• Re: FAMILIAE


    Die furischen Sklaven fanden sich gewaschen und sauber angekleidet am großen Lararium ein; in der Nähe der Küche gab es auch noch ein kleines, damit wirklich jeder die allmorgentlichen frommen Riten durchführen oder um einen guten Tag bitten konnte.

    Tiberios selbst trug seine beste Kleidung- einen griechischen, ärmellosen Chiton und eine wollene Chlamys mit einer neuen Fibel, die alte hatte er einmal früher seinem Freund Flamma als Glücksbringer verehrt. Seine neue Fibel zeigte eine sehr stilisierte mythologische Kainis, wie sich gerade in Kaineus verwandelte, und sie war aus Bronze.

    Dominus Aulus stand zur Anrufung der Schutzgottheiten bereit. Der junge Dominus Felix hatte sich heute einen eigenen Cubicularius gekauft. Am Nachmittag war der Sklavenhändler Nikiforos in das Officium des Maiordomus gekommen, und hatte den Kaufbetrag erhalten. Tiberios erkannte den Mann, der auch ihn damals verkauft hatte, sofort wieder, doch dieser erinnerte sich natürlich nicht mehr an ihn: Zu viel menschliche Ware ging durch seine Hände.

    Mit dem jungen Cantius aus dem Volk der Cantii hatte Tiberios nur über eine kleine Mahlzeit, ein schnelles Bad und eine neue Tunika gesprochen, aber er dachte sich, dass er später noch genug Gelegenheit haben würde, den Jungen besser kennen zu lernen.

    "Salvete Domini", grüßte er mit einer Verbeugung, und die anderen Sklaven sprachen ihm nach.

  • Marcus konnte es immer noch kaum erwarten, Zeit mit Bran zu verbringen, doch die Etikette wollte ja gewahrt werden. Er hatte den Neuen Tiberios überlassen. Obwohl Marcus die Sekunden zählte, hatte die Vernunft doch am Ende gewonnen. Für Bran hatte sich so viel geändert, vielleicht war es wirklich besser, wenn ein anderer Sklave ihm die Wege hier im Haus zeigte (die Marcus ja selbst noch nicht wirklich kannte). Er selbst hatte mit Tiberios auch noch nicht viel gesprochen, war er doch noch ganz neu im Haus seines Onkels. Doch er mochte den älteren Sklaven. Er war freundlich und schien klug. Marcus mochte kluge Menschen. Es machte Spaß, ihnen zuzuhören und dabei zu lernen, doch er mochte es nicht, wenn sie einem das Gefühl gaben, selbst dumm zu sein.

    "Ich grüße euch!", erwiderte der Junge des Gruß der Sklaven und winkte ihnen erfreut. Er kannte nur die wenigsten der Sklaven überhaupt, abgesehen von seiner eigenen Vorstellung und er wollte keinesfalls, dass sie ihn nicht mochten oder Angst vor ihm hatten. Ja, ihm war durchaus wichtig, was die anderen von ihm hielten, selbst die Sklaven. Im Hause seiner Großeltern waren sie schließlich auch wie Familie gewesen.

  • Ich hatte etwas gegessen, war gebadet und glänzte vor Sauberkeit und wurde von dem Maiordomus mitgebracht; um so besser, dann konnte ich mich nicht verlaufen.


    Obwohl: Wirklich verlaufen konnte man sich nicht. Römische Häuser, und mein letzter Dominus hatte auch so eines gehabt, gingen immer schnurgerade von der Haustür bis zum Ende, eine Achse durch. Die Probleme fingen erst an, wenn man in irgendein Zimmer geschickt wurde. Die Türen sahen in meinen Augen alle gleich aus, und ich hatte schon wieder vergessen, welche zu den Sklavenunterkünften und welche zum Cubiculum meines neuen Dominus gehörte.


    Ich hoffte sehr, dass er da Geduld hatte, der Dominus Felix.


    Ich trug eine frischgewaschene rauchblaue Tunika, in die ich dreimal reingepasst hätte und die ich mit einem Strick festgezurrt hatte, wir Furier - sklaven trugen ja alle einheitliche Kleidung, dafür konnte man sich aber im Balneum der Sklaven immer eine Tunika vom Stapel nehmen, wenn man das Bedürfnis hatte, sich umzuziehen. Fand ich schon luxuriös. Nur der Maiordomus trug etwas Griechisches, was er wohl durfte wegen seiner gehobenen Stellung und eine bronzene Spange, die ich beim näheren Hinsehen jedoch gruselig fand: Sie stellte einen Typen dar, der aus einer Frau rausschlüpfte wie so ein Schmetterling aus einer Larve.


    Da wartete auch mein neuer Dominus. Ich trat ganz auf ihn zu und verbeugte mich, wie ich es bei dem Griechen gesehen hatte. Alle Sklaven sprachen im Chor: Seid gegrüßt, o Herren, und Dominus Felix grüßte freundlich zurück und winkte ihnen zu. Der Ältere, Eques Furius, hatte seine Tunika über den Kopf gezogen und sagte noch gar nichts.


    Das Lararium war ein großer Altar mit einem Ziegeldach und zwei Genien, also Jünglingen, und noch mehr Figuren, die ich mir bei Gelegenheit gerne ansehen wollte.


    "Salve", flüsterte ich Dominus Felix zu und grinste schief, dann senkte ich sofort den Kopf, vermutlich hatte ich ohne Erlaubnis nicht zu grinsen.

    Nikiforos hatte mir auch eingewatscht, dass ich nur zu sprechen hatte, wenn man mich ansprach. Ich hatte mir vorgenommen, Dominus Felix erstmal zu trauen. Aber auch er war ein Togaträger, und die dachten da vielleicht alle gleich.

