Arbeitszimmer von Sextus Aurelius Lupus

  • Er hatte einen Brief von seinem Klienten erhalten. Das ließ sich schnell beantworten, Sextus benötigte dafür nicht einmal einen Brief. Wofür Papyrus verschwenden?


    "Schick einen Boten zur Villa Tiberia. Ich lade Nero Tiberius Caudex in zwei Tagen zur hora decima in die Villa Aurelia ein.

    Macht dafür den Oecus fertig.
    "

  • Nach dem Gespräch mit seinem Vetter Orestes machte sich Sextus wie versprochen ans Werk. Wie üblich diktierte er dabei einem Sklaven, der auf einer Wachstafel erst einmal alles mitkritzelte, so dass dann später der Brief auf das teure Pergament übertragen werden konnte.


    "An den Imperator Caesar Augustus et cetera richtet Senator und Haruspex Sextus Aurelius Lupus seine Grüße.

    Ich schreibe dir, mein Kaiser, um dir einen Mann für den Senat zu empfehlen, der über jeden Zweifel an seiner Befähigung erhaben ist. Manius Aurelius Orestes ist als mein Vetter nicht nur Enkel des ehrenwerten Princeps Senatus Aurelius Crassus, der von Dives Iulianus höchstselbst so sehr geschätzt wurde, dass er aufgrund dessen Verdiensten meine Gens in den Adelsstand erhoben hat. Ebenso hat er sich nicht auf diesem großen Namen ausruhend selbst um den Staat verdient gemacht. Als Decemvir Litibus Iucandis hat er sein Amt als Vigintivir gewissenhaft und fleißig ausgefüllt. Er war für eine Vielzahl von Erbschaftsfällen zuständig und unterstütze den Praetor bei der rechtmäßigen Verteilung tatkräftig unterstützt.
    Trotz der Widrigkeiten, die uns Patriziern unter der Herrschaft des Usurpators Publius Vettius Phanias zuteil wurden, hat er dennoch auch sein Amt als Quaestor Urbanus tadellos bestritten und erfolgreich abgeschlossen.

    Auch sein kultisches Engagement spricht für sich. Aurelius Orestes ist Mitglied des Collegium Augurum und leistet damit einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Pax deorum.
    "
    Das war so ungefähr das netteste, was Sextus jemals über die Stümper der Auguren gesagt hatte. Und selbst das fiel ihm schwer.


    "Durch die Wirrungen des Bürgerkrieges wurde er fälschlicherweise für tot gehalten. Wäre dieses bedauerliche Missverständnis nicht entstanden, wäre er sicherlich schon längst in die Reihen des Senats aufgestiegen. Daher bitte ich dich nun, diesen offensichtlichen Misstand zu beheben und Manius Aurelius Orestes zum Senator Roms zu ernennen.

    Lies es noch einmal von Beginn an vor.
    "
    befahl er zuletzt dem Sklaven, hörte sich alles noch einmal an und nickte bisweilen beiläufig. "Gut, setze es einmal auf, überbringe es meinem Vetter und wenn er keine Einwände hat, lege es für Unterschrift und Siegel wieder bei mir vor"


    Damit wäre dieser Punkt erledigt und Sextus konnte sich dem nächsten Anliegen widmen.

  • Alle im Haus schlafen noch nur Morrigan huschte durch die Gänge und verteilte ihre Kleinigkeiten, ja auch der Hausherr wurde nicht vergessen. Morrigan hatte von den anderen Sklaven gehört, dass er sie gern als Zimmerpflanzen sah. So hatte sie bei einem Händler an eben jenem Stück nicht vorbei gehen können.


    Dominus Aurelius Lupus.
    Auch an dich sei an diesem Tag gedacht.
    Pflanzen wie diese brauchen nicht viel Pflege, sind genügsam und mit nur sehr wenig Aufmerksamkeit zufrieden, Dennoch sollte man ihnen nicht zu nahe kommen, sie können sie auch ihrer Haut erwehren.
    Io Saturnalia!  Morrigan



    Hinter der Wachstafel versteckt stand ein kleiner Kaktus.

  • Sextus Saturnaliengeschenk an die komplette Sklavenschaft des Hauses bestand aus zweierlei Dingen: Zum einen hatte er den Maiordomus angewiesen, einen nicht allzu kleinen Betrag aus der Haushaltskasse an alle ihm unterstellten Sklaven auszuzahlen, so dass sie sich ein paar schöne Tage machen konnten. Zum anderen hatte er sich von der Köchin zeigen lassen, wo er in den nächsten Tagen etwas essbares für ihn finden würde, und das wäre auch seine einzige Interaktion mit der Sklavenschaft. Ansonsten war er abwesend und nur in seinen Räumlichkeiten am arbeiten, ohne dass irgendjemand etwas von ihm zu sehen oder zu hören bekäme.


