Beiträge von Publius Pompeius Pollio

    Ich hatte zwar weder gesagt, dass Quintus sowas nicht könnte, noch, dass unbedingt das der Preis sein würde – auch wenn das meiner Phantasie durchaus entsprach – aber gut, wenn Quintus sich da so sicher war und keinen Rat brauchte, dann war ja alles gut, oder nicht? Daher kommentierte ich den ersten Teil auch nicht weiter, zumal ich sowieso nicht verstand, worüber genau wir überhaupt sprachen.

    Das wiederum versuchte ich zu sagen, als er nochmal nachfragte. "Ich weiß nicht, was ich von der Idee halte oder ob sie dumm oder gut ist. Ich versteh ehrlich gesagt weder, was dein Gönner genau machen will, noch, was du dir davon am Ende versprichst. Ich kann dir nur aus eigener Erfahrung versichern, dass man zwar Platos Politeia in bestem Griechisch runterrattern kann, davon aber trotzdem noch nicht einmal ein kleines Brot zahlen kann."

    Ich zuckte die Schultern und nahm noch etwas zu essen. Immerhin war es ja dafür aufgetragen worden. "Ich hab ja keine Ahnung, was genau der Kerl dir beibringen will. Vielleicht kann man damit ja einen Lebensunterhalt bestreiten. Mit den Informationen bislang kann ich das wirklich beim besten Willen nicht beurteilen." Und wenn ich es richtig verstand, dass Quintus meine Frage nicht beantwortet hatte, hieß das auch, dass er nicht lesen konnte, zumindest nicht griechisch. Was wohl für viele Dinge erst einmal Voraussetzung war, wenn er wirklich eine höhere Bildung anstrebte – wozu auch immer.

    Ich hatte das Gefühl, dass der Tiberier sich selbst gerne zuhörte, als er darüber dozierte, dass ich ja im Lupanar Geschäfte machen würde. Nein, und da war ich mir ganz sicher: Alles, was irgendwie eine Bedeutung hatte, würde ich an keinem Ort machen, an dem irgendwelche Personen mithören konnten, bei denen ich das nicht kontrollieren konnte.Wenn ich Geschäfte in einem Lupanar abschließen würde, dann nur, weil ich wollte, dass die Lupae es mitbekamen und weitertratschten. Denn genau das würde passieren. Das sollte jedem Mann mit auch nur einem bisschen Restverstand klar sein. Und genau deshalb musste ich auch nicht lernen, mich nicht ablenken zu lassen, denn bei Geschäften, die so wichtig wären, dass eine Ablenkung tödlich wäre, wäre ich überall, aber nicht bei einer Lupa.

    Trotzdem hielt ich natürlich meine Klappe, vornehmlich auch, weil die Lupa, die ich mir ausgesucht hatte, sich aufregend auf mir bewegte. Ich hätte es gerne mehr genossen, aber der Tiberier meinte es wohl ernst, dass er beim Vögeln Dinge besprechen wollte. Komischer Kauz, aber gut. "Einladungen für das Wagenrennen schreiben, in den nächsten Tagen die Verwarnten nachkontrollieren", wiederholte ich knapp und bündig das soeben gesagte zum Zeichen, dass ich alles verstanden hatte. Auch wenn es gerade meine eigene Lust massiv störte.

    Ich hätte das hier gerne ausführlicher und vor allen Dingen länger genossen, aber da das scheinbar nicht möglich war, packte ich die Lupa etwas fester und brachte es schnell zuende. Unter anderen Umständen hätte ich das sehr lange und ausführlich genossen, so aber war es mehr der Abbau des angestauten Drucks, so dass ich den Kopf wieder frei hatte. Den genießenden teil verschob ich da lieber auf den Abend, wenn ich Ruhe hatte, wenngleich meine favorisierten Sklavinnen sicher nicht ganz so gelenkig waren wie die Damen hier.

    Ich versuchte wirklich, es zu verstehen. Wirklich. Ganz ehrlich. Aber anscheinend war ich zu blöd dafür. Er wollte mehr sein. Mehr als was? Mehr als ein Dieb? Naja, dann brauchte er einen Beruf, mit dem man sein Geld verdiente. Ob einem dabei unbedingt eine Lehre in Politik helfen konnte, war zweifelhaft. Wenn das so wäre, wäre ich auch nicht auf das Geld meines Cousins angewiesen, oder?

    "Das soll jetzt nicht überheblich klingen oder so, aber kannst du denn lesen? Auch griechisch?" Nicht, dass ich mich für etwas besseres hielt, weil ich genau das eben konnte. Aber ich nahm an, dass diese Fähigkeit in der Subura etwas unterrepräsentiert war.

    "Naja, an deiner Stelle würde ich mir erst einmal das Angebot genau ansehen, und dann nach dem Preis dafür fragen. Vielleicht tu ich deinem Gönner unrecht, aber meiner Erfahrung nach ist noch nicht einmal der Tod umsonst." Dass Quintus den mir Unbekannten gutaussehend fand, störte mich nicht wirklich. Ich fand immerhin auch eine ganze Menge Leute ziemlich sexy.

