• Die Nubierin schenkte Alexandros keine große Aufmerksam, denn er war der Sohn des Herren und durfte natürlich hingehen, wo er wollte. Sie neigte nur ganz leicht den Kopf, legte eine Hand an ihre Stirn und lächelte etwas, wobei zu sehen war, dass sie keine Zunge besaß.


    Alexandros trat ganz dicht an die Tür, legte seine Stirn an das Holz. Kein Geräusch drang von innen nach draußen.


    "Ich gehe fort", sagte er laut: "Ich halte es nicht mehr aus. Mach dir keine Sorgen, mir wird es gut gehen."

    Kein Laut, nichts, und Alexandros wusste nicht, ob er gerade ein Selbstgespräch führte:

    "Du verrätst mich nicht.", fuhr er fort:

    "Chairete!"


    Er hatte nun ausgesprochen, was er bereits die ganze Zeit wusste, und als sein Entschluss feststand, wurde er ruhiger. Er würde gehen. Und zwar schon bald.

    peregrinuspalmyreni.gif

  • Treue gutgläubige Anippe! Ich lächelte ihr noch dankbar zu als sie sich zum gehen umwandte, um all die geforderten Dinge zu besorgen, die ich ihr aufgetragen hatte. Sobald sie fort war, zog ich mir die Stola über, die mir Phraotes gereicht hatte und nahm auch die Öllampe entgegen. Eile war geboten, denn ich traute Anippe durchaus zu, dass sie sich sputen würde, um bald wieder zurück sein zu können. Gemeinsam mit Phraotes, der meine Hand hielt, schlichen wir durch die Gänge. Das flackernde Licht der Öllampe war die einzige Lichtquelle und erhellte ein wenig die Dunkelheit. Dabei wurden seltsam anmutende Schatten an die Wände geworfen, die ich aber nicht weiter beachtete. Viel interessanter war es doch, was sich uns dort offenbarte, woher die Schreie kamen!

    Nach einer Weile wurde der Gang enger, was darauf schließen ließ, dass wir den herrschaftlichen Teil des Hauses verlassen hatten. Meine Augen hatten sich inzwischen an die Lichtverhältnisse gewöhnt. Innerlich fühlte ich mich aufgewühlt, weil wir nicht wussten, was uns erwarten würde. Als es vor uns plötzlich heller wurde, verstärkte ich meinen Griff um Phraotes' Hand. Vor uns musste jemand sein, der auch eine Lampe bei sich hatte. Ich wollte fast vor Furcht erstarren und zog an Phraotes' Hand.

    "Da ist jemand! Was sollen wir jetzt nur tun?" Ich hoffte darauf, Phraotes wusste, was zu tun war. Vor uns saß eine Nubierin, die mit einem Knüppel bewaffnet war. Sie bewachte eine Tür. Warum nur? Was verbarg sich dahinter?

  • Da erinnerte ich mich an Athenodoros Worte im képos, dem Garten:

    " Ach ja, eine Bitte habe ich noch von Gastfreund zu Gastfreund." sprach er:" Es gibt hier ein Zimmer, das abgeschlossen ist, ihr erkennt es, da eine nubische Wächterin es Tag und Nacht bewacht. Versucht niemals es zu betreten. Am besten geht ihr nicht einmal in die Nähe. Diese Bitte dient eurer Sicherheit, mehr ist es nicht. "

    "Das Zimmer...die nubische Wächterin, wir stehen genau davor.", sagte ich: " Athenodoros hat uns zwar gesagt, dass wir hier nicht hergehen sollen, doch er hat nichts davon gesagt, dass er hier zakkure *  gefangen hält, die schreien, wie ein Mensch doch gar nicht schreien sollte. Wir sind nur dem Schrei gefolgt, und es lag nicht in unserer Absicht, das Gebot unseres Gastgebers zu übertreten. Aber nun sind wir schon einmal hier. Ich werde die Sklavin fragen, was sich hinter der Tür verbirgt."


    Ich nahm die Öllampe etwas höher und trat vor:

    "Shlomo"* * sprach ich zum Gruß, da ich nicht davon ausging, dass sie des Griechischen mächtig war.


    Die Frau hob den Kopf. Ein Blick traf mich; ganz und gar böse, und sie hob den Knüppel und war schneller bei mir, als ich bis Drei zählen konnte.

