Insula Charis - Mietswohnung, erstes Obergeschoss

  • "Sie wartet nicht. Ich habe ihr einen Boten geschickt, dass es später wird.", murmelte Saturninus. Sextilla hatte keinen Grund, seinen Worten nicht zu glauben:

    "Mischen wir uns jetzt unter das Volk in der Subura", manchmal hatte er Lust, als einfacher Plebejer unterwegs zu sein, ohne irgendwelche Amtsbürde. Er bekam das auch gut hin, wenn er wie jetzt gerade eine einfache Tunika trug, zumindest bei der Saturnalia hatte ihn niemand gleich erkannt. Und dann Helia an seiner Seite, die sehr schön, aber eben auch aus der Unterschicht war. Saturninus wusste, dass er da manchmal zu viel trank, und am nächsten Tag mit Kopfschmerzen aufwachte. Aber es war abenteuerlich, und Abenteuer war etwas, was seiner Existenz, seit er aus der Provinz Syria zurückgekehrt war, ab und zu doch fehlte.

  • Verbotene Liebe


    Der Mond ist aufgegangen,

    Mein Schatz, komm her zu mir,

    Ich hatte groß Verlangen

    Den ganzen Tag nach dir.


    Die Welt darf ja nicht wissen

    Um die verbot'ne Lieb' –

    Sich selten nur zu küssen,

    Das macht das Leben trüb.


    Hermann Frey

    (1839 - 1911), deutscher Bühnenautor und Lyriker



    Als Saturninus erwähnte, dass seine Gemahlin nicht auf ihn warten würde, weil sie durch einen Boten darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass es später werden würde, nickte Helia lediglich. Mochte es stimmen oder nicht. Fakt war, der Dunkelhaarige würde länger an ihrer Seite verweilen und dieser Umstand ließ Helia dann doch leicht lächeln. Schließlich gefiel es ihr durchaus an der Seite des Furiers zu verweilen, auch wenn er ihr soeben unmissverständlich zu verstehen gegeben hatte, dass sie für ihn lediglich ein Abenteuer war. Und dieser Umstand schnitt wie eine Klinge in Helias Herz. Jedoch machte sie gute Miene zu bösem Spiel und lächelte ihre Sorgen und Nöte einfach hinfort. Sie war ihr gesamtes Leben alleine gewesen, bis auf die kurze Zeitspanne, in der sie dem Accius dienen durfte. Da würde sie auch weiterhin alleine zurecht kommen und bisher klappte dies doch ganz vorzüglich.


    “Lass uns die Subura unsicher machen.“


    Schmunzelte Helia und ein helles funkeln ließ ihre grauen Augen blitzen. Schließlich griff sie nach der Hand des Dunkelhaarigen und zog den Furier einfach hinter sich her. Aus ihrer Wohnung, die Treppe hinab, durch die Garküche und hinaus auf die Straße. Dort angekommen, blickte Helia zu Aulus empor und neigte fragend ihren Kopf auf die Seite.


    “Das ist wie damals an den Saturnalien.“


    Grinste die Weißblonde und knuffte den Dunkelhaarigen in die Seite.


    “Also, wohin sollen wir uns treiben lassen? Ein Würfelspiel in einer der Schenken?“


    Vor Vorfreude funkelten Helias Augen eine Spur dunkler, als sie dem Furier zart über den Oberkörper strich. Die Bürger Roms waren mit ihren eigenen Neuigkeiten beschäftigt, wer sollte sie also schon beobachten. Und wenn auch? Den Furier würde man in seiner einfachen Tunika gewiss nicht als Procurator Annonae entlarven. Und von Helia würde man ohnehin kaum eine Notiz nehmen.

  • Omne animal post coitum triste


    Taberne zum Blinden Esel >>>


    Saturninus hatte versprochen, mit Helia nach Hause zu gehen und sie in den Armen zu halten, bis sie einschlief. Das tat er; er legte sein Obergewand ab und behielt nur sein Untergewand an, dann legte er sich in das Bett, in dem er früher schon als Mieter geschlafen hatte, und breitete die Arme aus.

