Beiträge von Publius Pompeius Pollio

    Ich hatte mir ernsthaft überlegt, mich hiervor zu drücken. Ja, ich wollte in die Politik, da sollte man meinen, dass ich mich gerne reden hörte. Und naja, tat ich auch, irgendwie. Trotzdem konnte ich mir was schöneres vorstellen, als bei Eiseskälte auf der Rostra zu stehen und darüber zu dozieren, wie toll ich war, während das die allermeisten Zuhörer eh nicht interessierte. Im Grunde war ich mir sogar ziemlich sicher, dass es nicht auch nur einen gab, den es interessierte, denn den einen, der mir vor Wochen vollmundig versprochen hatte, jede meiner reden anzuhören, hatte ich jetzt schon seit Wochen nicht mehr gesehen.Wahrscheinlich lag er irgendwo tot im Straßengraben. Oder im Tiber. Das einzige, was ich mit Sicherheit sagen konnte, war, dass er nicht in meinem Bett lag, und ja, so ein wenig ärgerte mich das.

    Aber jetzt war nicht die Zeit, sich zu ärgern. Oder über das Wetter zu beschweren. Oder sich zu drücken. Jetzt war ich schon mal hier, jetzt zog ich das auch durch. Auch wenn mir niemand zuhörte.


    Ich stieg also auf die Rostra, in meiner besten Toga – also einer von den zweien, die ich hatte – und rausgeputzt wie zum Triumphzug, und begab mich in Rednerhaltung. Die niemanden zu beeindrucken schien, aber egal.


    "Volk von Rom!"


    Ich schmetterte die Worte über die Menge, aber nur ein paar guckten halbwegs interessiert auf. Ich hätte Geld investieren sollen. So ein paar Claqueure wären wohl nicht schlecht gewesen. Aber gut. Dann halt nicht.


    "Volk von Rom!" rief ich erneut. Mit ähnlichem Erfolg. Aber egal.


    "Mein Name ist Publius Pompeius Pollio! Im letzten Jahr war ich für euch als Tresvir aere argento auro flando feriundo im Amt. Wem das nichts sagt: Das sind die Tresviri monetales, die für euch die Münzen prägen und in Umlauf geben.

    Und genau das habe ich auch getan. Ich habe überwacht, dass das Silber aus den Minen von Britannia hier in Rom sicher angekommen ist, dass es eingeschmolzen und zu reinem Silber verarbeitet wird, das dann wiederum in Münzen geschlagen wird. Ebenso die Bronze, die aus Kupfer aus Cypria und Baetica, und aus Zinn aus Aquitania und Hispania gegossen wurden, und für euch zu Münzen geschlagen wurden. Mit meinen Amtskollegen habe ich darauf geachtet, dass ihr, das Volk von Rom, nicht eures Reichtums durch Diebe und Gesindel beraubt werdet und nun die anstehenden Saturnalien ausgiebig genießen könnt.


    Ebenso habe ich neue Münzen in Auftrag geben können, mit dem Porträt unseres geliebten Kaisers und seines Sohnes, des Caesars. So können all die Menschen im gesamten römischen Reich ihrem Imperator, Gnaeus Septimius Antoninus Augustus, nahe sein und ihn sehen, von Britannia im Norden bis Africa im Süden, von Hispania im Westen bis Syria ganz weit im Osten. Und auch ihr könnt ihn so bald sehen, wenn die neuen Münzen nun ausgebracht werden, und euch am seinem Ruhm ein wenig mit sonnen in dieser kalten Zeit.


    Volk von Rom, es war mir eine Ehre, euch, dem Reich und dem Kaiser zu dienen und ich hoffe, dass ihr mir auch in Zukunft wieder euer Vertrauen schenken werdet!"



    Gut, etwas polemisch, der Schluss gefiel mir nicht, aber was sollte ich jetzt sagen? Peace out, wie man in Epirus als Möchtegern-Ganove sagen würde? Wohl eher nicht. Aber hey, ich hatte meine Res Gestae gehalten. Kurz und knackig, und das zu Beginn der Saturnalien! Was also wollte ich mehr?

    Ich erlaubte mir ein Lächeln. Ja, die Dinger würden teuer werden, und ich hatte so das Gefühl, dass von einem Magistraten erwartet wurde, das selber zu zahlen. Man tat das ja schließlich für das Gemeinwohl, so wie die Aedile auch Spiele auf eigene Kosten abhielten. Was war ich froh, dass mein Cousin reich war. Aber nicht nur die in meinen Zuständigkeitsbereich fallenden Kupfer- und Bronzemünzen prägen zu dürfen, sondern tatsächlich auch die Silberdenare, ja, das konnte ich mir am Ende der Amtszeit schon als Pluspunkt anrechnen lassen.

    "Ich danke dir, mein Kaiser, und werde alles entsprechend in die Wege leiten lassen", sagte ich und überging dabei die Tatsache, dass der Kaiser sich an meinen Namen hatte erinnern lassen müssen. Vielleicht wäre es daher ratsam, gleich noch was für die eigene Karriere anzufügen. "… und ich hoffe, dass du dich positiv an mich erinnerst, wenn du die senatorischen Tribune für das nächste Jahr berufst." So ein kleiner, nicht ganz dezenter Hinweis konnte zumindest nicht schaden.


    Bevor die Prätorianer aber doch auf die Idee kamen, dass ich nervte, deutete ich wieder eine leichte Verneigung an und räumte den Platz für den nächsten Bittsteller, während ich mich wieder zurück in die Menge begab und mir dann den Weg nach draußen langsam schlängelte.

    Der Kaiser besah sich meinen Entwurf eher halbherzig. Die Münze aber schien ihm ehrlich zu gefallen, und ich war durchaus erleichtert, als er anfing, das Ding in den Fingern zu drehen und zu loben. Treffer. Ich war erleichtert Es erhöhte erheblich meine Chancen, ihm positiv im Gedächtnis zu bleiben und nicht von den Prätorianern heimlich, still und leise entsorgt zu werden. Ich entspannte mich ein wenig und erlaubte mir ein dezentes Lächeln.

    "Natürlich, Augustus. Wenn du erlaubst, werde ich den Auftrag erteilen für weitere Prägestempel mit deinem Konterfei und einem thronenden Mars, als Zeichen des Wachstums und der Stärke." Ich dachte, dass ich das so herausgehört hatte, dass ihm diese Möglichkeit gefallen würde. Und ich persönlich fand halt Mars da besser als die Dioskuren. Mehr auch für Wachstum und Landwirtschaft und weniger Pferde und Wettkampf. Aber gut, wenn er es anders haben wollte, würde er es schon sagen.

