[Officium] Iunia Axilla

  • Als Araros die Post des heutigen Tages brachte, grinste er.

    "Was macht dir denn so eine gute Laune?" fragte Axilla belustigt, während sie die Briefe entgegennahm.

    "Siehst du gleich, Domina", meinte er verschwörerisch und ging dann auch schon noch immer grinsend.

    Axilla runzelte die Stirn und nahm als erstes die Wachstafel, die oben auf lag. Und las.


    "Dieser verdammte Sausack!" hörte man es mit einem Mal durchs Haus schallen, gefolgt von einem "JA!" gefolgt von einem "Hat der noch alle Amphoren am Regal?!" und wildem Gequietsche und Auf- und Ablaufen im Officium.


    Es dauerte eine Weile, bis wieder einigermaßen Ruhe in das Officium eingekehrt war, und Axilla kopfschüttelnd und grinsend über dieser Tafel saß. Oh, ihr Sohn würde sich aber so etwas von einer Standpauke anhören müssen, wenn er wieder da wäre. Aber bis dahin bekäme er wohl den ein oder anderen Auftrag.

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    Ius Trium liberorum

  • Wie versprochen setzte sich Axilla an ein Empfehlungsschreiben für Agricola.


    Iunia Axilla Sen. Aurelio Lupo s.d.

    Ich schreibe dir in Andenken an unsere nun schon sehr lange Jahre zurückreichende Bekanntschaft. Du erinnerst dich sicherlich noch, wie viele Stunden ich in Freundschaft mit deiner Frau Flavia Nigrina verbrachte und an wievielen Tagen ich daher auch dein Gast war.
    In Andenken an diese wohl unbeschwertere Zeit möchte ich dich heute um einen persönlichen Gefallen bitten. Mein Vetter Caius Iunius Agricola ist ein junger und sehr kluger, ambitionierter Mann. Ich habe ihm empfohlen, sich an dich zu wenden, damit er von deinem Scharfsinn und deiner Erfahrung profitieren kann. Ich weiß, dass er alle Eigenschaften mitbringt, die einen excellenten Klienten ausmachen, und ich würde ihn niemand geringerem als dir anvertrauen. Ich hoffe also, dass du mir diesen gefallen erweisen wirst und ihm wohlwollend zur Seite stehen wirst. Sofern es mir möglich ist, werde ich dir selbstverständlich gleiches zurückgeben, solltest du bei einer Sache mich um einen Gefallen bitten.

    Vale bene


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    Ius Trium liberorum

  • Auch an diesem Tag kam Araros mit der Post herein und legte sie auf Axillas Tisch nieder. Und so arbeitete sie sich durch die vielen größeren und kleineren Schreiben. Kann ich dein Geld haben?... Kann ich bitte dein Geld haben?.. Willst du mich heiraten, weil, ich will dein Geld haben? .... kann ich dir mein Projekt vorstellen, weil ich brauche Geld dafür?... Kann ich...Moment

    Axilla nahm das letzte Schreiben noch einmal in die Hand und las es noch einmal. Eigentlich wanderten solche Schreiben inzwischen schon fast automatisch in die Rundablage, aber an diesem einen hier war etwas anders. Nicht das Papyrus, denn die Mühe machten sich manche. Auch nicht das Wachssiegel mit dem tiberischen Luchs darauf, bei dem Axilla auch andere Assoziationen bekam. Es war der Name des Absenders.

    Hatte Vettiena Capita nicht neulich so sehr von dem jungen Mann geschwärmt? Gut, sie schwärmte für viele junge Männer, das war Teil ihres Naturells, aber die Beschreibung dieses jungen Mannes war Axilla in Erinnerung geblieben. Noch dazu, wo einige andere Damen ihr dabei einhellig zugestimmt hatte. Da konnte Axilla schon ein wenig ihrer Zeit bei einem voraussichtlich langweiligen Vortrag über... Müll, warum ausgerechnet MÜLL? - Egal, Axilla würde es schon aushalten, wenn sie sich dafür davon überzeugen konnte, ob der Ruf, der dem jungen Mann vorauseilte, denn gerechtfertigt wäre.


    Also setzte sie sich tatsächlich an ein kleines Antwortschreiben. Sie würde Lea an dem Tag sicherheitshalber für ein paar Stunden andersweitig beschäftigen, damit der Kleinen nichts rausrutschte. Und so lag dann auch ein Antwortbrief auf dem Stapel der ausgehenden Post.

