[Große Treppe] Ein makelhafter Phönixaufstieg

  • Bei den Griechen hatte es einst einen Mann gegeben, dessen Name Herodot gewesen war. Dieser hatte im zweiten Buch seiner "Historíai" von einem sonderbaren heiligen Vogel berichtet. Größe und Gestalt waren die eines Adlers mit rotem und goldenen Gefieder. Die Benennung dieses Vogels war "Phoínix". Phönix konnte viele hundert Jahre alt werden, doch wann immer seine Zeit zu sterben gekommen war, ereignete sich etwas wundervolles. Phönix baute sich ein Nest und ging in Flammen auf, zurück blieb nur ein Häufchen Asche und.. ein Ei. Daraus schlüpfte er dann als wiedererstandener junger Vogel. So folgte der Zyklus des Phönix einem ewigen Ablauf von Geburt und Tod, ähnlich dem Aufstieg und dem Untergang der Sonne, weshalb es geradezu prädestiniert schien den Phönix als Vergleich für die Königsherrschaft der parthischen Regenten herzunehmen, wie sich Mithridates am Tage seiner Krönung dachte, denn genauso wie die parthische Sonne mit jedem gestorbenen Großkönig unterging, so stieg sie mit seinem Sohn als neuen Regenten und neuen Phönix wieder auf, um den ewigen Kreis der Herrschaft fortzusetzen.


    Nach dem Tode von Großkönig Osroes war die bildhafte parthische Sonne vierzig Tage verschwunden geblieben, denn so lange hatte die Trauerzeit angedauert. Während dieser Phase gab es keine Jagden und keine Festgelage im Großen Königspalast. Alle Völker des Reiches hatten Söhne und hochrangige Dienstherren zur Bestattung von Osroes entsandt zur Erweisung der letzten Ehre. Während der Trauerzeit hatten in allen Königsstädten und Satrapensitzen tausende von Sklaven zu jeder vollen Stunde Gebete an Ahura Mazda skandiert, damit der Aufstieg der Seele des Verblichenen beschleunigt werden mochte. In einem riesigen Zug hatte sich der königliche Hof mitsamt all seiner Vasallen von Ktesiphon aus in die ungefähr 64 Parasang* entfernte Königsstadt Ekbatana begeben, der traditionellen Grablege, sowohl der alten persischen Achmänidenkönige, als auch der heutigen parthischen Arsakiden. Das Grabmal des Osroes war innen vollständig mit Gold ausgekleidet, das sich nicht zersetzen würde und auch die Grabwächter hatte man nur unter den Besten ausgesucht nach Schönheit und kriegerischer Qualität. Jeder von ihnen hatte willig den tödlichen Hieb in die Brust empfangen, auf dass sie auf ewig ihren König beschützen konnten im Totenreich. Die Leichen wurden in einer strengen Anordnung, mit Ausrichtung zum Grabeingang um den goldenen Thron herum verteilt, auf dem Osroes für immer ruhen sollte. Eine große Ehre für eine jede Familie eine Wache für das Grab stellen zu dürfen, an ihre Namen würde man sich zusammen mit dem des Königs für immer erinnern und ihre Familien stiegen eine Stufe nach oben in der gesellschaftlichen Ehrenleiter. Am letzten Tag in der Gruft war Mithridates noch lange Zeit alleine bei seinem toten Vater gewesen, um sich mit ihm zu beratschlagen und ihm die letzte Ehre zu erweisen. Klagendes Weinen und geraunte Geheimnisse drangen an das taube Ohr des Osroes. Danach war es getan und alle verließen das Grabmal. Während des Baus hatten die Steinmetze und Arbeiter eine hölzerne Treppe benutzt, um hoch zum Grabeingang zu gelangen. Diese wurde jetzt niedergerissen, woraufhin die Pforte der letzten Ruhestätte unerreichbar hoch in der Klippe lag, in die das Grab geschlagen worden war, ähnlich einem in Stein gehauenen Fenster.


    Vierzig Tage lang war die bildhafte parthische Sonne verschwunden, war der Phönix in seinem Ei geblieben, doch heute mit der Krönung Mithridates' in Ktesiphon würde sich dies ändern und der ewige Kreis der Herrschaft von neuem beginnen. Mit ihm als neuer König würde sie wieder über den Horizont steigen und heller und strahlender scheinen als nie zuvor, der imaginierte Phönix würde in einer gewaltigen Flammenzunge wiedergeboren neu zum Himmel emporsteigen und dabei ein Lied singen, das alle Untertanen mit Ehrfurcht und alle Feinde mit Panik erfüllen würde mit der immergleichen Botschaft; es gab einen neuen König, die Macht Parthiens war zurückgekehrt.


    Sim-Off:

    * = ca. 409 km
    Parasang = altes persisches Längenmaß von ca. einer Reitstunde = 6,4 km

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  • Am Tage der Krönung war alles perfekt arrangiert. Sogar die Götter hatten Mithridates ihren Segen erteilt, indem sie das beste nur denkbare Wetter beisteuerten, das man sich für eine solche Zeremonie nur denken konnte. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel herab und durch eine sanfte Brise war es nicht zu heiß, sondern genau richtig. Die Einwohner der Hauptstadt hatten schon Wochen vor dem großen Tag damit begonnen ihre Häuser auf Vordermann zu bringen. Da waren Fassaden geschrubbt und Blumengirlanden geflochten worden, damit alles für heute prächtig herausgeputzt schien. Die Trauerzeit um König Osroes war mit seinem Begräbnis zu Ende gegangen und heute sollte es ein Tag der Freude werden Alle Frauen und Männer trugen ihre besten Sachen und die freien parthischen Männer wiesen ihre Sklaven an auch ihre Rösser zu striegeln und mit dem besten im Haus weilenden Sattel und Zaumzeug zu versehen, damit sie ihrem neuen König beritten die Ehre erweisen konnten, genau wie echte Parther. Selbiges Spiel setzte sich auch im Großen Königspalast fort, doch dort natürlich in viel größerem Maßstab. Viel Volk von außerhalb strömte auch schon seit Tagen nach Ktesiphon, um an der Krönungszeremonie teilzunehmen, doch ein guter Teil der freien Zimmer der Stadt war ohnehin schon belegt von, anlässlich von König Osroes Begräbnis angereisten Menschen und Edelleuten, die danach gleich in der Hauptstadt verblieben war. Alle Zweige der Königsfamilie kam ebenfalls zu Mithridates' großem Tag und nur einige wenige blieben mit der Entschuldigung fern, dass ihre königlichen Pflichten sie momentan nicht fort ließen.


    Der Schauplatz des ersten Aktes des kommenden Schauspiels war die Große Treppe des Palastes, die ihn mit dem Rest der Stadt verband. Vor ihr hatte sich das gemeine Volk entlang zu beiden Seiten der Hauptstraße versammelt, jeder darin bestrebt einen möglichst gute Sicht auf den oberen Treppenabsatz zu haben, bei dem Mithridates schon bald erscheinen sollte.

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  • Die Große Treppe des Königspalasts bildete den Endpunkt der zentralen Hauptstraße Ktesiphons und erhob sich mittels 243 Stufen gut 31 Arsani* in die Höhe, da der eigentliche Palastkomplex auf einem kleinen Felsplateau errichtet worden war, um ihn noch größer und ehrfurchtgebietender erscheinen zu lassen und jedem Sterblichen zu beweisen, dass hier das Herz der Welt schlug. Die Treppe mündete unmittelbar in einer Plattform mit einem steinernen Pavillon, bestehend aus vier kräftigen Säulen und einer Überdachung persischen Stils, der dem Torhaus zum eigentlichen Palast vorgelagert, aber baulich von diesem immer noch abgetrennt war. Das obere Ende der Großen Treppe flankierte zudem zu beiden Seiten je eine große Statue eines Lamassu, eines alten mesopotamischen Schutzdämons mit dem Körper eines Stiers, den Schwingen eines Adlers und dem bärtigen Gesicht eines Menschen.


