruhige Kugel schieben, ein wenig Luxus, Wein… Das war mehr sein Ding. Doch von anderen über solche Dinge zu hören, das hatte schon was. „Ich glaube nicht, dass die Götter mir mal so viel Aufregung gewähren.“

    Er schaffte es aber doch, so zu klingen, als sei er auf seinen Gastgeber neidisch. Als dieser jedoch seine Unterbringung thematisierte, gab sich Antias ganz bescheiden:

    „Oh, aber bitte überschlag dich meinetwegen nicht, Vetter. Ich brauch nur ein kleines Kämmerlein.“ Natürlich würde sein Vetter sich nicht lumpen lassen, aber man wollte ja bescheiden wirken.


    Antias wollte seinen gutmütigen Verwandten wirklich nicht ausnutzen. Im Augenblick jedoch war er einfach froh, dass ihm das Leben in bedeutungsloser Armut hier in der Provinz erspart blieb und sein Vater seinen Willen nicht bekam. Sicher, auf Dauer würde er sich hier nützlich machen müssen, doch nun wollte er nichts als ein bequemes Lager und ein langes Bad im kühlen Nass – vielleicht mit weiblicher Begleitung.

    „Und willst du, Cousine, uns nicht begleiten? Ich wüsste gern mehr über euch alle, immerhin ist dieser Familienzweig mir ja noch vollkommen neu und ich will mich hier schnellstmöglich eingewöhnen und vielleicht ein wenig nützlich machen. Sonst käme ich mir schlecht vor, bei dieser Gastfreundschaft. Und ach, viel Gepäck habe ich nicht dabei. Die Reise habe ich allein angetreten, da wären viele Taschen zu anstrengend geworden.“ Und das bedauerte er wirklich sehr. All seine Kleider waren noch zu Hause. Er kam sich wirklich vor wie ein Bettler…

    „Also erzählt doch, was kann man in dieser Stadt alles anstellen? Ich weiß, wir sind nicht in Rom, aber es gibt doch sicher auch hier ein wenig Möglichkeit, sich zu zerstreuen?“

  • Auf ein weiteres Handzeichen ihres Herren ergriffen die Sklaven alles bei Antias direkt liegende und auch das eventuell noch bei der Porta verweilende Gepäck und trugen es aus dem Raum hinaus. Caesoninus setzte sich auch in Bewegung und folgte wesentlich langsamer den Lakaien, die schon aus ihrem Blick verschwunden waren. "Ein Kämmerlein, das kannst du haben!" rief er und lachte. Während der Unterhaltung führte er sie vom Atrium durch einen schmalen Gang in das elegante Peristyl des Hauses. Ein annähernd quadratischer Garten, umfangen von einem überdachten, gewölbten Bogengang. "Antiochia hat ebenso viel zu bieten, nicht ohne Grund ist es die drittgrößte Stadt im Imperium. Magst du Schauspiele? Die sind zum Beispiel vorzüglich hier, Erst gestern habe ich erfahren, dass es bald wieder eines im Theater hier gleich ums Eck aufgeführt wird und ich wollte gern hingehen. Magst du mitkommen?" Mittlerweile war der Kreuzgang des Peristyls fast ganz geschafft. "Davon abgesehen ist Antiochia ein kultureller Schmelztigel, Römer, Griechen, Juden, Syrer, Phönizier, Palmyräner, Ägypter, Araber, Nabataäer, Parther, Perser, Kappadokier und weiß der Kuckuck noch wer nennen sie ihre Heimat und natürlich bringen all diese Leute ihre ganz eigene Kultur mit. Und sonst bekommst du fast alles was du dir nur vorstellen kannst auf der Agora, die ist auch nicht weit von hier. Magst du baden oder dich auf erwachsene Art vergnügen so gibt es auch dafür zahlreiche Thermen und Bordelle. Besonders imposant ist der hiesige Zeustempel, der ganz aus Gold im Inneren ist. Jaaa... und ein Hippodrom und ein Amphitheater gibt es natürlich auch!"


    Jetzt hatten sie das Peristyl hinter sich gelassen und waren im hinteren Teil des Hauses bei den hier liegenden cubiculae angelangt in eines von ihnen trat Caesoninus ein. Antias' Gepäck lag bereits auf dem Bett. "Das hier wäre es! Dein Reich! Ist dir das hier passend, oder willst du einen anderen Raum ansehen?"


    Sim-Off:

    Schade, dass ich mit dem Zeichnen des Grundriss der Domus Iulia noch nicht fertig bin, so könnt ihr eben erst später den gerade beschriebenen Weg durchs Haus verfolgen. ^^

  • "Du bist zu gütig, aber dieses Quartier ist mehr als ausreichend."

