Beiträge von Yaris

    Es wäre schön wenn Morrigan hier antworten würde.


    Verführung ist ein anfängliches Locken,

    das später in Macht ausartet.

    Esther Klepgen (*1965)


    Als Yaris das Horreum betreten hatte, ließ er seinen Blick aufmerksam von links nach rechts gleiten. Der neue Stallbursche musste sich doch irgendwo hier aufhalten. In der Casa Mongolia hatte Yaris den ungefähr Gleichaltrigen zumindest nicht erblicken können. Und da das Aufgabengebiet des neuen Dieners die Pflege der Pferde umfasste, musste er sich fast hier aufhalten. Vielleicht aber erlaubte er sich auch einfach einen Scherz mit dem jungen Perser, in dem er sich im verborgenen hielt und sich innerlich kringelig lachte, nachdem Yaris bereits nach ihm gerufen hatte und keine Antwort erhielt.


    “Marik? Wo steckst du?“


    Ließ Yaris noch einmal seine Stimme erklingen, diesmal etwas lauter. Während er sich zugleich im Kreis drehte und seinen Blick in jedes Eck schweifen ließ. Doch auch jetzt konnte Yaris den Stallburschen nirgends entdecken und diese Tatsache ließ Yaris leise aufseufzen. Also hatte er sich umsonst die Mühe gemacht, dem Neuen die Ankunft in seinem neuen zu Hause schmackhaft zu gestalten.


    Mit diesem Gedanken in seinem Kopf wollte sich Yaris schon herumdrehen, um den Rückweg in die Casa anzutreten. Da erklang dann doch Mariks Stimme und Yaris spürte wie sein Herz vor Aufregung in seiner Brust sogleich schneller zu pochen begann. Doch von wo kam denn nun Mariks Stimme? Unwillkürlich legte der persische Sklave seinen Kopf in den Nacken und konnte den Stallburschen aus einer Türe winken sehen. Dort oben befand sich also seine Kammer? Dies mutmaßte Yaris, denn wieso sonst sollte sich der neue Diener in dieser schwindelerregenden Höhe aufhalten.


    “N..Nein. Der Dominus schickt nicht nach dir. Ich.. ich wollte dir mit diesen Süßigkeiten eine kleine Freude machen.“


    Jetzt lächelte Yaris verschämt und spürte wie die Röte in seine Wangen kroch. Genau das, was der Jüngling eigentlich vermeiden wollte.


    “Möchtest du herunterkommen oder.. soll ich zu dir nach oben kommen?“


    Nach diesen Worten musste Yaris unwillkürlich schlucken und bemerkte wie sein Herz noch schneller in seiner Brust pochte. Dies lag jetzt aber nicht nur alleine an der Tatsache, dass er sich mit Marik alleine befand.

    Verführung ist ein anfängliches Locken,

    das später in Macht ausartet.

    Esther Klepgen (*1965)


    Die Begegnung mit Marik hatte Yaris keine Ruhe gelassen. Auch dessen Blicke, welche er deutlich auf sich gespürt hatte, hinterließen in Yaris‘ Innersten ein merkwürdiges kribbeln, welches er sich nicht erklären konnte. Seinen Herrn würde er darüber jedenfalls nicht in Kenntnis setzen können. Cengiz ebenso wenig. Dies musste er mit sich selbst ausmachen und nötigenfalls müsste er den neuen Stallburschen einfach darauf ansprechen. Hah! Ganz klar. Der schüchterne Yaris sollte von sich aus den neuen Diener ansprechen. Bei diesem Gedanken schüttelte Yaris sich innerlich vor lachen und besann sich dann jedoch im nächsten Moment. Irgendwie musste er mit Marik in Kontakt treten. Nur wie? Gedankenverloren zermarterte sich der Perser sein Köpfchen, während er unruhig in seiner Kammer auf- und ab tigerte. Den Göttern sei gedankt befand er sich alleine in seiner Kammer. Denn Cengiz hätte seine nervöse Unruhe mit Sicherheit bemerkt und Ursachenforschung betrieben. Und genau das wollte Yaris unter allen Umständen vermeiden. Von seinem merkwürdigen Gefühlschaos, wenn man es denn unbedingt so nennen wollte, durfte niemand etwas mitbekommen. Cengiz nicht und sein Herr schon gar nicht. Den neuen Stallburschen musste er allerdings unbedingt danach fragen, wieso er sich in seiner Gegenwart so merkwürdig benommen hatte.