    Im vorderen Teil des Pavillons, nahe der Treppe, war der goldene Königsthron aufgestellt worden, rund um ihn herum hatten sich auch schon die Mitglieder des Großen Rats versammelt, bestehend aus den arsakidischen Familienmitgliedern und den magoi, dem Orden der Weisen und der Magier. Die königlichen Familienmitglieder bildeten einen von zwei königlichen Räten, die Magier den anderen Rat. Die beiden Räte zusammen bildeten den Großen Rat des parthischen Großkönigs. Die Familienmitglieder hatten sich links des Throns versammelt, die Magier rechts von ihm. In der Mitte dieser Szenerie, genau vor dem Thron, stand Arsames Surena, das Oberhaupt der Surena, einer Nebenlinie der arsakidischen Dynastie, am Rande der Treppe und blickte hinab auf das Volk. Es war Sitte, dass das Familienoberhaupt von Haus Surena den parthischen Großkönig krönte, so hatte Arsames Surena auch heute die Ehre Mithridates zu krönen. Als alles bereit war hob er einen Arm als Initialzeichen und das Spektakel begann. Trompeten erklangen und und ein langsamer Trommelrythmus setzte ein, während das versammelte Volk die Köpfe wendete, weg vom Palast und die Hauptstraße entlang zum Stadttor Ktesiphons in der entgegengesetzten Richtung. Dort war auf den ersten Trompetenschall hin eine Prozession erschienen, die langsam in Richtung des Palastes zog. Es waren die Großen des Reichs, angeführt zuvorderst von den Satrapenkönigen der tributpflichtigen parthischen Teilreiche, entsprechend ihres Rangs angeordnet. Ganz vorne ritten jene Satrapenkönige, die direkte Familienmitglieder der arsakidischen Dynastie waren, so als erster der König von Armenien, Vologases II.** auf einem prächtigen Apfelschimmel, dicht gefolgt vom König von Media Atropatene. König Ma'nu von Hatra, auf einem pechschwarzen Araber, führte die mit dem parthischen Herrscherhaus nicht verwandten Vasallenherrscher an, gefolgt von König Darayan von Persis. Und so zogen dem Range nach alle übrigen Satrapenkönige und nach ihnen die einfachen Satrapen hoch zu Ross über die Hauptstraße. Hinter den Satrapen ritten dann die Oberhäupter der sieben großen Adelsfamilien Parthiens, von Haus Kāren, von Spandiyadh, von Mihrān, von Varaz, von Aspahbadh und von Zikan. Nur das Oberhaupt von Haus Surena fehlte bei diesem Zug, weil Arsames Surena ja bereits vor dem Throne stand. Hinter den Familienoberhäuptern der sieben großen Familien folgten die Kleinadeligen Ktesiphons. Nach ihnen dann jeweils zu Fuß zwei Männer nebeneinander aus allen unterworfenen Völkern aus jedem Winkel Parthiens mit landestypischen Geschenken in ihren Händen und gekleidet in ihrer jeweiligen lokalen Volkstracht.


    Als die Prozession die Große Treppe erreichte, stiegen die Vordersten von ihren Pferden ab und erklommen zu Fuß die Stufen hoch zum Palast. Dabei teilten sie sich in eine linke Reihe und eine rechte Reihe zu beiden Seiten der insgesamt 48 Arsani*** breiten Treppe auf. König Vologases II. von Armenien führte die Reihe zur linken an, Artavasdes III. von Media Atropatene die rechte. Einige Stufen unterhalb des obersten Treppenabsatzes blieben beide stehen und drehten sich einander zu, was auch die, ihnen nachfolgenden Treppenpaare so handhabten, damit am Ende beide Reihen eine Art Spalier die Treppe hinauf bildeten, deren Abschluss der wartende Arsames Surena ganz oben war. Die Paare der unterworfenen Völker passten nicht mehr auf die Treppe und setzten stattdessen das Spalier zu ebener Erde auf der Hauptstraße bis zum letzten Prozessionsmitglied fort. Dann waren alle Akteure in Stellung gebracht. Die Trommler schlugen ihre letzten Takte, dann verstummten sie.

    Eine Weile blieb es still, bis die Trompeten erneut erklangen, dieses Mal jedoch pompöser und kraftvoller als Ankündigung des Erscheinens der Hauptperson; Mithridates der Arsakide, Sohn des Osroes.


    Sim-Off:

    * = altes persisches Längenmaß, 1 Arsani (Elle) = 64 cm -> 31 Arsani = 20 Meter
    ** = Die parthischen Satrapenkönige sind hier noch einmal in einer Übersicht dargestellt.
    *** = 48 Arsani = 30 Meter, rein von der Höhe und der Breite kann man die Große Treppe des Königspalasts von den Dimensionen her mit der Spanischen Treppe in Rom vergleichen, natürlich ohne die Zwischplattform und die verbreiterten Teilstufen weiter oben.

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  • Mithridates erschien am selben Ausgangspunkt wie zuvor die Prozession. Er ritt einen makellosen Schimmel und war in eine nomadische Tracht gekleidet. So trug er weite Reiterhosen, einen mehrfach gewundenen Halsreif mit Tierkopfenden und eine verzierte Wickeljacke, die vorne übereinandergeschlagen und mit einem Gürtel zusammengehalten wurde. Im Gürtel steckte auf der linken Seite Mithridates' Krummschwert, ein obligatorisches Attribut für einen jeden freien Parther. Auf dem Kopf trug er einen Baschlik, einen weichen Lederhut bzw. eine kapuzenartige Ledermütze mit zwei langen Zipfeln links und rechts des Hauptes, die wahlweise auch um den Hals geschlungen werden konnten, eine typische Kopfbedeckung der nomadischen Reitervölker Asiens. Mithridates wirkte in seiner ganzen Aufmachung genau so, als hätte er gerade erst einen Nomadenstamm aus dem Osten hierher geführt. Dies war Absicht, um jedem zu zeigen, dass sich die Parther ihrer Wurzeln bewusst und stolz auf sie waren. So ritt Mithridates die Hauptstraße entlang, vorbei an all den versammelten Sklaven und den Frauen und hinter ihnen die freien parthischen Männer auf ihren Pferden. Jeder blickte Mithridates an, doch niemand verbeugte sich vor ihm, denn noch war er ja nicht gekrönt. Begleitet wurde Mithridates' Zug durch Ktesiphon wieder durch einen Trommelrythmus, doch war er jetzt ebenfalls schneller und kräftiger, als zuvor bei der Prozession. Alles während der Krönungszeremonie hatte irgendeine symbolische Bedeutung, so auch der nächste Akt, als Mithridates das Ehrenspalier der Großen des Reichs erreichte und nicht vor der Großen Treppe von seinem Hengst abstieg, sondern zwischen den Adeligen, Satrapen und Vasallenkönigen vorbei einfach die Stufen zum Palast hinaufritt. Er war der große Mann, der sich mit dem Treppenaufstieg über alle anderen erhob, selbst über Könige und der dort ritt, wo andere zu Fuß gehen mussten.

    Oben angekommen steuerte Mithridates seinen Schimmel an Arsames Surena vorbei in eine Lücke zwischen dem Thron und den versammelten magoi. Hinter dem Thron hielt er an und stieg ab. Dort war er dem Blickfeld der Menge entzogen, hier sollte sein treues Ross auf ihn warten, bis er es wieder benötigte.

    Zu Fuß trat Mithridates wieder vor den Thron und stellte sich an jenen zentralen Standort vor dem Thron, direkt an der Treppe, an dem gerade zuvor noch Arsames Surena gestanden hatte.