    Mit einem gewaltigen Hieb traf sie mich. Wäre ich nicht behende zur Seite gesprungen, hätte sie mich am Kopf erwischt, so traf sie meinen Arm, und das tat höllisch weh.

    Die Nubiern öffnete den Mund, aber kein Wort drang heraus, sondern nur ein ächzendes Gurgeln. Ich erkannte, dass man ihr die Zunge herausgeschnitten hatte.

    Noch einmal holte sie aus.....



    Sim-Off:

    * semitische Schadensdämonen * *Sei gegrüßt, Quelle: Deutsch- Aramäisches Wörterbuch

  • Die Nubierin sah sehr bedrohlich aus. Den Knüppel hielt sie bestimmt nicht zum Spaß in ihrer Hand. Phraotes Worte riefen mir wieder das Gespräch mit unserem Gastgeber in Erinnerungen, welches wir nach unserer Ankunft im Garten mit ihm geführt hatten. Athenodoros hatte uns davor gewarnt, hierher zu kommen. Doch nun waren wir hier. Ich fragte mich, welches Geschöpf in diesem Zimmer gefangen gehalten wurde. Oder war es wirklich ein Dämon?

    "Sei bitte vorsichtig, Liebster!" sagte ich Phraotes, als er sich der nubischen Sklavin nähern wollte, um sie zu fragen, was sich hinter der Tür verbarg.

    Während ich mich noch im Hintergrund hielt, beobachtete ich ihn, wie er ganz mutig auf die Nubierin zuging und sie ansprach. Doch kaum hatte er das Wort an sie gerichtet, trafen ihn ihre bösen Augen. Und nicht nur die! Sie war ihm entgegengekommen, um ihn mit ihrem Knüppel zu treffen. Vor Schreck stieß ich einen spitzen Schrei aus und hielt mit vor Panik die rechte Hand vor den Mund. Am Ende würde man noch wegen meines Schreies auf uns aufmerksam werden!

    Glücklicherweise hatte Phraotes der Sklavin ausweichen können, so dass sie ihn nicht am Kopf, sondern 'nur' am Arm traf.

    Ich stand noch immer wie angewurzelt da und hörte das schreckliche Ächzten der Sklavin. Doch als die Nubierin zu ihrem zweiten Schlag ausholen wollte, wusste ich, dass ich endlich handeln musste! Ich schob mich an der Nubierin vorbei zur Tür hin. Woher ich den Mut dazu genommen hatte, konnte ich nicht genau sagen. Entweder würden wir auf diese Weise herausfinden, wer oder was in diesem Zimmer war, oder ich würde auf diese Weise die Sklavin ablenken, so dass sie Phraotes nicht noch einmal mit ihrem Knüppel traf. Meine Hand erreichte den Türknauf und drückte ihn nach unten und dann....

  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Die Wächterin hatte wohl mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass die Tür offen war. War sie in ihrem langjährigen Dienst nachlässig geworden? Hatte sie etwas nachgesehen und dann die Tür vergessen, zuzuschließen. Auf jeden Fall drückte Nilofer den Türknauf - und die Tür öffnete sich!

    Ein Schwall warme Luft drang heraus, und ich wusste sofort, nach was es roch, denn ich war schon dabei gewesen, wenn die Verwundeten ins Heereslager gebracht wurden nach einem Kampf.: Es roch nach ungewaschenen Menschenleibern, nach Urin und Fauligem und nach Hoffnungslosigkeit.

    Aber meine kluge und schöne Nilofer, behütet im Harem, konnte solchen Gestank nicht kennen. Die Wächterin, anstatt uns aufzuhalten, wand sich in und zerkratzte sich mit den Fingernägeln ihr Gesicht. Sie warf sich mir zu Füßen und versuchte meine Beine zu umklammern.

    Ich stieg über sie hinweg, nahm ihre Öllampe - meine war durch ihren Knüppelangriff erloschen - und eilte zu meiner Prinzessin.

    "Wer wird hier gefangen gehalten?!", rief ich ins Dunkle.

    Aber ich bekam keine Antwort. Ich leuchtete in den Raum: Keine Möbel. Kein Fenster. Nur eine Strohmatratze auf dem Boden und etwas, das ich zunächst für ein Lumpenbündel hielt, doch dann sah ich eine weiße, abgezehrte Frauenhand, die umhertastete, nicht wie ein Mensch, sondern eher wie eine weißliche Spinne, lautlos und zitternd.

    Ich sah Nilofer an und trat ein.