    Ja, das war das, was ich gesagt hatte. Mir lag ein sarkastischer Kommentar auf der Zunge, aber nein, nein, wer Karriere machen will, muss lieb sein. Und wer vögeln will. Und wer was gekocht bekommen will, in das niemand hineingespuckt hat. Überhaupt war Sei nett, wenn du dir fies sein nicht leisten kannst generell ein guter Tipp. Und so lächelte ich wohl etwas dümmlich auf seine Frage und bemühte mich um ein möglichst neutrales "Ja, genau, mein Kaiser."

    Dass der Kaiser da länger drüber nachdenken musste, machte die Sache irgendwie nicht besser. Ich bemühte mich, geduldig zu bleiben und mich nicht zu fragen, was an der Sache denn so schwer war, bis er mich endlich erlöste und mich sogar vortreten ließ. Oh, prima. Ich sollte mich echt geehrt fühlen. Oder darauf achten, keine ruckartigen Bewegungen zu machen, wenn mir mein Leben lieb war und ich den Blick des ein oder anderen Prätorianers richtig interpretierte. Ich zog also erst einmal die Schriftrolle aus meiner Toga und näherte mich dann mit überschaubaren Bewegungen dem Imperator des römischen Reiches, ehe ich sie ihm überreichte.

    "Das ist jetzt erst einmal eine vergrößerte Zeichnung. Ich habe auch schon auf eigene Kosten einen einzelnen Prägestempel fertigen lassen. Das hier ist in dem Fall eine schon geprägte Münze. Als Rückseite haben wir die gerade gängige mit Pax als Motiv belassen, aber wir könnten da natürlich auch etwas neues anfertigen lassen, wenn du da etwas anderes bevorzugst."

    Ich überreichte ihm auch den einzelnen, schillernden Denar. Solange er nicht die Erlaubnis dazu gab, die Dinger zu prägen, wäre es absoluter Selbstmord gewesen, mehr als eine Münze zu machen, und der verdammte Stempel war verdammt teuer gewesen. Erst recht für nur ein einziges Silberstück. Daher hoffte ich, dass es dem Kaiser gefiel, das steigerte meine Chancen, nicht auf diesen Kosten sitzen zu bleiben.

    Ich war der Wache über das mir unbekannte Palastgelände gefolgt. Mit seinen ausladenden Bauwerken und vielen Räumen war es für mich jetzt nicht unbedingt einfach, mich zu orientieren. Da das aber mein erster besucht hier war, erwartete das zum Glück auch niemand, und ich durfte nur den Praetorianer nicht aus den Augen verlieren. Was nicht weiter schwer war, denn der achtete darauf, dass ich nicht plötzlich scharf nach links abbog. Irgendwann setzte er mich in einem Raum mit zig anderen Leuten ab und sagte, ich würde aufgerufen werden. Gut, eine Einzel-Audienz hatte ich jetzt auch nicht erwartet, das wäre wohl eindeutig zuviel gewesen. So konnte ich mich auch nochmal umsehen und blickte in zahlreiche teils nervöse, teils sehr entschlossen dreinblickende Gesichter.


    Vorne war grade eine Delegation aus irgend einer Stadt. Ich hatte nicht mitbekommen, woher. Auf jeden Fall fragten sie gerade nach Marktrechten und legten wortreich dar, dass das nur logisch wäre, da sie wohl zwischen zwei Städten mit Marktrecht lagen und die Händler auf dem Weg von A nach B ohnehin bei ihnen durchkommen würden. Ich hörte nicht so genau zu und legte mir im Kopf lieber die Dinge zurecht, die ich ansprechen wollte.


    Irgendwann verkündete ein Ausrufer, dass der Tresvir monetales Pompeius an der Reihe wäre. Das war mein Stichwort.

    Ich trat vor und deutete eine leichte Verbeugung zum Gruß an. Römer unterwarfen sich schließlich niemanden, auch dem Imperator nicht, und allzu ehrerbietiges Verhalten wäre nur verpönt. Außerdem würde meine Toga dann sonstwohin rutschen.

    "Ich grüße dich, Imperator", begrüßte ich ihn und kam dann gleich zur Sache, weil ihm wahrscheinlich von den zahlreichen Bittgesuchen schon die Ohren bluteten. "Ich bin als Tresvir monetales mit meinen Amtskollegen für die Prägung der neuen Münzen zuständig. Hierbei ist mir aufgefallen, dass die Prägestempel, mit denen dein Abbild in die Münzen geschlagen wird, schon recht alt sind und schon lange keine besonderen Münzen zu Ehren deiner Herrschaft geschlagen worden sind. Daher wollte ich, in aller Bescheidenheit, vorschlagen, dass wir neue Stempel fertigen. Ich hätte auch einen Entwurf dabei, der dich und deinen Sohn, den ehrenwerten Caesar, zusammen zeigt."

    Ich ersparte mir irgendwelche Hinweise darauf, dass der gute Mann ja nicht jünger wurde und sein Sohn vielleicht bald den Menschen etwas bekannter sein sollte, als bislang.

    In meiner besten Toga ließ ich mich von einer Leihsänfte bis direkt vor den Palatin tragen. Dort stieg ich mithilfe eines Sklaven aus und richtete noch einmal kurz die Falten meiner Kleidung und fuhr mir über die Haare. Das hier waren zwar nur die Wachen am Tor und nicht der Kaiser, aber wenn ich jetzt schon derangiert wäre, wäre später wahrscheinlich eine Katastrophe. Und allzu viel Zeit blieb mir nicht mehr, um in meiner Amtszeit als Vigintivir irgendwas bedeutsames zu machen, also galt es, heute überzeugend zu sein. Jetzt oder nie, wie es so schön hieß.


    Ich schritt also mit einer Sicherheit, die ich nicht wirklich fühlte, dafür aber umso mehr Entschlossenheit, auf die Wachposten zu und zeigte mein Einladungsschreiben vor.

    "Ich bin der Tresvir monetales Publius Pompeius Pollio. Ich habe eine Audienz beim Kaiser." Die Worte klangen beim Aussprechen noch immer komisch. Ich hatte damit gerechnet, mit irgendeinem Finanzbeamten rumzustreiten, wenn ich Glück gehabt hätte. Aber dass dem Kaiser so langweilig war, dass er mich selbst sehen wollte, damit hatte ich ganz sicher nicht gerechnet. Aber ich würde mich auch bestimmt nicht darüber beklagen.

    Cato seufzte und ließ die Schultern hängen.