    Das parthische Königtum war eine Kombination verschiedener separater Herrscherwürden, ähnlich wie einst bei den Pharaonen Ägyptens mit ihrer Herrschaft über sowohl Unterägypten, als auch Oberägypten, visualisiert durch die rot-weiße Doppelkrone. Im Falle der Parther war dies die Herrschaft als Stammesführer über alle nomadischen Reitervölker des Reichs (wie die Parther ja selbst ein solches waren), die vor allem in den östlichen Satrapien lebten, der Anspruch auf die Nachfolge Alexanders des Großen über alle Griechen und Makedonen in Mesopotamien und das persische Großkönigtum der alten Achmäniden als Herrschaftszeichen über alle unterworfenen Könige und deren Völker. Jedes dieser Elemente sollte nun zum tragen kommen. Zuerst wurde Mithridates sein Baschlik von einem Diener hinter ihm abgenommen, während Arsames Surena von einem anderen Unfreien, der ein Kissen hielt, die darauf ruhende Tiara entgegennahm. Die Tiara war mit Perlen, Gemmen, Smaragden und Hyazinthen verziert und war ein typisch nomadisches Symbol eines Herrschers aus eigener Macht. Arsames Surena trat zur rechten Mithridates und präsentierte dem versammelten Volk mit erhobenen Armen die Tiara. "Mithradata, Hēnzāvar!* Herr der Parni!"

    Dann setzte er sie Mithridates auf. Die parthischen Männer im Volk zogen auf dem Rücken ihrer Pferde ihre Krummsäbel und reckten sie in die Höhe, während sie wilde Jubelrufe ausstießen. Die Frauen, die nichtparthischen Zuseher, wie auch die Mitglieder des Spaliers blieben jedoch stumm und regungslos.


    Danach nahm Arsames Surena die Tiara wieder von Mithridates' Haupt und legte sie zurück auf ihr Kissen. Als nächstes nahm er Mithridates seinen Halsreif ab und zog ihm die Jacke aus, sodass der König nur noch seine Hose und seinen Gürtel trug. Ein weißer Chiton wurde Arsames Surena gereicht, der diesen Mithridates anlegte, während aus den Reihen der Satrapenkönige Theonesios IV., König der Charakene, hervortrat und die restlichen Stufen zum Pavillon emporstieg. Dort stellte er sich neben Arsames Surena und nahm von einem Diener eine purpurne Chlamys entgegen. Der Grieche hielt den Mantel für einen Moment vor dem Volk in die Höhe, dann legte er ihn demonstrativ Mithridates um und zog sich danach auf seinen Platz im Spalier auf der Treppe zurück. Arsames Surena nahm von einem anderen, von einem Diener gehaltenen, Kissen eine sehr lange weiße Stirnbinde und band sie Mithridates um den Kopf, sodass die überhängenden Enden über seinen Rücken fielen. Dies war ein Diadem, ein griechisch-makedonisches Zeichen königlicher Würde. Nur die parthischen Großkönige durften ein weißes Diadem als Zeichen ihrer Macht tragen, alle übrigen Vasallenkönige mussten sich mit andersfarbigen Diademen begnügen. Nachdem Arsames Surena Mithridates das Diadem umwunden hatte, rief er dem Volk zu: "Mithradates, Basileios! Bezwinger des Siegreichen!**"

    Dieses Mal teilten alle im Volk ihre Zustimmung durch laute Rufe mit, auch der Großteil des Spaliers. Die einzige Ausnahme bildeten die regungslos bleibenden Vasallenkönige, da sie einem Ranggleichen nicht zuzujubeln brauchten.


    Jetzt fehlte nur noch die letzte und eigentliche Krönung; die zum Großkönig Parthiens.


    Sim-Off:

    * = Der Name "Mithridates" wird hier in seiner ursprünglichen persischen Form dargestellt. "Hēnzāvar" ist ein parthischer Titel und soll hier stellvertretend für die Herrschaft als nomadischer Stammesführer stehen.


    Sim-Off:

    ** = Der Name "Mithridates" wird hier so geschrieben, wie er für gewöhnlich in griechischen Quellen auftaucht und mit "Basileios", also "König" betitelt. Der Zusatz "Bezwinger des Siegreichen" fungiert als Prestigetitel zu Ehren der parthischen Großkönige und zur ewigen Schande der untergegangenen Seleukiden und soll darauf anspielen, dass einst der erste parthische König, Arsakes I., alle Versuche des Seleukidenherrschers Seleukos II. (dessen Beiname "der Siegreiche" gewesen war) zunichte gemacht hatte, die durch die Parther eroberten Gebiete wieder zurückzugewinnen und ihre erklärte Unabhängigkeit vom seleukidischen Thron rückgängig zu machen.

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  • Während Mithridates zum Basileios gekrönt worden und danach wieder der Chlamys entledigt worden war (das Diadem behielt er auf seinem Haupte), war auch im Volke Bewegung aufgekommen. Denn jetzt für den letzten und wichtigsten Akt der eigentlichen Krönungszeremonie war es bald schon nötig, dass die versammelten Parther mit ihren eigenen Füßen auf dem Boden standen, um sich zu gegebener Zeit nach alter persischer Sitte vor ihrem neuen Großkönig niederwerfen zu können. Als stolze Parther auf dem Rücken ihrer Pferde hatten sie Mithridates ja bereits ihren Respekt gezollt, als er zum Hēnzāvar ausgerufen worden war, nun würde die persische Krönungsweise folgen. Deshalb stiegen sie alle jetzt von ihren Pferden und ein bereitstehender Sklave ergriff den Gaul ihres Herrn am Zügel, um ihn nachhause in den Stall zu führen. Dies dauerte einige Zeit und hier und dort gab es ein wenig Gedrängel, jedoch nutzte diese die versammelte Schar oben am Pavillon für ihre eigenen Vorbereitungen. Die Diener, die in ihren Händen Chlamys, Wickeljacke, Baschlik und Halsreif hielten, wurden nicht mehr benötigt und entfernten sich, um die Kleidungsstücke zurück in den Palast zu bringen. Dafür erschienen fünf andere Diener mit Kissen in ihren Händen, die jeweils einen anderen Gegenstand, bzw. ein bestimmtes Kleidungsstück trugen, die Insignien eines Großkönigs.

    Auch bei Mithridates musste kurz etwas umgekleidet werden. Sein Gürtel mitsamt des Krummschwerts war ja noch unterhalb des Chitons, was jetzt geändert werden musste. Nach der Entfernung der Chlamys griff Mithridates unter den Chiton und zog sein Krummschwert, damit ein Diener unter das Kleidungsstück greifen und den Gürtel lösen konnte (das Schwert selbst gab Mithridates nicht aus der Hand, wie dies kein ehrenhafter Parther je tun würde). Nachdem der Gürtel ab war, wurde der Chiton wieder gerichtet und glatt gestrichen und anschließend der Gürtel über diesem erneut angelegt, damit er später direkt unter der nächsten Kleidungsschicht saß, die da gleich kommen mochte. Mithridates steckte seine Waffe wieder zurück in den Gürtel. Nun trug er seine Schuhe und seine seidenen Reiterhosen, darüber den Chiton mit dem Gürtel und dem Krummschwert und auf seinem Haupte immer noch das Diadem.


    Das Spalier auf der Treppe indes hatte neben den absitzenden Parthern und dem Umkleiden Mithridates' auch eine Kleinigkeit zu tun gehabt. Die Vasallenkönige, Satrapen, Adeligen, Kleinadeligen und die Volksrepräsentanten waren jeweils zu ihrem gegenüberstehenden Spalierpartner in die Mitte der Großen Treppe getreten und hatten sich dort dann nebeneinanderstehend mit ihrer Blickrichtung nach vorne, zu Mithridates gewandt, sodass jetzt wirklich alle Anwesenden auf den König ausgerichtet waren.