    Er trieb sich sowieso häufig draußen herum. Die Neuigkeit, dass so viele Völker hier vertreten waren, war tatsächlich eine Gute. Er hatte schon daheim häufig mit anderen jungen Leuten Kontakt gehabt, die nicht alle seinem Stand angemessen waren. Das war ja einer der Gründe, warum er so häufig Ärger bekommen hatte. 'Hast du dich schon wieder mit diesen Christen beim Aquädukt rumgetrieben!?' war der Lieblingsspruch seiner Mutter gewesen, wenn er wieder mit einem ziemlichen Kater zum Frühstück gekommen war. Natürlich wäre eine solche Frage aus Caesonius' Mund vermutlich schon weit weniger amüsant, deshalb musste er seinen Vergnügungen wohl etwas dezenter nachgehen. Er wollte seine Gastgeber auch nicht auf die Palme bringen. Wenn sein eigener Vater ihn schon rauswarf, wie schnell würde das hier dann gehen?

    "Schauspiel? Oh ja, kann man sich schonmal geben", sagte Antias, wobei er Freizeitaktivitäten bevorzugte, die wesentlich mehr Alkohol, vielleicht ein, zwei Spieler oder sportliche Aktivitäten und dann noch Frauen aufwiesen. Beim Hippodrom wurde er jedoch hellhörig.

    "Das klingt doch nach was. Ich kann selber ganz gut reiten, aber bei sowas mitzufahren, kommt hier wohl genauso wenig in Frage wie daheim, wie? Hast du einen Rennstall, den du bevorzugst oder gibt's sowas hier nicht?"

  • Im weiteren sich jetzt entspinnenden Gespräch blieb Iulia stumm, so war es wohl angemessener, wenn sich die Männer zuerst mal miteinander unterhielten. Doch nahm sie es sich trotzdem heraus Antias während seines Gesprächs mit Gaius ganz genau zu beobachten. Sie wollte seine Mimik während des Sprechens studieren, wie er sich artikulierte und auch sonst jeden kleinen Hinweis darauf registrieren der ihr helfen würde sich ein besseres Bild darüber zu machen welche Art Mensch der Neue war. Das fand Iulia ganz interessant und so störte es sie nicht weiter bei der Unterhaltung außen vor zu bleiben. Zwischendurch sprach sie Antias dann doch einmal kurz an. Sie lächelte. "Gerne möchte ich das tun, auch uns freut es sehr dich hier bei uns zu haben. Die Sklaven freuen sich bestimmt über eine zusätzliche helfende Hand bei der Hausarbeit", scherzte Iulia.


    So also stand auch sie dann auf und ging mit den anderen durchs Haus hin zu der Antias zugewiesenen (für ihn neuem) Cubiculum. Unterwegs zählte Gaius alles auf was man so in Antiochia machen konnte. "Du hast die Bücher vergessen", warf sie zwischendurch einmal ein. "Hier gibt es auch tolle Bibliotheken und Buchläden wo man alle Schriftrollen kaufen kann die man begehrt, einfach toll. Und im Gespräch mit Fernhändlern hört man auch immer von ihnen die tollsten Abenteuergeschichten... also hab ich gehört!" warf sie pro forma noch schnell hinterher, da es normal gewiss unschicklich wäre, wenn sich eine junge Dame mit fremden Fernhändlern einfach so unterhielt. Zwar tat sie das durchauch gerne, aber noch konnte sie ja nicht sagen wie streng der Neue auf so etwas wie Etikette und Anstand legte. Im Zimmer angekommen ging das Gespräch weiter. Mittlerweile hatten die Männer ja schon ein paar Worte austauschen können und so fand auch Iulia, dass sie jetzt ein wenig mehr von sich geben konnte. Denn als Caesoninus ein Schauspiel erwähnte wurden ihre Augen ganz groß. "Oh! Ich komme mit! Das klingt fabelhaft!"

  • "Sehr schön, dann können wir ja zusammen hingehen! Und du darfst natürlich auch mit", sagte er in Richtung seiner Cousine, die sich bei der Erwähnung von Theater natürlich gleich selbst eingeladen hatte. "Um ehrlich zu sein habe ich bislang noch keinerlei Berührung mit den Pferderennen vor Ort gehabt, zuhause aber bin ich der Leiter der Factio Praesina, falls dir diese etwas sagt."

    Wie alle Römer liebte Caesoninus den Rennsport, doch in den letzten Monaten war dafür einfach keine Zeit da gewesen. Viel zu sehr hatten ihn sein Amt und seine Familie eingespannt. Doch bald wäre es ja vorbei, dann sah die Welt schon wieder ganz anders aus.