[Subura ] Jäger und Gejagter

  • Die Subura war das vielleicht bunteste, quirligste, auf jeden Fall aber eines der ärmsten Viertel von Roma, durchzogen von dunklen Gassen und pfeffrig riechenden Insulae, die sich aneinander drängten, um den Bewohnern auch das letzte bisschen Tageslicht zu nehmen. Hier wagte sich kaum jemand hinein, der sich nicht auskannte. Hier gab es Diebe, Räuber, Totschläger, sicarii und Prostituierte für jeden Geschmack an jeder Ecke. Aber es war auch ein Viertel der kleinen Leute; der Römer, die aus der Provinz kamen, der armen Freigelassenen und der Ausländer, die ihr Glück suchten, der Walker, Wäscher und Färber, der arbeitenden Bevölkerung. Auch viele der Arbeiter der VDR lebten hier.

    Noch enger wurde alles nicht nur durch das Gedränge, das aus den überfüllten Mietshäusern quoll, sondern auch dadurch, dass die Geschäftsleute meinten, ihre Waren vor dem Eingang auftürmen zu müssen. Ein Römer, der genauer hinsah, entdeckte bestimmt zwischen all dem Trödel, der angeboten wurde, ab und zu ein Stück, was ihm kürzlich geklaut worden war.

    Der Eques Furius Saturninus war mit acht Veteranen, die ihm sein Patron dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, aufgebrochen, um zu sehen, ob er den Einbrecher, der seiner Meinung nach die Cura Annonae, die Göttin Annona und auch ihn beleidigt hatte, nicht aufstöbern konnte.

    Vom argiletum, der Hauptstraße aus verteilten sie sich sternförmig in alle Richtungen.Sie hatten eine Beschreibung und wussten, nach wem sie Ausschau hielten.


    Saturninus hielt sich ein Tuch getränkt in Veilchenöl vor Mund und Nase, denn verschiedenartige Gerüche umwaberten sie, und er erntete ab und zu von dem Veteran, der ihn begleitete, einen Seitenblick. Der Mann hieß Cosconius, und war, wenn man ihm glauben schenkte, während seiner Militärzeit bis zu den Knien in menschlichem Unrat gewatet. Ein wenig Subura konnte den grimmig dreinblickenden Mann nicht schrecken. Er war ungefähr einen Kopf größer als der Furius und doppelt so breit, und machte was her.

    "Was machen wir, wenn wir den Kerl finden?", fragte er. Allzugut war er auf den Dieb nicht zu sprechen, wie viele Plebejer hatte er einen Bezug zur Annona.


    Saturninus überlegte:" Lasst ihn uns erst finden!", meinte er.


    Sein Ziel war das Farbengeschäft, welches Tiberios an jenem Tag hatte besuchen wollen, vielleicht hatte der Furius Glück und der Mann war nicht zufällig ganz in der Nähe gewesen.

    Eventuell wusste der Inhaber ja schon, wer das sein konnte, wenn man ihn ausdrücklich danach fragte.


    Sim-Off:

    Reserviert

  • Die Hitze der letzten Tage hielt sich in der Subura, was die mannigfaltigen Gerüche natürlich nur noch verstärkte. Der Gestank nach Pisse oder Dreck, aber auch die vielen Stände und Kammern mit brutzelndem Essen. Nirgends wurde der Nase so geschmeichelt und geschadet wie hier. Und all das unter der erbarmungslosen Sonne.

    Quintus erhoffte sich wirklich etwas Regen und kühlen Wind. Er mochte diese stehende Luft nicht. Sie machte faul und ließen einen hecheln und schwitzen, völlig nutzlos und motivationsbefreit.

    "Cassius, mein Freund, wie hältst du es bei dieser Hitze nur aus, am Herd zu stehen?", wollte er wissen. Er hatte nicht einmal Lust, etwas Warmes zu essen und der große Koch wirkte frohgemut wie eh und je.

    "Ihr faules Pack seid einfach nichts mehr gewöhnt", schnaubte der Alte amüsiert und schüttelte den Kopf über den Jungen, der sich seine Tage so gestaltete, wie sie ihm gefielen.