    Nachdem wieder allgemeine Ruhe eingekehrt und alles bereit war, kam der nächste Teil an die Reihe. Arsames Surena gab ein Zeichen, woraufhin drei der vorhin neu erschienen Diener mit ihren Kissen vortraten. Auf dem ersten lagen goldene Ohrringe (schon seit den Achmäniden ein königliches Attribut), auf dem zweiten ein prunkvoller Halsreif voller Edelsteine und auf dem dritten Kissen zusammengefaltet ein purpurnes Kandys als großkönigliches Throngewand. Der Kandys war ein langes wallendes Gewand nach der Mode der Meder, der einen V-förmigen Ausschnitt besaß und mit goldenen Broschen zusammengehalten wurde. Er wurde mehr wie ein Mantel, denn eine Tunika über den Schultern getragen und seine sehr eng genähten Ärmel blieben für gewöhnlich leer. Die Sklaven legten Mithridates die Ohrringe und den edelsteinbesetzten Halsreif an, das Kandys jedoch nahm Arsames Surena selbst in die Hand. Dann stellte er sich damit vor den König mit dem Rücken zum Volk und hielt vor ihm mit beiden Händen das Kleidungsstück hoch und sprach einige pathosreiche Worte, die jedoch schon ab der Mitte der Großen Treppe niemand mehr verstehen konnte, da der Surenier in normaler Lautstärke einzig zu Mithridates sprach. Dann legte er ihm den Kandys an und Mithridates setzte sich erstmals seit Beginn der Zeremonie auf dem goldenen Thron nieder. Die Trompeten erschollen zu einer kurzen Fanfare und das Volk jubelte, doch mit der Inthronisation war es noch nicht ganz getan. Denn als nächstes nahm Arsames Surena vom vierten der fünf Kissen ein langes stabähnliches Zepter, ganz aus Gold, auf und hielt auch dieses vor Osroes' Sohn hoch und sprach einige salbungsvollen Worte. Dann überreichte er es Mithridates. Das Zepter war ein weiteres altpersisches Zeichen königlicher Gewalt. Jetzt fehlte nur noch das letzte der fünf Kissen, auf diesem lag ein goldener Ring.


    Der Anführer der magoi trat vor und rief neben Mithridates' Thron stehend den Segen Ahura Mazdas und der übrigen Götter herbei. Dann nahm er den Ring und hielt ihn mit einer erneuten Anrufung der Götter für einen Moment in die Höhe, auch damit alle Anwesenden ihn selbst sehen konnten. Denn dieser Ring nahm eine äußerst wichtige Stelle während der Krönungszeremonie ein. Mit dem Umwinden des Diadems und der Thronsetzung auf dem herrschaftlichen Gestühl war Mithridates bereits seine weltliche Macht verliehen worden, fehlte also nur noch der Segen der Götter, welcher durch den vom Obersten Magier der magoi verliehenen Ring symbolisiert wurde. Der Ring stellte eine göttliche Bestätigung und ein Sinnbild für den Vertrag zwischen den Göttern und dem legitimen Herrscher dar, der niemals gebrochen werden durfte. Die zoroastrische Gottheit Mithra wachte über die Einhaltung dieses heiligen Bunds. Mit ihm erfolgte quasi die Übergabe der "göttlichen Herrlichkeit" und des "königlichen Glücks" von den Göttern an den legitimen Herrscher Parthiens. In der Vorstellung der Parther übergab auch nicht der Oberste Magier den Ring an den König, sondern die Göttin Tyche, die in ihrer parthischen Erscheinung die Göttin des Schicksals und des Wohlergehens und eine der höchsten und wichtigsten Gottheiten Parthiens war. So also reckte der Oberste Magier den Ring empor und rief die Götter um ihre Gunst an.

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  • Die Göttin Fortuna trug in den Tempeln der Hellenen den Namen Tyche, ebenso wie auch bei den Parthern. Von den Seleukiden übernommen war Tyche sehr schnell sehr beliebt bei den Parthern geworden, was der Göttin ungemein schmeichelte. Eine derart intensive Verehrung im Range einer der hohen Götter erfuhr sie bei den Griechen und Römern für gewöhnlich nicht, weshalb sie sich jedes Mal um so mehr freute, wenn sie das nächste Mal nach Parthien düsen konnte, um z.B. bei der Krönung eines ihrer Monarchen khvarrah, die "göttliche Herrlichkeit" und das "königliche Glück" zu übergeben, wie es die Parther mit ihren zoroastrischen Begriffen auszudrücken pflegten.


    Heute war wieder einmal so ein Tag. Sie saß auf einer gemütlichen Wolke am Olymp, als sie da plötzlich eine Anrufung spürte. Die Stimme war parthisch! Interessiert blickte sie über ihre Wolke und spähte hinab auf die Erde. Ja wirklich! In Parthien fand gerade eine dieser netten kleinen Krönungen statt und der Anführer des Ordens der Magier hielt den Ring hoch, um ihre Gunst zu beschwören! Ei, wie herrlich! Sofort schwang Tyche einmal kräftig mit ihren Flügeln und schon war sie auf den Beinen. Dann noch schnell ihr goldenes Zepter und die Mauerkrone hervorgekramt (diese beiden Attribute trug sie immer, wenn sie im Osten unterwegs war) und schon flitzte sie los. Sie liebte einfach diese Investurszenen bei denen sie eine so wichtige Rolle einnehmen durfte, ach, wenn ihr so etwas nur auch in Rom möglich wäre, aber nein, dort ging natürlich nichts über die ganz hohen Tiere wie Iuppiter und die anderen Olympier. Nun sie mochte jedenfalls nicht meckern.


    In Ktesiphon angekommen stoppte Tyche über dem Palast. Der magoi hielt brav den Ring in die Höhe mit dem symbolisch die göttlichen Gaben an den Großkönig übergeben werden sollten. Tyche liebte es, wie diese Investurszene durch sie auf vielen parthischen Silberdrachmen dargestellt wurde, für gewöhnlich wurde sie dort derart dargestellt, dass sie dem König ein Diadem, einen Palmwedel, oder eben einen Ring überbrachte. Natürlich sollte auch Mithridates die von ihr erflehte Gunst zu teil werden. Als Zeichen ihres Wohlwollens hätte sie daher am liebsten drei Tauben über den Himmel fliegen lassen, doch die Parther zogen diesen, große mächtige Adler vor in ihrer Glaubensvorstellung. Also drei Adler in Formation gebracht und über den Himmel Ktesiphons fliegen lassen und schon war es geschehen. Zufrieden mit ihrem Werk nickte Tyche noch einmal, kehrte um und flog zurück auf den Olymp, wieder hin zu ihrer gemütlichen kleinen Wolke.

  • Der Oberste Magier reckte eine ganze Weile lang den Ring hoch in die Luft und beobachtete dabei die ganze Zeit den Himmel. Hoffentlich gab es von den Göttern ein positives Zeichen, denn was sollte er ansonsten machen? Sollte er verkünden, dass die Götter dieser Krönung nicht zustimmten, dann wäre sein Leben zweifellos verwirkt. Andererseits konnte er ja nicht einfach gegen ihren Willen Mithridates die Gunst der Unsterblichen aussprechen, denn bestimmt hätte auch das schlimme Folgen für das... plötzlich erschienen am Himmel Ktesiphons drei Adler, die zusammen über sie hinwegflogen und den Anführer der magoi so aus seiner persönlichen kleinen Zwickmühle befreiten. Oh ihr Götter, habt Dank!