    Unten im Thermopolium war es schon still; bestimmt schliefen die Chariten schon:

    "Komm, Helia"sagte er: "Lass uns ausruhen"

    Saturninus war in einer merkwürdigen Stimmung, fast sentimental. Er betrachtete die schlanke zierliche Gestalt der Liberta im fahlen Mondlicht, das als einzige Lichtquelle von außen in die Wohnung drang, er hatte darauf verzichtet, eine Öllampe zu entzünden. Acciana Helias Haar glänzte wie gesponnenes Silber. Er hatte sie sehr, sehr gerne, das spürte er, aber das war nicht genug. Er war nicht wie seine Cousine, die der Liebe Willen gesellschaftliche Konventionen übertrat. Er hatte gedacht, er wäre so; er hatte es in Athen und Alexandria gedacht, als es ihm gefiel, wie ein Bettelphilosoph aufzutreten und in einer winzigen Kammer zu hausen. Er hatte davon geträumt, dort zu bleiben und eine neue Politeia zu schreiben. Er (Und da war er nicht der einzige der jungen römischen Studenten) hatte sich betont griechisch gegeben, fasziniert von der Welt des Geistes, die sich ihnen auftat.

    Doch dann hatte ihn die Patria wieder vereinnahmt, und das politische Geschäft seinen Ehrgeiz geweckt.

    Er war wie alle. Er hatte den festen Willen, aufzusteigen.

    Aber Aufstieg war mit Sextilla, nicht mit Helia verbunden.

  • Omne animal post coitum triste

    Während des gesamten Rückwegs zu ihrer Wohnung hatte Helia die Hand des Furiers kein einziges mal losgelassen. Noch nicht einmal, als sie lautlos das Thermopolium betrat und die hölzerne Treppe zu ihrer kleinen Wohnung empor stieg. Erst nachdem sie ihre Wohnung im obersten Stock betreten hatte, entließ sie seine Hand aus der ihrigen und schloss hinter dem Dunkelhaarigen die Türe. Nachdem er sich seines Obergewandes entledigt hatte und nur noch im Untergewand vor ihr stand, war Helia bewusst, dass er ihre Worte tatsächlich ernst nahm. Er würde bei ihr bleiben, bis sie eingeschlafen war und sie erst dann verlassen. Der Gedanke des verlassen werden schnitt wie eine Klinge in Helias Herz und ließ sie für einen kurzen Augenblick ihren Blick abwenden. Der Furier sollte nicht mitbekommen, wie sehr es sie schmerzte nur seine Geliebte sein zu dürfen. Auch wenn dies bereits mehr war als sie es sich jemals erträumt hatte. Doch wie würde er reagieren, sollte sie doch eines Tages einen Ehegatten an ihrer Seite haben und mit ihm einige Kinder? Würde er sie dann auch weiterhin unterstützen oder sie einfach von sich stoßen, als hätte es ihr kleines Abenteuer niemals gegeben? Nachdenklich blickte Helia in das Wasser der Waschschüssel und benetzte ihre Finger damit, bevor sie sich über Gesicht und Hals strich. Erst nachdem sie sich etwas erfrischt hatte, wandte sie sich dem Bett zu und bemerkte wie der Römer seine Arme nach ihr ausgestreckt hatte. Deutlicher hätte er ihr nicht zeigen können, dass er sie an seiner Seite im Bett wünschte.


    Leichtfüßig trat Helia somit an das Bett heran und ließ sich auf die weiche Bettstatt gleiten, direkt hinein in des Furiers Arme. Zärtlich lächelte sie den Dunkelhaarigen an, als sie sich eng an ihn schmiegte.


    “Bist du etwa schon müde?“


    Neckte Helia den Älteren und streichelte zart mit ihren Fingerspitzen über seine Brust, während sie ihren Kopf an seine Schulter bettete.


    “Du meintest, dass du dir wünscht ich würde einen ehrbaren Gemahl finden und ihm einige Kinder schenken. Hast du das wirklich ernst gemeint?“


    Erkundigte sich Helia mit einem fragenden Ausdruck in ihren gräulich schillernden Seelenspiegeln, nachdem sie sich leicht erhoben hatte und sich über den Furier beugte. Dabei blickte sie ihm tief in die Augen.


    “Ich weiß das du die Karriereleiter empor klettern wirst und das dir deine Gemahlin dabei helfen wird. Dann wirst du mich langsam aber sicher vergessen.“


    Etwas traurig wirkte Helia dann doch bei diesen Worten, während sie sich tiefer beugte und dem Furier einen zarten Kuss auf die Lippen hauchte.