    "Ach, Sol hat heute eindeutig zu gute Laune", brummte der junge Mann, als ihm der Blick des Kochs auffiel. Cassius blickte über die Menge hinweg auf einen Punkt hinter Quintus, der sich rasch umdrehte und eine kleine Horde Männer erblickte, schwer bewaffnet und ganz offensichtlich militärisch. Mit anderen Worten fielen sie in der Subura auf wie eine Rotte bunter Hunde, denn die eingeschworenen Bewohner dieses Örtchens trauten ihnen nicht - was wohl daran liegen mochte, dass sie die meiste Zeit sich selbst überlassen wurden.

    Quintus jedoch beachtete weniger die muskelbepackten Veteranen als vielmehr den Mann, der in ihrer Mitte ging und sich wie eine griechische Prinzessin ein Tüchlein vor die Nase hielt.

    "Jupiters linker Hoden, ich glaub den kenne ich", stellte er fest und erntete einen verwirrten Blick von Cassius.

    "Wen jetzt?"

    "Na, den dort! Die Prinzessin unter den Männern dort."

    "Das Weichei mit dem Tuch?"

    "Ja... glaube ich. Aber er sieht aus wie dieses Arschloch aus dem Procurat. Da, wo ich mit Linus und Titus eingestiegen bin. Verdaaaammt..."

    "Ach, jetzt mach dich nicht lächerlich. Der wird doch nicht wegen dir hier sein."

    "Ich hab seine beiden Dirnenstatuen geklaut, auf die er sich einen runtergeholt hat und ihn ziemlich übel verspottet", grinste Quintus. "Außerdem habe ich neulich seinem Sklaven meine Behausung gezeigt. Ich fürchte, er ist wegen mir hier."

    Ratlos und nicht ganz überzeugt ließ Cassius erneut den Blick schweifen. Quintus konnte es ihm nachfühlen, doch letztendlich würde der Hüne ihm schon glauben. Nun musste er sich also eine Weile verstecken. Das würde nicht so schwer werden, denn acht Männer, so eindrucksvoll sie auch sein mochten, waren weder wendig, noch flink, noch unauffällig. Wie bildeten diese Idioten sich ein, ihn fangen zu können?

    "He, Cassius", grinste Quintus, dem nach einem kleinen Spiel zumute war. "Hast du Lust auf einen hübschen kleinen Schabernack?"


    Es dauerte gar nicht lange. Es gab genügend Tunichtgute, die es den blank polierten Harnischen zeigen wollten und auch, wenn die meisten Leute auf dem kleinen Marktplatz gar nicht wussten, was dieser kleine Scherz eigentlich bezwecken sollte, machten die allermeisten mit. Schon bald begrüßten sich Mann und Frau mit dem Namen "Quintus". Quintus hier, Quintus da, bald schon war der Name überall zu hören, von dutzenden und mehr Leuten, viel zu viele, um sie alle zu fangen oder zu verhören und die bösen Blicke, die den Veteranen zugeworfen wurden, hießen es unklug, sich ein paar Unglückliche aus der Menge zu schnappen.

    Quintus - der echte Quintus - amüsierte sich königlich über die völlig entgeisterten Blicke der Männer. Er selbst hielt sich vortrefflich im Schatten, bereit, jederzeit einen Abflug zu machen, wenn die Lage schief lief.


    Sim-Off:

    Ich hoffe, das war es, was du dir vorgestellt hattest? xD

  • Cosconius hörte sich um: "Quintus scheint ja ein verbreitete Vorname in der Subura zu sein.", bemerkte er.

    "Bei achtzehn existierenden Vornamen ist es nur natürlich, dass es Dutzende von Quinti gibt.", erwiderte Saturninus.

    "Sogar die Frauen heißen so.", meinte der Veteran und warf Saturninus einen Blick zu, der besagte: Wir.werden. verarscht.

    "Die Frauen?Wie...", einen Moment lang verwirrte das den Furius, aber dann glitt ein kurzes böses Lächeln über sein Gesicht. Sogar die Frauen. Der Unbekannte foppte ihn, doch das bedeutete ja dann, dass er nahe dran war. Irgendwo in der Nähe steckte der vermaledeite Dieb.

