[Cubiculum] Claudia Marcella - Animula vagula blandula

  • Cena bei N. Tiberius Caudex>>>


    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Claudia Marcella war nach Hause gekommen und hatte sich, nachdem Daphne ihr aus den Kleidern geholfen, ihre komplizierte Figur abgesteckt und ihr Makeup entfernt hatte, zur Ruhe begeben. Sie thronte auf mehreren Kissen, weil ihr oft das Atmen in der Nacht schwer fiel und dachte noch einmal an den heutigen Abend, und an all die Waisenmädchen , die ein gutes Zuhause haben würden. Im Kopf begann sie schon eine Liste zu machen über die Möbel, die sie mit dem hochherzigen Tiberius gemeinsam einkaufen wollte.

    Ihr Blick fiel auf das Kästchen auf ihrem Nachttisch, welches, so hieß es, von ihrer Ahnin, der Diva Iulia Augusta stammte, die zuvor Claudia Livia geheißen hatte.


    Claudia Marcella hatte den Tod durch erbärmliches Ersticken nicht erleiden wollen, und war mit ihrem Medicus bereits die verschiedenen Gifte durchgegangen, die ihr zur Verfügung standen. Sie würde aus dem Leben gehen, wie sie gelebt hatte: In kühler aufrechter Haltung und ohne Angst. Erst würde sie einen Trank trinken, der sie müde machte und dann den Schierlingsbecher, um endgültig Schluss zumachen.

    Aber heute fühlte sie sich so wohl, dass sie nicht an den Tod dachte, sondern an das Leben. Sie war hochgestimmt und konnte nicht gleich einschlafen.


    "Meine liebe Daphne", sprach sie, die treue Sklavin würde in ihrem Testament freigelassen werden, wusste aber nichts davon: " Ich möchte einen Dankesbrief an Tiberius Caudex und seine Frau diktieren, hole mein Schreibzeug."


    Es war schon so spät, und sie wollte keinen der scribae wecken, und Daphne hatte auch eine hübsche zierliche Handscchrift.


    Daphne ging an den Schreibtisch, da hörte sie plötzlich ein seltsames Geräusch vom Bett ihrer Herrin; die junge Frau drehte sich um: "Domina?" und ging zurück.

    Claudia Marcella saß da und vor ihr breitete sich eine Blutlache aus. Totenbleich war sie und hielt sich die Hand vor den Mund:

    "So arg war es noch nie, Daphne", sagte sie: "Aber ich fühle mich gut, nur etwas seltsam....."


    Sie sah in die Ferne. Ein feines blutiges Rinnsal zog sich von ihrem Mund hinunter zum Laken. Aber ein Lächeln breitete sich auf ihren Zügen aus, und dann flüsterte sie:

    "Lucius, mein kleiner Liebling.".....


    "Domina?", sagte Daphne nochmals und spürte, dass es ihr grauste; die Härchen in ihrem Nacken sträubten sich. Es war ihr, als wäre noch jemand da, als wäre ein für ihre Augen unsichtbarer Besucher in das Cubiculum eingetreten, und nur Claudia Marcella konnte ihn sehen.


    Die Sklavin wich nicht von der Seite ihrer Herrin. Etwas blinkte kurz auf im Licht der Öllampe, und sie griff danach; es war die schon so lange zurückgelegte silberne Münze für Charon. Daphne nahm das Geldstück in die Hand.

  • Der Gott der vielen Wege hatte viele Aufgaben. Er beschützte die Händler und die Diebe gleichermaßen, überbrachte Botschaften im Wind und er war der einzige, der zwischen allen Gefilden reisen konnte, wie es ihm beliebte. So konnte er auch in das Reich der Toten und unbehelligt wieder hinaus, eine Gunst, die sonst wohl kein Gott von sich behaupten konnte. Und das war auch der Grund, weshalb Mercurius die Aufgabe bekommen hatte, die Seelen der Toten einzusammeln und zum Ufer des Flusses zu bringen, der sie in das Reich von Dis Pater und Proserpina führen würde.


    Und so war er auch heute hier, ein Windhauch im Zimmer, und wartete darauf, seine Pflicht zu erfüllen. Ja, er, der schnellste aller Götter, wartete, denn was war schon Zeit für ein zeitloses Wesen? Was war Geschwindigkeit für jemanden, der mit einem Gedanken an den Rand des Kosmos und wieder zurückreisen konnte.

    Die Sterbliche hier war schon über ihre Zeit. Sie hatte noch gekämpft, aber nun verlosch die Kerze ihres Lebens, wurde zu einem leisen Flackern, in dem noch Bilder der Vergangenheit vor ihrem Auge aufleuchteten, von Dingen, die waren und Dingen, die hätten sein können, und Dingen, die sie sich wünschte. Eine Gnade des Todes war es, dass er die Schmerzen nahm, sowohl die des Körpers, als auch die der Seele. Und manches Mal gestattete er auch einen Blick auf diejenigen, die bereits warteten, weil sie vorausgegangen waren.

    Als die Kerze erlosch, kam Mercurius herbei und ergriff die Hand der Seele sanft und doch bestimmt. “Komm mit mir“, sagte er sanft zu ihr. “Es gibt da jemanden, der schon lange Zeit auf dich wartet und sich freut, dich kennen zu lernen“