    "Aye, ich merke es... Ich habe ein Talent dafür, Leute zu verärgern. Zugegeben, das ist eher kontraproduktiv bei Leuten wie uns, aber sei es drum. Ich versuche, es später wieder gut zu machen und mich zu entschuldigen. Die Kleine dort ist meine Cousine, vielleicht kann ich ihn ihr ja mal vorstellen, sofern sein Stolz es ihm gestattet."

    Cato versuchte, sich seine Verlegenheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen und winkte ab. Seine Versuche, sich bei den Standesgenossen beliebt zu machen, endeten alle in etwa so, jedenfalls sobald es nicht um rein geschäftlige Dinge ging.

    "Nun, ich wollte mich auch nicht aufdrängen. Ich hatte nur das Gefühl, vielleicht ein paar verwandte Seelen zu finden, mit denen man sich amüsieren kann. Wenn ich noch einmal Claudius' Erzählungen von seinen Handelserfolgen hören muss, hänge ich mich am Dachbalken auf. Die Leute denken, nur weil sie meinen Vater kannten, interessiere ich mich auch nur einen Pfifferling dafür, was sie letzte Woche gefrühstückt haben. Nun ja, lächeln und winken... Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr belästigt."

    Das war seine Cousine? Warum hatte er das denn nicht gleich gesagt? Und viel interessanter: Warum hatte er ausgerechnet Atticus zu ihr hinschubsen wollen, damit der sie ansprach, während sie schon zwei Verehrer an der Backe hatte?

    Ich machte trotzdem eine wegwerfende Handbewegung. "Ach, mach dir da keine Gedanken. Er ist einfach gerade etwas schlecht drauf." Eigentlich, seit ich ihn kennengelernt hatte. Der Kerl war andauernd im Stress. Oder einfach ein notorischer Pessimist oder so. "Aber wenn du mir deine Cousine vorstellen willst, wenn sie von ihrer Flucht zurück ist, dann gerne." Denn inzwischen hatten die beiden Damen dezent den Rückzug angetreten, und ja, ich entspannte mich deshalb auch ein wenig. Weniger wegen der Cousine des Decimers, sondern mehr wegen Aurelia Graecina, wie ich zugeben musste. Oh, ich war nicht eifersüchtig, dass andere Männer mit ihr sprachen. Sie war wunderschön, da war das natürlich. Aber ein Peregrinus und ein kleiner Dieb waren wohl wirklich kein passender Umgang für sie, und, naja, sagen wir es so: Solange sie nicht vergeben war, konnte ich noch ein wenig träumen.

    Aber der Decimer schien sich verabschieden zu wollen, oder so verstand ich ihn zumindest. Ganz sicher war ich nicht – auch wenn der Teil über die verwandten Seelen vielleicht ein wenig too much war, wie wir in Epirus sagen würden. "Ich glaube, der Gastgeber wäre nicht so erfreut, wenn sich seine Gäste hier drinnen erhängen würden, wo er doch alles so schön hergerichtet hat", witzelte ich also. "Wer ist denn dein Vater?" fragte ich dann aber doch noch, wo er so plakativ auf ihn hinwies, dass ich annehmen musste, es sei irgendwer wichtiges. "Und keine Sorge, ich komm aus der Provinz, ich bin nicht so leicht zu belästigen."

    Ich sah noch immer zu Aurelia Graecina hinüber, als ich merkte, wie sich Quintus an sie heranmachte. Was bei allen guten Göttern?! Es war ja jetzt nicht so, dass ich übertriebene Standesdünkel hätte oder so. Gut, ein klein wenig Snob steckte schon manchmal in mir, aber noch grade so viel, dass es als charmant durchging. Aber Quintus konnte wohl von Glück sagen, überhaupt hier zu sein. Dass er sich da ausgerechnet an die Aurelia ranschmiss mit diesem verdammt sexy Lächeln, dass war dann doch weit übers Ziel hinaus. Ich blickte stumm zu der Szene und behielt das alles gut im Auge.

    Daher bekam ich erst mit, dass Atticus sich verdrückte, als es schon geradezu zu spät war, noch etwas einzuwenden. Seine Laune war sowieso schon unterirdisch gewesen, aber der Decimer hatte es wohl geschafft, sie gänzlich ins Ungenießbare zu verschlechtern. "Wir sehen uns", verabschiedete ich mich knapp und abgelenkt von ihm und ließ den alten Griesgram ziehen. Dann wandte ich mich dem Decimer zu, wobei ich immer mit halben Auge bei den Damen war. Ich war mir nicht zu schade, notfalls einzugreifen, sollten Quintus und der komische Kerl zu aufdringlich werden. Eine Jungfer in Nöten war immer ein sehr rettenswertes Objekt.

    "Wenn ich dir einen Tipp geben darf, Decimus: Du solltest nicht zu schnell und zu selbstverständlich zum Cognomen übergehen, solange es dir nicht angeboten wurde oder du zumindest gefragt hast", meinte ich mit einem kleinen Zwinkern, da mir schon auch aufgefallen war, wie selbstverständlich er Atticus angesprochen hatte, obwohl wir ihn förmlich mit nomen gentile angeredet hatten. "Sonst hält man dich schnell für aufdringlich. Grade die Damen." Ja, auch wenn das hier ein Fest war und sich wohl im Laufe des Abends noch einige lächerlich machen würden, gab es halt doch gewissen Anstandsregeln, wenn man bei einem patrizischen Consular zu Gast war, über die man sich nicht einfach wie in der Subura-Taverne hinwegsetzen sollte.


    Hab ich was von Titten gehört? – Tausend und eins Wege in den eleganten Gesprächseinstieg. Folgt mir für weitere Tipps.


    Ich musste mir ein Lachen wirklich verkneifen, als ich an den Decimer hörte, wie er sich in unser Gespräch einklinkte und ich an einen ehemaligen Kommilitonen von mir aus Nicopolis denken musste. Zum Glück übernahm Atticus die Vorstellung, ich weiß nicht, ob ich die so nüchtern rübergebracht hätte. Überhaupt brachte er mich sehr schnell wieder zurück von meinem Beinahe-Lachanfall. Götter, warum hatte der so schlechte Laune?

    "Du sollst ja nicht gleich vor ihr auf die Knie fallen und ein Liedchen trällern. Aber einfach mal hingehen, dich vorstellen. Ihr sagen, wie schön ihr Kleid ist. Oder wie kunstvoll ihre Frisur. Dass sie dir unter all den Damen im Raum aufgefallen ist und du sie gerne zu einem Getränk einladen würdest. Oder vielleicht, wenn sie lächelt und die entsprechenden Zeichen gibt, ob du sie auf einen Spaziergang in den Garten begleiten darfst. Ich hab gehört, der Garten hier sei besonders sehenswert. Bestimmt würde sie ihn sehen wollen."