    "Oh, das wird Greta jetzt aber enttäuschen", meinte ich übertrieben mitfühlend und schaute nochmal kurz musternd zu Quintus. Ich wurde nicht so ganz schlau aus ihm. Erst regte er sich auf, er sei keine Hure, und verschmähte alles, und jetzt bot er sich fast schon wieder an und klang ganz vernünftig. Dieser Wechsel, hin und wieder zurück, der verwirrte mich ein wenig. Ich meine, ja, ich hätte durchaus nicht übel Lust, das Spiel von vorhin zu wiederholen. Ob mit oder ohne weibliche Unterstützung dabei. Quintus sah wirklich mehr als anziehend aus, und die Art und Weise, wie er es genossen hatte, gab dem Ganzen eine eigene Dynamik. Aber warum hatte er sich dann so aufgeregt und wollte schon gehen? Das einzige, was mir eingefallen war, war, dass ich ihn nicht über Nacht bleiben lassen wollte. Aber jetzt gab er sich wieder ganz locker, als wäre das doch selbstverständlich. Ich verstand es nicht wirklich, aber ich legte es beiseite. Es zu vertiefen schien mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht allzu zielführend. Zumal ich kein klar definiertes Ziel hatte.

    "Aber falls du in einer Woche noch einmal zum Essen vorbeikommen magst, um dich nach meiner Begegnung mit Aedil Tiberius zu erkunden oder so, darfst du dich hiermit eingeladen fühlen." Ob wir dann wieder auch anderes als reden und essen tun würden, musste wohl zum jetzigen Zeitpunkt offen bleiben.


    Ich hörte mir dann die Erklärung zu dem unbekannten Gönner an und verstand so ziemlich gar nichts. Ja, Quintus haderte mit seiner Entscheidung und wusste nicht, ob er dem anderen Kerl trauen konnte, das verstand ich. Ich verstand nur nicht, von welcher Chance er redete. "Die Chance, Plato zu lesen?" fragte ich daher vielleicht etwas dümmlich nochmal nach. Ich wusste wirklich nicht, was in seinem hübschen Kopf gerade vor sich ging und was er meinte.

    "Was will er denn im Gegenzug von dir?" Nun, ich hatte da so ein Bild von Quintus in einem mir unbekannten Balneum vor Augen. Aber nein, ich war nicht eifersüchtig und wollte es ihm deshalb ausreden oder sowas. Aber nichts in der Welt war umsonst, und wenn Quintus nunmal keine Lupa war, war es ihm vielleicht wichtig.

    Ich grinste nur kurz zurück. Ja, er neckte mich. Aber ich war mir nicht ganz sicher, wo das hinführen würde. "Nunja, es würde die Spielregeln klar definieren. Körperliche Befriedigung… keine Romantik." Ich beobachtete kurz Quintus’ Reaktion. Denn ja, natürlich war das durchaus auch als Angebot gedacht. Ich hatte nur keine Ahnung, was er sich vorgestellt hatte, als er sich im Balneum neben mich gesetzt und mich berührt hatte. Manche Männer waren da wirklich um kein bisschen besser als die Frauen und wollten dann gleich Gefühle und Exklusivität und noch andere Hirngespinste, die sich schlicht mit dem gesellschaftlichen Leben niemals vereinbaren ließen.


    Die Erklärung zu seinem Bekannten aber war doch recht wirr und für mich unverständlich. Was sollte Quintus denn mit einem Waisenhaus in der Subura? Er sah mir jetzt nicht wie der Retter von Witwen und Waisen aus. "Möchstest du das denn überhaupt? In Politik unterrichtet werden?"

    Es gab wohl nichts langweiligeres als das. Ich hatte während der vielen, vielen Stunden mit Platos Staatskunst immer herzlichst aufpassen müssen, nicht einzuschlafen. Ein paar mal war ich eingeschlafen und hatte als Strafe Referate über Aristoteles und Sokrates halten müssen. Staatskunst und Politik in der Theorie war wohl das langweiligste auf der Welt, was ich mir vorstellen konnte.

    Trotzdem wollte ich sie ausüben, denn die Praxis sah ganz anders aus.

    Ja, ich wollte eigentlich noch lieber einen Mann, wobei die parthische Schönheit mehr als verführerisch war. Nein, ich würde das garantiert niemals in Gegenwart von irgendjemandem so kundtun, von dem ich politische Unterstützung irgendwann haben wollte. Ich wusste, was man von einem römischen Mann erwartete, und ich würde meine politische Karriere nicht beenden, ehe sie begonnen hatte.

    "Daran liegt es nicht", sagte ich freundlich, aber sehr bestimmt und sah ungerührt zu, wie der Aedil sich nebenbei einen blasen ließ und auch der Schreiber sich in die Kissen zurückdrücken und verwöhnen ließ. "Aber ich bin dein Tiro, um etwas zu lernen, nicht um günstiger in ein Lupanar zu kommen", fügte ich ernst an.

    Und so wartete ich, bis der Tiberier mit seiner Anordnung fertig war und sich nun selbst entspannt zurücklehnte, um das Mädchen ihre Arbeit machen zu lassen. Erst dann, als er mich nochmal aufforderte, schaute ich mich um, ob die dunkelhaarige Schönheit noch bereit war. Ich hatte Glück und winkte sie herbei. Ich raffte meine Tunika hoch genug, so dass sie sich auf meinen Schoß setzen konnte, und genoss dann einmal die Vorzüge einer professionellen Behandlung, die sonst sicher nicht ganz günstig gewesen wäre.