    Schließlich betrat Yaris die Culina der Casa Mongolia und begann einige Leckereien auf einem kleinen Teller zu verteilen. Diesen Teller würde er Marik bringen, denn dann hätten sie sogleich einen Gesprächsstoff. So stellte es sich der Jüngling zumindest vor. Auf dem Teller befanden sich neben einigen Obststückchen, auch kleine Küchlein, jene hatte Cengiz angepriesen und Yaris hatte aufmerksam zugehört. Mit dem Teller in seinen schmalen Händen verließ Yaris die Culina und machte sich auf den Weg durch die Gänge, bis er schließlich nach draußen gelangte. Sein Ziel war das Horreum der Casa Mongolia. Als er das Horreum betreten hatte, neigte Yaris seinen Kopf auf die Seite. Doch kein Geräusch war zu vernehmen. Vielleicht hielt sich Marik auch einfach in den Stallungen, bei den Pferden auf. Oder aber er verbarg sich geschickt vor seinem suchenden Blick.


    “Marik? Bist du hier?“


    Konnte man Yaris samtene Stimme nach einiger Zeit vernehmen. Hoffentlich würde ihm der neue Stallbursche antworten. Denn sonst hätte sich Yaris umsonst Mühe gegeben.

    Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.

    Friedrich von Schiller (1759 - 1805)


    Als der neue Sklave erwähnte, dass sie bestimmt gut zusammen arbeiten würden, hob Yaris dann doch vorsichtig seinen Kopf an, um Marik nicht minder vorsichtig entgegen zu blicken.


    “Wirst du denn auch im Haus eingesetzt, um unseren Herrn und Cengiz zu bedienen oder nur hier in den Stallungen bei den Pferden?“


    War Yaris samtene Stimme mit diesem deutlich fremdländischen Klang zu vernehmen. Dabei bemühte er sich angestrengt, die richtigen lateinischen Worte korrekt auszusprechen. Sein Herr würde darüber bestimmt stolz auf seinen Sklaven sein.


    Nachdem Marik seine Hand geschüttelt hatte, was Yaris noch immer befremdlich fand, entzog er dem Dunkelhäutigen seine schmale Hand und verschränkte seine Finger hinter seinem Rücken miteinander. Schließlich schielte der junge Perser in des Cengiz Richtung, ob der Sekretär seines Herrn Anweisungen an sein Ohr dringen lassen würde. Marik würde sich bestimmt zuerst mit den Pferden vertraut machen, und Yaris würde von Cengiz mit Sicherheit eine anderweitige Arbeit zugeteilt bekommen. Oder sollte er dem neuen Sklaven etwa hier im Stall zur Hand gehen?


    Da Yaris zu gut erzogen war, um diesbezüglich Fragen zu stellen, wartete er einfach ab. Schweigend. Wie ein atmendes Möbelstück.

    Handle nie in Wut. Es bedeutet, im Sturm in See zu stechen.

    Thomas Fuller (1608 – 1661)


    Auf das urplötzlich laute Lachen seines Herrn war Yaris nicht vorbereitet und so zuckte der persische Sklave zusammen und duckte sich unwillkürlich. Was hatte dieses Gelächter nur zu bedeuten? Machte sich sein Herr etwa lustig über seinen Sklaven?


    Die weiteren Worte seines Herrn offenbarten Yaris jedoch, dass sein Herr tatsächlich vorhatte, ihn von Cengiz zum Schreiber ausgebildet zu werden. Und das sie danach einen weiteren Diener benötigten? Aber wieso denn das? War sein Herr mit ihm nicht zufrieden und wollte ihn gegen einen weiteren Diener eintauschen? Erneut waren es unzählige Fragezeichen die unsichtbar über Yaris Kopf erschienen und den jungen Perser wahrlich verwirrt dreinblicken ließen.


    Bist du mit meiner Leistung etwa nicht zufrieden, dass du einen weiteren Diener benötigst?“


    Wagte der Dunkelhaarige nach einigen Wimpernschlägen des Schweigens eine vorsichtige Frage über seine Lippen dringen zu lassen.


    “Ich werde das erlenen was sich mein Herr für mich vorstellt.“


    Musste der Jüngling dann doch noch einmal seine Stimme erheben, um diese Worte über seine Lippen dringen zu lassen. Dann senkte Yaris seinen Kopf.