    Mittlerweile hatten zwei andere Veteranen wieder aufgeschlossen, da ihr Weg sie in eine Sackgasse geführt hatte.

    Saturninus wies mit einem Kopfnicken auf ein sommersprossiges Mädchen, das sich gerade einer anderen als Quintus vorstellte: "Die hier. Ich will mit ihr reden."

    Einer seiner Männer näherte sich und packte die Kleine am Handgelenk und zerrte sie hinter sich her.

    Saturninus blickte mit gerunzelter Stirn auf sie: "Seit wann heißt du Quintus?", fragte er sie.

    "Meine Eltern nannten mich so, Herr, die wünschten sich nämlich eigentlich einen Jungen.", erwiderte die Sommersprossige und schaute schief von unten nach oben.

    "Ich bin hier, um einen Sachverhalt aufzuklären. Sag mir, wer dir gesagt hat, dass du das tun sollst und du kannst gehen."

    Das Mädchen zuckte die Schultern: "Niemand hat mir etwas gesagt. Es ist nur ein Spiel. Es ist lustig."


    So kam Saturninus nicht weiter. Er musste seine Taktik ändern.

    "Schade.", sprach er: "Ich suche nämlich tatsächlich nach einem Quintus, einem jungen blonden Mann. Er hat mir einen großen Gefallen getan, und ich möchte ihn belohnen. Du kennst ihn nicht zufällig?"

    Die Sommersprossige schüttelte vehement den Kopf.


    Der Furius deutete an, sie wieder loszulassen, was das Mädchen sofort dazu nutzte, in der Menge unterzutauchen. Er selbst trat mit zwei Veteranen und seinem eigenen syrischen Sklaven Krates in das Farbengeschäft ein. Nach der gleißenden Hitze und dem Staub umfing ihn der kühle Dämmer wie eine Wohltat.

    Der Besitzer wieselte herbei: " Kyriakos zu Diensten.", sagte er, dann erkannte er den Togaträger und wurde verlegen.

    "Salve Kyriakos", sprach Saturninus: "Ich bin nicht die Marktaufsicht und woher du deine Farben beziehst, interessiert mich nicht für fünf Asse. Ich bin auf der Suche nach einem Jüngling, blond, etwa so groß wie ich. Er heißt Quintus, weiteres weiß ich nicht. Er hat mir einen Gefallen getan, und ich möchte ihn belohnen, aber ich kann ihn nicht finden. So laufe ich Gefahr, undankbar zu sein, während ich dem guten Quintus doch geben möchte, was er zweifelsohne verdient. Du kennst ihn nicht zufällig?"

    Er schob ihm zehn Sesterze über den Tisch:

    "Denke nach."

    Der Ladeninhaber kratzte sich seine ziemlich speckige Tunika und eine Wolke Flöhe löste sich und sprang in alle Richtungen. Saturninus machte, dass er Abstand einhielt.

    Der Mann schob ihm die zehn Sesterze zurück:

    " Du kannst dir denken, dass ich kein Kundenverzeichnis führe.", sagte er: " Aber ein Junge, auf die deine Beschreibung passt, war ehrlich nicht hier, das schwör ich bei den hundert Titten der Hurengöttin von Ephesos. Tut mir leid, dass ich nicht weiterhelfen kann."

    "Du kannst", sagte Saturninus und schob die Münzen wieder zurück....



    Kurze Zeit später hing ein Aushang an der Porta des Ladens, und zwei Veteranen und Saturninus eigener Sklave, der Syrer Krates, hielten dort Wache. Krates hatte die Aufgabe, den Inhalt des Aushangs in die Menge zu rufen, da man von vielen Analphabeten ausgehen durfte.

    Darauf stand:


    Bürger Romas, Bewohner der Subura


    Quintus ??? gesucht


    Der Eques Furius ist auf der Suche nach einem blonden jungen Mann namens Quintus, der seinem Sklaven Tiberios das Leben gerettet hat.

    Der Sklave war ihm teuer, daher möchte er dem Retter seine Dankbarkeit erweisen.


