[AEGYPTUS] Alexandria Das Haus des Palmyreners

  • Praeludium





    Eines der prächtigen Peristylhäuser im Delta- Viertel von Alexandria gehörte dem palmyrenischen Herren Wallabat Ben Attar, der sich in der römischen Welt Athenodoros von Palmyra nannte.
    Überhaupt war alles nach griechischem oder römischen Geschmack eingerichtet, und Athenodoros selbst trug römische Mode, obwohl er ab und an die Bequemlichkeit der parthischen Beinkleider vermisste.
    Er lebte hier mit seiner Gattin Alexandra, einer Dame attischer Herkunft, und seinem Sohn Alexandros, sowie vieler Diener.

    Athenodoros leitete die Niederlassung der Bene Attar, einem der Vier Stämme von Palmyra. Er gehörte dem Rat der Wüstenstadt an und besaß verwandtschaftliche Beziehungen bis in die Stadt Petra und sogar bis in das Reich der Parther. Die Bene Attar waren nicht vorwiegend Händler, sondern Synhodiarchen, was bedeutete, dass sie große Karawanen durch die syrische Wüste hindurch organisierten, finanzierten und beschützten. Die zwei jungen Kaufleute, die sich der "Schutzherr der Karawanen" verpflichtet hatte, und deren Import von Seide aus Serica war für ihn eher eine Art Zubrot.

    Athenodoros war dadurch, dass die von ihm behüteten Güter immer ihren Bestimmungsort erreichten, sehr wohlhabend geworden, auch wenn es mittlerweile andere Routen, darunter auch den Seeweg, nach Indien und Serica gab. Aber Räuber und Piraten machten allen Handelswegen schwer zu schaffen.

    Doch obwohl Athenodoros von Fortuna begünstigt schien – es lag ein Schatten über seinem Haus und seine Augen waren schwermütig.

    Athenodoros größtes Glück war der junge Alexandros. Er bekam die besten Lehrer , und er sollte bestes Griechisch und Latein lernen. Er sollte einst die Geschäfte weiterführen. Für ihn wollte er eines Tages das römische Bürgerrecht , was bisher noch wenige Palmyrener besaßen. Und die, die es hatten, waren für gewöhnlich ehrenhaft Entlassene der Auxiliartruppen, denn die Wüstensöhne waren hervorragende Reiter .

    Athenodoros zweites Glück waren Geschäfte.
    Er fühlte sich agil und lebendig , als er im tablinium auf seinen Sessel mit den seidenen Bezügen und den gedrechselten Beinen., saß und seinen jungen Verwandten Jabel von Petra, einer der beiden Serica- Kaufleute, erwartete.

    Jabel trat ein, küsste ihm den Ring : "Sei gegrüßt, Onkel Wallabat “, sagte er. Jabel war ein typischer Stammessohn mit einem kühnen Gesicht.
    Nun sprachen sie Palmyren mit vielen griechischen Wörtern dazwischen.
    Jabel fragte zwar nach seines Onkels Befinden, aber die kyria Alexandra erwähnte er nicht. Auch er hatte von den Gerüchten um sie gehört.

    „Lass sehen, was Du mitgebracht hast, Neffe.“, sagte Athenodoros.
    Jabel breitete Stoffproben aus – einmal purpurne Seide , sehr hübsch, das benutzten die Römer gerne, um Tuniken und Togen zu verzieren, einmal grünblaue Seide, die aussah wie das Meer an ruhigen Tagen, und dann eine Neuheit, Seide in einem weißsilbernen Ton, wie das Gewand der Mondgöttin Selene.

    „Sehr schön !“, rief Athenodoros anerkennend aus: „Das wird den Damen Alexandrias und hoffentlich auch denen Romas gefallen. Was sind die Menschen von Serica doch geschickte Leute!“

    „Sehr geschickt.“, sagte Jabel und zog eine kleine Grimasse: "Deshalb haben wir auch nicht viel anzubieten was sie haben wollen. Vielleicht noch unseren Weihrauch. Doch am liebsten ist ihnen römisches Gold.“
    „Und davon fließt genug nach Osten, und ein Teil davon bleibt an unseren Händen kleben .“, meinte Athenodoros.

