Privataudienz für Tigellinus

  • Heute war ein mehr als lästiger Tag gewesen. Den ganzen Tag hatte Septimius Antoninus in der Aula Regia mit Audienzen für die verschiedensten Leute zugebracht und dann hatte es auch noch eine zähe Verhandlungsrunde mit einem iberischen Handelskartell gegeben. Zu guter letzt hatte am späten Nachmittag dann auch noch eine Besprechung mit verschiedenen Chargen der Praetorianergarde stattgefunden mit Berichten von Agenten der Truppe die auf geheimer Mission im ganzen Imperium unterwegs waren. Alles was der Imperator Caesar Augustus jetzt noch wollte war Ruhe. Ruhe in seinen eigenen vier Wänden in der Domus Augustana doch selbst dort wartete schon die nächste Arbeit auf ihn. Faustus Aurelius Tigellinus hatte sich angekündigt und um ein Treffen gebeten und saß diesen Moment in den kaiserlichen Privatgemächern. Tigellinus war niemand Unbekanntes weshalb Kaiser Antoninus diesem letzten Termin des heutigen Tages auch noch zugestimmt hatte.


    So schritt er durch die Räume des kaiserlichen Palastes bis vor die Tür hinter der Tigellinus wartete. Dann wurde diese von zwei purpur gewandeten Staatssklaven geöffnet und ein weiterer kündete an: "Erhebe dich für Imperator Caesar Antoninus Augustus, Tribuniciae potestatis, Pater patriae" Kaiser Antoninus nickte dem Sklaven zu. Dieser schnippte nach hinten hinaus in den Flur, woraufhin noch zwei Sklaven mit Wein erschienen. Als dieser serviert war verbeugten sich noch einmal alle Unfreien und verließen dann den Raum. Als die Türflügel ins Schloss gefallen und der Kaiser mit seinem Gast alleine war nickte er auch Tigellinus zu. "Salve, Faustus Aurelius, setz dich doch bitte wieder und koste von dem Wein. Es ist ein Massiker aus Capua aus dem 868er Jahr*. Vorzüglicher Jahrgang, in der Tat." Kaiser Antoninus ließ sich seinem Gast gegenüber nieder und nippte von seinem Krug. "Also was ist der Grund für dein Erscheinen?"


    * 868 ab urbe condita = 115 n. Chr.

  • Tigellinus tat sich mit dem Erheben schwer, doch dies lag weniger an der im Osten angefressenen Wampe oder der schon seit Jugendtagen gepflegten Aversion gegen körperliche Betätigung, sondern vielmehr an der Tatsache, dass er eh schon stand. Doch als der Kaiser - Toni wie er ihn früher nannte, es jetzt aber nicht mehr tun würde - eintrat ind ihn zum Sitzen aufforderte band Zigellinus diesem natürlich nicht unter die Nase, dass er gar nicht erst aufgestenden war.


    "Erstens, oh Deus et Dominus, gebührt es die Pflicht, Dich regelmässig zu kontaktieren, alleinschon, um Dir die Gelegenheit zu geben, die weniger offiziellem Arbeitsaufträge eben ... nun ja.... eben zu beauftragen. Doch das zum allgemeinen... "


    Kleine Schlucke waren Tigellinus Sache nicht und so nahm er einen grossen


    "Und natürlich der Cursus Honorum, und wir sprachen gestern schon über Deinen Wunsch den Senat ... wie soll ich sagen... aufzufrischen. Manche Senatoren suhlen sich auf Satdinien wie die Mastschweine im Pferch... Ich hätte da einige Ideen."

  • Der Kaiser nickte und fuhr sich durch seinen Bart. Aurelius Tegellinus war ein sehr vernünftiger und pflichtbewusster Römer. Natürlich hatte er Recht, dass dies in der Pflicht eines Klienten gegenüber seines Patrons stand, dass er diesen regelmäßig aufsuchen sollte, doch daran hatte Kaiser Antoninus gar nicht mehr gedacht, dass dieser Besuch auch von derlei Natur sein könnte. Nicht nach so einem harten Arbeitstag als Kaiser. Wenn er wollte könnte er es natürlich auch genauso wie Nero machen, den ganzen Tag faul rumsitzen und sich vollfressen, gelegentlich persönlich mit einer Lyra im Theater auftreten und hinterher alle Senatoren köpfen die während der kaiserlichen Aufführung eingeschlafen waren oder wenn ihm danach war bei Gelegenheit Rom anzünden, doch das war nicht Antoninus' Stil. Er wollte ein guter Kaiser sein der sich um die Nöte seines Volkes kümmerte und so arbeitete er auch entsprechend hart. Dass es ihm die Sklaven mit einem vor einiger Zeit zurückliegenden Sklavenaufstand gedankt hatten ärgerte ihm immer noch. In solchen Momenten war man wirklich versucht einen auf Nero zu machen..