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    Ius Trium liberorum

  • Noch immer amüsiert über die gewohnt schlechte Laune des Patrons stieg Mezena die Treppe empor und ging auf Axillas Officium zu. Was sie wohl von ihm wollte? Ihn an seine Verschwiegenheit gemahnen? Das brauchte sie nicht. Er war kein Fischweib und er wusste, was er ihr schuldig war, ihr und auch sich selbst.
    Vielleicht hatte sie auch einfach nur einen Auftrag für ihn. Schließlich war es Tag und er wieder nur ein besserer Dienstbote. «Iunia Axilla?» fragte er nach einem dezenten Klopfen. «Hier ist Mezena. Du möchtest mich sprechen?»

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  • Axilla war es schon so gewohnt, dass die Tür einfach aufflog und Begoas hereingestolpert kam, dass sie sich beinahe erschreckte, als es einfach nur klopfte und sie Mezenas Stimme durch die geschlossene Tür hörte. Sofort hellte sich ihre Stimmung ganz erheblich auf, und sie stand von ihrem Stuhl auf und prüfte mit einem kurzen Griff den Sitz ihrer Frisur. Alles noch ordentlich zusammengesteckt, nur die obligatorischen widerborstigen Strähnen lösten sich, wie immer. Zusammen mit der einfachen, grünen Wolltunika sah Axilla wohl nicht unbedingt herrschaftlich aus, sondern eher bodenständig. "Ja, komm herein!" rief sie zurück und umrundete ihren Schreibtisch, um sich davor zu stellen und sich leicht mit ihren Hintern anzulehnen.

    "Schließ auch bitte die Tür wieder, ich wollte gerne einen Moment ungestört mit dir reden", sagte sie auch gleich, sobald Mezena die Tür geöffnet hatte und eintrat. Jetzt bei Tageslicht besehen und nichts nachts oder im schummrigen Licht eines Bades kam sie erst einmal dazu, ihn richtig anzusehen und zu mustern. Er war ein wenig dünner, als sie gedacht hatte, was ihm allerdings auch stand. Die Frisur war ein bisschen wild und wahrscheinlich hätte er Locken, wenn er die Haare lang genug wachsen ließ, so wie sie. Wobei Männer mit ganz langen Haaren aussahen, wie Barbaren. Nach wie vor fand Axilla ihn sehr, sehr gutaussehend.


    "Ich habe mit Agricola gesprochen, aber ich würde gerne deinen Teil der Geschichte hören, wenn du so willst", fing sie erst einmal an. Erst einmal kennenlernen, ehe sie ihn mit den Detailfragen überfiel. Beispielsweise, wie er zu ihrer beider Techtelmechtel stand, und ob das etwas war, was wiederholt werden konnte. Lieber erst einmal vorsichtig rantasten.

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    Ius Trium liberorum

  • Mezena trat ein, schloss die Tür, ging einen Schritt auf die attraktive Hausherrin zu und blieb schließlich mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor ihr stehen. Ein lauschiges Stelldichein würde das diesmal nicht werden, das hatte er im Gefühl. Feindlich gesonnen schien sie ihm aber auch nicht. Distanzierte Höflichkeit traf es wohl am besten, und diese Höflichkeit nötigte ihm Respekt ab, angesichts des Themas, auf das sie nun zu sprechen kam.
    Gut, sie hatte also mit ihrem Cousin über ihn geredet und der hatte die Gelegenheit sicher genutzt, sich mal so richtig auszukotzen. Das war in Ordnung, früher oder später hatte das ja sein müssen. Davon, dass Agricola übertrieben, die Tatsachen verzerrt oder gar Unwahrheiten verbreitet hatte, war nicht auszugehen. Der junge Iunier war zwar ein Schafskopf, aber keinesfalls ein Lügner. Es würde schon seine Richtigkeit haben.
    Freilich gab es nicht nur eine Geschichte. Solange es um die Geschichte ging, die Agricola ebenfalls kannte, war er durchaus bereit, Rede und Antwort zu stehen, zumal Axilla ein Recht darauf hatte.

    «Nun, mein Teil der Geschichte dürfte sich in weiten Teilen mit Iunius Agricolas Schilderungen decken. Er wird dir erzählt haben, dass ich die Bücher manipuliert, im Lauf von einigen Jahren immer wieder Gelder für eigene Zwecke abgezweigt und mich von Handwerkern und Lieferanten habe schmieren lassen. Das entspricht der Wahrheit. Leider.»
    Vielleicht ließ sie es dabei bewenden oder warf ihn raus oder aber überantwortete ihn doch noch der Gerichtsbarkeit. Ändern konnte er nichts daran.