    Und so kam er auch gerade in sein Officium und entdeckte das Stachelgewächs, das offensichtlich ein Geschenk des anderen Stachelgewächses war. Kurz zog sich ein einzelner Mundwinkel von ihm eine Winzigkeit nach oben, ehe er die Pflanze nahm und zum Fenster stellte, wo sie nicht im Weg stand. Er nahm eine Wachstafel und vermerkte darauf eine kleine Notiz, ehe er sich wieder an seine Arbeit machte.

    senator.gif

    Haruspex Primus | Sodalis Salii Palatini

  • Ein paar Tage nach der Rede des Tiberiers auf der Rostra und den folgenden Unannehmlichkeiten, war der Entschluss bei Orestes gereift und so hatte er nachdem die Feier bei den Flaviern durch einen besonderen Gast gesprengt worden war sich hingesetzt und seinem Vetter einen Brief geschrieben, in dem er ihm die Planänderungen darlegte. Dieser Vetter Lupus würde den Brief am Morgen in seinem Arbeitszimmer finden.

    M' S d
    Werter Vetter, zu Deiner Information. Nach einigen Nachforschungen und Begegnungen habe ich mich entschieden, Verhandlungen mit Senator Quinctius Honoratus aufzunehmen, um die Hochzeit mit seiner Tochter Quinctia Dentata unter Dach und Fach zu bringen. Es eilt nicht, aber in ein zwei Wochen werde ich da wohl Nägel mit Köpfen machen. Sponsalia und Hochzeit könnten, da sowohl sie, wie auch ich keine 19 mehr sind, im kleinsten Kreise stattfinden. Termine werde ich Dir so gewünscht mitteilen, so bald wir Daten fest ins Auge fassen.
    Da gleichzeitig der Wahlkampf so gut läuft, dass ein weiteres Event nur die Stimmung überspannen würde, habe ich die Planungen für eine Abendgesellschaft hier im Haus eingestellt.Vale.

    senator.gif

    Quaestorius

  • Nachdem die Sponsalia nun offiziell verkündigt war, konnte Sextus die weiteren Vorbereitungen für die Hochzeit treffen. Also diktierte er heute seinem Schreiber einen Brief.

    "An den Imperator Caesar Augustus et cetera. Anlässlich der confarreatischen Eheschließung meiner Nichte Aurelia Corvina und Nero Tiberius Caudex bitte ich dich in deiner Funktion als Pontifex Maximus um deine Anwesenheit zur Durchführung des notwendigen Ritus. Als mögliche Hochzeitstermine haben wir den ANTE DIEM VIII ID FEB DCCCLXXXIII A.U.C. (06.02.2021/130 n.Chr.) oder den ANTE DIEM V KAL MAR DCCCLXXXIII A.U.C. (25.02.2021/130 n.Chr.) anvisiert."

    Sextus atmete einmal durch und fuhr dann fort. "Selbstverständlich steht die Villa Aurelia deinen Praetorianern zur Überprüfung der möglichen Sicherheitsrisiken betreffend deine Person jederzeit offen. Ebenso wird rechtzeitig eine Gästeliste zur Überprüfung übersandt. Wir bitten dich um baldige Rückmeldung, welchen Termin du präferierst, damit wir die weiteren Absprachen mit dem Flamen Dialis et alterea treffen können. Abschiedsfloskel, Siegel."


    Sextus wartete, bis der Schreiber seine Notizen zu Papyrus gebracht hatte, um das Schreiben dann zu siegeln und mit einem Boten an den Kaiserhof überbringen zu lassen.

  • Tigellinus stand vor der Türe des wölfischen Arbeitszimmers um die Meldung für die Rennen abzugeben, fand er es doch ein wenig übertrieben, deswegen einen Brief zu schreiben weswegen er die eigentlich offensichtlichen Namen nur auf eine Tabula gekratzt hatte.


    Publius Gutta und Scorpus Secundus


    Derart gerüstet klopfte er.

  • Kurz blickte Sextus etwas verwirrt von seiner Arbeit auf, als es klopfte. Mit einem "Herein" entschied er sich dann aber doch dazu, erst einmal den Grund der Störung zu erfahren, ehe er entschied, ob er sich darüber ärgern oder freuen wollte. Dies war allgemeingültig ein vorteilhaftes Vorgehen, da es in einem guten Teil der Fälle unnötige Aufregung ersparte.