    Nun konnte er sich guten Gewissens zu Mithridates umdrehen und noch einmal vor ihm den Ring mit den Worten "Die hehre Tyche überbringt dir hiermit im Namen der Götter das khvarrah, mein König! Mögest du sie stets ehren und als guter und gerechter Herrscher die dir anvertrauten Völker hüten," vorzeigen, ehe er ihn ihm an den Finger steckte und sich wieder auf seinen Platz neben dem Thron begab. Nun besaß Mithridates also sowohl seine weltliche Macht, als auch den göttlichen Segen, fehlte nur noch die Zusammenführung dieser beiden Pole zur Würde des parthischen Großkönigs. Dies erfolgte -wiederum den ägyptischen Pharaonen nicht unähnlich- durch das Aufsetzen der nomadischen Tiara auf das griechische Diadem, womit die parthische Krone vollständig wäre. Denn nur der Großkönig durfte in Parthien eine Tiara auf seinem weißen Diadem tragen als Zeichen seiner Stellung und seiner Macht und erst in Kombination der beiden Herrschersymbole offenbarte sich diese gegenüber Außenstehenden. Die kombinierte Krone wurde so auch oft auf den sich im Umlauf befindlichen Münzen dargestellt, jedoch gab es auch die Praxis den Großkönig auf Münzen, die im Westen des Reichs geprägt worden waren, für gewöhnlich nur mit einem Diadem darzustellen, während er auf Münzen, die im Osten Parthiens geprägt worden waren, die Tiara alleine trug. Dies war eine kluge Strategie zur Befriedigung aller nötigen Machtansprüche gegenüber dem Volk. Die im parthischen Westen geprägten Drachmen kamen immerhin für gewöhnlich in den Wirtschaftskreislauf mit Griechen und Römern, wo das Diadem als vorrangige Königswürde zählte, während die im Osten geprägten Silberdrachmen eher nur von der lokalen Bevölkerung mit nomadischem Einschlag verwendet wurden und daher die Abbildung der Tiara als Herrschaftssymbol wichtiger war.


    So also hatte die Tiara nach ihrer ersten Krönungsverwendung zum Hēnzāvar jetzt noch einmal eine große Funktion. Arsames Surena nahm sie mit beiden Händen und schritt dann hinter dem thronenden Mithridates. Er hob die Tiara über sein Haupt und rief mit erhobener Stimme: "Du bist Arsakes, Siebenunddreißigster deines Namens; Euergetes; Dikaios; Epiphanes; Philhellenos; Theopatoros! Mithridates, Fünfter deines Namens; Hüter der Flamme Ahura Mazdas; Herr der Parni; Bezwinger des Siegreichen; KÖNIG DER KÖNIGE!"

    Dann setzte Arsames Surena die Tiara auf Mithridates' Diadem und es war geschehen. Die Sonne der Herrschaft war wieder aufgestiegen, der Phönix wiedergeboren, die beiden Kronen vereint. Mithridates war neuer Großkönig von Parthien. Alle Männer und Frauen zu Füßen der Großen Treppe, egal ob frei oder unfrei, Bettler oder Edelmann, fielen ausnahmslos auf die Knie und den Bauch und pressten ihre Stirn und die Lippen gegen den Boden. Auch die Mitglieder des Ehrenspaliers auf der Treppe und oben auf dem Pavillon die arsakidischen Familienmitglieder, Arsames Surena, die Magier, die Soldaten und die Diener warfen sich alle nieder... bis auf zwei.


    Der eine war ein Gesandter aus Rom namens Gnaeus Helvidius Eburna und der andere ein ungefähr 25-jähriger Mann auf der Großen Treppe in den Reihen der Vasallenkönige.


    Sim-Off:

    In der Krönungsformel finden sich die üblichen Prestige- bzw. Beinamen, die sich über die Großkönige für gewöhnlich auf parthischen Münzen finden lassen: Euergetes = Der Wohltäter, Dikaios = Der Gerechte, Epiphanes = Der Glorreiche, Philhellenos = Der Griechenfreund, Theopatoros = Der göttlich Gezeugte


    Sim-Off:

    "Theopatoros" meint hier so etwas wie im Sinne "dessen Vater ein Gott ist" und wird seit Artabanos I. (127-124 v. Chr.) durchgehend von allen parthischen Großkönigen auf ihren Münzen verwendet. Mit diesem Beinamen wollten die parthischen Könige ausdrücken, dass sie ihre Stellung durch ihre Nähe zu den Göttern erhalten und ein Gott ihre Wahl zum König bestätigt hatte, auf Münzen meist in Form der Göttin Tyche dargestellt, die dem König einen Palmwedel, ein Diadem oder einen Ring überreicht. Sich selbst bezeichneten die Großkönige jedoch nicht als Götter.

  • Nachdem Gnaeus Helvidius Eburna vor einigen Wochen vom Senat dazu auserkoren worden war nach Parthien zu reisen, um in dessen Namen die aktuelle Sachlage zu erkunden, hatte er gleich darauf alles nötige gepackt und hatte sich am zweiten Tag nach der Sitzung nach Ostia auf ein Schiff begeben und war losgefahren. Zwei Wochen später war er bereits in Seleukia Pieria, dem Hafen Antiochias angekommen, der gut 21 Meilen* von der, im Landesinneren liegenden Provinzhauptstadt entfernt lag. Einen Tag Pause nur hatte sich Eburna in der Gesellschaft von Statthalter Faustus Abronius Dentatus in Antiochia am Orontes gegeben, dann bestieg er auch schon einen Wagen, um in die parthische Hauptstadt Ktesiphon abzureisen, die er knapp 25 Tage später erreichte. Während dieser Zeit hatte in Parthien die 40-tägige Trauerzeit für Großkönig Osroes angedauert und der königliche Hof hatte sich in Ekbatana in Medien aufgehalten, um den Verstorbenen angemessen zu begraben. Senator Eburna kam gerade noch rechtzeitig in Ktesiphon an, zwei Tage vor der Krönung.


    Diese zwei Tage dann hatte er für allerhand unauffällige Erkundigungen genutzt und war auch schon einmal kurz auf Mithridates getroffen. Am großen Tag der Krönung dann war es Eburna von den Parthern gestattet worden, dass er ebenfalls vom Pavillon aus den Krönungsakt mitverfolgen durfte. Nur eben abseits von der Gruppe rund um den aufgestellten Thron herum. Eburna stand somit bei der (vom Thron aus gesehen) linken äußeren Säule angelehnt mit einem herrlichen Blick hinunter auf Ktesiphon und beobachtete von dort aus die Abfolge der verschiedenen Zeremonien. Er hatte alles gut im Blick und befand sich trotzdem außerhalb des Blickfelds der versammelten Gruppe in der Mitte des Pavillons, wenn sie nicht gerade extra zu ihm herübersehen würden. Mit einer Mischung von Beeindrucktheit und gleichzeitigem Amusement über den ganzen monarchischen Firlefanz verfolgte Helvidius Eburna den Fortschritt bis zu dem Moment, da die Tiara und das Diadem zur Krone des Großkönigs vereinigt wurden und sich das ganze Volk vor ihrem Oberherrn niederwarf. Helvidius Eburna blieb stehen, da es schon seit vielen Jahrzehnten die Bestimmung, oder die Sitte (oder was auch immer) gab, dass sich Römer nicht vor dem parthischen Großkönig niederwerfen mussten, doch das war nicht die Ursache des sich anbahnenden Skandals. Diese war vielmehr, dass noch jemand stehengeblieben war und zwar in den Reihen der Vasallenkönige, die durchaus vor Großkönig Mithridates V. zu Boden kriechen mussten. Es war Eburna nicht sofort aufgefallen, da er noch viel zu sehr damit beschäftigt gewesen war seinen faszinierten Blick über die platte Menschenmenge schweifen zu lassen, ehe sein Gehirn schaltete und er schnell den Blick zurück auf die Große Treppe des Palasts, rechts unterbei von sich lenkte. Tatsächlich, da stand einer von diesen gekrönten Witzfiguren! Ein schneller Blick auf den Thron, um zu sehen wie Mithridates auf diesen Affront reagieren würde. Bislang war er ja meist durch die zwischen Mithridates und Helvidius Eburna stehende Gruppe der Magier verdeckt gewesen, aber weil Letztere jetzt alle auf Knie und Bauch am Boden lagen, hatte der Senator eine ganz gute Sicht auf das Profil des Großkönigs. Auch dieser hatte den Übeltäter bereits bemerkt. Eburna konnte beobachten, wie Mithridates' Körperhaltung in einer erstarrten Anspannung gefangen war, auf dem Gesicht zuerst Überraschung und danach Verärgerung sichtbar. "Was ist, verbeuge dich vor deinem König! Nieder mit dir, oder ich zermalme dich!"