    “Wünscht mein Herr noch etwas das ich für ihn erledigen kann?“


    Eine abschließende Frage an seinen Herrn gewandt. Dann würde sich der junge Sklave nämlich zurück ziehen, um seinen Lehren der lateinischen Sprache weiter nachzugehen.

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    Friedrich von Schiller (1759 - 1805)


    Die kaum merkliche Handbewegung des Sekretärs seines Herrn blieb Yaris nicht verborgen und so trat er dann doch näher. Seinen Blick hielt er jedoch weiterhin gen Boden gesenkt und wagte es nicht dem fremden jungen Mann einen allzu neugierigen Blick zuzuwerfen. Dies würde Cengiz bestimmt nicht gefallen. Und so wartete der Sklave einfach ab, was nun folgen würde. Die Vorstellung der beiden jungen Männer folgte und Yaris lauschte den Worten des Sekretärs. Der neue Diener hieß also Marik und stammte aus Aegytpus? Hatte er das gerade richtig vernommen? Jetzt war es dann doch an Yaris, seinen Kopf vorsichtig anzuheben, und dem neuen Diener einen nicht minder vorsichtigen Blick zuzuwerfen.


    “Es freut mich deine Bekanntschaft zu machen Marik.“


    Sprach der Dunkelhaarige mit seiner samtweichen Stimme, wobei er sich außerordentlich bemühte, die Worte in deutlicher lateinischer Sprache über seine Lippen dringen zu lassen. Dies würde seinen Herrn bestimmt unheimlich stolz machen, dass Cengiz Unterricht Früchte bei dem jungen Sklaven trug. Als ihm Marik jedoch seine Hand entgegen streckte, wusste Yaris im ersten Moment nichts mit dieser Geste anzufangen und so blickte er die ihm entgegen gestreckte Hand für einige Sekunden sichtlich verwirrt an.


    Schließlich griff Yaris nach der Hand des neuen Dieners und berührte zart mit seinem Daumen den Handrücken seines Gegenübers. Eine stumme Willkommensgeste des persischen Sklaven.


    “Yaris ist der Name der mir von meinem Herrn gegeben wurde.“


    Fühlte sich der Jüngling dann doch noch bemüßigt zu erwidern, wobei er vorsichtig zu Marik empor schielte.

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    Thomas Fuller (1608 – 1661)


    Den Ausdruck auf dem Gesicht seines Herrn, als dieser ihn so lange anblickte, konnte Yaris nicht deuten. Was der Perser jedoch erkennen konnte war, dass der melancholische Glanz aus den Augen seines Herrn verschwunden war. Und dies erfreute den Dunkelhaarigen sichtlich. Sein Herr sollte sich nicht grämen, weil Anippe ohne eine Nachricht zu hinterlassen, einfach verschwunden war. Die junge Frau hatte mit Sicherheit Gründe für ihren überhasteten Aufbruch gehabt.


    Als sein Herr zu erzählen begann, dass sie einen Stallburschen kaufen würden, der sich um die Pferde und das Fuhrwerk kümmern würde, ließ Yaris seine Ohren spitzen und seinen Kopf aufmerksam auf die Seite neigen. An was für einen Stallburschen hatte sein Herr gedacht? Wäre dieser Stallbursche etwa in seinem Alter oder im Alter seines Herrn? Unzählige Fragen geisterten dem jungen Perser durch den Kopf, welche er jedoch nicht wagte zu stellen. Keine einzige davon. Und so blieb Yaris stumm, wobei er den weiteren Ausführungen seines Herrn höchst aufmerksam und mit gespitzten Ohren lauschte.


    “Du möchtest das ich im Handwerk ausgebildet werde? Ich weiß nicht ob ich dazu in der Lage bin Herr. Mein sehnlichster Wunsch ist es, dein Scriba zu werden. Ich möchte dein persönlicher Sekretär werden.“


    Unter Anleitung des Cengiz natürlich. Denn dieser war Sekretär des Jumshagins und Cengiz konnte sich Yaris Verehrung sicher sein.