    Ich seufzte. "Bei dir klingt es, als wollte ich dich überreden, zu Cacus in die Höhle zu steigen und ihn zu erschlagen wie seinerzeit Hercules."


    Ich schaute wieder zu dem Mädchen hinüber und bemerkte eine weitere Grazie bei ihr. Aurelia Graecina. Ja, ich hatte mir ihren Namen gemerkt. Aber ich bezweifelte, dass sie sich nach meinem auch nur jemals erkundigt hatte. Warum auch? Sie war eine junge Patrizierin aus bestem Hause, wunderschön, vermögend und in jeder Hinsicht einfach edel. Und ich, naja, ich war das Anhängsel eines Senators gewesen und jetzt ein unbedeutender Magistrat, der nur hoffen konnte, zum Ende der Amtszeit ein Tribunat zu ergattern. Auch darüber musste ich unbedingt mit den passenden Stellen reden, wenn es sich ergab. Bislang hatte ich noch keine Antwort von der Kanzlei erhalten.

    Aber das hinderte mich nicht daran, sie anzusehen. Auch beim Rennen hatte ich schon mehr von ihr als von den Pferden mitbekommen. Und mal ehrlich, wie war auch der hübschere Anblick. Ihr Kleid verhüllte sanfte Kurven, einen schlanken Körper und die Art, wie das Licht auf ihrem Gesicht spiegelte, war hypnotisierend. Ja, am liebsten wollte ich meinen eigenen Rat an meinen Cousin beherzigen und zu ihr hinübergehen und sie fragen, ob sie mit mir den Garten ein wenig bewundern wollte, obwohl sie den wahrscheinlich besser kannte als ich. Immerhin wohnte sie hier.


    "Und was sagst du, Decimus? Sollte mein Cousin hinübergehen und “sich lächerlich machen“, wie er es nennt?" Wenn er sich schon ins Gespräch eingeschaltet hatte, konnte er sich ja auch beteiligen.

    Ich hatte mich dezent in Schale geworfen, ohne die lästige Toga, dafür aber mit meiner besten Tunika und auch ein paar dezenten Armreifen. Immerhin war ich amtierender Magistrat, da musste man wenigstens so aussehen, als könnte man zur feinen Gesellschaft dazugehören, auch wenn ich hier kein Gast war, sondern nur Mitbringsel eines Mitbringsels. Aber was soll’s? Ich war hier, und war damit weit besser gestellt als noch vor Monaten, als ich in Rom ankam und um jeden Kontakt betteln musste. Nein, jetzt konnte ich mich einfach dazustellen und ein paar nichtssagende Plattitüden beisteuern, ganz so, als gehöre ich dazu.

    Wobei es mir mein Cousin wirklich, wirklich schwer machte mit seiner sauertöpfischen Miene. Ich hatte keine Ahnung, welche Laus ihm über die Leber gelaufen war, aber vermutete, dass das noch mit seiner Verletzung zu tun hatte. Zumindest hoffte ich das, alles andere wäre nämlich noch schlechter gewesen.

    Ich schnappte mir also zwei Becher Wein und drückte ihm einen in die Hand. "Schau nicht so mürrisch drein, Cousin Atticus. Man könnte sonst noch denken, dir macht das hier keinen Spaß", sagte ich zu ihm und trank einen Schluck der wirklich guten Weins. Nicht zu leicht, nicht zu schwer, angemessen verdünnt, ohne wässrig zu sein. Ja, so ließ es sich definitiv leben.

    Ich prostete in Richtung des Festes. "Ich meine, schau dir die Leute an. Schau dir die Mädchen an!" Da waren ein paar wirklich, wirklich hübsche Exemplare dabei. Ziemlich zentral stand eine dunkelhaarige Schönheit und wirkte so, als warte sie nur darauf, von einem der Herren angesprochen und in Richtung eines der diskreteren Zimmer komplimentiert zu werden. "Ganz ehrlich, du solltest dir eine aussuchen, bevor sie die Gladiatoren entdeckt haben, und dein Glück versuchen. Wenn du es nicht machst, ich mach’s. Sowas von."

    Keine Ahnung, warum ich meinem Cousin überhaupt den Vortritt lassen sollte bei dem Leckerchen. Er war sowieso viel zu ehrenhaft, um die junge Dame zu verführen. Ich hingegen, nun, ich war moralisch definitiv flexibel genug, um alles mögliche mit ihr anzustellen, selbst wenn keine Ehe dabei rausspringen würde. Oh, und dass sie reich genug war, um als Ehefrau infrage zu kommen, verriet mir schon allein ihr Kleid.

    Da stand ich also und gab einen Brief ab. Nicht irgendwo, nein, an der kleinen, unscheinbaren Poststelle am Palatin, die für die Post für den Kaiserhof zuständig war. Und naturgemäß war das ein riesiger Berg an Bittschriften und dergleichen, weshalb ich mir selbst hierfür meine Toga übergeworfen hatte, um möglichst wichtig zu erscheinen, und natürlich sparte ich auch nicht am Bestechungsgeld für den Sklaven, der das alles in Empfang nahm, und wies ungefähr zwanzig Mal darauf hin, dass ich Magistrat war und das daher wichtig.


    An die Kaiserliche Kanzlei


    IIIvir monetales Publius Pompeius Pollio s.d.


    Ich wünsche eine Audienz beim zuständigen Procurator zu erhalten. Ich würde gerne eine frage der Münzprägung erörtern, insbesondere die Gestaltung neuer Münzen zu Ehren unseres Imperators, seiner Frau und seinen Söhnen.


    Vale bene


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    Kurz, knackig, auf teurem Papyrus - und hoffentlich irgendwann erfolgreich.

    Nach ein paar Wochen hatte ich den Bogen raus. Gut, schwer war es eigentlich nicht. Im Grunde musste man nur zählen können und wissen, wie man die Listen ausfüllte. Dazu musste man wissen, wer Zutritt hatte – und viel wichtiger, wer nicht! - und was wozu gehörte. Viel mehr war das nicht. Warum man dafür Magistrat sein musste, hatte wohl viel mehr mit Tradition als mit allem anderen zu tun. Denn ganz ehrlich, meine beiden Amtskollegen waren so dermaßen desinteressierte Schnösel, dass ich manchmal glaubte, dass deren Lehrer einen großen Teil der Zeit darauf verschwendet hatten, die beiden jeweils daran zu erinnern, nach dem letzten ausatmen auch wieder einzuatmen. Aber ich tat so, als fände ich ihre Witze geistreich und ihre Geschichten interessant, denn im Gegensatz zu mir hatten die beiden eine ellenlange und tadellose Liste an Senatoren in der Ahnengalerie aufzuweisen, und ich nur einen der Familie etwas peinlichen Onkel, über den besser keiner sprach.