    Hinweise die zum Auffinden jenes Quintus führen, werden mit dreißig Sesterze belohnt.


    Bitte hier im Geschäft des Kyriakos melden.



    Leider war hier der verflohte Ladenbesitzer anwesend, aber dennoch war es hier drin besser als draußen, denn es war schattig und es standen Stühle zur Verfügung. Während die Veteranen und der Sklave voor der Tür bleiben mussten, um jeden Tumult zu vermeiden beziehungsweise die Botschaft in die Menge zu brüllen, ließ sich Saturninus nieder und brauchte nur noch zu warten wie eine Spinne im Netz.



    Sim-Off:

    Aber sicher doch :D

  • Klappte so etwas wirklich?

    Quintus fühlte sich beinahe beleidigt. Beleidigt, weil dieser Kotzbrocken die Bewohner der Subura für so dämlich hielt. Wieso mit acht Brechern hier auftauchen, wenn es darum ging, jemanden zu belohnen? Einmal abgesehen davon, dass die allermeisten der Bewohner die Geldsäcke von „da oben“ aus diversen Gründen nicht leiden konnten, glaubte keiner von denen, die auf dem Marktplatz anwesend gewesen waren auch nur ein Wort von dem, was auf dem Aushang stand.

    Quintus selbst jedoch war eine Sache klar geworden: so schnell ließ es der Furier nicht dabei bewenden und er musste sich dringend etwas einfallen lassen, bevor er bald gar nicht mehr raus kam.

    Das wäre die vernünftigste Vorgehensweise gewesen. Die anständige Vorgehensweise. Niemand anderen mit reinziehen.

    Es verstand sich also von selbst, dass Quintus etwas vollkommen anderes tat.

    Ein paar Münzen wechselten den Besitzer, andere ließen sich einfach nur auf den Spaß ein und meldeten sich bei den brüllenden Kerlen vor dem Farbengeschäft, das dank der Belagerung durch den Procurator heute vermutlich keine Umsätze verzeichnen würde. Es machte Quintus wütend, dass dieser Mistkerl einem einfach die Kunden vergraulen durfte, also würde er ihm so richtig den Tag vermiesen. In der folgenden Zeit meldeten sich haufenweise Suburaner, die allesamt wichtige Hinweise zum Verbleib des Diebes hatten. Und alle erhofften sich selbstverständlich die versprochenen dreißig Sesterzen.


    In der folgenden Zeit wurde Quintus nicht müde, die Brecher dabei zu beobachten, wie sie immer frustrierter wurden und immer verzweifelter einfach nur diesen Tag hinter sich bringen wollten. Es war großartig. Nur würde es natürlich nicht ewig so weitergehen können. Quintus ahnte bereits, dass er damit die Ressentiments nur schüren würde.

    Aber hey. Man lebte doch im Moment.


    Sim-Off:

    Na dann... Prost. :3

  • Da stand nun Sosius Saverrio und beobachte das Treiben. Er hielt jemanden an und fragte. „Was steht denn auf dem Zettel?“ Der zuckte nur mit den Schultern. „Da steht, dass ein blonder junger Mann namens Quintus, von Furius gesucht wird und der Furius zahlt 30 Sesterzen.“ "Furius? Der Procurator Annonae?“ Ja genau der.“ Saverrio strich sich nachdenklich übers Kinn und sah zu dem blonden Quintus, der hier wie ein bunter Hund bekannt war und dann zu den Männern vor dem Laden. 30 Sesterzen, bei den Göttern, damit konnte er seine Familie bis Ende des Jahres durchfüttern, was aber noch besser wäre.. dem Procurator Annonae einen Gefallen tun. Immerhin war der Mann für die Verteilung von Lebensmitteln zuständig. So schlenderte er also zu den Männern vor dem Farbengeschäft und unterhielt sich mit ihnen. Unauffällig beschrieb er wo sie den gesuchten Quintus finden konnten und hinterließ seinen Namen. Ja jetzt in den Laden zu gegen wäre zu auffällig, der Quintus war nicht blöde und würde das Weite suchen. So tat er auch so, als würde er hier nicht weiterkommen und zuckte mit den Schultern, bevor er weiterging um aber unweit unauffällig stehen zu bleiben und zu sehen was passiert.