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  • Das war kurz und bündig. Axilla hatte gedacht, dass er durchaus die Gelegenheit nutzen würde, und seine Sicht der Dinge darlegen würde. Oder zumindest etwas erklären würde. Versuchen würde, ihr Vertrauen in ihn zu stärken. Verlegen stammeln. Irgendwas. Aber im Grunde stand er jetzt nur da und sagte, Agricola hatte recht. Das war dann jetzt doch unerwartet.

    Axilla wartete einen perplexen Moment, ob noch etwas kam, aber es kam nichts. Sie blinzelte. Gut, dann musste sie wohl direkter fragen. "Er sagte mir, du hättest es für eine Sklavin getan, möchtest aber nicht preisgeben, wie sie heißt." Sie ließ den Satz einen Moment sacken, ehe sie fortfuhr. "Ich werde dich dazu auch nicht drängen. Es ehrt dich, wenn du die Schuld alleine auf dich nehmen willst und sie beschützen möchtest. Aber..."

    Ja, wie fragte man das? Gab es einen Weg, das irgendwie politisch korrekt und diplomatisch einwandfrei aus ihm herauszukitzeln? So zu verklausulieren, dass er die frage zwar verstand, sie sie aber nicht stellen musste? Wahrscheinlich nicht. "Liebst du sie?" fragte Axilla also gerade heraus. Es war eine direkte Frage, ohne Untertöne oder Eifersucht darin. Sie neigte generell nicht besonders zur Eifersucht, außer in einem einzigen Fall, auf den sie aber auch keinen weiteren Einfluss hatte. Dennoch kannte Mezena sie wohl noch nicht hinreichend, um das auch zu wissen. "Ich bin nicht eifersüchtig, falls du das befürchtest. Ich möchte es nur wissen" fügte sie also noch hinzu und sah den Thraker erwartungsvoll an.

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  • So, Agricola hatte ihr also auch das erzählt. Das machte die Sache heikel. Von nun an musste er aufpassen, was und wieviel er sagte. Gleichzeitig wollte er ehrlich zu Axilla sein. Er konnte ihr Interesse nachvollziehen, er verstand sogar ihre letzte Frage, obgleich sie ihn überraschte. Sie wollte wissen, ob er an eine Andere dachte, wenn er mit ihr schlief. Tat er nicht.

    «Ich hab es jedenfalls geglaubt.» antwortete er nach einigem Nachdenken. «Ich war verrückt nach ihr. Schon als ich sie das erste Mal bei der Ernte gesehen habe, wollte ich sie haben. Nicht besitzen, sondern .. mich um sie kümmern. Auch mit ihr schlafen, gewiss, aber sie hatte, so rau sie war, etwas entwaffnend Schutzbedürftiges an sich, das mich weit mehr angezogen hat als ihr mädchenhafter Körper. Es ist schwer zu erklären. Ganz sicher war ich verliebt in sie, nur ist Liebe wohl etwas anderes. Wir haben uns heimlich getroffen, so oft es ging. Für mich war das leicht, ich konnte mich frei bewegen, sie dagegen ist jedesmal ein sehr hohes Risiko eingegangen. Natürlich hat man sie irgendwann auf dem Rückweg erwischt.» Mezena machte eine kurze Pause, um zu schlucken. «Nicht überall werden Sklaven so anständig behandelt wie hier, weißt du.» Nicht einmal annähernd. Anaxandra war schon immer misshandelt und missbraucht worden. Er hatte das nur lange nicht gewusst.


    «Als ich sie einen Monat später wieder auf den Feldern getroffen habe und sehen musste, was sie mit ihr gemacht hatten, war mir sofort klar, dass sie auf kurz oder lang dort weg musste. Verstehst du, es ist eine Sache, Sklaven zu halten, das war schon immer so, das haben auch die Thraker in ihrer großen Zeit so gemacht, eine andere Sache ist es, Menschen einfach nur deshalb kaputt zu machen, weil es einen geil macht!»

    Er konnte schlucken und schlucken, der Hals wurde nicht frei.

    «Also habe ich mir überlegt, wie ich zu Geld kommen könnte, um sie frei zu kaufen. Tja, und da ich auf dem iunischen Gut inoffiziell mit der Buchführung betraut war, lag es nahe, aus dieser Tätigkeit meinen Nutzen zu ziehen. Ich habe mit dem Vilicus dieses abartigen Gutsherren gesprochen. Dreitausend Sesterzen wollte der Römer für sie haben. Um diese Summe so beiseite zu bringen, dass keine wirklichen Schäden für die Iunier entstanden, habe ich über ein Jahr gebraucht. Dann wollte er viertausend. Obwohl mir schon in dem Moment hätte klar sein müssen, dass er sein Spielzeug überhaupt nicht herzugeben gedachte, habe ich weiter versucht, den Betrag zusammen zu bekommen. Dann kam Agri.. der Patron auf das Gut und alles wurde noch komplizierter.» Seine Kehle schien ihm zusammen zu kleben. «Entschuldige Axilla, aber könnte ich trotz aller Verfehlungen vielleicht einen Schluck Wasser bekommen, bitte?»