    Ich lachte leicht. "Naja, es würde für mich einige Dinge vereinfachen", meinte ich nur. Ich glaubte nicht, dass ich ihn zu einer Karriere im Lupanar überreden würde, und war mir auch nicht ganz sicher, ob ich das wollte. Aber ja, es würde es sehr viel einfacher machen, wäre er im käuflichen Gewerbe, ihn nochmal in Besitz zu nehmen. Es wäre unkompliziert. Und ich müsste lügen, würde ich behaupten, ich wäre nicht gern öfter in den Genuss gekommen, den wir im Balneum geteilt hatten. Dann wäre es einvernehmlich und auf das körperliche beschränkt. Naja, nicht nur, ich fand Quintus durchaus sympathisch, so war es ja nun wieder auch nicht. Aber es würde eben keiner auf irgendwelche dummen Ideen kommen.

    Dann erzählte Quintus etwas vage von zwei Bekannten, die ihn wohl finanziell unterstützen. Zumindest, wenn ich das jetzt richtig heraushörte. "In was will er dich denn unterrichten?" fragte ich dann doch Neugier halber nach. Den ersten Bekannten konnte ich nachvollziehen. War wahrscheinlich auch ein Politiker, der eben jemanden für ein paar schmutzige Handlangerarbeiten brauchte. Aber der zweite Bekannte klang etwas suspekt. Wobei, vielleicht war Quintus mit dem auch im Balneum gewesen, und der Kerl war weichherziger als ich und wollte ihn nun von der Straße herunterholen oder so. Das klang zumindest nach einer plausiblen Erklärung.

    Ich grinste. Irgendwie war Quintus schon putzig, wie er sich immer wieder bei mir selbst einlud. Aber wahrscheinlich half ihm seine Frechheit dabei, auf der Straße zu überleben, und sie machte ihn durchaus sehr anziehend. "Wenn du mich gerne bei einem Fest besuchen möchtest, finden wir sicher einen schönen Anlass mit ein paar schönen Menschen. Mir schwebt da schon das ein oder andere vor, bei dem dann auch Hanna auf ihre Kosten kommt", antwortete ich eindeutig zweideutig und nahm noch etwas Brot mit einer Schafskäsecreme.


    Dass er mir bei meinen Ambitionen nicht in die Parade fahren wollte, war nett, wenngleich ich da auch nicht annahm, dass er zum einen das tun würde, und zum anderen, dass er das könnte. Da wussten wohl er und ich beide, dass dann jegliche Freundschaft oder was auch immer sofort beendet wäre. "Das hatte ich auch nicht angenommen", meinte ich nur und betrachtete ihn noch einmal, während ich überlegte. "Hast du eigentlich irgendeinen Plan für dein Leben?" fragte ich relativ direkt. Einfach Dieb zu sein konnte man wohl kaum einen Plan nennen. Dieser Plan beinhaltete sonst normalerweise einen recht brutalen und frühen Tod. Das planten doch die wenigsten.

    Ich musste mir ein Grinsen wirklich verkneifen, als der Tiberier meinte, wir würden nun noch ein Lupanar überprüfen. Ja, Aedil zu sein musste ja wirklich schrecklich sein, wenn man auch die Lupanare und die Thermen überprüfen musste. Ganz schlimm musste die Überprüfung des Venustempels und der näheren Umgebung sein. Sicherlich furchtbar. Ganz bestimmt.

    Ich nickte also nur und folgte dem Mann in das Lupanar, das sicherlich nicht für das günstigste Publikum gedacht war. Nein, hier waren einige Schätzchen,, die ganz sicher nicht nur für ein Ass die Beine öffneten. Jetzt konnte ich ein leichtes Grinsen doch nicht unterdrücken, als sofort von quasi allen Seiten nackte oder halbnackte Schönheiten kamen, um sich auf sie zu stürzen, als hätten sie schon seit Monaten keinen Mann mehr gehabt. Die Versuchung war wirklich nicht gerade klein, und so ging es wohl allen. Selbst der dünne Schreiber musste sich schon regelrecht dagegen wehren, nicht sofort auf die Liege hinter ihm gedrückt zu werden.

    Auch mir hatte sich eine dunkelhaarige Schönheit mit olivgrünen Mandelaugen auf den Schoß gesetzt. "Ganz ehrlich, Täubchen, ich würde gern. Aber ich hab nicht auch nur eine einzige Sesterze dabei", flüsterte ich ihr entschuldigend zu. Sie beugte sich nach vorne und fing an, an meinem Hals zu knabbern als Antwort. "Für den Aedil und seine Helfer geht der Service auf’s Haus", flüsterte sie mir zu, und Götter, war es schwer, zu widerstehen. Aber ich war auch clever genug, nicht nachzugeben und mich nicht locken zu lassen. Aber es war wirklich schwer, sie vom Schoß zu schieben und standhaft zu bleiben.

    Sie zog einen geradezu hinreißenden Schmollmund, als sie weiterzog, und ich atmete erst einmal durch und sah mich um. Der Tiberier hatte mir keine Aufgabe gegeben, also wartete ich einfach, wie er sich in verschiedene Unterlagen einlas, und beobachtete so das Angebot. Wir waren natürlich nicht die einzigen hier, und es gab durchaus einiges zum Schauen. Manche Kerle – und auch manche Frauen – mochten Publikum dabei. Außerdem erhöhte es für alle die Sicherheit, wenn man gesehen wurde und sich nicht irgendwo in ein Hinterzimmer führen ließ, wo man auch unauffällig mal eben ausgeraubt und getötet werden konnte.