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    Friedrich von Schiller (1759 - 1805)


    Durch Cengiz wurde Yaris mitgeteilt, dass sein Herr einen weiteren Sklaven gekauft hatte. Einen Sklaven, der für die Stallungen und das Wohl der Pferde zuständig war. Also eine Art Stallbursche, mutmaßte der junge Perser. Den Göttern sei gedankt, dass sein Herr einen Diener für die Pferde abbestellt hatte. Denn insgeheim hatte Yaris panische Angst vor diesen Tieren und der Ritt zum Gehöft seines Herrn hatte ihm schon gereicht. Auch wenn er sich nichts sehnlichster wünschte, als noch einmal dorthin zu gelangen. Denn dieses Gehöft war weitläufig und nicht so beengt wie es die Hauptstadt war. Vielleicht würde es sein Herr eines Tages erlauben, dass Yaris noch einmal auf das Gehöft geschickt wurde. Jetzt allerdings wurde der persische Sklave erst einmal in die Stallungen geschickt, damit er dem neuen Diener vorgestellt werden konnte.


    Bevor er jedoch seine Kammer verließ, spritzte er sich etwas Wasser ins Gesicht und strich sich durch seine dunklen Flechten. Anschließend bürstete er einige imaginäre Staubflussel von seiner Tunika und trat schließlich vor die Türe. Seine Füße steckten in weichen Ledersandalen, die er von seinem Herrn als Geschenk erhalten hatte. Eben jene Ledersandalen hütete der Dunkelhaarige wie seinen persönlichen Schatz. Denn ein Geschenk seines Herrn war etwas sehr persönliches und demzufolge äußerst wertvoll.


    Geschmeidig huschte Yaris durch die Flure des Hauses, bis er schließlich nach draußen gelangte und das Horreum, den Stallbereich der Casa erreichte. Neugierig blickten ihm die drei Pferde auch schon entgegen, als sich Yaris dem Stallgebäude näherte und durch das offenstehende Stall Tor das Innere der Stallungen betrat. Als sich seine Augen an das dämmerige Licht gewöhnt hatten, erblickte er auch schon Cengiz, sowie einen ihm fremden jungen Mann. Vorsichtig trat Yaris dann doch näher, blieb jedoch in sicherem Abstand stehen und hielt seinen Blick gesenkt. Cengiz würde schon auf ihn aufmerksam werden.

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    Thomas Fuller (1608 – 1661)


    Die Tatsache, dass Anippe einfach so verschwunden war, war auch an Yaris Gehör gedrungen und hatte den Dunkelhaarigen sichtlich verwirrt. Sein Herr und Anippe sahen so glücklich miteinander aus und verlobt hatten sie sich doch auch. Und dann war Anippe einfach so verschwunden? Nein. Das konnte der junge Perser einfach nicht glauben. Aber so scheint es tatsächlich den Eindruck zu machen. Denn das Gästezimmer war leer und auch sonst hatte Yaris die junge Frau nicht mehr erblicken können. Alles sehr merkwürdig, geisterte es dem Sklaven durch den Kopf, dessen Finger sich um die Schüssel mit den kleinen Köstlichkeiten betteten und er darauf wartete eintreten zu dürfen. Als schließlich ein gebrummeltes -Herein- erklang, atmete Yaris tief durch und betrat das cubiculum seines Herrn. Rasch hatte er die Türe hinter sich geschlossen und wartete.


    Sein Herr bemerkte ihn jedoch und was Yaris verwunderte war die Tatsache, dass er von seinem Herrn tatsächlich einen Sitzplatz ihm gegenüber angeboten bekam. Vorsichtig stellte Yaris die Schale mit den leckeren Köstlichkeiten auf einem kleinen Tisch ab, bevor er sich seinem Herrn gegenüber auf das weiche Polster des Sessels setzte. Das Polster war tatsächlich äußerst weich, so dass der persische Sklave den Eindruck bekam, er würde jeden Augenblick mit dem Polster verschmelzen. So setzte er sich an den Rand des Sessels, um bei Bedarf sofort aufspringen zu können, wenn dies sin Herr verlangte.


    Die Küchlein jedoch ließ Yaris unangetastet. Schließlich waren diese für seinen Herrn bestimmt und so bettete er seine Finger in seinen Schoß und lauschte den Worten des Älteren.


    “Mein Herr darf sich nicht in Trübsal aalen. Anippe hatte bestimmt einen Grund, wieso sie einfach so verschwunden ist. Und dir nicht Bescheid gegeben hat Herr.“


    Dabei nickte der junge Perser und neigte seinen Kopf kaum merklich auf die Seite.


    “Anippe würde es bestimmt nicht gefallen, wenn sie dich nun so sehen würde.“


    Dann verstummte Yaris auch schon und atmete tief durch. Jetzt war sein Herr an der Reihe. Aber Trübsal blasen kam nicht in Frage.