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  • Da, wo er zuvor nur so knapp geantwortet hatte, antwortete er jetzt sehr ausführlich. Axilla lehnte gegen ihren Schreibtisch und hörte einfach zu. Auch wenn er es schwer zu erklären fand, fand sie es leicht zu verstehen. Natürlich war er verliebt gewesen. Bis über beide Ohren. Wenn nicht noch viel weiter. Und jemand hatte dem Menschen, den er geliebt hatte, weh getan. Da war er dann noch fast den vernünftigen Weg gegangen und hatte den Besitzer des Mädchens nicht erschlagen, sondern wollte sie nur freikaufen. Und war damit in eine Spirale an Ereignissen gekommen, aus der es nur schwer ein Zurück gab, wenn sie einmal angefangen hatte. Wie ein Strudel war er immer tiefer hinabgeglitten, bis er nicht mehr hinaus konnte, aber auch nicht weiter vorwärts kam.


    Als er nach Wasser fragte, löste sich Axilla aus ihrer Starre. "Natürlich", sagte sie und drehte sich um. Sie hatte zwar kein Wasser im Officium, aber heute einen heißen Aufguss aus getrockneter Hagebutte. Sie schenkte ihren Becher – auch da war nur der eine im Raum – voll und reichte ihn an Mezena weiter, damit er trinken konnte. In der Zwischenzeit war das alles nur noch lauwarm, so dass es gut trinkbar war.

    Natürlich merkte sie, dass er nicht einmal Agricolas Namen aussprechen konnte, bei ihr diese Hemmungen aber nicht hatte. Aber sie fand es gut. Nicht das mit Agricolas Namen, den durfte er ihretwegen auch gerne benutzen. Aber dass er sie nicht mit Herrin anredete, sondern wie mit einer Gleichgestellten redete, das fand sie mehr als gut. Sie wollte die Wahrheit, keine Unterwürfigkeit, und sie wollte mit ihm auf Augenhöhe sprechen.

    "Hast du sie denn frei bekommen?" fragte Axilla dann, als er getrunken hatte, um ihm einen Anhaltspunkt für die weitere Erzählung zu geben.

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  • «Danke.» Das Getränk war wider Erwarten warm, tat aber wohl. Mezena nahm drei, vier Schlucke und gab es mit dem Versuch eines Lächelns zurück.

    «Nein.» fuhr er mit einem traurigen Kopfschütteln fort, «Nein, ich habe sie nicht frei bekommen. Das heißt .. vielleicht doch .. ich weiß es nicht.» Er wusste es tatsächlich nicht. Nachdem er Agricola seine Vergehen gestanden hatte, war es ihm nicht mehr möglich gewesen, es herauszufinden. «Du wirst es dir denken können, der Gutsherr hat auch die Viertausend nicht akzeptiert. Ich habe ihm probeweise sechstausend geboten, die ich gar nicht hatte. Er erhöhte auf acht. Spätestens da war mir klar, dass er sie nie würde gehen lassen. Die haben sich nur über mich lustig gemacht. Wer wei0, vielleicht hat es den Römer sogar ganz besonders erregt, ein solch begehrtes Kleinod quälen zu können.»


    Er schwieg. Lange. Das war im Großen und Ganzen der Teil der Geschichte, den auch Agricola kannte. Es fehlte nur noch die abschließende Behauptung, er habe das Geld aus Kummer im Suff verspielt. Er wusste sehr wohl, dass ihm der Iunier das nicht abnahm. Er wäre auch bereit gewesen, ihm etwas mehr zu erzählen, wenn er noch dessen Vertrauen genossen hätte. Aber Agricola vertraute ihm nicht mehr, also war Mezena vorsichtig. Bei Axilla war es anders. Ohne recht sagen zu können, warum, hatte er das Gefühl, dass sie ihm von sich aus vertrauen wollte, ohne Vorverurteilung. Was er getan hatte, hatte er getan. daran ließ sich nichts ändern. Wie er jetzt mit ihr umging, darauf kam es an. Wenn sie ihm vertrauen wollte, wollte er es wert sein.