    Tigellinus war nicht nur zu einem Höflichkeitsbesuch gekommen (was Kaiser Antoninus aber auch gar nicht erwartet hatte), sondern war auch mit.. Ideen für den Senat gekommen. Die Art seiner Worte ließen im ersten Moment darauf schließen, dass Tigellinus von Proskriptionen sprach, dies würde zum zweiten Teil seiner Worte passen (warum sollte man Senatoren sonst schlecht machen?), doch nicht zum ersten. Na da war der Kaiser ja mal gespannt was ihm sein Klient nun erzählen mochte. "Ich habe in der Angelegenheit des Senats schon für übermorgen den Procurator a censibus zu mir bestellt, um mit ihm in dieser Angelegenheit zu sprechen, doch ich bin natürlich ebenfalls neugierig auf deine Ideen. Welche Gedanken hast du für mich?"

  • Tigellinus verbeugte sich kurz und vermittelte dabei eine Mischung aus devoter Ehrerbietung - die er nicht empfand, orientalischer Dekadenz - die aus jeder Pore triefte, und freundschaftlicher Kumpanei unter dem Deckel höfischer Etikette.


    "Ich werde mich angreifbar machen und sicher angegriffen werden, doch ist mir das eins, allein die Notwendigkeit das Richtige zu tun bestimmt meine Worte. Deswegen möchte ich Dir zwei Männer ans Herz legen deren Vita nicht unterschiedlicher sein könnte. Der eine, Aurelius Orestes, natürlich ein Verwandter. Ich höre die Senateska schon murren, aber egal, er ist ein junger Mann, hat die notwendigen Schritte im Cursus Honorum beschritten und sucht jetzt eine neue Aufgabe nachdem ihm einige Jahre die Religion so wichtig war wie mir der Falerner. Doch darüber ist er nun hinweg, ist gewachsen und begierig Dir zu dienen."


    Nach einer kurzen Pause, die es Antoninus ermöglichte, das Thema anzudenken und Tigellinus den Becher zu leeren, kam unser Held nun zum entscheidenden Punkt.


    "Der zweite ist Sergius Sulla, Exilant bis vor wenigen Tagen. Natürlich im Osten, natürlich wird man uns auch das vorwerfen, doch auch hier gilt: Was kümmert mich mein persönliches Renomee wenn das Wohl des Staates... Achja.. er war Quaestor unter Iulianus, ein Intimus des Senatos Falco, ein grüner mit allen seinen Gedanken..."


    Wer beim Bacchus schenkt hier nach


    "Ihm fehlt das Vigintivirat, doch das kann er nachholen. Ich schlage Dir beide als Senatoren vor."

  • Der Augustus hörte sich an was Tigellinus zu sagen hatte. Die angekündigten Ideen waren also Vorschläge für zwei Standeserhebungen, interessant. Ein aurelischer Verwandter und noch ein Sergier wünschten also in die höchste Riege aufzusteigen und sich als patres conscripti an der Seite der anderen ehrwürdigen Senatoren einzureihen. Zugegeben, zwei große Bitten.

    Normalerweise hätte der Kaiser jetzt einem Sklaven zugenickt, damit sich dieser die beiden Namen aufschrieb, um sie später dem Procurator a censibus zur näheren Überprüfung zu überlassen, doch da sie ja hier alleine saßen musste der Kaiser das jetzt selbst bewerkstelligen.

    "Aurelius Orestes also und Serg.. Sergius Sulla? Stimmt so, oder?" wollte er sich noch einmal rückversichern, nicht dass durch einen kaiserlichen Fehler jemand völlig anderes eine Standeserhebung bekam!


    Als somit diese Namen für spätere Bearbeitung gesichert waren konnte sich Kaiser Antoninus wieder ihrem Gespräch widmen. Ihm war aufgefallen, dass Tigellinus ziehmlich düster gestimmt war heute, anscheinend machte er sich viele Feinde durch den Vorschlag von Orest und Sulla. Zugegeben, letzterer Name war aber auch wirklich ein Fluch für jemanden der Senator werden wollte, wo doch ein früherer sehr bekannter Senatorenschlächter ebenfalls Sulla geheißen hatte. "Ich werde deine beiden Vorschläge prüfen lassen. Was mich jedoch interessiert ist, warum sich die übrigen Senatoren über diese zwei Standeserhebungen ärgern sollten? Wenn Aurelius Orestes wirklich alle nötigen Schritte beisammen hat gebührt ihm sein Platz im Senat doch ohnehin, allein schon von seiner Abstammung her. Noch mehr interessiert mich jedoch dieser Sergius Sulla. Warum war er so lange im Exil und wenn er wirklich Quaestor gewesen war hätte er doch nach seiner Amtszeit sowieso automatisch in den Senat berufen werden sollen, was hat ihn davon abgehalten?"