    Ich runzelte ein wenig die Stirn. Nciht, weil Quintus versucht hatte, den Aedil zu bestehlen. Vermutlich war er da nicht der amtierende Aedil gewesen, und Quintus war nunmal ein Dieb. Die stahlen eben. Aber dass Quntus noch lebte und hier vor mir saß, das wunderte mich schon. Das römische Recht hätte durchaus auch zugelassen, dass er vom Tiberier höchstselbst an Ort und stelle noch erschlagen worden wäre.

    "Nun, das war wirklich nett von ihm", kommentierte ich also etwas erstaunt und nahm noch einen Schluck stark verdünnten Wein. Offenbar war der Tiberier ein wenig weichherzig. Das war gut, dann konnte ich auf die Tränendrüse drücken, was meine Erfolgsaussichten erhöhte, seine Unterstützung zu erlangen. Es musste natürlich alles im Rahmen bleiben, damit ich nicht schwach wirkte, aber Mitleid war eine Schwäche, die ich mir zu nutze machen wollte.

    "Dann muss ich wohl auf ausladende Feierlichkeiten mit euch beiden als Gast besser verzichten", meinte ich scherzend. Nicht, dass ich sowas vorgehabt hätte. Auch dann nicht, als ich Quintus noch für einen Prostituierten gehalten hatte. Es gab einfach Dinge, die vermischte man nicht miteinander. Arbeit und Vergnügen war da nur ein Beispiel.

    Ich hatte wirklich wenig Ahnung von Sklaven. Noch weniger von Krankheiten. Aber gut, ich war Tiro, da tat man eben, was einem gesagt wurde. Auch wenn man keine Ahnung hatte. Ich ging also zu dem Pferch hinüber und schaute in die teilnahmslosen Gesichter dahinter. Natürlich erwartete ich nicht, dass irgend jemand hier freudestrahlend darauf wartete, verkauft zu werden. Aber mich sah niemand auch nur wirklich an.

    Ich ließ also meinen Blick über die Sklaven schweifen und schaute, ob mir irgend etwas auffiel. Aber ich sah keine Pusteln, keine übermäßige Anzahl Fliegen und es roch auch nicht schlimmer, als man es eben bei einem Haufen Menschen auf engem Raum im Sommer erwarten konnte. Eine Sklavin fiel mir ins Auge. Sie war hübsch und hatte lange, braune Haare, die grade ein wenig zerzaust waren, aber ansonsten war sie wirklich ansehnlich. "Hey, du. Hey, Mädchen. Ja du. Komm mal her. Na komm", winkte ich sie zu mir herüber. Offenbar verstand sie nicht wirklich, was ich sagte, aber durch entsprechende Gesten ermutigt kam sie zu mir geschlurft. "Zeig mal deine Zähne", gebot ich ihr und verzog meinen Mund so, dass sie meine sehen konnte und wusste, was ich von ihr wollte. Zögerlich kam sie dem nach, und ich merkte auch, wieso. Ihr fehlten beide oberen Schneidezähne, wobei der Rest der Zähne gesund aussah. Ich dachte mir meinen Teil, wie und warum es dazu gekommen war, schenkte ihr ein kurzes, mitleidiges Lächeln und wandte mich dann ab. Das hier war nicht meine Sache, und gesund schienen die Sklaven zu sein. Also gab es nichts, weshalb ich mich einmischen oder aufmucken sollte.

    Der Weinhändler war erlöst und entspannte sich zusehens, als wir wieder weitergingen und mir schon die nächste Frage gestellt wurde. Was wir bei den Sklavenhändlern prüfen würden? "Ich nehme mal an, die Papiere? Woher die Sklaven so kommen, ob sie hinlänglich gesund sind und so weiter?" Ich hatte nicht wirklich viel Ahnung davon. Aber natürlich sollten das alles wirkliche Sklaven sein, die dort verkauft wurden. Nciht auszudenken, wenn sich ein römischer Bürger darunter befände. Allerdings wusste ich auch, wie es nunmal war, und die Sklavenhändler konnten alles mögliche in ihre Papiere schreiben. Das meiste davon war ohnehin nicht nachzuprüfen, insbesondere, wenn es sich um Sklaven handelte, die weder Latein, noch griechisch sprachen. Wer verstand schon einen Germanen oder Nubier?

    Hätte man mich hier rausgeworfen, hätte ich mich wohl in den Tiber gestürzt. Ich war definitiv nicht für ein Leben in Armut geschaffen. Ich wusste vielleicht nicht, wofür ich geschaffen war, und es blieb abzuwarten, ob ich für eine Senatorenlaufbahn geschaffen war. Aber für ein Leben in Armut auf der Straße war ich ganz sicher nicht geschaffen. Aber das musste ich Quintus nicht auf die Nase binden.

    "Ich wäre furchtbar in deinem Gewerbe", sagte ich stattdessen scherzend und nahm mit den Fingern etwas vom Fleisch und vom Brot. Ich nahm nicht an, dass Quintus eigenes Essbesteck besaß, und wenn, hatte er es wohl nicht dabei. Also war essen mit den Fingern das Gebot der Stunde. Außerdem war ohnehin alles in mundgerechten Häppchen angerichtet, so dass das problemlos ging.

    Dass Quintus mit dem Aedil schonmal aneinandergeraten war, ließ meine Augenbrauen aber doch kurz erstaunt nach oben wandern. "Nun, ich werde versuchen, diese Information für mich zu behalten. Aber jetzt machst du mich ja schon neugierig, was du angestellt hast, um gleich so hochrangige Antipathie zu verdienen?" Ich konnte es mir zwar schon denken, aber ich wollte die Geschichte dennoch gerne hören. Vielleicht erfuhr ich ja sogar nebenbei etwas über den Tiberier, was ich nutzen konnte.