  • Das Glück war auf unserer Seite! Denn die Tür ließ sich tatsächlich öffnen. Ich hatte fast selbst daran gezweifelt, doch nun wurde ich eines Besseren belehrt. Selbst die Wächterin war über diesen Umstand so überrascht, dass sie vor uns zusammenbrach und sich wegen ihrer Nachlässigkeit grämte. Sie zerkratzte sich ihr Gesicht mit ihren Fingernägeln, als sei ihr Leben mit diesem Lapsus nun verwirkt. Wahrscheinlich war es das auch, denn was sich uns nun offenbarte, als wir das Zimmer betraten war am besten mit einer Mischung aus Waghalsigkeit und Abscheu zu beschreiben. Ein penetranter süßlich-fauliger Geruch schlug uns entgegen, der in mir eine Übelkeit verursachte. Mit meinen Händen versuchte ich meine Nase vor diesem widerlichen Gestank zu schützen, doch es half nichts. Andererseits war der Drang herauszufinden, was sich in diesem Zimmer verbarg sehr groß, so dass er uns dazu antrieb, Antworten auf unsere Fragen zu finden.

    Phraotes' Frage jedoch wurde nicht beantwortet. Doch der Anblick, der sich uns im Zimmer bot, war Antwort genug. "Da, sieh nur!" flüsterte ich ängstlich Phraotes zu.

    Ich hatte mich stets hinter meinem Beschützer gehalten, als dieser so mutig voranschritt und das Zimmer nun endlich betrat. Auch mir war die zittrige weiße Hand nicht verborgen geblieben. Nun taten sich eine Reihe ganz neuer Fragen auf: Wer war diese Frau da am Boden? Warum wurde sie hier unter solch widrigen Umständen gefangen gehalten? Und war sie womöglich gefährlich?

    Ich kauerte mich vor sie hin und betrachtete mir dieses elende Geschöpf. Sie zu berühren traute ich mich zunächst nicht. "Wer bist du? Können wir dir helfen?" fragte ich sie. Die Frau war in einem sehr schlimmen Zustand. Offenbar hatte man sie hier sich selbst überlassen, warum auch immer. Was musste der Anlass dafür gewesen sein, jemanden so etwas anzutun? Ich wusste nur zu gut, wie es sich anfühlte, eingesperrt zu sein. Doch das hier war um ein Vielfaches schlimmer! Dies war nur noch ein Dahinvegetieren im eigenen Unrat, dazu verdammt, bei lebendigen Leibe zu verfaulen!

  • Die stumme Wächterin war nun nicht mehr aggressiv, sondern machte flehende Gebärden, aber ich beachtete sie nicht. Ich blieb stehen und legte eine Hand auf Nilofers Schulter.

    Das Bündel am Boden rührte sich noch mehr, und ich vernahm das leise Klirren einer Kette. Die Frau, das Geschöpf, der Dämon, was immer sie auch war, hätte nicht weglaufen können, obwohl die Porta offen stand. Sie konnte nirgends hin.

    Sie setzte sich auf. Ich hob die Öllampe, und sie hob den Arm, um den Schein abzuwehren. Natürlich, das musste sie blenden. Ich dämmte also das Licht ab.


    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.


    Und die Fremde sprach - nicht zu mir, mich ignorierte sie, sondern zu Nilofer. Sie sprach sie auf Griechisch an, mit einer hohen merkwürdigen Stimme, als wäre Sprechen etwas, das ihr fremd war:

    " Chaire meine Liebe", sagte sie in sehr freundlichem Ton: "Willkommen bei mir zuhause. Es ist ganz reizend, dass Du mich besuchen kommst. Was möchtest du trinken? Kainis und Daphne, bringt meinem Gast doch einen Becher geeiste  Rhodomeli, das ist so überaus erfrischend an einem heißen Nachmittag wie heute." 

  • Die Frau am Boden rappelte sich auf. Sie hätte nicht fliehen können, denn eine Kette hielt sie zurück. Auch das Licht der Öllampe blendete sie. Welch schreckliche Vorstellung, sein Leben in vollkommener Dunkelheit fristen zu müssen! Dies und ihr ganzer Zustand ließen mich erschaudern. Noch immer fragte ich mich, wer diese Frau war. Eine unliebsame Sklavin, die sich ihrem Herrn widersetzt hatte? Oder war sie das Opfer einer Entführung? Doch nein, das schloss ich aus. Auch wenn ich unseren Gastgeber erst nur kurze Zeit kannte, so zweifelte ich nicht an seiner Rechtschaffenheit. Eher glaubte ich daran, dass es sich vielleicht um eine Besessene handelte, in die ein Dämon gefahren war.