    Dieser Ausruf stand so ganz gewiss nicht im vorgesehenen Krönungsprotokoll. Überrascht hoben fast alle Anwesenden auf der Pavillonplattform unaufgefordert ihren Kopf, um sehen zu können mit wem der Großkönig sprach und was überhaupt passiert war und auch ganz unten im versammelten Volke hoben sich hunderte Blicke gen Pavillon. Nur die Anwesenden auf der Treppe wagten es nicht sich zu rühren, da der Ruf des Königs ganz klar einem der ihren gegolten hatte.


    Senator Eburna straffte seine Haltung und verschränkte die Hände. Das versprach interessant zu werden. Es war ganz klar einer der Vasallenkönige, da er in ihren Reihen auf der Treppe stand, jedoch welcher genau, das konnte er nicht sagen. Er konnte diese ganzen Orientalen einfach nicht auseinanderhalten. Jedoch das Rätselraten um die Herkunft dieses Mannes dauerte nicht lange, denn schon begann er laut und deutlich zu sprechen: "Nein, König Mithridates, das kann ich nicht machen! Ich bin Prinz Orodes, Bruder meines Königs Abgar VIII. von Osrhoene und ich wurde geschickt, um an diesem Tage dir und der Welt eine Botschaft zu verkünden!" Das war ein starkes Stück. Also war das dort auf der Treppe gar nicht der König von Osrhoene selbst, sondern sein Bruder! Und offenbar wohl ein eher Ungeliebter, denn Eburna konnte sich schon denken, dass Orodes Ktesiphon vermutlich nicht mehr lebendig verlassen würde. Er hatte sich aber auch einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht, um zu sagen, was auch immer sein Bruder durch ihn an den parthischen Großkönig zu sagen hatte.

    Auf Mithridates' Stirn war eine pochende Zornesader erschienen, als Prinz Orodes weitersprach: "Vor dreißig Jahren hatte unser Vater als König von Osrhoene dem deinen während seiner Krönung den Treueschwur geleistet und ihm als Großkönig gehuldigt, so wie es Tradition ist. Dreißig Jahre lang hat Osrhoene diesen Schwur treu und redlich erfüllt und jetzt ist Großkönig Osroes tot und wir damit von diesem Schwur entbunden." Eburna fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Abbruch, Abbruch Kerl, was machst du da nur für eine Dummheit, dachte er sich gespannt. Kein Wunder, dass der König nicht persönlich erschienen war und worauf die Osrhoener hinaus wollten konnte sich Eburna ebenfalls schon denken. Mithridates' Gesicht war mittlerweile zu einer dunkelroten Grimasse verkommen.


    "Nun, da die Zeit gekommen wäre sich neuerlich der parthischen Knute zu unterwerfen, sagen wir, dass es genug ist! Hiermit sagt sich Osrhoene vom Throne Parthiens los und ist fortan wieder ein, vom Großkönig vollkommen unabhängiges und freies Land! Gleichzeitig rufen wir Rom um seinen Schutz und seine Freundschaft an!" Prinz Orodes rief die letzten Worte mehr in Richtung des abseits stehenden Senators und zeigte mit dem Finger auf ihn. Ein Blitz durchfuhr Helvidius Eburna, das hatte der Kerl doch jetzt nicht wirklich gesagt!


    Sim-Off:

    * = 32 km

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  • Zwischenepisode: Freiheit für Osrhoene


    Das Königreich Osrhoene mit seiner Hauptstadt Edessa hatte nur eine Sache mit dem Partherreich gemeinsam; es war eines der vielen kleinen Königreiche, die im Zuge des Niedergangs der ehemals mächtigen Dynastie der Seleukiden entstanden war. Der große Unterschied zwischen den beiden Reichen war nur, dass Osrhoene es verschlafen hatte weiter zu expandieren, während die Parther die Nachfolge der Seleukiden in der Region antraten, was sich so ereignete:


    Im Jahre 67 nach der Eroberung Babylons* lebten Teile des nomadischen Volks der Parni, ein skythischer Teilstamm der Dahae, unter ihrem Anführer Arsakes in der seleukidischen Satrapie Parthien in Chorasan an den äußersten Grenzen des Seleukidenreichs. Sie waren seit ihrer Einwanderung aus dem Norden in die lokale Bevölkerung assimiliert worden und hatten auch die parthische Sprache und den zoroastrischen Glauben angenommen. In eben diesem Jahr hatte der seleukidische Satrap von Parthien, Andragoras (vermutlich ein Perser oder ein anderer Iraner), die allgemeine Schwäche des kriegsgebeutelten Großreichs von König Seleukos II. dem Siegreichen ausgenutzt und seine Satrapie vom übrigen Reich abgespalten und sich für unabhängig erklärt. Lange jedoch währte seine Herrschaft nicht, denn mit dem Wegfall der seleukidischen Unterstützung stand Satrap Andragoras plötzlich ganz alleine dar und war daher leichte Beute für Arsakes und die Parni. Arsakes ritt in die Hauptstadt und entmachtete den Satrapen. Er erklärte sich zum neuen Herrn Parthiens und zum König. Von diesem Tage an hießen die Parni Parther und dies war die Geburtsstunde ihres Königreichs. König Seleukos II. der Siegreiche unternahm daraufhin einige militärische Versuche die parthische Unabhängigkeitserklärung rückgängig zu machen, doch am Ende unterlag er König Arsakes I. und er und seine Nachfolger eroberten in den nächsten Jahrzehnten ein Land nach dem anderen. Einmal entfesselt war ihr Siegeszug nicht mehr aufzuhalten, nach Parthien fiel ihnen Hyrkanien zum Opfer und später unter anderem im Jahre 162 auch Medien, 172 Mesopotamien und 177 die Persis.


    Im Jahre 182 war es schließlich dann Partherkönig Mithridates II. (auch genannt "der Große" und erster Träger des erneuerten Titels König der Könige), siebenter Nachfolger von Arsakes, der vor den Toren Edessas stand und König Aryu von Osrhoene zur Unterwerfung seines Königreichs unter parthische Oberherrschaft aufforderte. Osrhoenes Nachbarländer Adiabene und Gordiene waren bereits gefallen und so blieb Aryu nichts anderes übrig, als sich ebenfalls zu einem Vasall des Mithridates zu machen. So geriet Osrhoene in die Knechtschaft der Arsakiden und so wurde der Euphrat die neue entgültige Westgrenze Parthiens.


    260 Jahre waren seit den Tagen König Aryus vergangen, da er sein Land an den Großkönig verkaufen hatte müssen, 260 Jahre der Abhängigkeit. Nicht, dass es den Königen von Edessa besonders geschadet hätte, im Gegenteil. Osrhoene hatte aufgrund seiner besonderen Lage schon immer wirtschaftlich und kulturell floriert. Genau im Herzen der Östlichen Königreiche gelegen, bildete es eine Art Schlüsselposition und eine Verbindung zwischen Syrien und Kappadokien im Westen, Armenien im Norden, Mesopotamien und Babylonien im Südosten und Arabien im Süden. Die Bevölkerung von Osrhoene bestand aus hellenisierten Arabern und Semiten unter der Herrschaft der arabisch-nabatäischen Abgar-Dynastie. Hauptsprachen waren Griechisch in Edessa und Aramäisch im übrigen Reich. Osrhoene partizipierte am, durch das Land gehenden Fernhandel und entsprechend wohlhabend und kulturell durchmischt waren auch die Bewohner. So trugen sie z.B. persische, griechische, römische und arabische Namen, führten parthische Waffen in die Schlacht und nutzten römische Münzfüße. Auch viele Christen gab es in Edessa.