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  • Saturninus hatte keine brauchbare Information der Bewohner des Viertels bekommen und daher auch keine dreißig Sesterze an jemanden ausbezahlt. Das galt ja auch nur für Hinweise, die zur Ergreifung führten, und wie es so ging, hatten Leute jenen Quintus einmal hier und einmal da gesehen. Der Kerl schien das Phantom der Subura zu sein. Dennoch verließ er sich darauf, dass gerade die Cura Annonae genug Rückhalt zumindest bei den römischen Bürgern besaẞ. Schließlich lebten ganze Familien von der staatlichen Fürsorge. Saturninus verhielt sich als Procurator streng, aber gerecht, fand er, und er war ja auch bereit dazu gewesen, diejenigen, deren Berechtigungen gestohlen worden waren, aus eigenem Vermögen zu unterstützen. Das war nicht mehr nötig, da alle Unterlagen wieder vorlagen. Im Grunde war es nur noch etwas Persönliches: Der Furius war herausgefordert worden, und er war in jedem Sinn nachtragend, im Guten wie im Schlechten.


    Am Mittag hatte ein gewisser Sosius Saverrio mit einem der Veteranen gesprochen, und ihm ein Haus genannt, was der Unterschlupf des Gesuchten sein sollte.

    Es war ein ehemaliger Weinkeller. Als der Procurator Annonae nachsah, bemerkte er, dass das Untergeschoss unbegehbar schien. Eine schwarze trübe stinkende Brühe aus irgendeinem Rohrbruch schwappte ihm entgegen.

    Wieder hielt sich Saturninus sein Tuch vor die Nase.

    Das Haus starrte ihn aus schwarzen Fensterhöhlen an, und er starrte zurück. Es sah genauso aus wie ein Rattenloch, in dem die Ratte von Quintus hausen mochte. Vielleicht war die Ratte sogar zuhause.

    Wäre das nicht Roma gewesen sondern ein anderer Ort hätte Saturninus befohlen, Feuer zu legen, um das Haus auszuräuchern und den Bewohner aus dem Versteck zu treiben, aber das war in der Subura viel zu gefährlich, und er wollte keinen Ärger mit den Vigilen. Es musste eine andere Möglichkeit geben. Die gab es.

    "Wir warten noch ", sagte er und zu dreien der Veteranen: " Ansonsten besorgt mir bitte eine Leiter. Wir steigen durch eines der Fenster ein. "

  • Quintus hatte keine Ahnung von dem drohenden Unheil. Er hatte den Aufruhr bei der Färberei noch eine Weile beobachtet, sich jedoch schließlich zurückgezogen. Wenn Geld geboten wurde, musste man vorsichtiger sein. So solidarisch waren sie in der Subura dann doch nicht, dass sie auf so viel Geld verzichten würden, nur um einem Landsmann zu helfen.

    Zudem war die Schaueinlage nun schon eine Weile gelaufen und so sehr er es auch genoss, die armen Gerüsteten schwitzen und rufen zu sehen, man musste aufpassen.


    Er gab Cassius ein Zeichen und zog sich nach Hause zurück. Da der Furier nicht schnurstracks hierhergekommen war, hatte ihn Tiberios wohl nicht verraten. Später wagte er dann doch noch einen Blick zur Färberei, die nunmehr leer dalag. Kein großer Veteran, kein Procurator. Scheinbar hatten sie aufgegeben.

    Mit einem amüsierten Schmunzeln ließ er also den Markt hinter sich, zurück nach Hause. Es war ein erfolgreicher Tag gewesen, nicht so sehr in finanzieller Hinsicht, aber durchaus in persönlicher. Nicht jeder stellte sich erfolgreich dem Procurator in den Weg und konnte diesen auch noch hübsch demütigen.

    Er schlich sich wie üblich in den Hinterhof und betrat den Weinkeller, stieg über den verborgenen Pfad im Wasser und kroch hinauf in sein Reich.