  • Saturninus, in capite velato, winkte Cantius zu sich her, damit er vor ihm stand. Streng sah er auf den noch nassen etwas struppigen Haarschopf des Britanniers herab. Dann ließ er von Gadir die Öllampe entzünden und entzündete mit der gleichen Flamme etwas Räucherwerk in einer Metallschale. Dabei sprach er zunächst mit der erhobenen Händenden obligatorischen Gruß an Vesta und Ianus, dann aber direkt zu den furischen Laren : "Sei gegrüßt Lar Familiaris. Ich bitte euch darum, meine Familie zu segnen und über sie zu wachen.",

    er senkte die Hände und goss etwas Wein aus dem Krug in die Opferschale. Dann bat er auch die spezielle Schutzgöttin hinzu, deren Statue im Lararium stand: Die Artemis Ortha, die Diamastigosis, zu deren Ehren die spartiatischen Epheben ihr Blut vergossen.

    Saturninus legte eine Hand auf Cantius Schulter:

    "Seht auf den Sklaven Cantius, der Furius Felix gehört. Ich bitte euch, auch ihn zu beschützen und über ihn zu wachen. ", betete er laut.


    Danach kam das Trankopfer für Iupiter: "Das dritte dem Höchsten."

    Er führte seine rechte Hand zu seinen Lippen, küsste sie und zeigte dann die Hand zum Altar: "Illicet! - Es ist vollbracht"


    Der Furius streifte die Toga vom Kopf und sprach direkt zu dem Jungen:

    "Cantius, diene deinem Herren Felix ehrlich und treu. Tust du das, wird er dich gut behandeln. Tust du es nicht, so wird er dich bestrafen."


    Nachdem der Kult ausgeführt worden war, brachte Saturninus Marcus gegenüber ein Lächeln zustande. Er gab ihm den Titulus, den er auf dem Sklavenmarkt hatte anfertigen lassen: "Schau, wenn du Cantius später einmal auf einen Gang schickst, soll er das tragen, damit jeder weiß, dass er zu dir gehört. Jetzt kannst du ihn mitnehmen und ihm zeigen, was seine Aufgaben sind. Und du entscheidest auch, ob er bei den anderen Sklaven im Männerservitriciuum schläft oder bei dir auf dem Boden."

  • Marcus stand stolz neben seinem Onkel, während dieser die entsprechenden Riten sprach. Er war beeindruckt, wie Onkel Aulus immer die richtigen Worte fand, egal wo er war. Er war froh, dass Bran da war. Er kannte ihn nicht besonders, doch er war gleichen Alters und immerhin kannte er hier in Rom noch keine anderen Jungen. Und ihm gefiel das schiefe Grinsen des Nordländers, das dieser ihm zeigte. Umso trauriger stimmte ihn die plötzliche Scheu. Sicher war Bran keine gute Behandlung gewohnt. Doch Marcus konnte die Vorsicht verstehen. Sie kannten einander noch nicht und immerhin war sein Onkel ein wichtiger Mann, der streng wirkte, wenngleich er überaus großzügig zu ihm war.

    Er fand es überaus blöd, dass Onkel Aulus den Jungen "Cantius" nannte, wo er sich doch anders vorgestellt hatte. Doch er wollte ihn auch nicht zurechtweisen und würde das Thema wann anders ansprechen. Für den Augenblick war alles gut und schließlich war er ja auch dankbar für den Kauf.

    Marcus entschloss sich, die Frage nach Brans Schlafplatz mit diesem selbst zu besprechen. Er fand es ja durchaus reizvoll, nachts lange wach zu bleiben und zu kichern und sich Geschichten zu erzählen. Aber er wusste nicht, ob Bran nicht lieber die Gesellschaft der anderen Sklaven suchen würde. Vielleicht war es gut, nicht ständig beieinander zu sein? Wie er das wohl sah...?

    Doch nein, dachte Marcus, der unwillkürlich die Haltung etwas straffte. Das war schließlich seine eigene Entscheidung! Und er wollte nicht, dass Bran auf dem Boden schlief wie ein Hund oder ein Bettler.

    Er nahm also den Titulus von seinem Onkel und nickte diesem zu.

    "Ich danke dir, Onkel, für alles, was du für mich und Bran getan hast. Oh, und euch allen danke ich, dass hier ihn hier begrüßt habt!" Er wandte sich seinem neuen, seinem ersten Sklaven zu. "Lass uns in mein Cubiculum gehen! Ich will dich endlich besser kennenlernen!"

  • Ich wurde ganz eingeschüchtert, als Dominus Furius zu mir sprach; senkte den Kopf und starrte auf all die Figürchen im Lararium. Ich gehörte also nun zu den Furiern. Das ich den Titulus auf Botengängen tragen sollte, bedeutete wohl, dass ich das im Haus nicht musste; da war ich froh, ich war mir damit immer ein bisschen blöd vorgekommen. Ich meinte, ich hatte eine Zunge, ich konnte sagen, wohin ich gehörte.

    Ich merkte, dass Dominus Felix mich Bran nannte, während das dem Großen nicht einfiel, und weiterhin merkte ich mir, dass ich wohl zukünftig bei beiden Namen gerufen werden würde. Bran war mir aber echt lieber.

    Wo ich schlafen würde, darüber machte ich mir noch keine Gedanken. In Britannia hatte ich gerne in der Küche geschlafen, am Herd, der gab die ganze Nacht über Wärme ab. Außerdem war ich so der Erste beim Frühstück.

    Doch jetzt rief mich Dominus Felix zu sich; gut, ich würde hinter ihm hergehen und mir den Weg zu seinem Cubiculum merken. Besonders die Tür.