[Subura] Orcus' Vasall oder Plutos Schatten

  • Mochte man in Rom eine beliebige Person nach dem gefährlichsten und verkommensten Ort in der Stadt fragen, so erhielt man meistens ein und dieselbe Antwort: die Subura. Die Subura war fast so alt wie die Ewige Stadt selbst, allimmerdar ein anhaftender Makel, der dem strahlenden Bild der übrigen Straßen und Prachtbauten Trübung beimengte. Hier befand sich der tote Winkel, der Ort wo gute Bürger wegsahen und Politiker, die sich gegenüber dem Volk großzügig erweisen wollten, ihre Gabenströme wohlweislich um dieses Viertel herum in Gegenden investierten, von denen sie sich auch eine angemessene Gegenleistung in Form von Einfluss versprachen. Um die Subura und ihre Bewohner jedoch kümmerte sich niemand. Hier lebten die, die hier leben mussten, weil das Leben ihnen anderswo alles versagte. Verkrüppelte Veteranen der römischen Legionen, die an Straßenrändern kauernd Passanten um ein Gnadenbrot anbettelten, Prostituierte, die ihre Dienste feilboten, Waisenkinder die sich mit Stehlen durch das Leben schlagen mussten, verschuldete Witwen, Diebe, Mörder, Straßenräuber, Perverse, Arnachisten... Kurz, alles und jeder war hier versammelt, die zu Roms niederstem gewürm zählten, so auch ein gewisser älterer Mann mit einem markanten Bart, der da gerade auf dem Clivus Suburanus unterwegs war.


    Die Hände hinter dem Rücken verschränkt schlenderte er gemütlich durch die Gassen des Viertels und ließ seinen Blick da und dorthin schweifen wie ein interessierter Reisender, der das erste Mal eine besonders berühmte weil besondere Stätte begutachtet. Doch Nero Helvetius Archias war kein Reisender. Er blickte mit den Augen eines Mannes, der nach langer Zeit die eigene Heimat wieder sah, die vertrauten Winkel und Hausfassaden von früher suchend, stets mit dem Blick darauf was sich alles verändert hatte seit der Zeit seines Fortgangs. Vieles war noch so wie einst, auch einige Gesichter kamen ihm bekannt vor in den rund um ihn ziehenden Menschenhaufen. Natürlich gab es auch einige neue Dinge. Läden, die früher noch nicht existiert hatten, eine Ruine, wo früher vielleicht das Haus eines guten Bekannten gestanden hatte und viele fremde Gesichter aller Altersgruppen. Die Wogen des Lebens spülten beständig neue Bewohner von den besseren Vierteln in die Subura. Gerade blickte Archias zwei Jungen in Lumpen nach, die lachend miteinander Fangen spielten. Natürlich war auf der anderen Seite nicht alles gefährlich und schrecklich hier, zumindest tagsüber verhielt sich auch die Subura fast so als wäre sie ein normales Stadtviertel Roms mit normalen Menschen die normalen Tätigkeiten nachgingen und so weiter. Familien, Ladenbesitzer, die Tavernen der Kreuzwegbruderschaften, solche Dinge eben. Vieles davon war echt, doch mindestens genauso viel auch Betrug. Nebel und Rauch, die gefährliche Dinge unscheinbar erscheinen ließen, wie z.B. auch Helvetius Archias.


    Archias war ein unauffällig aussehender, älterer Mann. Gekleidet nur in einer einfachen Tunika und dunklen Toga, von der Aufmachung her nicht gerade jemand, den man besonders beachtete auf der Straße, oder länger als bloß einen Augenblick in Erinnerung behielt, ehe man vorbeigegangen war so unwichtig wie er nun einmal erschien. Ein Greis von vielen in der Stadt eben. Bei Archias' bescheidenem Anblick mochte man niemals darauf kommen, dass es sich bei ihm keinesfalls um einen einsamen armen Mann handelte, denn im Gegenteil, eine regelrechte Armee von Männern und Frauen folgten seinem Befehl!


    Doch nicht in der hellen Welt des Aventin, Esquilin oder des Forums, wo das Licht der Sonne alles durchleuchtete und jeder die klar vorgegebenen Regeln und Gesetze befolgte. Im Lichte des Kaisers, des Senats und Volks von Rom. Nein, die Welt der der Mann angehörte war die andere. Die Schattenwelt, jene, die nur nachts emporzusteigen pflegte aus dem Schmutz und der Finsternis der Elendsviertel der Stadt. Wenn Räuber und Halsabschneider aus ihren Löchern krochen. DAS war seine Welt und er, Archias, ihr König.


    Jetzt jedoch, im vollen Tageslicht, war er ein Niemand. Einer unter vielen was er im Moment dazu benutzte um ungestört und unauffällig Informationen zu den Vorgängen zu sammeln, die sich hinter den Fassaden der Subura abspielten. Zu den Machenschaften jenes Verbrecherbosses, der mutmaßlich jetzt gerade das Sagen hier hatte. Der, der es gewagt hatte Archias' altes Revier zu übernehmen, während die Krähe nicht im Nest gewesen war. Tor! Welch ein Narr! Das würde ihm teuer zu stehen bekommen. Archias war nach zehn Jahren jetzt nach Rom zurückgekehrt und ging nun daran erneut Anspruch auf seinen alten Rang im organisierten Verbrechen dieser Stadt zu erheben, den er einst besessen hatte und jeder, der sich ihm dabei in den Weg stellte würde beseitigt werden. Allen voran der jetzige Oberherr der Subura. Archias erklärte ihm den Krieg. Die Krähe war in ihr Nest zurückgekehrt, Zeit also dem darin hockenden Kuckuck die Augen auszuhacken.


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