  • "Zur Zeit des Kaisers Iulianus war, so sagen es zumindest die Fasten, das Vigintivirat keine notwendige Bedingung für die Quastur und wurde somit von Sulla auch nicht abgeleistet, seine, so glaube ich, zweimalige Kandidatur zum Volkstribunen scheiterte jeweils grandios und sein Faible für eine Didierin, Aelia des Namens, entzweite ihn vom Senator Victor den sie dann aber auch nicht nahm. Dazu ein versuchtes Attentat auf den Ursurpator Palma, er hat fast nichts ausgelassen um seine Beliebtheit zu mässigen. Das Exil war so und zusammen mit einer gewissen religiösen, nein fast mythischen Verbohrtheit fast schon eine logische Konsequenz. Und ja, seine Tätigkeit als Praefectus Annonae war inovativ aber erfolglos. Kurzum: Er hat bislang wenig aus seinen Talenten gemacht, ist allerdings in höchstem Maße zum Führen befähigt und ein treuer Freund seit ich ihn vor fünf Jahren in einem Lupanar in Edessa kennenlernte. Er ist einer der wenigen in deren Nähe ich schlafen würde."

  • Von Tigellinus kamen keine Widerworte, weshalb Kaiser Antoninus annahm, dass die beiden Namen so stimmen würden. Gut, dann würde er diese später dann seinem Procurator a censibus zur Prüfung schicken. Doch wobei der Imperator im Laufe von Tigellinus' Erzählung immer mehr ins Überlegen kam, ob er wirklich alle beide Namen weiterleiten würde, was der Aurelier da von diesem Sergier erzählte war ja teilweise haarsträubend!


    Nachdem Tigellinus geendet hatte, strich sich der septimische Augustus nachdenklich über den Bart. "Vielen Dank für diese Details, sie waren... interessant. Es ist für Männer aus speziell dieser einen Regierungsperiode natürlich sehr ärgerlich, dass sie jetzt das Vigintivirat nachholen müssen, da dies Kaiser Lucius Ulpius Iulianus während seiner Regentschaft abgeschafft hatte, aber so sind nun einmal die Regeln. Natürlich nur im regulären Ämterlauf." Der Kaiser selbst konnte theoretisch ja jederzeit jeden zum Senator machen, wenn man an das Extrembeispiel Caligula dachte, der sein Lieblingsrennpferd(!) Incitatus direkt zum römischen Consul ernannt hatte.


    "Wenn ich ehrlich sein soll kann ich aus deinem Bericht nicht ersehen, warum dieser Person eine derart hohe Würde wie die eines Senators zustehen sollte, selbst das fehlende Vigintivirat dabei einmal außen vor gelassen. Gescheiterte Wahlkämpfe, heraufbeschworene Spaltereien zwischen Senatoren, ein Attentatsversuch auf einen römischen Kaiser(!!), lange Abwesenheit von Rom und eine erfolglose Tätigkeit als Praefectus Annonae. Wenn man all dies ohne entsprechend starke positive Gegenbeispiele so ins Auge fasst beschreibst du eine Flasche, keine Führungsperson...", stellte der Kaiser ohne verharmlosende Verschönerungen fest, jedoch erschienen sie ihm angebracht angesichts der geforderten Senatorenwürde. Es gab auch so schon genug dekadente und unnütze Pedarii in den hintersten Rängen dieses Gremiums, die nicht im Traum daran dachten einen Finger für Roma krumm zu machen. Dies musste der Kaiser nicht auch noch unbedingt unterstützen.


    Kaiser Antoninus' Augen ruhten auf Tigellinus., um dessen Reaktionen zu studieren. "Angesichts unserer früheren Kindsfreundschaft bin ich jedoch bereit deinem... Freund eine zweite Chance zu bieten und biete ihm die erneute Einsetzung als Praefectus Annonae von Rom an, dann kann er sich auf diesem, ihm bereits vertrauten, Posten noch einmal beweisen und gleichzeitig in einer genügend verantwortungsvollen Position wieder ein paar Gut-Punkte für sich sammeln. Weiters soll er zu gegebener Zeit seine Amtszeit als Vigintivir nachholen die ich genau verfolgen lassen werde. Gemessen an seinen Taten als Praefectus Annonae und Vigintivir möchte ich hernach noch einmal darüber nachdenken, ob ihm die Senatorenwürde doch zusteht, also gib ihm zu verstehen sich anzustrengen." machte der Kaiser Tigellinus noch einmal klar. Selbst dies war schon ein sehr entgegenkommender Kompromiss in einem Rom, das weniger Talentierte normal sofort und ohne Gnade absägte, hoffentlich würde dies dieser Sergius Sulla zu schätzen wissen.