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    Thomas Fuller (1608 – 1661)


    Auch Yaris war das plötzliche abreisen der jungen Frau ein Rätsel. Sie schien doch so glücklich mit seinem Herrn zu sein. Wieso also diese plötzliche Flucht? Ja. Es kam einer Flucht gleich, zumindest in den Augen des jungen Persers. So war es nicht verwunderlich, dass sich Yaris sehr um seinen Herrn sorgte und sich dennoch auf Zehenspitzen durch das Haus bewegte. Denn von Cengiz hatte er in Erfahrung gebracht, dass die Gemütslage seines Herrn äußerst angespannt war und dieser äußerst jähzornig sein konnte. So hielt sich der Sklave bedeckt und versuchte seine Studien der römischen Sprache weiter voran zu treiben.


    Eines Tages jedoch konnte es Yaris einfach nicht mehr mit ansehen, wie sich sein Herr in Trübsal aalte und beschloss all seinen Mut zusammen zu nehmen, und seinem Herrn unter die Augen zu treten. Um einen Grund zu haben, seinen Herrn zu besuchen, hatte er sich in der Küche eine Schüssel mit kleinen Küchlein geschnappt. Diese würde er auf direktem Weg zu seinem Herrn bringen. Vielleicht würde diese Nascherei die Laune des Dunkelhaarigen heben.


    Als Yaris schließlich vor den Räumlichkeiten seines Herrn ankam, atmete der Perser tief durch, bevor er anklopfte und auf das wohl vertraute -Herein- wartete. Danach erst würde der Sklave eintreten und hinter sich die Türe schließen. Die Schüssel mit den kleinen Küchlein präsentierte er auch schon seinem Herrn, nachdem er dessen Räumlichkeiten betreten hatte.


    “Eine süße Kleinigkeit, damit dein Herz wieder fröhlicher wird Herr.“


    Sprach Yaris mit samtener Stimme, in lateinischer Sprache, wenngleich diese Sprache ihm immer noch schwerlich über seine Lippen entwich.

    Worte sind voll Macht und Leben,

    Bald wie Engel, deren Fittig

    Strahlend uns're Nacht erhellt.

    Jedes Wort hat seine Seele,

    Die nicht stirbt, ob Ehr', ob Schmach

    Ihr zu Theil; entfloh'n der Lippe

    Hallt's im Himmel nach.


    Von Euphorie beseelt betrat Yaris seine Kammer, nachdem er mit dem Sekretär seines Herrn dem Schreibwarenhändler Nabu einen Besuch abgestattet hatte. Tiberios hatte wahrlich nicht übertrieben, als er erklärt hatte, dass es in diesem Schreibwarengeschäft alles gab, was des Schreibers Herz höher schlagen ließ. Und auch Cengiz war erfreut über die riesige Auswahl, dies hatte Yaris an dessen leuchtenden Augen erkennen können. So hatte der Sekretär seines Herrn einige Schreibutensilien kaufen können. Darunter befanden sich einige Wachstäfelchen, sowie einige Griffel für Yaris. Cengiz hatte offensichtlich vor, ihm tatsächlich die Ausbildung eines Scribaes zuteil werden zu lassen. Ob dies mit seinem Herrn abgesprochen war, wusste der persische Jüngling allerdings nicht. Da Cengiz jedoch das vollste Vertrauen Jumshagins genoss, hatte der Sekretär auch allerlei Freiheiten. Und somit machte sich Yaris über diesen Einkauf keinerlei Sorgen. Sein Herr würde ihn schon darauf ansprechen, wenn es ihm nicht gefiel.


    Nachdem die Türe hinter dem Jüngling ins Schloss gefallen war, ließ Yaris seinen Blick durch seine Kammer gleiten und erblickte die Pergamentrolle, mit den Worten, die er bereits auswendig gelernt hatte. Jetzt musste er diese Worte nur noch auf das Pergament niederschreiben können. Dann wäre dies ein weiterer kleiner Fortschritt den er seinem Herrn präsentieren könnte. Wenn sein Herr überhaupt Zeit für seinen Sklaven fand. Denn seitdem sich dieses hübsche Fräulein im Haus befand, hatte sein Herr nur noch Augen für das Mädchen.