    Scheinbar nahm sie meinen Begleiter gar nicht wahr, sondern richtete nur an mich ihre Worte. Bereits nach ihren ersten Worten konnte ich das Szenario der unliebsamen Sklavin verwerfen. So sprach keine Unfreie! Nachdem sie mich in ihrem Zuhause begrüßt hatte, wollte sie mir eine geeiste Köstlichkeit anbieten, die ich für mich als Rosenhonig übersetzte, aber deren Bedeutung ich nicht richtig erfassen konnte. Sie befahl ihren nicht vorhandenen Sklaven, mich mit jener Köstlichkeit zu versorgen. Mein Blick schweifte kurz in die Dunkelheit ab. Doch da war niemand!

    "Vielen Dank für deine Gastfreundschaft! Ich möchte gerne diese Köstlichkeit kosten, von der du sprachst." antwortete ich ihr und ließ mich auf sie ein. Doch noch immer interessierte mich die Identität dieser Frau brennend. Ich sah kurz zu Phraotes auf, dann wandte ich mich wieder der Frau zu. "Bist du die Herrin dieses Hauses? Die Frau des ehrenwerten Athenodoros ben Attar?"

  • Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Die Wächterin rappelte sich auf und lief davon; ich hörte noch ihr Wimmern, während ich auf die irreale Szene vor meinen Augen starrte.

    Nilofer hatte gleich reagiert, und ging auf die seltsamen Worte der Frau ein, die in einem schlimmeren Zustand war als eine gefangene Sklavin, doch sprach wie eine griechische Dame.


    "Natürlich meine Liebe", antwortete sie nun immer noch in jenem hohen seltsamen Plauderton: "Ich bin Alexandra, Tochter des Aiolos aus Palmyra, die Gattin des Apollodoros."


    Sie lächelte wieder und in ihre Augen trat ein völlig in sich gekehrter Ausdruck, dann fragte sie sehr langsam:

    "Warum. weißt. du. das. nicht. meine Liebe?"

    Sie atmete schwer ein und aus, und dann schoss ihre weiße Hand vor und umklammerte mit großer Kraft Nilofers Handgelenk...

    Ich sprang vor und schlug jener Alexandra auf die Hand, doch das schien sie nicht wahrzunehmen.

    Die Gefangene lächelte immer noch, aber benutzte nun die andere Hand, um Nilofer zu Fall zu bringen.

    Ich wollte der Frau nichts tun, aber ich konnte auch nicht zulassen, dass sie meiner Geliebten etwas antat. Ich zeigte ihr meinen Dolch: "Zurück!", herrschte ich sie an,

    aber immer noch ignorierte sie mich völlig.....

  • Ich ließ das Verschwinden der Wächterin völlig außer Acht. Sie machte mir keine Angst mehr. Sollte sie sich nur irgendwo verkriechen. Meiner volle Aufmerksamkeit gehörte dieser armen Kreatur am Boden. Was bei Ahura Mazda hatte sie nur verbrochen, dass man ihr so übel mitgespielt hatte? Ihrer Art und Weise, sich der Welt mitzuteilen, konnte sie keine gewöhnliche Sklavin sein. Eher eine Dame von Stand! Und so wunderte es mich nicht, als sie meine Frage bejahte. Sie stellte sich mir als Alexandra vor. Tochter des Aiolos aus Palmyra und Gattin des Apollodoros. Ich musste gestehen, dass mich diese Antwort noch mehr in Erstaunen versetzte, denn warum tat jemand seiner eigenen Ehefrau so etwas an? War sie verstoßen worden? Diese und noch viel mehr Fragen schwirrten in meinem Kopf herum, so dass ich viel zu spät jene Veränderung im Wesen der Gefangenen bemerkte. Ihre Sprechweise hatte sich ganz unerwartet verändert, ebenso ihr ganzer Ausdruck. und dann war da plötzlich dieses schwere Atmen, welches mich erschaudern ließ. Ich erschrak und meine Augen weiteten sich, als ihre Hand, die scheinbar aus dem Nichts hervorgeschossen kam, fest mein Handgelenk umklammerte. Doch es kam noch heftiger! Die Frau, die eben noch hilflos am Boden gelegen hatte, verfügte plötzlich über eine schier unbändige Kraft, die es ihr erlaubte, mich regelrecht zu überfallen und mit mir zu ringen. Sie wollte mich zu Fall bringen, doch nun versuchte ich meinerseits Widerstand zu leisten. "Was tust du da? Du tust mir weh!" rief ich in meiner Hilflosigkeit.