    Man sah also, dass es Osrhoene auch unter der Herrschaft des parthischen Großkönigs gut ging, doch die zu zahlenden Tributleistungen waren über die Jahrzehnte immer horrender geworden und auch der Blutzoll an eingezogenen osrhoenischen Männern, die auf den Schlachtfeldern der parthischen Feldzüge zurückblieben, war nicht unerheblich. Erst der letzte Großkönig, Osroes, hatte viele gute Männer Osrhoenes in dem blutigen Bürgerkrieg gegen seine Brüder geopfert, als er vor dreißig Jahren die Macht ergriff und auch nach seiner Thronbesteigung hatte er die geforderten Tribute an Edessa noch einmal empfindlich erhöht zum Ausbau des Reichs und der Hauptstadt Ktesiphon. König Abgars Vorgänger, sein Vater König Yalur Sumaqa, hatte dem noch zugestimmt und nach dessen Tod hatte auch Abgar VIII. den Treueschwur seines Vaters gegenüber Großkönig Osroes eingehalten, doch Abgar war nicht Yalur. Er war Angehöriger einer jungen und selbstbewussten Generation, die mehr wollten, als ein ödes Vasallenleben. Sie wollten den Reichtum Osrhoenes nutzen, um ihre Heimat wieder unabhängig und groß zu machen und die nach Ktesiphon abfließenden Tributzahlungen stoppen und lieber in das eigene Königreich zurückinvestieren. Dazu musste es einen Bruch mit Parthien geben, das war klar und der Tod des alten Großkönigs war die ideale Situation, um jenes Abenteuer endlich zu wagen, von dem König Abgar und seine Altersgenossen schon so lange geträumt hatten. Freiheit von Parthien, wieder Herr im eigenen Hause sein! Ein idealistisches und doch wunderbares Traumbild.


    Alles was es dazu benötigte war nur eine gehörige Portion Mut, etwas Glück und die richtige Strategie, dann konnte das Wunder vielleicht Wirklichkeit werden und Osrhoene seinen eigenen Aufstieg zum regionalen Machtfaktor angehen. Abgar VIII. war bereit dieses Spiel zu wagen! Für Osrhoene!

    Doch natürlich wäre es politischer und realer Selbstmord, wenn man sich ohne entsprechend starke Verbündete von Parthien lossagte und hier kam Rom ins Spiel. König Abgar hoffte darauf, dass Rom Edessa zur Hilfe eilen und es in Zukunft vor dem Zorn des Großkönigs schützen würde, alles was es dazu bedurfte war nur genügend Mut und Entschlossenheit zu zeigen, damit alle Welt auch ja sah, dass sie es Ernst meinten. Und wie könnte man dies besser und effektvoller bewerkstelligen, als sich am Tage der Krönung des neuen parthischen Machthabers vor allen versammelten parthischen Vasallen und den römischen Beobachtern für unabhängig zu erklären und gleichzeitig Rom um ein Bündnis zu bitten? Ei, das wäre eine glänzende Sache!

    Rom wäre beeindruckt vom Mut des kleinen Königreichs und würde bestimmt mit Freuden in die dargebotene Hand Osrhoenes einschlagen, besonders, wo sie ja dann auch Zugang zu dieser wichtigen Schlüsselstellung zwischen allen großen Ländern des Ostens hätte. Und der Großkönig würde bestimmt zögern und Edessa nicht sofort angreifen aus Furcht vor dem römischen Zorne und der Erfolg von Abgars Aktion wäre ein starkes Zeichen an alle anderen unterworfenen Länder, ebenfalls aufzustehen und ihre Fesseln abzuschütteln. Parthien war verwundbar und schwach, wenn nur genügend Vasallenkönige zusammenhielten und sich gegen Mithridates V. erhoben, immerhin beruhte die gewaltige parthische Schlagkraft doch nur in der Kombination aller Armeen der Vasallenherrscher, die auf Ktesiphons Befehl hin ihre Heerscharen zusammenzogen. Doch welche nennenswerte Armee hätte der Großkönig schon, wenn kein Vasall seinem Ruf zu den Waffen folgen würde? Gar keine!


    Es musste nur jemand den ersten Schritt wagen und dazu war Abgar bereit. Am Tage der Krönung ließ er seinen jüngsten Bruder, Prinz Orodes, in der parthischen Hauptstadt eintreffen, damit dieser seines Bruders Platz unter den Reihen der Satrapenkönige im Krönungsgefolge des Mithridates einnehmen und dann zur rechten Zeit auf möglichst aufsehenserregende Art die Botschaft von Osrhoene der Welt verkünden sollte; Osrhoene war ein freies und unabhängiges Land und kein Parther hatte nie wieder dort etwas zu suchen!


    Alles würde genau so kommen, da war sich König Abgar VIII. ganz ganz sicher.


    Sim-Off:

    * = Das 67. Jahr (245 v. Chr.) nach der seleukidischen Jahreszählung, die mit dem Jahr 312 v. Chr. beginnt, als während der Diadochenkriege der Feldherr Seleukos I. Nikator Babylon erobert hatte


    Sim-Off:

    ** = Jahre nach der Seleukidischen Ära: 162 = 150 v. Chr., 172 = 140 v. Chr., 177 = 135 v. Chr, 182 = 130 v. Chr.

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  • Gnaeus Helvidius Eburna war immer noch elektrisiert von der jüngsten Entwicklung dieser Krönungszeremonie. Einer der Satrapenkönige hatte es ernsthaft gewagt sich vor allen versammelten Fürsten und Edelleuten Parthiens gegen den Großkönig zu stellen und schlimmer noch, dabei gleichzeitig den Schutz und die Hilfe Roms anzurufen! Er würde hernach schnellstmöglich eine Botschaft abschicken müssen, um den Augustus und den Senat darüber in Kenntnis zu setzen. Jetzt jedoch schien es so, als ob er persönlich aktiv werden musste, denn Prinz Orodes von Osrhoene, wie auch Großkönig Mithridates V. starrten beide in seine Richtung. Der Prinz mit einem bittenden Zug in seinem Blick, der Großkönig mit einer zornigen Grimasse, ganz so, als ob er sein Zugeständnis bereits bereute, dass er römische Beobachter für die Krönungsfeier zugelassen hatte. Eburna räusperte sich und sprach dann mit lauter und klarer Stimme: "Kraft der mir verliehenen diplomatischen Vollmacht gewähre ich Osrhoene provisorisch Roms Unterstützung, bis der Augustus und der Senat die entgültige Entscheidung hierüber getroffen haben!"