    Die Wohnung war weitaus gemütlicher als sie von außen aussah. Es war einmal ein ganz annehmbares Haus gewesen, bis es zerfallen war. Wo es ging, hatte Quintus die Löcher in den Wänden gestopft und alles mit Decken und Polstern ausgeschmückt. Überall standen seine kleinen Trophäen, die an besonders gelungene Diebstähle oder Einbrüche erinnerten. Und dann gab es natürlich noch die obere Ebene unter dem eingestürzten Dach.

    Der Junge streckte sich gerade, glücklich und zufrieden, als er ein Geräusch hörte. Ein lautes „TOCK!“, als etwas von außen gegen seinen Fensterrahmen schlug. Verwundert lupfte er die Augenbrauen und trat vorsichtig ans Fenster, an welches eine Leiter geschlagen wurde.

    Ach, verdammt, Tiberios.


    Der junge Dieb griff sich den erstbesten Holzbalken, der wahllos im Weg rumlag und legte diesen wie einen Rammbock auf die Fensterbank.

    „Salve Vagina Augusta!“, grüßte er die versammelte Mannschaft, in welcher auch den Furier erblickte. Einer der Veteranen kam bereits herauf gekraxelt. „Du nimmst das ja wirklich ganz schön persönlich, was?“

    Der Dieb lachte sein heiteres Lachen, vor allem als dem Veteranen der Holzbalken auffiel. Der Mann schüttelte panisch den Kopf und erntete ein amüsiertes Nicken vom Dieb, der den Balken langsam aber sicher vorschob und die Leiter damit zurückdrängte. Er würde sich nicht verletzen, aber auf Rosen gebettet würde er bei dem Fall nun auch nicht gerade. Quintus zuckte theatralisch zusammen, als der Veteran fluchend auf dem Rücken landete.

    „Upps! T’schuldigung!“, ließ er noch verlauten. Er ließ den Blick kichernd über die Menge gleiten. Den Furier, seinen Sklaven und seine sieben Veteranen.

    Moment, sieben?


    Bevor Quintus sich über seinen Irrtum wundern konnte, kroch bereits ein kaltes Gefühl seine Brust hinauf. Ein Arm schlang sich von hinten um seinen Hals und riss ihn zurück.

    „Nein!“, hörte er sich noch rufen. Im Halbdunkel hatte der Hüne ihn im Griff. Eine Faust traf Quintus‘ Magen, der röchelnd in die Knie ging und auch noch einen Schlag gegen den Kopf abbekam.

  • Ja, da war der Blonde, jener Quintus, der anstatt sich ganz still zu verhalten und zu versuchen, Saturninus Schergen zu entfliehen, sie verspottete. Kein Wunder, die Ratte hauste nicht im Rattenloch, sondern die Elster hatte ihr Diebesnest oben über den Dächern. Saturninus war sich fast sicher, dass Tiberios ihm etwas über einen Keller erzählt hatte. Um den Griechen würde er sich später kümmern, einer nach dem anderen.

    "Ich möchte ihn lebend", sagte Saturninus. Ein schneller Tod durch einen Gladius war eine Gnade, die er nicht bereit war, zu gewähren. Einer der Veteranen versuchte, den Dieb über die mittlerweile herbeigeschaffte Leiter zu erreichen, Quintus kippte sie aber durch eine Art Rammbock. Der Veteran stürzte, rollte sich ab und kam wieder auf die Füße. Er schüttelte den Kopf.

    Vagina Augusta hätte der Bursche nicht sagen dürfen, wie die meisten ehemaligen Soldaten war auch Cosconius kaisertreu - dem Kaiser verdankte er alles, was er war. Entschlossen löste er sich seinen Gürtel, legte seine Abolla ab und versank erstmal in der trüben Flut, bevor sein Fuß den Sims fand. Er war weder so leichtfüßig wie Quintus noch wie der Sklave Tiberios, und er glitt einige Male aus, bis er von schwarzem Schnodder und Schlick bedeckt das Loch in der Decke entdeckte und sich hochzog.

    Es war ihm eine innere pompa, dem Spötter eine in den Magen und gegen den Kopf zu verpassen. Er warf sich Quintus über die Schulter, gab aus dem Fenster den Untenstehenden ein Zeichen, dass sie die Leiter bereithalten sollten und begann mit dem Abstieg über die Sprossen.