    Er befühlte die silberweiß eingefärbte Seide.
     Man hat mir erzählt, die Serer erlauben nur jungen Mädchen und kleinen Jungen auf die Seidenbäume zu klettern, um diesen feinen Stoff zu ernten, nur sie haben so zierliche Hände, um die Seide nicht zu beschädigen.“, berichtete Jabel.
    Bei der großen Allat“, rief Athenodoros aus: „Solch einen Setzling würde ich gerne bekommen. Er wäre ein Vermögen Wert !“
    Jabel lachte.
    Serica war zu weit weg, und die Serer hüteten ihr Geheimnis.

    Athenodoros schlug ihm auf die Schulter:„Nun lass uns essen und trinken , lieber Neffe“, sagte er:
    „Und du berichtest mir von deiner Reise und von Neurigkeiten aus Petra! Ich hoffe doch, du kannst mir länger Gesellschaft leisten.“

    Bald sprachen und lachten sie und wurden ausgelassen. Die schönsten Sklavinnen bedienten sie, und erfüllten alle ihre Wünsche.
    Sie wussten nicht, dass ein Knabe oder ein Jüngling schon? - hinter der Türe stand und sie mit seinen dunklen Augen beobachtete. In seinem Blick lag keine Wärme. Hätten sie es gewusst, hätten sie ihn zu sich gebeten und herzlich begrüßt, denn der Junge war Alexander.

    Alle wussten sie auch nicht, dass sich ihre Tage im schönen Alexandria ad Aegyptum bereits ihrem Ende zuneigten. Ein Brief von Athenodoros Onkel Vorodes rief Athenodoros nach Hause zurück, und es ging um Ding  von einiger Brisanz.  
    Etwas Bedauern mischte sich in den Abschied. Athenodoros würde in Palmyra wieder mehr Waballat und weniger Athenodoros sein können. Ganz kurz tauchte in  seinen Gedanken ein anderes Bild auf , das eines lockenköpfigen jungen Mädchens mit grauen Augen, das ihm strahlend zulächelte, aber dieses Bild vergrub er tief in seinem Herzen.

    Chairete Alexandreia
    Palmyra, seine Vaterstadt wartete auf ihn.
  • Zētēsis täs alätheias* - Im Auftrag von

    Waballat Ben Attar Athenodoros




    Ich war einen Monat in Alexandria, Alexanders heiliger Stadt, und immer noch konnte ich der Wunder nicht genug bekommen: Das Serapeion, die Bibliotheken, die Märkte, das Museion und des großen Alexanders Grab - als ich davor stand, konnte ich mir der Tränen nicht erwehren. Verkörperte doch der große Makedone all das, was wir einst geträumt hatten, wir die Freunde des herrlichen Prnzen Phraates: Ein Reich geboren aus parthischem Blut und griechischem Geist, ein Heliopolis, einen Hort der umfassenden Schönheit, Gerechtigkeit und Freiheit. Auch meine Prinzessin, meine Nilofer, hatte diesen großen Traum geträumt. Nun, mein Freund, Prinz Phraates war tot, erhängt worden wie ein Verbrecher.

    Und wir waren geflohen, Nilofer aus dem goldenen Käfig des Andaruni ihres Halbbruders, ich vor der Verfolgung all jener, die eine Verbindung mit dem Westen hatten. Nach dem Willen des neuen Herren, des ehemaligen Prinzen Mithridates, waren nur noch traditionelle parthische Sitte, parthische Kleidung und parthische Sprache genehm. Doch während unserer Flucht aus Ktesiphon verwandelten sich Schwärmerei zu und Schicksalsgemeinschaft in gegenseitige Liebe.

    Wie gerne hätte ich mit Nilofer zusammen die Wunder dieser Stadt erkundet. Ich fühlte mich einsam ohne sie , und ich war besorgt um sie. Nilofer war sehr klug und fand immer einen Ausweg - aber war es ihr auch gelungen, sich unseren Gastgeber Athenodoros vom Halse zu halten? Er begehrte sie, er konnte ihr so viel an Luxus geben, und er hätte mich vielleicht töten lassen, wenn ich ihm die Quere gekommen wäre.