    Trotzdem fand ich die Arbeit doch eher mäßig spannend. Ja, Ruhm, Ehre, blabla. Aber außer Münzen zählen, in eine große Kiste packen und zusehen, wie die Prätorianer die versiegelten und zum Saturntempel (hoffentlich) verfrachteten, hatte ich nicht wirklich viel zu tun. Und das war jetzt nicht wirklich etwas, was ich mir ein ganzes, kostbares Jahr meines Lebens lang vorstellen wollte.


    Ich beschloss also etwas verrücktes: Ich, Publius Pompeius Pollio, Niemand vom Aventin, verstieß gegen die Etikette: Ich wollte Initiative zeigen!

    Die ersten Wochen waren im Grunde nur eine Einarbeitung in die Abläufe der Münzanstalt. Wirklich viel tun konnten wir drei, die wir dieses Amt hatten, nicht, und überhaupt war das Münzenschlagen ziemlich dreckig. Was weniger am Münzen-Schlagen lag, sondern daran, dass hier nicht immer reines Metall ankam. Vor allen Dingen aus den Silberminen Britanniens kamen große Barren an. Silberschweine hießen die Dinger, weil sie beim Gießen in der Form immer wie Ferkel an der Muttersau nebeneinander lagen. Und die Dinger waren schwer. Jedes von ihnen wog 200 römische Pfund. Wie schwer das war? Nun, ungefähr so schwer wie eine wohlgenährte Braut, grade noch so, dass der Mann sie ohne Gesichtsverzerrung über die Schwelle tragen konnte, aber sicher nicht viel weiter. Oder kurz: Das war die eingebaute Diebstahlsicherung der Dinger, denn die konnte man nicht einfach hochheben und wegtragen. Und auch mit einem Karren beförderte man nur höchstens zwei oder drei von den Dingern, weil sonst die Maultiere zu streiken anfingen.


    Natürlich war das nicht reines Silber. Wäre das so, hätten die Diebe wohl Mittel und Wege gefunden, mehr zu stehlen. Auch jetzt wurden die Transporte von den Prätorianern und den Legionen entlang des Weges immer kontrolliert, um mögliche Idioten schon frühzeitig abzuschrecken und ein Abweichen von den gemeldeten Liefermengen an jedem Punkt des Weges nachkontrollieren zu können.

    Die Barren bestanden aber zu großen Teilen aus Blei, denn die Erze, aus denen das Silber gewonnen wurde, waren immer hauptsächlich aus Blei und nur zu kleinen Teilen tatsächlich aus Silber. Das geschlagene Erz wurde also im ersten Schmelzgang einfach nur verflüssigt und in die Silberschweine gegossen und erst im zweiten Schmelzgang wurde diesen das Silber entzogen. Und das meistens erst hier in Rom, um einen Diebstahl noch unattraktiver zu machen. Von den 200 Pfund schweren Dingern kamen dann etwa 25 Pfund Silber zusammen, und sehr, sehr viel Blei für die verschiedenen Wasserrohre und die Verkleidung der Kanalisation. Die Aquarii freuten sich.


    Nur war das Schmelzen wahnsinnig heiß und dreckig und die Sklaven mussten jeden Tag kontrolliert werden. Zum Glück nicht von mir, sondern von übel aussehenden Menschenschindern, die hier die Aufsicht führten. Die wurden dann von Prätorianern überwacht, und die wiederum, zumindest theoretisch dann von mir. Nicht, dass ich mich ernsthaft mit den Prätorianern anlegen würde. So blöd war ich dann doch nicht. Die waren bewaffnet und hatten wenig Skrupel, mal eben einen Kaiser abzumurksen. Was sollte sie davon abhalten, so einen kleinen Pompeier in Einzelteilen im Tiber zu versenken? Aber ich tat zumindest mit gewichtigem Gesicht so, als würde ich sie überwachen, und sie taten mit wohlmeinender Miene so, als würden sie mich lassen.


    Die eigentliche Arbeit der Münzherstellung kam dann danach, wenn die Silberbarren fertig und abgekühlt waren. Oder eben auch Kupferbarren oder Bronze. Gold hatten wir hier in den Wochen, in denen ich da war, keines. Nun wurden aus dem weichen Metall in jedem Fall Stücke geschlagen oder feine Scheiben geschnitten. Immer genau abgewogen mit einer feinen Waage, damit jedes Geldstück gleich schwer und gleich groß werden würde. Wenn ein Krümel abfiel, wurde der gesammelt und wieder eingeschmolzen, um zu einem neuen Barren beizutragen.

    Diese kleinen platten Stückchen wurden dann in die Prägeform gelegt. Darauf kam der Prägestempel für die Gegenseite, und dann war es nur noch ein beherzter Schlag von einem kräftigen Kerl, und wir hatten eine neue Münze. Nicht alle waren immer gerade, nicht alle sahen immer gut aus, aber es waren Münzen, die fein säuberlich aufgeschichtet und gezählt wurden und dann in die Listen eingetragen wurden, damit auch ja keine verloren ging.

    Irgendwie widersprach sich die Phrase stolzer Suburaner in meinem Kopf, aber das behielt ich wohlweislich für mich. Dass Quintus eine sehr eigenwillige Definition von Ehre hatte, hatte ich ja auch schon mitbekommen. Und ich hatte fest vor, meine Lust an ihm im Balneum gleich noch zu stillen. Und ob der andere Partner Männlein oder Weiblein war, die eine Weisheit galt in dem Fall: Wer ficken will, muss lieb sein. Also war ich lieb und hielt die Klappe. "Welchen Grund sollte ich auch haben, dir nicht zu glauben? Die Alternative wäre, dass du dich nur interessant machen willst. Und das hast du bei mir nicht nötig." Ich gab ihm mein bestes Gewinnerlächeln, denn ein wenig flirten konnte auch nicht schaden, um ans Ziel zu gelangen. Auch wenn ich mir inzwischen doch ziemlich sicher war, dass Quintus zum einen wusste, was ich vorhatte, und zum anderen damit nicht nur einverstanden war, sondern es wollte.