    Phraotes, der offenbar auch vollkommen von dieser Situation überrascht worden war, versuchte mir beizustehen, indem er die Frau mit seinem Messer bedrohte. Doch sie schien gänzlich in ihrer Welt gefangen zu sein, in die niemand sonst vordringen konnte.

    Ich bot all meine Kraft auf, um dagegenzuhalten. Jedoch musste ich feststellen, dass ich dieser unbändigen Kraft nicht mehr lange standhalten konnte. Schließlich verlor ich das Gleichgewicht und kippte nach hinten, so dass sich Alexandra nun über über mich beugen konnte und mich mit einem irren Lächeln, welches mit Wahnsinn gepaart war, anstarrte. Ihre Händehielten noch immer meine Handgelenke gefangen. "Lass mich los! Sofort! Hilfe!", rief ich in meiner Not.

  • Waballat ben Attar Athenodoros, begleitet von einer ganzen Dienerschar mit Fackeln und Knüppeln , erschien nun im Korridor, während die Wächterin in halb hinkendem, halb hüpfenden Gang vor ihm herging.

    Mit einem Blick erkannte er die Situation, und nahm einem der Sklaven die Fackel ab:


    " Zurück!", herrschte er Alexandra an und stieß mit der Flamme in ihre Richtung: "Lass sie los!"

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Alexandra kreischte auf und ließ Nilofers Handgelenk fallen, wand sich wie in Krämpfen und kroch soweit davon, wie es die Kette um ihren Knöchel zuließ.


    Athenodoros wandte sich Nilofer zu und gab ihr seine Hand: "Hast du dir wehgetan, meine Liebe?" , fragte er und half ihr auf: "Du hattest großes Glück, dass Skope mich herbeigerufen hat.  Nicht ungerechtfertigt hatte ich euch gewarnt, dass hier Gefahr auf euch lauert."


    Die angekettete Frau kauerte sich auf alle Viere. Im Licht der Fackel glitzerten ihre Augen wie die eines tollwütigen Tieres.

    Sie straffte ihren ausgemergelten Leib als wäre sie bereit zum Sprung...


    "Raus hier alle!", befahl Athenodoros, und schob sowohl Nilofer als auch Phraotes vor sich her aus dem Raum, und zu seinen Dienern: "Verschließt die Tür..."


    Die Diener der Bene Attar riegelten das Zimmer ab. . Von drinnen waren unheimliche Geräusche zu vernehmen, Kettenrasseln und dann wieder dieser entsetzliche Schrei, der Nilofer und Phraotes wohl aus ihrem Zimmer gelockt hatte. Er schwoll an und ebnete schließlich ab.


    Athenodoros schaute die beiden jungen Parther nachdenklich an.


    "Ihr habt meiner Bitte nicht gehorcht.", stellte er fest: " Neugier und Misstrauen waren stärker als die Regeln der Gastfreundschaft. Eine kleine Probe war es nur, aber ihr habt sie nicht bestanden.

     Was mache ich nun mit euch?"


    Er warf Nilofer und Phraotes einen düsteren Blick zu.

  • Ich legte Nilofer den Arm beschützend um die Schultern. Was auch Athenodoros vorhatte, dazu mussten sie erst an mir vorbei, und ich trug meinen Dolch noch.


    Ja, Athenodoros hatte jene Alexandra in ihre Schranken gewiesen. Er hatte Nilofer vor der Gewalttätigkeit einer Frau, die von Sinnen war, gerettet. Sein Eingreifen hätte meine Dankbarkeit erweckt, das stand außer Frage.

    Aber nun sprach er sehr drohend... als hätte er die Macht, etwas mit uns zu tun oder zu lassen.

    Und wenn ich aufrichtig zu mir war, war das sogar korrekt: Wir waren heimatlose Flüchtlinge, und wenn wir verschwanden, würde kein Hahn danach krähen.


    Dennoch, die Rede des Ben Attar gefiel mir nicht, und ich entgegnete:

    " Wir wussten nichts von einer Probe. Es lag auch nicht in unserer Absicht, uns deinen Anordnungen zu widersetzen. Es war Schicksal, kein Verbrechen...und..."