    Dort fesselte er ihm vorsichtshalber die Hände auf dem Rücken. Nicht dass der Bursche unerwartet wieder munter wurde und davon rannte.

    Der Sklave Krates schleppte einen Eimer aus dem Farbengeschäft herbei und auf ein Kopfnicken von Saturninus hin leerte er ihn über dem Gefangenen aus.


    "Salve Quintus oder sollte ich Marcus Aurelius sagen?", sagte der Procurator Annonae in freundlichem Tonfall: "So sieht man sich wieder. Wie heißt du nun wirklich? "

  • Der eiskalte Schwall erweckte den Jungen aus seiner Ohnmacht, der sich erstmals in einer scheinbar aussichtslosen Lage wiederfand. Sekundenlang holte er nur Luft und versuchte, sich zu orientieren, während das klitschnasse Haar ihm auf der Stirn klebte.

    „Salve…“, murmelte er. Ihm war ein wenig übel nach dem Schlag. Außerdem hatte er nachvollziehbarerweise miese Laune. „Quintus passt schon. Götter, das lief ja nicht wie geplant…“

    Er richtete sich etwas auf, nahm eine bequemere Haltung ein und sah sich um. Entkommen war im Augenblick wohl eher unwahrscheinlich.

    „Soooo… Dann sind wir nun also hier“, sagte der Dieb, der nicht wusste, was er nun fühlen oder sagen sollte. Ohne Frage sah die Lage sehr düster aus, doch gab er sich ungern die Blöße, dies zuzugeben. „Also, ich würde sagen, dass wir auf dem falschen Fuß gelandet sind. Wieso fangen wir nicht noch einmal von vorn an? Ich bin Quintus und, äh, ich lebe hier gewissermaßen. Ich mag lange Spaziergänge im Mondschein und laue Sommernächte bei einem Becher Wein.“

    Auch nicht unbedingt besser, nicht wahr? Mit einem tiefen Seufzen legte der hübsch junge Kerl aus der Subura den Kopf schief.

    „Also, was passiert jetzt? Werde ich angeklagt oder wirst du mich diskret beseitigen? Ich kenn da ein paar gute Ecken hier in der Nähe.“

  • "Wir werden von vorne anfangen. Dein vollständiger Name!", sagte Saturninus.

    Der junge Mann vor ihm war von jener jungenhaften Attraktivität...genau das richtige Irrlicht für Tiberios, dachte Saturninus verärgert, er konnte sich schlecht vorstellen, dass etwas aus reiner Freundlichkeit geschah; und dass die Burschen es auf den Hintern des jeweiligen anderen abgesehen hatten, passte entschieden besser in sein Weltbild:

    "Bist du tatsächlich ein römischer Bürger, wie du behauptet hast , oder ein Peregrinus oder ein Sklave, der abgehauen ist?"Gerade waren weder Brandmale noch Tätowierungen zu sehen, die renitente Sklaven verpasst bekamen, aber da konnte man nachsehen lassen:"Versuche erst gar nicht zu lügen. Ich bekomme die Wahrheit heraus. Und wenn nicht ich - die Urbaner tun es. Im Mondschein und bei einem Spaziergang und mit oder ohne Becher Wein. Und glaube mir, dass deren Phantasie alles übersteigt, was ich mir so ausdenken kann, um jemanden dazu zu bringen, ihnen die Wahrheit zu sagen."

    Tiberius Caudex hatte Saturninus gesagt, dass Quintus nicht belangt werden konnte, da er das Diebesgut zurück gegeben und nicht zweckentfremdet hatte.

    Aber gerade ging es nicht um geschriebenes Recht. Es ging nur darum, wer im Moment über die weitreichendere Macht verfügte.



    "Wir bringen ihn mit in mein Officium", befahl er. Die Subura war ein zu heißes Pflaster. Auch wenn ein Procurator Annonae einen Sympathievorschuss hatte, da die armen Römer auf ihn angewiesen waren, konnte das indifferent laue Lüftchen umschlagen. Besser, die Subura zu verlassen. Quintus nahmen sie mit sich.