  • Re: Omne animal post coitum triste

    "Ich habe es ernst gemeint, dass du heiraten solltest. Ich möchte, dass du glücklich bist, und ich werde dich nicht glücklich machen", erwiderte Saturninus: "Wärst du eine wirkliche Hetäre, so würden dich Gold und Silber zufriedenstellen. Du aber wünschst dir von mir, dass ich in der Nacht bei dir bleibe. Du möchtest in meinen Armen einschlafen. Und es verletzt dich, wenn ich von Stallia Sextilla spreche. ",

    er zog Helias Kopf an seine Brust, streichelte ihr feines Mondscheinhaar:

    "Eine Hetäre würde darüber nur lachen. Du jedoch nicht ", fuhr er fort:

    "Nein, ich will dich gar nicht vergessen. Aber unglücklich machen will ich dich auch nicht. Wenn du heiraten willst, statte ich dich mit allem aus, was du brauchst. Du könntest sogar einen römischen Bürger aus bescheidenen Verhältnissen heiraten. Dann wären deine Kinder sogleich Römer. Und du auch nach dem ersten Kind, das am Leben bleibt"

    Saturninus würde für die Acciana sorgen, soweit er es vermochte. Sie konnte einen Handwerker oder sonstiges heiraten, vielleicht sogar jemanden aus seiner Mosaikwerkstatt. Dann war sie versorgt. Und das würde nicht bedeuten, dass er sie nicht wieder sehen würde. Er mochte Helia sehr gerne, und er begehrte sie.

    Nun schaute die junge Liberta traurig drein. Sie drückte ihm einen zarten Kuss auf die Lippen, und er umschlang ihren Nacken, zog sie an sich und küsste sie leidenschaftlich.

  • Omne animal post coitum triste

    Als der Furier erklärte das nicht er sie glücklich machen würde, schluckte Helia hart und wandte für einen kurzen Augenblick ihren Kopf ab. Der Ältere sollte nicht bemerken das Tränen in ihren Augen glänzten. Denn diese Blöße würde sie sich ihm gegenüber niemals erlauben. Dazu war die Weißblonde dann doch zu stolz. Und so atmete die Freigelassene tief durch, eh‘ sie sich dem Furier erneut zuwandte und ihren Kopf leicht auf die Seite neigte.


    “Ich bin eine Libertina Aulus. Ein Schankmädchen. Wie kann ich da eine Hetäre sein. Ist es das was du dir wünscht?“


    Wollte Helia mit einem fragenden Klang in ihrer Stimme wissen, wobei sie dem Dunkelhaarigen direkt entgegen blickte.


    “Ist es denn verwunderlich das es mich verletzt, wenn du derart liebevoll über deine Gemahlin sprichst? Einen Status, den ich niemals an deiner Seite erlangen werde.“


    Bei diesen Worten huschte ein leichtes Lächeln über ihre Lippen und sie streichelte dem jungen Römer zart über die Wange.


    “Ich werde im ‘Blinden Esel‘ als Schankmädchen arbeiten. Und mich freuen wenn du mich ab- und an besuchst. Wenn es deine Verpflichtungen gegenüber deiner Ehefrau und deines Amtes zulassen.“


    Jetzt blickte Helia mit einem nachdenklichen Glanz in ihren gräulich schillernden Seelenspiegeln. Als sie das Feuer der Leidenschaft in seinen Augen aufflackern sehen konnte und im nächsten Augenblick seinen lustvollen Kuss spürte. Jenen Kuss erwiederte die Acciana hingebungsvoll und wusste das es verboten war was sie hier taten.


    Doch schließlich war es die junge Frau, die sich schwer atmend von dem Dunkelhaarigen löste.


    “Ich möchte dich nicht allzu lange von deinen Verpflichten abhalten Aulus.“


    Ernste Stimmlage der jungen Libertina.