    Um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen, nahm er die Pergamentrolle an sich, sowie eine der Wachstafeln und einen Griffel. Andächtig setzte sich der Jüngling auf seinen Strohsack und breitete das Pergament neben sich aus, um jederzeit einen Blick darauf werfen zu können. Das Wachstäfelchen legte er auf seine Knie und schloss seine Finger um den Griffel. Dieser fühlte sich etwas merkwürdig in seinen Händen an. So begann Yaris Buchstabe um Buchstabe der Pergamentrolle auf das Wachstäfelchen zu übertragen.


    Abermals versank er in seiner eigenen Welt und konzentrierte sich einzig und alleine auf die Buchstaben auf dem Pergament. Auf die Worte, die ihm freundlich zuzuwinken scheinen.

    Wenn du einkaufen gehst, benutze deine Augen, nicht deine Ohren.

    Aus Tschechien


    Abwechselnd huschte Yaris Blick zwischen den Münzen in seiner Hand und der älteren Perserin hin- und her. Reichten diese zwei Münzen tatsächlich, um die vier Granatäpfel zu erstehen? Schließlich reichte der Händler die vier Granatäpfel in seine Richtung und Yaris reichte dem Verkäufer die zwei Münzen.


    “Du besitzt wahres Verhandlungsgeschick.“


    Musste der junge Perser neidlos anerkennen und blickte mit einem aufmerksamen Gesichtsausdruck zu der Älteren empor, während er die Granatäpfel fest an sich drückte.


    “Weißt du, ich kenne mich hier noch nicht wirklich aus und wenn ich mich dann verlaufe, wird mein Herr auf mich warten und das möchte ich unbedingt vermeiden.“


    Erklärte sich der Jüngling, während sein Blick auf die Liste fiel, die er nun etwas zerknittert in seiner Hand hielt. Denn mit der anderen Hand umklammerte er die Verpackung, in der sich die vier Granatäpfel befanden.


    “Mein Herr wünscht, dass ich einige seidene Bänder auf dem Markt erstehe. Damit kann das junge Fräulein im Haus ihre hübsche Kleidung verzieren kann.“


    Überlegend wiegte Yaris schließlich seinen Kopf von einer Seite auf die andere und linste erneut auf die Einkaufsliste.


    “Fleisch und Mehl steht hier auch noch.“


    Gab Yaris zur Antwort und blickte zu Morrigan empor. Als diese die süßen Backwaren erwähnte, die sie an den Wagenrennen verkauft hatte, leuchteten die Augen des Sklaven hell auf.


    “Lass uns bitte zu diesem Bäcker gehen.“


    Sprudelte es aufgeregt über die Lippen des persischen Sklaven, während sein Blick bereits in Richtung des Standes mit den süßen Köstlichkeiten wanderte.

    Cengiz et Yaris

    Die Handbewegung des Sekretärs bemerkte Yaris aus dem Augenwinkel und so war es nicht verwunderlich das er sich nach einigem zögern dann doch dazu entschloss, wenigstens von den Obststückchen zu kosten. Diese schmeckten wahrlich köstlich und der Saft war von einer Süße durchsetzt die den Perser regelrecht schwindelte. Nachdem der furische Maiordomus seine Tasche auf den Tisch gelegt hatte und sein Schreibwerkzeug präsentierte war Yaris äußerst neugierig und beugte sich tatsächlich auf seinem Stuhl etwas nach vorne. Viel fehlte nicht mehr und der Sklave wäre vom Stuhl gepurzelt. So jedoch krallte er seine Finger am Stuhl fest und betrachtete das Schreibwerkzeug mit allergrößtem Interesse.


    Als der furische Maiordomus ihm dann eines der köstlichen Kuchenstücke anbot, schüttelte der Jüngling rasch seinen Kopf. Nein. Diese Kuchenstücke sahen äußerst edel aus und so waren sie wohl nur für den Sekretär seines Herrn bestimmt.


    “Dieser Kuchen sieht wahrlich köstlich aus. Ein Lob an den Bäcker oder die Bäckerin.“


    Lobte der junge Perser mit samtweicher Stimme, während er versuchte diesen Satz auf lateinisch über seine Lippen dringen zu lassen. Auch wenn ihm dies lediglich bei ein paar Wörtern gelingen mochte. Den Rest des Satzes beendete Yaris in seiner Muttersprache, dem persischen.