    Ich unterbrach mich selbst. Ich wollte dazu sagen, dass die Tür schließlich offen gestanden hatte, aber dafür wäre dann die stumme Wächterin bestraft worden.

    So elend sie auch war und obwohl sie mich angegriffen hatte, mich dauerte die Sklavin.

    Ich warf einen raschen Blick zu meiner klugen Nilofer.

  • Diese Frau war von Dämonen besessen! Was ging nur in ihr vor? Ich hatte ihr doch gar nichts getan! Nur helfen wollte ich ihr! Doch endlich nahte Rettung. Allerdings war es nicht Phraotes, der sich todesmutig auf diese Besessene stürzte. Es war Athenodoros in Begleitung seiner ganzen Dienerschaft, die mit Fackeln und Knüppeln bewaffnet waren. Seine gewaltige Stimme herrschte sie an und mit einer Fackel versuchte er sie wie eine Raubkatze von ihrem Opfer zurückzudrängen. Ich dankte Harvesp-tawan*, dass sie endlich von mir abließ und sich kreischend und windend zurückzog.

    Als die Gefahr gebannt war, bot der Hausherr mir seine Hand an, um mir aufzuhelfen. Natürlich war ich peinlich berührt, wie ein Kind, dass man bei etwas Verbotenem überrascht hatte. Im Grunde war es ja auch so gewesen. Wir hatten uns gegen die Anweisungen unseres Gastgebers gestellt! "Nein... es geht mir gut!" antwortete ich verlegen, denn mir war bewusst dass wir dem Wohlwollen Athenodoros angewiesen waren. So ließ er unser Vergehen auch nicht unerwähnt. Bevor ich mich zu Phraotes hinüberschob, warf ich noch einen letzten Blick auf die Frau am Boden. die mehr einem wilden Tier glich aber auch immer noch bemitleidenswert wirkte, obwohl sie mich angegriffen hatte.


    Schließlich warf uns und alle anderen aus dem Zimmer hinaus und ließ es von seinen Dienern verschließen. Schreckliche Geräusche drangen vom Inneren zu uns hinaus. Auch wenn wir nun das Geheimnis der schaurigen Schreie gelüftet hatten, klangen sie noch immer furchterregend. Doch damit nicht genug! Seine anklagenden Worte und der grimmige Blick dazu machte mir Angst. Nun war ich froh, dass Phraotes mir Halt gab und er sich unserem Gastgeber stellte, der uns mitgeteilt hatte, dass wir seine Probe nicht bestanden hätten.

    "Es ist meine Schuld! Diese grausigen Schreie ließen mich keinen Schlaf finden. Da habe ich Phraotes überredet nachzuschauen, woher diese Schreie kamen. Es war nicht recht, dass wir uns deinen Wünschen widersetzt haben. Wie können wir das wieder gutmachen?" fragte ich Athenodoros reumütig.


    Sim-Off:

      Harvesp-tawan = Allmächtiger; Einer der 101 Namen Ahura Mazdas

  • Athenodoros Blick glitt über die schlanke Gestalt der jungen Partherin. Ein weit erfreulicherer Anblick als die Kreatur im ZIMMER bot die junge Frau, und ihre Rede war lieblich und vernünftig:

    "Du meine Liebe trägst die Schuld an nichts", sagte er zuvorkommend:

    "Es tut mir Leid, dass dieses elende Geschöpf deinen holden Schlaf gestört hat! Leider würde es nichts bringen, ihr die Zunge herauszuschneiden , denn dann kann sie höchstens nicht mehr reden wie ihre Wächterin Skope, aber schreien kann sie  immer noch."


    Da Nilofer so reizend bat, lenkte der Hausherr ein: "Ich denke, wir sollten nun in den Andron gehen, eine Kleinigkeit trinken und essen  und uns alle wieder beruhigen. Dann erzähle ich euch die traurige Geschichte von Alexandra, damit ihr merkt, dass nicht ich das Monstrum bin, sondern ein blindwütiges Geschick mein Haus ereilte."


    >>> Andron

  • Spatz im Sturm >>>

    Skope - die Wächterin

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Die bärenstarke Nubierin mit der herausgeschnittenen Zunge saß dort, wo sie seit Jahr und Tag saß, auf einem Hocker vor der Tür des ZIMMERS mit einer Peitsche quer über ihren Knien.