  • Tigelinus trat ein wobei er neben der Tabula auch eine Schale mit frischem Obst in der Hand hatte.


    "Salve Lupus. Ich komme um die Fahrer der Veneta zu melden. Einen Brief hätte ich dann doch als lächerlich empfunden wenn man doch so nah aufeinander hockt. Wir werden mit Gutta und Scorpus starten. Hast Du überhaupt einen Moment? Ich hätte noch zwei weniger wichtige Punkte."

  • Sextus nickte. "Da hast du recht, ein Brief wäre da in der Tat unnötig. Wobei ich gar nicht wusste, dass du dich für den Rennsport engagierst." Sextus selbst sah den einzig als Mittel zum Zweck, die Massen zu beglücken, und nichts weiter. Er mochte Pferde am liebsten lange geschmort mit würziger Sauce, er musste ihnen nicht unbedingt dabei zusehen, wie sie im Kreis herumliefen. Und die ungewaschenen Peregrini, die sie dabei lenkten, machten die Sache meistens nicht besser. Aber die Leute liebten Pferderennen, und was tat man nicht alles, um gewählt zu werden?


    "Und ja, ich kann wohl einen Moment meiner Zeit für einen Verwandten opfern. Was gibt es denn?"

  • Tigellinus war keiner von denen, die sich für die eigentlichen Rennen interessierten, ehr waren es die markanten Szenen eines Rennens die ihm besonders gefielen. Wenn ein Wagen ein Rad verlor, noch besser wenn dieses hoch durch die Luft flog und dabei vielleicht eine Bresche in die Zuschauer schnitt. So wie im letzten Jahr bei den Ludi Plebei.. Nicht dass Tigellinus es irgend jemandem gegönnt hätte, ohne Kopf das Stadion zu verlassen, doch der Nervenkitzel war es wert.


    "Danke... Ich will mit dem einfachen und wenig diffizielen beginnen. Einer meiner alten Weggefährten, der erst kürzlich aus Asia zurückgekehrte Spurius Sergius Sulla, kandiert bei der nächsten Wahl zum Vigintivir. Es wäre schön, wenn Du ihn in seinem Ansinnen unterstützen könntest."

  • Und das war eine Kleinigkeit zwischen Tür und Angel? Sextus unterstützte seinen Klienten, weil er seit Jahren sein Klient war und er ihn persönlich kannte. Auch den ein oder anderen, der ihn um seine Unterstützung gebeten hatte, hatte er nach Abwägen dann unterstützt. Aber der Mann sagte ihm gar nichts, und Tigellinus und er waren jetzt nicht gut genug miteinander bekannt oder eng verwandt, als dass er aufgrund dieser Stellvertreteranfrage nun aufspringen und Unterstützung gewähren würde.

    "Üblicherweise unterhalte ich mich mit angehenden Magistraten, die meine Unterstützung wollen, gerne selbst, um einschätzen zu können, ob sie diese auch verdienen. Der Name sagt mir nichts."

    Oder anders gesagt, er sah momentan noch keine hinreichende Veranlassung, irgendwen zu unterstützen.


    "Und das zweite Anliegen?"

  • Sextus hob leicht eine Augenbraue. Senator? "Ich weiß, Primicerius", sagte er mit fragendem Unterton. "Wenn er mich von sich überzeugen möchte, bin ich gerne bereit, ihn zu empfangen." Den Gefallen konnte Sextus seinem Verwandten trotz seines vollen Terminkalenders wohl gewähren. Aber er unterstützte grundsätzlich niemanden, der nicht mit ihm verwandt oder verschwägert war, den er überhaupt nicht kannte. Sowas ging im Zweifelsfall nach hinten los und fiel immer auf einen zurück. Einmal die Hand bei der Wahl heben war eine Sache, Unterstützung aussprechen eine andere.

  • Ihn Primicerius zu nennen war ja eigentlich ein Affront, doch Tigellinus liess es auf sich beruhen und grinste dabei schon fast, hatte er doch was er wollte, der Rest war ihm egal.


    "Ich danke und habe da schon etwas vorbereitet."


    liess der persönliche Sekretär des Kaisers verlauten und wandte sich dann zur Türe an die er kurz klopfte um sie dann zu öffnen worauf sich auf der anderen Seite Schritte näherten.


    "Darf ich Dir vorstellen: Quaestorius Spurius Sergius Sulla."