    “Ich würde mir dein Schreibwerkzeug einmal von nahmen ansehen. Und.. und es befühlen.“


    Gestattete sich Yaris dann doch seinen leisen Wunsch auszusprechen. Wobei sein Blick suchend in des Cengiz Richtung wanderte. Hoffentlich war ihm der Sekretär seines Herrn nun nicht böse, dass er seinen eigenen Wunsch laut ausgesprochen hatte.


    Schließlich wurde das Geschäftliche geregelt und die Seide, sowie einige Münzen wechselten den Besitzer. Als sich nun Tiberios vor ihnen, vor allem vor Cengiz verneigte, erhob sich auch Yaris in einer fließenden Bewegung und verneigte sich ebenfalls vor Tiberios. So war es ihm eben eingebläut worden. Nachdem sich der persische Sklave wieder aufgerichtet hatte, blieb er mit gesenktem Kopf stehen und wartete darauf das Cengiz das Zeichen zum Aufbruch gab.

    Cengiz et Yaris

    Noch nie hatte Yaris den Sekretär seines Herrn so viele Worte aneinander reihen gehört. Meistens nämlich war Cengiz eher sparsam mit seinen Worten und das ihm jetzt die Worte derart leicht über die Lippen kamen, erstaunte den Perser sichtlich. Die Geschichte, die der Sekretär seines Herrn zum Besten gab, ließ Yaris mit nun vornüber gebeugten Oberkörper und wachem Blick gespannt lauschen. Denn diese Informationen hatte Cengiz bis dato vor dem jungen Sklaven im Verborgenen gehalten. Worüber der Jüngling nicht erbost war. Schließlich war er doch nur ein Sklave. Auch wenn es ihn interessierte wie sein Herr gelebt hatte. Wie er aufgewachsen war und was er getan hatte, bevor es ihn in die Urbs Aeterna verschlagen hatte. All dies erfuhr Yaris in just diesem Augenblick und hielt bei einigen Passagen der Geschichte erschrocken die Luft an. Sein Herr war also quasi auf der Flucht vor seinem Onkel Ceylan? Hatte Yaris dies richtig verstanden und für sich richtig übersetzt? Dies bedeutete also sein Herr war in Gefahr? War sein Herr deswegen in die Urbs Aeterna gereist, um hier Zuflucht zu finden und weil er sich erhoffte von Ceylan nicht gefunden zu werden? Zumindest nicht allzu schnell? Fragen über Fragen die dem Jüngling durch den Kopf geisterten, so dass er seine Finger fester miteinander verschränkte.


    Dem Wein und den Obstschalen schenkte Yaris kaum Beachtung. Alkohol vertrug er ohnehin nicht und hatte bis dato auch noch nie vom Wein kosten dürfen. Die Obststücke dagegen sahen äußerst schmackhaft aus, wie sie in den kleinen Schälchen verführerisch glänzten. Konnte er einfach so zugreifen? Würde es ihm gestattet werden? Cengiz hatte zwar gönnerhaft auf die Schälchen gedeutet, doch so ganz traute sich der Jüngling dann doch nicht. So war es nicht verwunderlich das Yaris einen fragenden Blick in des Sekretärs Richtung warf, um von ihm die Bestätigung zu erhalten, dass er sich bei dem Obst bedienen durfte. Die beiden Kuchen würde Yaris dagegen nicht anrühren. Einen der Kuchen war für Cengiz bestimmt und der andere für den furischen Maiordomus. Dies beschloss der Perser gedanklich für sich. Beugte sich dann schließlich etwas nach vorne und griff in eine der Obstschalen, um sich die süße Frucht zwischen die Lippen zu schieben. Köstlich, wie sich der Saft auf seiner Zunge ausbreitet und seine Kehle hinabrann.


    Und während Tiberios, nachdem Cengiz geendet hatte, seine Stimme ebenfalls erklingen ließ, angelte Yaris ein weiteres Obststück aus der Schale und verkostete dies mit Genuß. Als der Maiordomus schließlich seine Tasche auf den Tisch legte und sein Schreiberwerkzeug präsentierte, bekam Yaris große Augen und betrachtete die Schreibfedern und Griffel mit einem ehrfürchtigen Glanz in seinen Augen. Würde er irgendwann solche Federn und Griffel ebenfalls sein eigen nennen dürfen, wenn ihm sein Herr erlaubte ein Scriba zu werden? Freudiges Herzklopfen erfüllte Yaris bei diesem Gedanken.