    Also waren das heute nur Stichproben, um alle daran zu erinnern, dass der Aedil da war und seine Aufgabe ernst nahm. Gut, das verstand ich, auch wenn ich es nicht so effektiv hielt, wie eine wirkliche Überprüfung von allem. Aber gut, bei einem so großen Markt wie dem Forum Boarium bräuchte man dann wohl die kompletten Urbaner und die Vigiles gleich mit dazu, um wirklich alles kontrollieren zu können. Das kam dann wohl gesellschaftlich nicht so gut an, wenn man mit 10.000 Bewaffneten einen Markt stürmte.

    Aedil Tiberius schickte mich auch gleich zu einem stand, Amphoren zu überprüfen. Also ging ich hin und… ja. Das waren Amphoren. Ich schaute mir die Dinger an. Die waren groß und schwer und aus Ton. Ich schaute also möglichst fachmännisch und kritisch und hatte keine Ahnung, wie ich hier einen Betrug sehen sollte, selbst wenn einer vorliegen sollte. Also drehte ich die Dinger und schaute mir an, wie sie gesiegelt waren. Im Ton selbst war ein Stempel eingebrannt von dem Töpfer, der sie hergestellt hatte. Ich versuchte, es zu entziffern und kam am ehesten auf die Initialen TEL. Keine Ahnung, wer das sein sollte, war wohl aber nicht wichtig. Mit Tinte war dann noch allerhand darauf geschrieben worden, was den Inhalt anging. In den meisten Amphoren war wohl Mulsum, also Gewürzwein. An einer Amphore war das Wachs, mit dem sie verschlossen war, gebrochen. Aber mehr konnte ich nun wirklich nicht feststellen.

    "Ein Wachssiegel ist kaputt, sonst ist alles in Ordnung", meinte ich also als Zusammenfassung und hatte keine Ahnung, ob der Aedil damit was anfangen konnte oder nicht.

    Da wir aber auf dem Forum Boarium waren, bei dem die Wein- und Ölhändler nur einen verschwindend kleinen Teil ausmachten, wagte ich mich dann doch mit einer Frage vor. "Werden wir auch die Vieh- und Sklavenstände prüfen?" Immerhin machten die hier am Markt den Großteil aus.

    Ich lachte, als er meinte, ich hätte nicht so ausgesehen, als würde es sich lohnen, mich auszurauben. "Seien wir ehrlich, an dem Tag hab ich wohl gestunken wie eine Jauchegrube und sah aus, als würde ich dort auch wohnen." Aber nach einer Schiffsreise duftete niemand nach Lavendel und ich war ja auch zu dem Zeitpuntk so abgebrannt gewesen, wie man nur sein konnte. Das konnte ich ruhig zugeben.

    Ich sah zu, wie Quintus sich anzog, und schaute ein letztes Mal auf die sehnigen Muskeln und sein durchaus ansprechendes Glied. "Und naja, als ich noch gedacht hatte, du wärst Prostituierter, war es durchaus ein Gedanke, zum regelmäßigen Kunden zu werden", sagte ich ganz offen. War ja auch nichts dabei. Alle Männer besuchten mehr oder weniger regelmäßig die Lupanare. Die meisten suchten Frauen, aber es gab dort natürlich auch unterschiedlichste Männer zum Vergnügen, und das nicht nur für Frauen, die etwas Zeitvertreib suchten. Ich sah das daher nicht als Beleidigung an.

    "Aber erstmal muss ich überhaupt herausfinden, wen ich ausspionieren müsste, bevor ich mir Gedanken um das wie machen kann. Von daher wird der Informationshandel wohl noch Zeit brauchen." Bis ich Senator wäre, würden noch Jahre vergehen. Wer wusste schon, was bis dahin passierte? Vielleicht schwamm ich auch schon nächste Woche tot im Tiber. Oder Quintus, was bei seinem Lebensunterhalt wahrscheinlicher war.


    Ich gab Greta noch einen kleinen Kuss auf die Wange. "Sei so lieb und lass Essen im Garten auftragen, ja?" sagte ich zu ihr und gab ihr im Gegen noch einen Klaps auf ihren hinreißenden Hintern, als ich zu Quintus auch schon abwinkte. "Ach, mach dir keine Gedanken um Hanna. Die kriegt sich auch wieder ein. Die ist jetzt nur neidisch auf Greta. Aber ein paar Nächte gesäuselter Komplimente, und alles ist wieder gut." Ich machte mir da wirklich herzlich wenig Gedanken darum. Ich hatte ja ohnehin vor, mit ihr öfter das Lager zu teilen, da konnte ich auch gleich heute Nacht damit weitermachen. Musste ich mich halt ein wenig mehr anstrengen als üblicherweise, aber das war wirklich verschmerzbar.


    Ich wartete, bis Quintus so weit war, dann lud ich ihn mit einer Geste ein, mir in den Garten zu folgen. Der war zwar nicht allzu groß, aber immerhin ein Garten, und man konnte sich schön die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Es standen auch schon zwei Liegen bereit und ein kleines Tischchen, auf dem auch schon Becher und ein Krug Wein und einer mit Wasser standen. Greta brachte gerade eine Platte mit geschnittenem Schweinefleisch und geschnittenem Brot und eilte dann noch einmal davon für ein paar Schälchen mit Tapenade und anderen Dingen, die man auf das Brot schmieren konnte.