    Da diese zwei Punkte jetzt in den kaiserlichen Augen erledigt waren, ging der Augustus nun zum nächsten Thema über. "Nun gut, welche weiteren Vorschläge hast du für mich in Sachen der "Auffrischung" des Senats?"

  • Das war mehr als Tigellinus erwartet hatte und es freute ihn für seinen Freund, dem er aber durchaus das Quid Pro Quo unter die Nase reiben würde. Das er bei diesem Gedanke kurz auf seine Hände schaute war da jetzt wieder typisch für ihn.


    "Einige Senatoren weilten schon seit längerem nicht mehr in Rom, geschweige denn in der Curia Iulia, trotzdem könnten sie jederzeit nach Rom zurückkehren und sei es auch nur für eine Abstimmung. Dabei will ich die Kompetenz und Loyalität eines Lucius Aelius Quarto, Marcus Vinicius Hungaricus oder Marcus Didius Falco in gar keiner Weise anzweifeln, rate aber an, eine Senatorenliste zu schaffen über die wir die aktive Ausübung des Amtes steuern können. In diese kann sich jeder Senator eintragen und ist dann nach einer Woche stimmberechtigt. Also nichts großes ... Dies würde sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht betreffen ..."


    Und Flavius Felix, der sich nach Informationen des Tigellinus in Sardinien festgewarzt hatte, würde seinen Arsch nach Rom bewegen müssen ... oder sein Wahlrecht verlieren. Das wäre ihm ein Fest. Und mit Sulla würde der Aurelier, natürlich auf dessen Kosten, als bald möglich dekadent dinieren.

  • Die Augenbrauen des Augustus verengten sich. Als altem Berufspolitiker und früherem Vollblutsenator waren dem Kaiser die politischen Rechte und Pflichten des Senats und Volks von Rom über alles heilig und dementsprechende Reaktionen erntete man von ihm, wenn man an den ureigendsten Säulen kratzen wollte, wie dem mit dem römischen Bürgerrecht verbundenen Wahlrecht.


    "Nein, auf keinen Fall! Das Recht zu wählen und gewählt zu werden ist eine der ehrwürdigsten und ältesten Säulen der Res Publica, dieses Privileg, verliehen durch die römische Staatsbürgerschaft, unterschied und unterscheidet uns schon von jeher von allen anderen Völkern, es macht uns Römern zu dem was wir sind und ich bin nicht bereit an diesem Allerheiligsten unseres Imperiums Hand anzulegen! Der Senat bildet die Spitze der Gesellschaft und meinen ergebenen kaiserlichen Rat, welche Botschaft wäre dies für das gemeine Volk, wenn ich ihm das Wahlrecht abnehmen würde, nein! Nun, da dies geklärt ist, ist diese Audienz beendet. Du darfst dich zurückziehen."


    Kaiser Antoninus zwang sich sich wieder zu beruhigen und nahm einen großen Schluck Wein. Hier hatten sich seine senatorischen Wurzeln wieder gezeigt. Mochte Rom auch schon seit gut hundert Jahren von einem Princeps regiert werden, so galten die alten Werte immer noch, insbesonders was das Römer-sein anging. Den Senatoren ihr Wahlrecht zu nehmen wäre gleichbedeutend mit seiner Zustimmung gewesen, sich gegen ihn, Kaiser Antoninus zu verschwören und ihn blutig zu stürzen, so wie dies auch schon einigen seiner früheren Vorgängern passiert war. Es gab nun einmal gewisse Grenzen die niemand zu überschreiten wagen sollte, selbst nicht der Kaiser.

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  • "Wie Du wünschst, Deus et Dominus."


    Die Miene des Aureliers war versteinert denn er hasste es, wenn man seinen wohlmeinenden Rat in den Wind schlug, doch was sollte man machen, der Kaiser wurde offensichtlich alt und verkrustete zusammen mit den Strukturen die es eigentlich aufzubrechen galt. Doch das konnte er ihm natürlich nicht sagen sondern quetschte sich stattdessen ein schon fast wieder überzeugendes Lächelns heraus, hätte es in dem erstem Sekunden nicht an das Gesicht eines gewürgtem Frosches erinnert.


    Die restliche. Themen würden wohl warten müssen.

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