    Orodes strahlte, während Mithridates schäumte. An den Osrhoener gewandt rief er: "Danke den Göttern, dass am Krönungstag kein Blut fließen darf, ansonsten würdest du auf der Stelle sterben! Und auch du, Römer!", ließ er auch Senator Eburna wissen. Zurück bei Orodes sprach er weiter: "Verschwinde nun aus meinem Angesicht und überbringe meine Botschaft an deinen Bruder! Freut euch eurer Freiheit, sie wird nicht lange währen! Ich werde mit hunderttausend Soldaten nach Edessa kommen, ich werde eure Mauern niederreißen und die Straßen mit dem Blut eurer Frauen und Kinder füllen! Der Kopf deines Bruders wird auf einem Pfahl enden und seine Gedärme die Schweine fressen! Tod und Verderben soll euer Los sein! Geh, und künde deinem König welche Saat er seinem Volke gesäht hat!" Orodes' Blick verhärtete sich, doch er machte sofort kehrt und begann die Stufen hinunter zu laufen. Dann wandte Mithridates seinen Blick langsam in Richtung Eburna. "Wachen! Ergreift diesen Mann und sperrt ihn in das tiefste Verließ! Niemand wird je erfahren, was er den Verrätern zugesichert haben will!" Der Krönungstag eines Großkönigs war heilig, weshalb er an diesem Tag kein Blut vergießen, bzw. jemanden töten durfte. Jedoch Gefangennahmen waren mit diesem Gebot durchaus vereinbar und somit steckte der Senator plötzlich in riesigen Schwierigkeiten. Er musste es aus Ktesiphon hinaus schaffen und das lebend! Nur wie? Die im hinteren Teil des Pavillons herumlungernden Wachen setzten sich auf den Befehl ihres Herrn hin augenblicklich in Bewegung, jetzt zählte jede Sekunde. Eburna schaltete in den Überlebensmodus. Er befand sich auf einem 67 Fuß* hohen Felsplateau in einem Pavillon voller Soldaten, von dem es nur zwei Wege weg gab. Entweder die 243 Stufen lange Treppe hinunter zur ebenen Erde, zu dem dort versammelten Volk (welches ihn gewiss nicht einfach so passieren lassen würde auf seinem Weg zum Stadttor), oder der kurze Weg zum königlichen Palast hinter dem Pavillon und ebenfalls auf dem Plateau errichtet. Und dann wäre da natürlich Mithridates' Pferd, das immer noch hinter dem Thron stand. All dies erfasste er im Bruchteil einer Sekunde.


    Sofort strampelte sich Eburna aus seiner Toga heraus, damit diese ihn nicht beim Laufen behindern würde und stürzte auf des Großkönigs Ross zu. Die versammelten Familienmitglieder und die Magier links und rechts des Throns waren keine Gefahr, da sie immer noch auf allen vieren am Boden klebten, jedoch inzwischen alle die Köpfe oben hatten, um die Ereignisse zu verfolgen. Jetzt, wo die Soldaten den Befehl erhalten hatten den Römer gefangenzunehmen, begannen sich auch einige männliche Familienmitglieder (unter ihnen auch Arsames Surena) aufzurappeln und ihre Krummschwerter zu ziehen, doch bevor sie richtig auf den Beinen waren, war Eburna bereits weg. Gefährlich konnten ihm nur die ihm bereits entgegenkommenden Pavillonwachen werden. Doch zum Glück für Eburna erreichte er den Gaul nur wenige Augenblicke vor dem ersten Soldaten. Er sprang mit einem gewaltigen Hechtsprung auf das Tier, welches sich erschreckte und sich wiehernd aufbäumte. Die ausschlagenden Vorderhufe hielten die heranstürzenden Soldaten auf Abstand, bis der Gaul in Richtung Palast durchging mitsamt Eburna auf seinem Rücken, der sich verzweifelt um den Hals und an die Mähne klammerte, damit er nicht herunterfiel, denn das würde seinen sicheren Tod bedeuten...


    Sim-Off:

    * = 20m

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  • Eine unerwartete, doch umso größere unversöhnliche Schande hatte sich während Mithridates' Krönungsfeier ereignet. Gerade im Augenblick seines größten Triumphs während der Krönung, da sich alle Welt (selbst Könige!) vor ihm, ihren neuen Großkönig niederwarfen, um so ihre Ergebenheit zu demonstrieren, verweigerte ihm einer der Vasallenkönige den Kniefall, ja mehr noch, er löste einen riesigen Skandal aus indem er gleich sein ganzes Königreich vom parthischen Thron lossagte! Und wäre diese Schande nicht schon groß genug, so gab es dann auch noch einmal zusätzlichen Tumult und noch mehr Schmach, als der römische Beobachter, dessen Verhaftung Mithridates befohlen hatte, das Pferd des Großkönigs allerhöchstselbst stahl und damit in den Königspalast(!) flüchtete. Spätestens jetzt war das Unglück für Mithridates perfekt. Eine derart missratene Krönung hatte es noch in der ganzen Geschichte Parthiens nicht gegeben. Sein herrschaftlicher Sonnenaufgang, ja sein Phönixaufstieg war damit rettungslos beschmutzt. Verlacht. Makelhaft.


    Ein abgefallener Tributstaat und ein Römer, der sein Pferd stahl und im Augenblick von einer Schar Soldaten durch den ganzen Palast gejagt wurde, auch angesichts dieses Chaos musste die Krönungszeremonie fortgeführt und abgeschlossen werden, auch wenn alle Anwesenden jetzt ganz andere Dinge im Kopf hatten. Ein Ordnungsruf von Seiten des Schahanschah brachte Arsames Surena und ein paar weitere arsakidische Familienmitglieder wieder zur Vernunft, gerade, als sie sich der Verfolgung des Römers anschließen hatten wollen. Sie kamen zurück. "Steht schon auf!", blaffte Mithridates jetzt noch einmal die übrigen Vasallenkönige dort auf der Großen Treppe an, da sie als einzige noch ganz am Boden lagen. Die Anwesenden oben am Pavillon, wie auch unten das Volk hatte sich da schon sehr viel gemischter verhalten gehabt. Einige waren noch platt am Boden gelegen, andere waren gekniet und hatten hoch zum Pavillon gesehen und einige ganz Mutige waren auch schon ohne Erlaubnis aufgestanden. Doch mit diesem Befehl nun hatten alle wieder die königliche Erlaubnis sich zu erheben.


    Nachdem also die Vereinigung der Kronen geschehen war, ging es daran, dass die Vasallenkönige noch einmal jeder einzeln dem parthischen Großkönig huldigte und ihm die Treue gelobte. Dazu kam jeder von ihnen dem Range nach einzeln vor den Thron und brachte Mithridates einen Palmwedel als symbolische Geste der Huldigung dar, ganz so wie die große Göttin Tyche es immer auf den parthischen Münzen tat. Dabei sprachen sie die Schwurformel, die ihre Königreiche eine weitere Regentschaft lang an den parthischen Thron fesselte. Nach der Huldigung formierten sich die Anwesenden des Pavillons zu einer Prozession und zogen zum großen Feuertempel Ktesiphons, wo der neue Schahanschah Ahura Mazda, dem Großen und Guten, ein Opfer darbringen musste. Damit war der offizielle Teil der Krönung vorüber und für gewöhnlich gab es jetzt für den parthischen Adel ein Festessen im Palast, während auch das Volk in den Gassen der Hauptstadt auf aufgestellten Tischen und Bänken ihren neuen Herrn feierte, doch was zumindest das königliche Bankett anging, so gab es dort deutliche Verzögerungen und Teilausfälle aus den bekannten Gründen, in denen wieder einmal ein Römer seine Finger im Spiel gehabt hatte.


    Der Rest der Zeremonie hatte nichts mehr von der Majestät und der Erhabenheit des ersten Teils gehabt. Viel zu sehr hatten die jüngsten Eskapaden all dem hier geschadet, hatten sie Mithridates' Ruhm geschadet und ihn in höchstem Maße schwach erscheinen lassen. Deshalb musste er mit doppelter Härte gegen den König von Edessa zurückschlagen. Die Großen des Reichs waren ja bereits in der Hauptstadt versammelt und hatten damit auch schon gehört, dass der Großkönig gedachte die furchterregende parthische Armee für eine Strafexpedition gegen Osrhoene (die aus den kombinierten Armeen aller zugehörigen Satrapien und Vasallenreiche bestand) zusammenzurufen. An König Abgar VIII. und Edessa sollte ein besonderes Exempel statuiert werden. Gleich morgen würde Mithridates V. Meldereiter in alle Winkel des Reichs ausschicken, damit spätestens in fünf Tagen auch die abgelegenste Provinz mit der Rekrutierung beginnen und wissen würde: Der Großkönig wollte Krieg.

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