    Ich machte es mir auf einer der Liegen bequem und legte die Füße hoch. Ja, ich genoss es wirklich, dieses neue Leben, auch wenn ich hier momentan nur Gast war.

    "Morgen habe ich erst einmal ein Treffen mit dem amtierenden Aedil", erzählte ich. "Mein Cousin kennt ihn wohl persönlich. Also werde ich versuchen, einen guten Eindruck zu machen und so ein paar Türen zu öffnen. Mal schauen, ob ich es schaffe, von der höheren Gesellschaft eingeladen zu werden. Vielleicht findet sich ja auch ein Patron, der Spaß daran hat, jemanden wie mich zu unterstützen." Ich zuckte die Schultern. Erst einmal musste ich Leute kennen lernen. Das war das wichtigste. Und dann, wenn ich die richtigen Leute kannte, dann konnte ich weiter denken. Aber immer eins nach dem anderen.

    Meine Augenbrauen wanderten etwas überrascht nach oben. Quintus war ein Dieb? Ich hatte ein Dieb ins Haus eingeladen? Ich war grade froh, dass die Mädels weg waren, das wäre sonst sehr schwierig geworden, das irgendwie vor meinem Cousin geheim zu halten. Und ich war mir ziemlich sicher, dass der einen Prostituierten weit mehr im Haus billigen würde, als einen Dieb. Da Quintus mir aber soweit ich wusste nichts gestohlen hatte, war das jetzt für mich kein Grund, gleich aus der Haut zu fahren. Nach der ersten Überraschung zuckte ich also nur die Schultern und wartete auf die Rückkehr der Sklavinnen mit den neuen Tuniken. Ich könnte zwar meine alte auch wieder anziehen, aber wenn man schon gebadet hatte, konnte man sich auch frisch anziehen.

    "Falls mal einer der Nachbarn fragt: Ich nehme Pulsum mit Honig und Früchten oder Nüssen." Ich grinste schief, da ich nicht annahm, dass irgend jemand dafür auch nur ein müdes As zahlen würde. "Und falls du die Information weitergeben willst, dass ich besser vögle wie Dionysos, habe ich auch keine Einwände." Gut, das Gerücht, ich würde Männer bevorzugen, konnte schon ein ganz klein wenig hinderlich bei einer politischen Karriere sein. Aber zum einen müsste Quintus dann ja sagen, woher er das wusste, und zum anderen war ich der aktive Part gewesen und in der Annahme, er wäre Prostituierter. Das war etwas vollkommen anderes als eine Liebesbeziehung oder sowas. Das war politisch vertretbar, ein verliebter Mann, eher weniger. Und ein in einen anderen Mann verliebter Mann eher so gar nicht.


    Greta kam allein zurück, auf dem Arm zwei Tuniken. Eine reichte sie mir, die andere Quintus. "Wo ist Hanna?" fragte ich, während ich mir die fein gesponnene Wolle überstreifte.

    "Die schmollt ein wenig", antwortete Greta ehrlich, und ich seufzte.

    "Da werd ich wohl einiges wieder gutmachen müssen" murmelte ich und freute mich so gar nicht darauf. Ich hasste rumzickende Weiber. Aber wenigstens war die Art und Weise der Wiedergutmachung sehr angenehm, wenn auch wohl für mich mit einigen schlaflosen Nächten verbunden. Aber gut, war jetzt nicht zu ändern. Also zuckte ich die Schultern und wartete darauf, dass sich Quintus anzog.

    "Möchtest du etwas essen? Ich dachte an ein wenig Fleisch und Brot im Garten, dazu etwas Wein?" Ich hatte ihm ja gesagt, wie mein Plan für den Nachmittag ausgesehen hatte. Und da es unwahrscheinlich schien, dass wir heute nochmal übereinander herfallen würden, konnten wir auch zu dem Teil mit dem Essen und dem Wein übergehen.

    Sim-Off:

    Mal den doch schon wieder jugendfreien Teil wieder hierher zitiert

    Ein selbstzufriedenes Lächeln zeichnete mein Gesicht, als Quintus zu mir kam und anfing, sich irgendwie anzukuscheln. Ich schaute zu der zweiten Sklavin, die ein wenig beleidigt dreinschaute, und streckte mich kurz, um mir ihre Hand zu schnappen. Mit einer vielleicht nicht ganz netten Bewegung zog ich an ihr, so dass sie mit einem "Huch" wieder ins Wasser rutschte, und zog sie an mich. Zum Kuscheln war mir der weiche Körper einer Frau dann doch angenehmer, und außerdem wollte ich nicht, dass sie sauer war, also zog ich sie mit in unsere Gruppe und breitete Gönnerhaft meine Arme auf dem Rand aus. Das Mädchen links, Quintus rechts und Greta noch rechts daneben, so ließ sich das Leben aushalten, fand ich.

    "Du solltest den Gott nicht herausfordern. Er schlägt Leute gern mit Wahnsinn", warnte ich nur halb gescherzt. Ich war so religiös oder nicht religiös wie wohl die meisten. Ich tat meine Pflicht den Göttern gegenüber und bezweifelte nicht ihre Existenz, aber meistens hatte ich eher den Eindruck, wir Menschen wären ihnen einfach nur egal. Aber gut, mir waren die meisten anderen Menschen auch ziemlich egal.