    Hätte Nilofer Luxus gewollt, wäre sie freilich in Ktesiphon geblieben.

    So hatten wir Theater spielen und scheinbar einen fürchterlichen Streit entfesseln müssen, um unseren Gastgeber in Sicherheit zu wiegen. Athenodoros hatte uns den Streit abgenommen, er wurde nahezu freundlich mir gegenüber.

    Leider hatte ich aber dann auch Nilofer nicht Lebewohl sagen können, wie sie es verdiente. Das Haus der Bene Attar hatte Augen und Ohren. Ich war ohne Abschied von meiner wunderbaren und tapferen Nilofer abgereist.

    Nun kam es darauf an, Athenodoros Sohn Alexandros aufzustöbern und zu ihm zurück zu bringen. Er hatte mir dafür einen hohen Lohn versprochen, genug Geld, damit Nilofer und ich endlich aus Palmyra verschwinden konnten. Genug Geld, um auf einem ordentlichen Handelsschiff, dessen Kapitän uns nicht sofort in die Sklaverei verkaufen würde, zwei Passagen zu erwerben. Und dann Athen, Alexandria, Roma...die ganze bekannte Welt würde uns zu Füßen liegen....


    Die ganze Sache hatte einen Haken: Jener Alexandros, der wohl nach einem Streit mit seinem Vater aus dem Haus gelaufen war, war nirgends aufzutreiben. Niemand kannte den Jüngling, niemand hatte ihn gesehen. Hier im Wohnhaus der Bene Attar, in dem traditionell immer ein Handelsvertreter der phyle residierte und Jabel und mich beherbergte, war niemand aufgetaucht, auf den die Beschreibung passte:

    Alexandros Ben Attar, fünfzehn Jahre alt, eher klein und drahtig, schwarze Locken, helle Haut. Oder viel mehr, es gab natürlich eine Menge junger Männer, die so aussahen, aber ein Ben Attar aus Palmyra war nicht dabei. Vielleicht war der arme Junge elend umgekommen, vielleicht sogar gefangen genommen und als Sklave verkauft worden. Ich fand ihn jedenfalls nicht, und damit zerplatzte der Traum vom Gold.


    Bald würden wir uns auf den Rückweg machen. Ich freute mich so sehr auf meine süße Nilofer, doch gleichzeitig war mein Herz so schwer. Denn ich kehrte mit leeren Händen zurück.


    Sim-Off:

    Die Suche nach der Wahrheit


  • Die Zeit verging. Ich hatte die Suche mittlerweile auf die Chora, das Umland ausgedrehnt und so langsam glaubte ich, nicht einmal eine Maus wäre mir entkommen. Aber Alexandros Ben Attar entzog sich mir. Es war, als hätte es den Jüngling nie gegeben. Einige Nachbarn erinnerten sich aber durchaus an einen Knaben mit dunklen Locken, immer begleitet von seinem griechischen Lehrer, der vor Jahren hier gewohnt hatte. Also war er kein Phantom - aber finden tat ich ihn nicht. Ich kam zum Schluss, dass er umgekommen war, und ich fühlte mich unbehaglich dabei, diese üble Nachricht seinem Vater überbringen zu müssen.

    Umgekommen oder so gut wie tot. Denn auch wenn er als Sklave verschleppt worden war, war er so gut wie tot. Aus der Sklaverei heraus konnte man schlecht beweisen, wer oder was man war und nur ganz selten fliehen.

    Als ich an diesem Tag nach Hause kam, war der Führer einer neuen Karawane angekommen und hatte einen Brief für mich dabei. Er war von Nilofer, und ich erkannte ihre Handschrift. Ich schluckte, und ich spürte nur Sehnsucht und Liebe, als ich das Siegel brach:


    An

    Phraotes

    Haus des Waballat Ben Attar Athenodoros

    Delta Viertel

    Alexandria

    AEGYPTUS


    Phraotes!