    Als dieser eingetreten war glitt Tigellinus mit einem flüstern durch die Türe welches nur der Sergier hören konnte.


    "Den Rest musst Du schon alleine machen."

  • Hatte Tigellinus nicht zuvor von einem winzigen Moment seiner Zeit gesprochen? Und jetzt verpisste der sich einfach in einem grotesken Schauspiel und schob einen ihm völlig unbekannten in Sextus' privaten Arbeitsbereich, anstelle eines ordentlichen Empfangs in einem der dafür vorgesehenen Empfangsräume des Hauses? Sein verwandter hatte in wenigen Momenten sämtliche Gefallensleistung ihm gegenüber für die nächsten schätzungsweise fünfhundert Jahre aufgebraucht und Sextus überlegte ernsthaft eine Konsequenz, die mit gepackten Kisten und einem Handkarren viel zu tun hatte.


    Er erhob sich von seinem Schreibtisch und ging um diesen herum, während er den Fremden in seinem Privatbereich kurz musterte. "Nun, dich jetzt fortzuschicken wäre wohl entgegen der Gebote von Höflichkeit und Gastlichkeit", stellte er trocken fest.

    "Nachdem mein Verwandter sich so viel Mühe gegeben hat, dich in mein Heim zu schmuggeln" – ohne dass Sextus etwas davon mitbekam oder gefragt wurde – "sei dir also die Gelegenheit gewährt, dich und dein Anliegen vorzustellen."

  • "Ich danke Dir für soviel Wohlwollen, hat mein Freund doch davon anscheinend derart viel verbraucht, dass mir fast schien ich könnte wieder gehen. Ich dachte eigentlich, er hätte es bereits vorab avisiert, doch dem ist anscheinend nicht so. Der gute Tigellinus scheint zu meinen, der Name des Kaisers als Patron und Arbeitgeber würde nicht nur alle Türen öffnen, nein auch alle Herzen eben ihm zufliegen lassen. Vor diesem Hintergrund will ich es kurz machen."

    "Du kennst mich nicht und meine Einführung war mehr als holprig, trotzdem stelle ich mich kurz vor: Du kennst mich nicht, aber das sagte ich schon, und das verwundert nicht, war ich doch in den letzten fünfzehn Jahren nicht in Rom sondern in Asia, wo ich mich unter anderem um die dortigen Ländereien der Gens Sergia in der Provincia Lycia et Pamphylia kümmern durfte. Mein Lebenslauf ist rasch skizziert, war ich doch genau wie mein Vater, Marcus Sergius Stephanus, zu einer Zeit Quaestor Consulum, als das Vigintivirat kein obligatorischer Meilenstein im Dienste Roms war. Danach durfte ich als Praefectus Annonae die Nahrungsversorgung Roms organisieren bevor ich nach Asia Minor ging. Dort lernte ich Tigellinus kennen und nunkandidiere ich zum Vigintivirat. Dabei stehe ich natürlich für jedes der Ämter uneingeschränkt zur Verfügung, könnte aber aufgrund meiner in den letzten Jahren gewonnenen Expertise im Bereich der Verhinderung der Münzfäschung im Kreise der Tresviri aere argento auro flando ferunde am meisten leisten. Für dieses Ansinnen erbitte ich Dein Wohlwollen und Deine Unterstützung. Ich werde sie mit allem vergelten was ich geben kann."


    Tigellinus würde er später in den Arsch treten.

    titel_31.gif

  • Wenigstens war der Sergier nicht so ein Trottel wie Tigellinus, sondern brachte eine halbwegs vernünftige Ausführung seines Anliegens zustande. Für einen angehenden Vigintivir hätte Sextus selbiges ja eigentlich schon gereicht, aber der Mann vor ihm war keine zwanzig mehr und fünfzehn Jahre fern von Rom gewesen. Was einige Fragen aufwarf, zum einen: "Und warum warst du so lange fern von Rom?" und zum anderen: "Und wie kommt es, dass du genau jetzt wieder zurück bist, um dich doch wieder der Politik zu widmen?"

    War man einmal dem Moloch entronnen, kam man nur selten wieder zurück, wenn dieser Zustand mehr als ein oder vielleicht zwei Jahre dauerte. In fünfzehn Jahren passierten viele Dinge. In diesem Falle ein Kaisermord, ein Bürgerkrieg und ein Sklavenaufstand. Das ein oder andere war ja ein Grund für eine Unterbrechung – der Bürgerkrieg hatte wohl die meisten politischen Karrieren für einige Jahre unterbrochen – aber fünfzehn Jahre waren ein halbes Leben.