    Die Knechte schleppten Shanaz herbei und einer sagte: "Die da hat den Unmut des Herren erregt. Er überlässt sie dir." Die Frau erhob sich, sie war größer als jeder Mann und der Umfang ihrer Oberarme übertrag bestimmt den von Shanaz Oberschenkel. Sie öffnete den Mund, so dass Shanaz die schwarze Mundhöhle und den Zungenstummel sehen konnte und stieß beinahe vergnügte Laute aus. Dann streichelte sie mit ihrer Pranke Shanaz Gesicht, immer weiter vor sich hingurgelnd und machte den Knechten Zeichen. Die kannten das wohl schon, aber selbst diese rauen Männer zögerten jetzt, als die Wächterin mit dem Schlüssel, der an einer Eisenkette um ihre Hüften hing , zur Tür ging und das ZIMMER aufschloss. Dabei knallte sie einige Male vor sich mit der Peitsche auf den Boden, als wollte sie ihr Kommen ankündigen - oder aber sich etwas fernhalten.

    Der Raum selbst war im ersten Augenblick dunkel, erst nach einer Weile gewöhnte sich das Auge so weit an die Finsternis, das man ein paar Lichtstrahlen daher erkannte, wo die Fensterluken mit rohen Brettern vernagelt worden waren.

    Immer noch vor sich hinbrabbelnd packte die Wächterin Shanaz an ihrem Chiton und stieß sie vor sich her. Dann schubste sie sie auf den Steinboden des Raumes.


    Shanaz war alleine. Im Finsteren. Sie konnte nicht wissen, was das für ein Zimmer war. Aber der süssliche Gestank nach ungewaschenem Leib und menschlichen Kot umwaberte sie so intensiv, dass er beinahe greifbar war.

  • Licht flutete in den Raum, als sich ihre Kerkertür öffnete. Shahnaz musste sich eine Hand vor die Augen halten so sehr blendete es sie. Es war bloß gewöhnliches Tageslicht doch nach all der Zeit in absoluter Finsternis waren selbst das ihre Augen einfach nicht mehr gewohnt. Zwei Männer kamen zu ihr herein. "Komm! Deine Strafe ist vorbei, du darfst rauskommen." Shahnaz röchelte und holte tief Atem vom Schwall frischer Luft, der zu ihr hereindrang und die stinkenden Schwaden ihrer Zelle etwas aufmischten. Die beiden Sklaven bedeuteten ihr nochmal mit ihnen zu kommen. Doch Shahnaz konnte nicht. Die ewige Finsternis, der Nahrungs- und Wassermangel und dieses Dahinvegetieren zwischen ihren eigenen Hinterlassenschaften hatten sie geschwächt. So blieb sie wo sie war am Boden mit angewinkelten Beinen sitzen und schloss wieder die Augen, tief durchatmend. Da sie also nicht freiwillig mit ihnen kam tauschten die beiden Männer einen kurzen Blick miteinander, dann ergriffen sie die Prinzessin jeweils an einer Schulter und hievten sie hoch. Dann würden sie sie eben hinaus tragen.


    Lange war Shahnaz in ihrem Gefängnis gewesen, sehr lange. Mehrere Tage (oder waren es Wochen?) mindestens, zurück in der Welt der Lebenden stöhnte sie und zog eine Grimasse. Ah, dieses blendende Licht! Es schmerzte ihr in den Augen! Shahnaz war sehr ausgedürrt, das Haar hing ihr in dreckigen Strähnen vom Kopf und ihre Kleidung war zerissen und mit teils unsagbaren Dingen beschmiert. Kaum einen klaren Gedanken konnte sie bei sich behalten so durcheinander und schwach war sie noch. Man hatte ihr gelegentlich Wasser und harte Brotkanten gegeben, gerade genug, damit sie am Leben blieb. Oder anders formuliert zu wenig zum leben, zu viel zum sterben. In ihrem Kopf drehte sich wieder alles und sie wankte an den Rändern ihrer bewussten Wahrnehmung umher, als die Männer sie in ein Bett im Sklaventrakt legten. Die Prinzessin rührte sich nicht mehr groß, sobald sie auf dieser Liegestatt abgelegt worden war, sondern ihre Verwirrung ging sogleich in Schlaf über. Es würde wohl lange dauern, bis sich Shahnaz von dieser Strafe erholt haben würde.