  • Re: Omne animal post coitum triste


    "Bei einer geschäftlichen Beziehung weiß ein jeder, woran er ist. Niemand wird verletzt, schon gar nicht in seinen Gefühlen.", er hatte die Helia an sich gezogen und streifte mit den Lippen ihren weißen Hals und ihren Nacken:

    "Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst: Es macht mir keinen Spaß, jemanden unglücklich zu machen. Schon gar nicht dich. Ich mag dich sehr.", er begann ihr zärtliche kleine Bisse zu versetzen:

    "Es ist gut, wenn sich zwischen uns nichts ändert. Wenn du lieber ledig bleibst, so sei es so. Aber - äh, du triffst doch Vorkehrungen, um nicht schwanger zu werden? "

    Saturninus dachte daran, dass seine Sextilla schwanger war. Doch das würde er Helia nicht auf die Nase binden, da sie ihn gebeten hatte, nicht mehr über seine Gattin zu reden. Er selbst fand, dass die Schwangerschaft Sextilla nicht gut bekam. Sie übergab sich die ganze Zeit:

    "Verpflichtungen - ja. Aber was würdest du von zwei, drei Tagen in anderer Umgebung halten? Ich muss ab und zu nach Portus Ostiensis. Es ist eher ein Arbeitsurlaub, denn ich habe im Hafen zu tun, doch wir könnten uns in einer Taberna einmieten, und ja, dort gibt es Meer. Warst du schon einmal am Meer, Acciana Helia? Wie wäre es mit dem dritten bis zum fünften Iuli, da sind Feriae Iovi. Bis zu den Ludi, an denen dich dein neuer Chef bestimmt in der Taberna braucht, sind wir wieder in Roma. "

  • Omne animal post coitum triste

    “Geschäftliche Beziehung? Das klingt so kalt. So unpersönlich.“


    Erwiederte die junge Frau auf des Aulus Worte und schmiegte sich im nächsten Moment in seine Arme, als er sie näher zog. Seine Lippenberührung ließ Helia dann sachte erschauern und sich unwillkürlich enger an den Dunkelhaarigen schmiegen.


    “Ich verberge mein unglücklich-sein tief in mir. So bemerkst du es gar nicht.“


    Jetzt lächelte Helia tapfer und streichelte dem Älteren zart über die Wange. Bevor sie ihre Augen zu schließen begann, als sie seine Liebkosungen an ihrem Hals spürte, wie er ihrer Haut Liebesbisse zufügte.


    “Ich weiß wie man verhütet Aulus.“


    Jetzt wirkte Helia mit einem mal vollkommen ernst und hob ihren Kopf an, um dem Älteren direkt entgegen blicken zu können.


    “Es würde deiner Karriere schaden, sollte bekannt werden, dass du der Vater eines unehelichen Kindes bist.“


    Noch immer blickte die Weißblonde mit diesem ernsten Ausdruck auf ihrem Gesicht und schüttelte schließlich kaum merklich ihren Kopf.


    “Wie soll ich denn noch arbeiten, wenn ich mich auch noch um ein kleines Kind kümmern muss. Nein. Das würde nicht funktionieren.“


    Wirkte Helia da etwa betrübt darüber, dass sie niemals ein winziges Bündel Mensch in ihren Armen halten würde? Schließlich konnte sie sich lediglich vorstellen, mit dem Furier ein Kind in die Welt zu setzen.


    Bei dem Vorschlag des Römers, leuchteten Helias Augen dann doch auf vor Freude und jenes leuchten ließ auch ihr Antlitz von einem warmen Schimmer erhellen.


    “Ich war noch nie am Meer Aulus. Ich weiß nur dass das Meer blau ist und die Wellen rauschen.. Ich würde mich sehr freuen, mit dir diese Zeit am Meer zu verbringen.“


    Bei diesen Worten entwich ihrer Kehle ein leises Lachen, als ihr bewusst wurde, wie naiv sie im Grunde doch noch war. Schließlich hatte sie außer den Tavernen ihres verstorbenen Dominus noch nichts von der Welt gesehen. Aber dies hatten äußerst viele Bewohner der Urbs Aeterna, somit stand Helia damit nicht alleine da.


    “Vom dritten bis zum fünften Iuli? Ich muss meinen neuen Chef fragen, ob er mir für diese Zeit freigibt. Während den Ludi werden wir alle Hände voll zu tun haben.“


    Überlegend wiegte Helia ihren Kopf von einer Seite auf die andere, wobei sie ihren Zeigefinger gegen ihre Lippen bettete.


    “Ich werde dich in einem Brief in Kenntnis setzen, wie mein Chef entschieden hat.“