    Als er aber mein Angebot, mich für ihn nach einer Bleibe umzuhören, ablehnte, musste ich doch seufzen. "Irgendwann musst du mal lernen, gute Angebote von schlechten zu unterscheiden", zog ich ihn leicht auf und klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. Und die Hand blieb da einen Moment liegen, als er mich fragte, ob ich mein Angebot wiederholen wollte. "Wie gesagt, du solltest gute Angebote erkennen lernen", grinste ich zweideutig als Antwort, ehe ich ihn wieder losließ und mich in Richtung der Porta begab, wo der Ianitor mir auch schon öffnete, ohne dass ich angeklopft hätte. Jetzt, wo es noch so warm war, stand die Porta tagsüber offen, damit etwas Durchzug im Haus herrschte. Ein grimmiger Ianitor und die Aussicht auf einige Bewaffnete im Haus hielten den Pöbel auch so draußen.


    "Ich kann dir ja im Balneum zeigen, wie eingeschüchtert ich davon jetzt bin", zwinkerte ich ihm zu und trat ein in dem festen Glauben, dass er mir folgen würde. Zumindest ließ ich schonmal nach Hanna rufen, sie solle ins Balneum kommen.

    Ich zog die Augenbrauen hoch und grinste vor mich hin. "Gut, dann nenne ich dich nicht mehr Spion, sondern Spion", sagte ich lachend und marschierte weiter. Weit war es nicht mehr bis nach Hause und zu meinem wohlverdienten Bad.

    "Ich hab mich aufgeopfert", meinte ich dann noch als Kommentar zur Causa Greta-Hanna und sah Quintus schief an. "Falls du dich heute aber mit Hanna zufrieden geben könntest, wäre ich dir durchaus sehr verbunden." Das meinte ich wirklich ernst. Ich hasste Gezicke. So gern ich auch mit Frauen vögelte, es war einfach nur anstrengend, zu versuchen, sie zu beschwichtigen. Das wollte ich mir sehr gerne ersparen.

    Außerdem hatte ich wirklich nichts gegen eine weitere Wiederholung unseres letzten Treffens, nur diesmal mit anderer weiblicher Nebenrolle.


    Auf die Frage nach seinem Wohnort wich er aus. Offenbar wohnte er hauptsächlich auf der Straße. Sehr einträglich konnte die Stelle bei seinem neuen Freund wohl nicht sein. Andere Leute hätten jetzt ein weiches Herz bekommen und ihn eingeladen, doch bei sich zu wohnen, bis bessere Zeiten kämen. Aber ich hatte keine so naive Ader. Wir kannten uns ja eigentlich kaum, und was ich von ihm kannte, sprach nicht unbedingt dafür, ihn als Gast einzuquartieren. Ich mochte ihn, er war charmant, gutaussehend und witzig. Und ich wollte ihn auf jeden Fall noch einmal vögeln. Oder mehrere Male. Nach wie vor war ich einem entsprechendem Arrangement nicht abgeneigt. Aber das hieß alles nicht, dass ich nicht auch glaubte, dass er mich beklauen würde, wenn er sich davon einen Vorteil versprach. Ich war weder naiv, noch weltfremd.

    Aber ich war auch kein Ekel. "Nun, ich kann einmal meinen Nachbarn fragen. Der hat ein paar Wohnhäuser. Du weißt schon, fünf Stockwerke und fragwürdige Nachbarschaft. Aber eben sein Eigentum. Wenn er eine Wohnung frei hat und ich ihm verbürge, für mindestens drei Monatsmieten zur Not aufzukommen..." Das war eigentlich kein wirklich schlechtes Angebot und auf jeden Fall besser als die flohverseuchten Schuppen hinter irgendwelchen Lupanaren. Ich beugte mich leicht zu ihm. "Schade, dass du nicht mein Geliebter werden wolltest. Zu denen bin ich etwas großzügiger." Das stimmte. Für die Zeit, die sie mich zu fesseln wussten und ich ihre Gesellschaft genoss, war ich großzügig. Im Rahmen meiner Möglichkeiten, versteht sich.

    So oder so wollte ich jetzt aber Quintus nur necken. Er hatte immerhin abgelehnt, und ich drängte mich niemandem auf. So nötig hatte ich es dann ja nun doch wirklich nicht. Erst recht nicht in Rom, wo man sich käuflich jederzeit Abhilfe schaffen konnte, auch bei spezielleren Vorlieben.


    Kurz bevor wir in die Straße zur Domus Pompeia abbogen, wurde Quintus dann aber doch noch einmal verschwörerisch. Ich sollte das folgende niemand erzählen? Jetzt war ich mir ziemlich sicher, dass Quintus irgendwo hineingezogen worden war, wo er eigentlich nichts zu suchen hatte und für das er sicher nicht gut genug bezahlt wurde.

    Und dann erzählte er mir etwas von Waffenschmuggel und Anschlägen auf Ritter, und mein Gefühl, zu wenig bezahlt zu bekommen, verstärkte sich. Sowieso, ich bekam hier gar nichts gezahlt. Und Quintus eindeutig zu wenig. Wenn ihn irgendeiner dieser Typen erwischte, dann konnte er seine Eingeweide über fünf Straßenzüge hinweg wieder einsammeln gehen. Und den Kopf irgendwo von einem Brunnen aufsammeln, wie damals die Senatoren unter Sulla am Lacus Servilius.

    Und seine einzige Sorge war, dass ich ihm nicht glaubte? Ich blinzelte kurz. "Ich glaube nicht, dass jemand sowas erfindet", antwortete ich ehrlich und schaute Quintus an. "Wie kommt es, dass du da mit reingezogen wurdest? Du weißt, was die mit dir machen, wenn du irgendwann auffliegst?" Nein, wahrscheinlich wusste er es nicht. Ansonsten würde er definitiv eine bessere Bleibe haben als der flohverseuchte Schuppen hinter dem Lupanar, weil er definitiv mehr Geld für sich rausschlagen würde.

    Es gab verschiedene Sorten von Kriminalität? "Möchte ich wissen, in was für einen Scheiß dein Freund verstrickt ist?" fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Quintus hatte so geklungen, als wär das, was auch immer er machte, eine ernste Angelegenheit. Aber scheinbar störte er sich an dem Wort Spion. "Naja, wie nennst du die Augen und Ohren von jemand anderem?" So hatte er sich immerhin selbst beschrieben. Ich nannte so jemand Spion. Aber vielleicht bevorzugte er ja aus irgendwelchen Gründen ein anderes Wort.