    Cengiz et Yaris

    Zwar hielt Yaris weiterhin seinen Kopf gesenkt, jedoch waren seine Ohren gespitzt, so dass ihm kein einziges der Worte die Tiberios sprach verborgen blieb. Und was genau meinte Cengiz damit, dass sein Herr etwas ähnliches mit ihm vorhatte? Wollte sein Herr etwa, dass der Jüngling ebenfalls eine gehobenere Position im Haushalt des Seidenhändlers einnahm, wie es Tiberios in der Casa Furia tat? Als Cengiz den persischen Sklaven mit seinem Namen vorstellte, verneigte sich Yaris unwillkürlich vor Tiberios. Zwar war dieser ebenfalls ein Sklave, jedoch von weitaus höherem Rang und außerdem waren sie in der Casa Furia zu Gast und der Dunkelblonde stand der Casa Furia als Maiordomus vor. So die gedankliche Überlegung des Yaris, als dieser sich nach seiner Verneigung aufrichtete und weiterhin mit gesenktem Kopf stehen blieb. Das Lächeln des Tiberios bemerkte der persische Sklave aus dem Augenwinkel und erwiederte jenes Lächeln kaum merklich.


    Schließlich erklang abermals die Stimme des furischen Maiordomus und Tiberios erklärte seine Aufgaben in der Casa Furia. Schon bald schwindelte Yaris der Kopf und seine Finger verkrampfte er kaum merklich etwas fester. Sein Herr hatte vor, dass auch Yaris all diese Aufgaben und Tätigkeiten übernehmen sollte? Hierfür musste der Jüngling aber zuerst der lateinischen Sprache mächtig sein. Und dies in Wort und Schrift. Sonst würde er sich nur blamieren und dies lag Yaris fern. Nichts wäre schlimmer, als das Ansehen und den Namen seines Herrn in den Dreck zu ziehen, nur weil sein Sklave der hiesigen Zunge nicht mächtig war.


    Nachdem sich Cengiz auf dem ihm dargebotenen Stuhl niedergelassen hatte, blieb Yaris weiterhin mit gesenktem Kopf stehen. Bis zu dem Moment, als ihm Cengiz ebenfalls einen Sitzplatz anbot und der junge Sklave sich vorsichtig darauf niederließ. Seine Finger hielt er locker in seinem Schoß miteinander verschränkt und seinen Kopf gesenkt. Dabei jedoch hatte er weiterhin seine Ohren gespitzt, damit ihm auch ja keines der gesprochenen Worte entging.

    Cengiz et Yaris

    Die in Leinen geschlagene Seide hielt Yaris weiterhing eng an seinen Körper gedrückt. Jedoch nicht derart fest, um die darin befindliche Ware zu zerstören. Schweigend folgte er somit Cengiz, der seinerseits dem furischen Iaintor bis zu einer offenstehenden Türe folgte. Im inneren des Raumes konnte Yaris ein Stehpult erblicken und dahinter einen jungen Mann, den offensichtlichen Maiordomus dieses Hauses. Hinter Cengiz trat Yaris in das officium des furischen Maiordomus ein und blieb mit gesenktem Kopf stehen. Schließlich würde der Sekretär seines Herrn ihr Anliegen vortragen und Yaris schlußendlich die Ware an ihre rechtmäßige Besitzerin übergeben.


    Das Lächeln des furischen Maiordomus erhaschte der persische Jüngling aus dem Augenwinkel und erwiederte kaum merklich jenes Lächeln. Schließlich erhob der Maiordomus seine Stimme und Yaris lauschte mit gespitzten Ohren. Auch wenn er bis auf Salvete nichts verstand, so verharrte der Jüngling mit gespitzten Ohren und lauschte dem Wortwechsel zwischen Tiberios und dem Sekretär seines Herrn. Denn dadurch konnte Yaris weitere Worte lernen, über deren Ursprung und Bedeutung er später Cengiz genauer befragen würde. Doch zuerst musste das Geschäftliche erledigt werden.


    Artig trat Yaris auch schon näher, als er den kaum merklichen Wink des Cengiz bemerkte und hielt das in Leinen geschlagene Bündel vor sich. So konnte Tiberios danach greifen. Als Cengiz ihn vorstellte, senkte der junge Perser augenblicklich seinen Kopf. Denn seinen Blick hatte er unbewusst durch das Officium des furischen Maiordomus gleiten lassen. So viele Pergamente und Schriftrollen auf einem Haufen. Dies beeindruckte und faszinierte den Jüngling.