    Dann aber musste ich doch lachen, als Quintus mich mit Komplimenten weiter überhäufte und er sich selbst für die Nacht einlud. Es war ein ehrliches Lachen, nicht abfällig, aber ich fand den Versuch wirklich amüsant. Offensichtlich hatte er meinen Vorschlag von vorhin, sich einen Mäzen zu suchen, ernsthaft erwogen und war zu dem Entschluss gekommen, dass es ihn schlechter treffen könnte, als bei mir zu sein. "Wenn du heute Nacht hierbleiben würdest, könntest du morgen nicht laufen. Und wenn du deshalb morgen bleiben würdest… nun, ich glaube, du würdest eine ziemliche Weile bleiben." Ich grinste einmal und holte mir von ihm noch einen Kuss. "Aber an sich spricht absolut nichts gegen ein paar Wiederholungen." Wenn Quintus regelmäßig kommen wollte, hatte ich da ganz, ganz sicher keinerlei Einwände. Dann würde er auch regelmäßiger baden.

    Neben mir war die Sklavin immer noch etwas sauer und schaute missmutig, weshalb ich mich zu ihr rüberlehnte und ein wenig an ihrem Hals knabberte. Kurz blinzelte ich einmal und sah zu Quintus. "Bist du eigentlich gekommen? Wenn nicht, glaube ich, wäre Hanna hier sehr erfreut, dir dabei zu helfen." Das wäre in etwa zwei Fliegen mit einer Klappe, und ich hätte noch was nettes zum Zuschauen. Und vielleicht regte der Anblick dann ja auch weiteres an.


    Auch, wenn man es bei der allgemeinen Erregung, der auch der Dieb nicht entkommen war, nicht glauben mochte, er bemerkte wohl die subtile Abfuhr seines Gastgebers und bemerkte mit einem Stich, dass hier nicht die Spur einer Zuneigung zu herrschen schien. Er hatte Publius bei ihrem Kennenlernen sehr charmant gefunden und so erregend die Lage eben gewesen war, musste er doch zugeben, dass dieser neue reiche Publius äußerst arrogant wirkte. Das konnte man zwar meist auch von ihm selbst behaupten, doch er tat wenigstens was für sein Geld (und wenn es stehlen war).

    Er hatte sich auf diese Sache hier nur eingelassen, um sich von den anstehenden Entscheidungen abzulenken, doch nun kam er sich ehrlich gesagt ziemlich billig vor - na gut, wie viel billiger ging es schon als "umsonst"?

    "Schon gut", seufzte Quintus, der sich langsam aus dem Wasser hob und seine Enttäuschung hinter einer gleichgültigen Miene versteckte. "Ich wollte ja ohnehin nicht so lange bleiben." Götter, und dabei war er geil wie Jupiter auf der Pirsch. Da musste wohl die Hand helfen...

    "Naja, vielleicht hört man nochmal voneinander, wo du doch bald im Senat sitzt. Du kannst den Geldbeutel übrigens stecken lassen - ich bin keine Hure."


    So richtig konnte ich nicht greifen, was grade passierte. Im einen Moment noch lächelte Hanna links neben mir zu Quintus herüber, eindeutig an meinem Vorschlag interessiert, und im nächsten Moment machte sich Quintus daran, gehen zu wollen. Ich blinzelte kurz verwirrt. "Mädels, seid so gut und schaut mal nach, ob ihr oben eine passende Tunika für ihn findet." Ich scheuchte die beiden mal eben weg, denn die Situation war so schon grotesk genug, da mussten nicht noch die zwei Sklavinnen dazwischen herumwuseln und tuscheln.

    Glücklicherweise trollten sich die beiden auch sogleich, so dass ich nach Quintus die Wanne verlassen konnte und mich erstmal fragend dreinblickend in seinen Weg stellen konnte. "Irgendwas habe ich grade nicht mitbekommen, oder?" fragte ich einfach mal. "Gibt es irgendeinen Grund, warum du das gesellige Zusammensein jetzt so verlassen willst?" Mir wäre nicht bewusst gewesen, dass ich irgend etwas getan hätte, das diese Reaktion rechtfertigen würde.

    Ich kannte das bislang nur von Frauen, dass die aus dem Nichts heraus irgendeinen Blödsinn machten und mir dann sagten, ich müsse wissen, wieso sie das täten. Aber bei Männern war mir das tatsächlich sehr neu, dass die auch solche Anwandlungen hatten. "Ich dachte, wir vergnügen uns noch ein Weilchen und essen gemütlich etwas und trinken ein wenig." So zumindest war mein Plan gewesen. Aber der schien sich grade so ziemlich in Rauch aufzulösen. "Wenn du Hanna nicht magst, hättest du das auch einfach sagen können?"


    Quintus hatte nicht erwartet, dass Publius ihn zurückhalten würde. Jetzt war er wirklich verwirrt. Er fuhr sich durch das Haar und atmete durch. Da saß er auf dem Beckenrand und fragte sich, ob Publius nun ein Arsch oder er einfach empfindlich war. Oder vielleicht eine Mischung aus beidem.

    "Entschuldige", sagte der Dieb mit einem bitteren Lächeln. "Ich weiß auch nicht, was... Ich dachte, du willst mich schnell loswerden. Ich war einfach so... gefangen im Moment und, äh..."