    Ich möchte dir auf diesem Wege die frohe Kunde von meiner bevorstehenden Hochzeit mit Athenodoros verkünden. Ja, ich habe mich unsterblich in unseren Gastgeber verliebt und werde ihn, sobald ich das Einverständnis meines Vater habe, ehelichen. Ja, ich bereue es, wegen dir mit meinem Vater gebrochen zu haben. Doch wenn er davon hört, welch edler Herr um mich wirbt, wird aller Zwist zwischen uns vergessen sein!

    Es tut mir sehr leid für dich, die Hoffnungen, die du dir gemacht hattest, zunichte zu machen. Gewiss wirst du in Alexandria ein nettes Mädchen finden. Zum Trost sende ich dir ein Gedicht, womit mich meine alte bactrische Amme immer getröstet hat:

    "Cuenbgrf, ovggr xbzz fb fpuaryy mhehrpx, jvr qh ahe xnaafg. Nyrknaqre vfg uvre va Cnyzlen. Jve zhrffra iba uvre syvrura!"


    A+N= <3


    Nilofer


    Ich schrie auf wie ein getroffener Stier und warf im ersten Impuls den Brief auf den Boden. In mein Gehirn drang nur eine Nachricht: Nilofer würde sich mit Athenodoros vermählen! Hatte der Palmyrener es durch sein geduldiges Werben geschafft, ihren Sinn zu ändern! Hatte er sie mit Gold überhäuft....aber da meldete sich eine leise Stimme in mir, mein eudaimon, mein guter Geist: Nilofer ist nicht käuflich! Hätte sie in einem goldenen Käfig leben wollen, wäre sie bei Mithridates geblieben! Nein, hinter den Worten steckte etwas anderes.

    Und baktrische Amme? Welche baktrische Amme? Niemals hatte sie mir etwas davon erzählt. Und die Sprache....ich runzelte die Stirn, das war keine Sprache, das war Kauderwelsch, und dann verstand ich.

    Nilofer, meine kluge Nilofer, sendete mir eine versteckte Botschaft. Als parthischer Adliger beherrschte ich Verschlüsselungstechniken, um militärische Botschaften zu versenden. Wir bedienten uns für gewöhnlich der Skytale, doch dann hätten Nilofer und ich Stäbe von gleicher Dicke und Länge besitzen müssen. Dieser Text sah aus wie eine Verschlüsselung nach dem römischen Feldherren Iulius Caesar, aber da hätte ich den Grad der Verschiebung wissen müssen, wollte ich nicht stundenlang herumprobieren.

    Bestimmt hatte mir Nilofer auch da einen Hinweis gegeben. Mein Blick fiel auf das unsägliche Zeichen:

    A+N= <3

    Wollte mich Nilofer damit quälen? Gewiss nicht, doch was bedeutete es? Nur Kitsch oder ein Hinweis?

    Athenodoros kai Nilofer und ätor oder carthia auf Griechisch.

    Ich probierte es mit ἦτορ erhielt als Buchstabensumme 292, doch das war eindeutig zu hoch, so errechnete ich die Quersumme, die betrug 13.


    Und mit fliegender Hast probierte ich den Schlüssel der 13 aus und las die dringende Botschaft meiner Liebsten :


    phRaOTeS, biTTe kOmm SO SchNell ZURUeck, Wie dU NUR kaNNST. AleXaNdeR iST hieR iN palmYRa. wiR mUeSSeN VON hieR flieheN!


    Nilofer, Nilofer brauchte mich.


    Ich wartete noch einen Tag, dann bezahlte ich einen Mann dafür, dass er mir die "Kunde" brachte, Alexandros wäre in der Tat als Sklave ins Partherreich verschleppt worden. Diese Botschaft musste ich dem zweifellos untröstlichen Athenodoros so schnell bringen wie möglich. Vielleicht konnte er seinen Sohn freikaufen, bevor sie ihn entmannten oder blendeten oder beides. Ja, das taten wir mit Sklaven, und es war kein Ruhmesblatt für mein Volk. Mit dem nächsten Schiff und nur einigen Knechten schiffte ich mich nach Tripolis ad Mare ein, einer Hafenstadt in der Provinz Syria.

    Ich beeilte mich so sehr ich es vermochte, aber immer noch war ich viele Tagesreisen von Palmyra entfernt.