    Aber zumindest wusste er sehr gut von diesen ernsten Themen abzulenken, während er sich mir anschloss. Ich tat theatralisch ein wenig so, als hätte mich getroffen, dass er Greta wiedersehen wollte, indem ich mir eine Hand an die Brust hielt und seufzte. Nun, ich glaubte ihm, dass er an die kleine Blondine durchaus noch das ein oder andere Mal gedacht hatte. Ich bezweifelte aber, dass sie es ihm so angetan hatte, dass er nur deshalb mitkommen wollte. Zumal seine Interessen zumindest nicht auf die Damenwelt beschränkt waren.

    "Nun, das wird dann wohl Hanna endgültig das Herz brechen", meinte ich mitfühlend. "Sie wartet ja immer noch darauf, dass du sie erwählst." Gut, tat sie nicht wirklich. Ich hatte sie wohl doch sehr gut abgelenkt und wahrscheinlich erinnerte sie sich nicht einmal mehr an Quintus. Das würde sich aber sicher schlagartig ändern, sobald er bei uns ins Atrium trat und sie ihn erspähte. Und Eifersucht zwischen den Sklavinnen im Haus wollte ich nun wirklich nicht unbedingt. Das war immer so anstrengend.


    Wir gingen weiter den Aventin hinauf. Irgendwann würde ich mir eine Sänfte leisten, die mich diesen Hügel immer hinauftragen würde. So ziemlich alle Magistrate ließen sich herumtragen, anstatt zu laufen. Ein Blick auf den Saum meiner Toga sagte mir auch, warum das so war. Diese Stadt war einfach dreckig. So war das eben, vor allen Dingen in trockenen Sommern. Regen wusch wenigstens den gröbsten Dreck mal weg. Jetzt aber klebte er an allem, was den Boden berührte, fest.

    "Immerhin war ich schon bei einem Pferderennen und in einem Tempel. Ich würde sagen, ganz unbeleckt bin ich nicht mehr. Ich sollte, wenn die Zeit es zulässt, mal die Thermen aufsuchen und mich durchprobieren, welche die beste ist. Nur sind die alle so weit vom Aventin weg."

    Ich sah zu Quintus hinüber. "Wo wohnst du eigentlich?" fiel mir da ein. Irgendwie hatten wir da nie drüber gesprochen.

    "Gibt es nicht immer kriminelle Aktivitäten in der Subura?" fragte ich gut gelaunt. Denn ja, dass in der Subura – oder an jedem beliebigen anderen Ort in Rom – nicht immer alles mit rechten Dingen zuging, war jetzt wirklich keine Überraschung. "Und ich bin mir sicher, dass so einige Politiker ihre Spione haben. Nur geht wohl keine der Seiten damit hausieren. Würde ja die ganze Sache ein wenig ad absurdum führen." Ich zuckte leicht die Schultern. Ja, im Senat saßen einige Snobs, ganz sicher. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass die wirklich alle Idioten waren, die nirgendwo ihre kleinen Vögelchen hatten. Und selbst, wenn sie das nicht selber taten, ein gewiefter Maiordomus würde schon wissen, wen er wo bestechen musste, um an Informationen zu kommen. Ich fragte da ja auch meinen Cousin oder eben den Maiordomus im Haus, wenn ich etwas wissen wollte.


    Die Glückwünsche nahm ich römisch gelassen entgegen, musste dann aber doch lachen. "Ne, lass mal. Am Ende werden noch unangenehme Fragen gestellt, wer der verrückte Typ ist, der wegen mir immer in Beifallsstürme ausbricht", lachte ich bei der Vorstellung. "Aber sofern du von meiner Erscheinung nicht gänzlich überwältigt wirst, kannst du gerne kommen und mir zuhören, wie ich Unfug rede." Denn seien wir mal ehrlich, das meiste, was man so auf der Rostra sagte und hörte, war Unfug.


    Und ja, ich wusste immer noch, was ich zu bieten hatte, weshalb ich es Quintus auch nicht übel nahm, wenn er mich deshalb foppte. Er selber war ja ebenfalls mit einem Selbstbewusstsein gesegnet, das weit oberhalb seines Standes operierte. Und brachte mich damit zum lachen. "Dringend würde ich es nicht nennen, aber ja, ich sehne dem Bad schon entgegen." Ich lehnte mich mehr in seine Richtung, immerhin waren wir auf offener Straße, damit niemand die folgenden Worte mitbekam. Es war wahrscheinlich so schon auffällig genug, wenn ein Togaträger mit einem etwas abgeranzten Dieb sprach. Offensichtlich war sein neuer Beruf zumindest nicht so erträglich, als dass er sich gehobene Kleidung deshalb leisten wollte. Oder er war gut getarnt. Wie auch immer.

    "Und gib es zu, dich lockt nicht nur die Aussicht auf eine Mahlzeit." Ich grinste und ging langsam los, damit er sich anschließen konnte, wenn er wollte. "Ich bin sicher, dass meine Köchin auch noch so einen Hungerhaken wie dich satt bekommt", lud ich ihn nonchalant ein, sich anzuschließen.

    Ganz kurz zuckte es um meine Mundwinkel, als Quintus mich Freund nannte. Es war nicht so, als ob ich ihn nicht sympathisch fände, denn das tat ich durchaus. Er hatte schon einen gewissen Charme, und das nicht nur, weil er gut aussah und sich mir im Balneum einmal hingegeben hatte. Nein, er hatte diesen locker-lässigen Esprit, den man sich wohl nur zulegte, wenn man ohnehin nichts zu verlieren hatte und für Verbitterung nicht der Typ war. Aber ehrlicherweise kannte ich ihn zwei Nachmittage lang, da war es wohl kein Zeichen von besonders inniger Freundschaft, das ganze so zu bezeichnen. Aber aus seiner Warte konnte ich das schon verstehen. Hätte ich auf der Straße schlafen müssen an jenem Tag damals, ich wär wohl auch sehr schnell darin geworden, Freundschaften zu schließen. Insbesondere solche, die mir womöglich mein Überleben sicherten.

    Als er dann fragte, ob ich in der Toga atmen könne, lachte ich doch. "Um ehrlich zu sein, ich kann es kaum erwarten, mir das Ding von meinem halbgöttlichen Körper zu reißen und ins Balneum zu verschwinden – sofern noch Wasser da ist. So langsam dürfte es wirklich mal wieder regnen." Das war noch so ein Nachteil, wenn man am Aventin wohnte: Es gab zwar zwei Aquaedukte, die belieferten aber fast nur den südlichen Teil mit frischem Wasser. Der Rest musste zum Brunnen latschen. Da war Regen, der sich im Impluvium sammelte, viel einfacher.