    Gott, warum war er nur so verwirrt? Er war doch wirklich der letzte, der einer schnellen Nummer abgeneigt war. Vielleicht war es die Kränkung, weil ihn der Grieche für einen Prostituierten gehalten hatte.

    Ach, dabei hatte er sich doch nur selbst ablenken wollen. Ihm geisterte zu viel im Kopf herum. Noch nie hatte er so viel nachdenken müssen. Sein Leben war immer so unkompliziert gewesen und jetzt steckte er in einer Mordermittlung, in einer Schmugglergeschichte und dann war da auch noch Faustus' stehendes Angebot. Nen anderen Lebemann, mit dem er was Lockeres haben konnte, besser hätte es ihn eigentlich nicht treffen können...

    "Das... ist mir wirklich sehr peinlich..."

    Ich verstand den plötzlichen Gefühlsausbruch irgendwie noch weniger als vorhin, selbst mit der Erklärung. Ich schaute also nur kurz und blinzelte. Meine Schwester wäre jetzt wohl hinübergegangen, um zu trösten, oder so etwas in der Art. Aber ich fand das doch eher sehr weibisch und beschloss, die Sache am besten einfach zu ignorieren. Wenn Quintus darüber reden wollte, würde er das schon machen.

    Ich winkte daher einmal eher unbestimmt und ging hinüber zu dem Stapel Handtüchern und reichte auch Quintus eines. "Tun wir einfach so, als wäre nichts gewesen", sagte ich, als ich es ihm reichte und trocknete mich ab. "Ich hoffe, die Mädels kommen gleich wieder und bringen eine Tunika mit. Denn mal ganz im ernst, das flohverseuchte Ding, das du anhattest. solltest du besser verbrennen." Ja, ich war wirklich fest entschlossen, einfach so zu tun, als wäre nichts gewesen. Alles andere würde die Situation nämlich einfach nur noch peinlicher machen. Und noch schlimmer: Emotional. Und ein römischer Kerl war alles, aber nicht emotional.


    Ich trocknete mich also ab und schaute zu Quintus hinüber. Eine frage formte sich in meinem Kopf. "Wenn du kein Prostituierter bist, womit verdienst du dann deinen Unterhalt?" fragte ich ganz neutral. Nach seinen bisherigen Erklärungen hätte ich gedacht, dass er eben zum ältesten Gewerbe der Menschheit gehörte. War für mich auch nichts dabei. Jeder musste irgendwie Geld verdienen. Aber da Quintus beleidigt gewesen schien, musste ich jetzt doch nochmal fragen.

    Ich hörte mir die Ausführungen an, die auch soweit schlüssig klangen. Trotzdem fragte ich mich, ob die vielen Beamten in der Basilica Iulia nicht noch unauffälliger gewesen wären und vor allen Dingen regelmäßiger kontrollierten als die Aedilen, die jedes Jahr wechselten. Aber wohlweislich hielt ich meine Klappe und versuchte zumindest aufrichtige Ehrerbietung zu heucheln für diese Perlen der Weisheit.

    "Regeln die Marktgesetze nicht eher die Untergrenzen für Preise, so dass kein Ramsch angeboten wird?" fragte ich, als der Tiberier mich aufforderte, Fragen zu stellen. "Und wie viele geeichte Gewichte und Maße hast du dabei?" Wenn er mit so einem kleinen Tross unterwegs war, konnten es nicht allzu viele sein. Um zu testen, ob eine Standard-Amphore die vorgeschriebene Menge fasste, brauchte man ja ein Vergleichsobjekt, und die Dinger waren groß. Und es gab zig andere Maße. Allein deshalb hätte ich schon eine ganze Schar von Beamten erwartet. Irgendwer musste das ganze Zeug ja schleppen.

    Ich war unerhört früh aufgestanden und hatte mich nach einem Frühstück auf den Weg zum Forum Boarium gemacht. Da es hier sehr unübersichtlich und weitläufig war, hatte ich die Straße von Norden her ins Visier genommen, da Aedil Tiberius von dort am wahrscheinlichsten kommen würde. Ich hoffte einfach, dass er über das Velabrum kommen würde und nicht südlich am Circus Maximus vorbei, sonst würde ich ihn wohl nie finden. Mich beschlich so die Ahnung, dass ich das nächste Mal nach einem Treffpunkt fragen sollte, als ich ihn dann doch mit einem bescheiden kleinen Gefolge ausmachte. Ich hätte gedacht, dass er hier mit etwas mehr Pomp einziehen würde, oder zumindest über alle Maßen offiziell ausstaffiert, aber der Tiberier sah geradezu erschreckend bescheiden aus. Aber wer war ich, mir ein Urteil zu erlauben?

    Ich löste mich also von der Seite des Tempels der Mater Matuta, den ich mir zum Aussichtspunkt erwählt hatte, und ging zu dem Tiberier hinüber. "Guten Morgen, Aedil Tiberius", grüßte ich ihn höflich und hoffte, den richtigen Ton zu treffen.

    Das war dann wohl der Rauswurf. Ich lächelte noch einmal freundlich und verneigte mich beim Aufstehen leicht. "Selbstverständlich, Aedil Tiberius. Wir sehen uns dann morgen zur zweiten Stunde am Forum Boarium." Ich würde etwas früher aufstehen müssen und hoffte, dass ich den Aedil auch schnell fand, denn das Forum war ziemlich groß, aber ich würde das schon hinbekommen.

    "Ich danke dir, dass du mich empfangen hast." Auch wenn ich da wohl eher meinem Cousin zu danken hatte.