    Trotzdem zwinkerte ich Quintus bei meinen Worten zu, denn sowohl das eine, als auch das andere würden Erinnerungen in seinem Kopf wecken. Naja, hoffte ich zumindest. Wenigstens damals hatte er so gewirkt, als hätte ihn unser Intermezzo im Balneum durchaus gefallen. Er hatte mich mit Dionysos verglichen. Ich grinste leicht schief bei der Erinnerung.

    "Ja, ich hatte seit unserem letzten Treffen ein tirocinium fori beim letztjährigen Aedil Tiberius. Du weißt schon, der, vor dem ich dich nicht erwähnen sollte." Ja, auch das hatte ich mir gemerkt und grinste noch mehr. "Und das hat mir wohl ein paar Türen geöffnet. Entweder das, oder der Senat war am Wahltag besoffen. Auf jeden Fall bin ich jetzt Tresvir monetales. Ich hatte ja fast gehofft, dich auf dem Forum zu sehen, als ich meine Ansprache dort gehalten habe. Aber falls du dort warst, hab ich dich zumindest nicht bemerkt. Nicht, dass du irgendwas verpasst hättest, außer mich in einer anderen Toga an einem anderen heißen Tag schwitzen zu sehen."

    Ich versuchte, mich zu erinnern, was er mir beim letzten Mal so erzählt hatte. Es war so lange her und es war so viel in der Zwischenzeit passiert. "Und bei dir? Hattest du nicht was von einem reichen Freund erzählt, der ein dubioses Angebot für dich hatte?" So ganz genau wusste ich es nicht mehr, aber Quintus würde mich schon aufklären, wenn er darüber reden wollte.

    Das umständlichste aller möglichen Kleidungsstücke war die Toga des römischen Bürgers, ein riesiges Stofftuch, das auch noch auf die umständlichste Art und Weise getragen wurde, die man sich denken konnte. Es wurde dergestalt um den Körper geschlungen, dass man sich kaum mehr bewegen konnte, ohne wahlweise das Ding von der Schulter rutschen zu lassen oder auf eines der herabhängenden Stücke beim Gehen zu treten. Und wäre all das nicht schon schlimm genug, war es darüber hinaus auch noch verteufelt warm darunter.

    Das erste, was ich jeden Tag machte, wenn ich heim kam, war das Ding an Ort und stelle auf den Boden fallen zu lassen und mich ins Balneum zu geben, um den Schweiß abzuwaschen. Ich war froh um jeden einzelnen Tag, den ich einfach nur in einem Officium oder zuhause verbringen konnte, ohne ein solches Ding anziehen zu müssen. Aber ich war Magistrat. Ich musste als solcher erkennbar sein, sonst vergaßen die Leute viel zu schnell, dass ich ein Magistrat war. Und das hieß, ich musste in dem blöden Ding durch die Stadt spazieren und so zu tun, als wäre mir darunter gar nicht heißt.


    Auch heute war ich unterwegs. Im Moment lernte ich im Grunde noch, wie das alles mit den Münzen denn nun wirklich praktisch umgesetzt wurde. Ich war zwar ein Triumvir aere argento auro flando feriundo, also einer von drei Männern, die Bronze, Silber und Gold schmelzen und (in Münzen) schlagen, aber wirklich war ich zu dem Teil mit dem Schmelzen und Münzen schlagen noch nicht gekommen. Abgesehen davon, dass es bei den Schmelzöfen noch heißer war als unter dieser Toga. Nein, im Moment war ich mehr dafür zuständig, aufzupassen, dass die Sklaven an den Öfen beim Schmelzen und Münzen schlagen nichts klauten und mir von einem Vorarbeiter erklären zu lassen, was sie da den lieben, langen Tag denn taten.

    Für heute hatte ich dabei wohl genug gelernt, denn ich befand mich auf dem Weg zurück vom Capitol zum Aventin. Zurück zum wohl dreckigsten und lautesten Teil Roms, aber dafür auch irgendwie dem lustigsten mit der besten Aussicht. Und dorthin, wo man mir großräumig Platz machte, wenn ich mit meiner Toga entlang spaziert kam. Ja, die meisten Magistrate stammten eher vom Esquillin oder vom Quirinal. Hier im Herzbezirk des Plebejertums waren wir wohl etwas seltener. Da konnte man seinen Handkarren mit halb fauligen Rüben schon mal auf die Seite schieben, wenn einer kam.

    Ich stieg also nichts ahnend wieder die etwas weniger steile Straße Richtung Dianatempel hinauf, als mir jemand bekanntes zuwinkte. Ich grinste leicht und ging zu Quintus hinüber. Wir hatten uns schon eine Weile nicht mehr gesehen. Zum Baden – und allem anderen – war er nicht noch einmal vorbeigekommen. Ich nahm es ihm auch nicht übel. Ich hatte angenommen, dass ihm das alles doch eine Nummer zu groß gewesen war und er deshalb dezent den Rückzug angetreten hatte. Umso erfreulicher war es da dann doch, jetzt gegrüßt und nicht ignoriert zu werden. Also konnte ich dann auch meinen Teil dazu beitragen und nun im Gegenzug nicht einen auf unnahbarer Magistrat machen. So locker, wie das in einer elenden Toga eben ging, ging ich zu ihm herüber. "Salve, Quintus. Na, suchst du wieder verlorengegangene Wanderer?"

    Im Jahr 289 v. Chr. wurden die Triumviri monetales (d. h. die für die Münzprägung zuständigen Magistrate) geschaffen, und die Münzstätte wurde in der Nähe des Tempels der Iuno Moneta eingerichtet: Aus diesem Grund heißt die Münzstätte auf Lateinisch "moneta.

    Die Münzstätte prägte daraufhin ihre erste Münze mit dem Namen "Quadrigatus", so genannt wegen der Darstellung von Iuppiter auf einer Quadriga, angeführt von Victoria, auf der Rückseite, während die andere Seite einen doppelgesichtigen Lorbeerkopf zeigt. Später folgten der Denar und vor allen Dingen der Sesterz, die zu den bedeutendsten Münzen ihrer Zeit wurden. Erst später folgten seltener der goldene Aureus.

    Die Prägung von Silbermünzen (also vor allen Dingen der Denar) unterstand dem Kaiser direkt und wurde von den Prätorianern überwacht. Sie erhielten die Prägung P.M. (Procurator Monetae), wohingegen die Bronzemünzen, die unter dem gewöhnlichen Volk am verbreitetsten waren, weilterhin durch den Senat geprägt waren und die Prägung S.C. (Senatus Consultum) trugen.