    «Was hätte ich tun sollen? Sie ihm tatenlos überlassen? Nachdem ich sein Interesse an ihr erst so richtig angestachelt habe? Niemals. Ich fühle mich für sie verantwortlich. Auch wenn die erste Glut inzwischen erloschen ist. Das Geld reichte nicht, um sie freizukaufen, egal wie viel, es würde niemals reichen. Aber es war genug, um eine Flucht vorzubereiten, und genau das habe ich getan.

    Es ist also nirgendwo ein Sack mit Viertausendsechshundertachtunddreissig Sesterzen vergraben, wie dein Vetter vermutlich annimmt. Das Geld ist viele Wege gegangen. Ein Teil davon wurde zu Bestechungsgeld, Schweigegeld, Entgelt für zu gewährende Unterkunft und eine Schiffspassage, ein anderer Teil verwandelte sich in Proviant, Reisekleidung und einen kräftigen ausdauernden thrakischen Hengst. Nur ein sehr überschaubarer Betrag, getauscht in Denari, liegt gut versteckt in einem Heuschober, oder lag dort. Ob es immer noch dort ist, weiß ich nicht, denn die Sklavin ist fort.»

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  • Im richtigen Augenblick schweigen zu können war die schwierigste Aufgabe, die es gab. Allzu oft gelang es Axilla nicht und ein Gedanke drängte sich so sehr in den Vordergrund, dass sie ihn voreilig aussprach. Aber heute waren ihre Gedanken mit anderem beschäftigt.

    Natürlich konnte Axilla nicht die ganze Welt retten. Weder war sie dafür reich genug, noch ließ sich die gesellschaftliche Grundordnung dergestalt ändern, als dass das auch nur ansatzweise möglich wäre. Aber sie hatte sehr viel mehr Möglichkeiten als der Thraker vor ihr, und vielleicht reichten diese Möglichkeiten ja, dass sie eine einzelne Sklavin retten konnte? Nicht, indem sie sie einfach kaufte, diesen Weg hatte Mezena wohl versehentlich sich selbst und allen anderen, zumindest allen Iunii, verbaut. Aber es gab andere Mittel und Wege, jemanden zu zwingen, das zu tun, was man wollte. Und Axilla hatte Geld genug, um damit jemand anderen in den völligen Ruin zu treiben, sofern sie sich nicht ihrem Willen beugten. Allerdings müsste Mezena ihr dafür genug vertrauen, um nun auch die Namen offenzulegen. Und ob er das tat, nur weil sie Hilfe anbot, wagte sie zu bezweifeln.


    Aber das war wohl auch gar nicht nötig. Mezena sprach weiter und offenbarte nun auch noch den noch fehlenden Rest, wo das Geld denn abgeblieben war. Er hatte also einer Sklavin zur Flucht verholfen und dafür alles ausgegeben, was er gehabt hatte. Und nun war sie weg und er hier.

    Axilla schwieg einen Moment und sah den Mann vor sich an. Sie beherbergte also keinen Dieb, sondern einen Sklavenräuber. Der so verliebt gewesen war, dieses Risiko einzugehen und sich selbst zu verdammen. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und nahm sein Gesicht in ihre beiden Hände. "Du süßer Idiot", sagte sie sanft und ließ ihn seufzend wieder los.

    Sie musste sich bewegen und ging ein paar Schritte im Officium auf und ab. Bewegung half beim Sortieren der Gedanken. Außerdem hatte sie heute schon viel zu viel gesessen. "Aber dass sie dort nicht mehr ist und die Flucht angetreten hat, das ist sicher?" fragte sie noch einmal nach. Natürlich könnte Axilla auch Nachforschungen anstrengen, aber das würde auf die ganze Sache nur unerwünschte Aufmerksamkeit ziehen und vermutlich auch nur dann zu etwas führen, wenn die Sklavin sich erwischen ließ. Und dann hätte sie ganz andere Probleme. Flüchtige Sklaven wurden gebrandmarkt, oder manchmal sogar getötet, als Abschreckung für andere.

    "Ich werde jetzt nicht so einen Blödsinn sagen, wie dass ich gutheiße, was du getan hast. Es war verdammt gefährlich und dumm, und du hast Glück, dass du nur wegen dem Geld angeklagt wurdest und nicht wegen der Flucht." In dem Fall hätte Mezena wohl am Ende selbst auf besagten Feldern als Sklave gearbeitet unter dem Kerl, der seine Liebste gefoltert hatte. "Aber ich kann es verstehen. Man macht viele dumme Dinge für Menschen, die man liebt." Niemand wusste das besser, als sie selbst. Sie hatte schon sehr viele dumme und gefährliche Dinge getan, um diejenigen zu schützen, die sie liebte.

    Axilla blieb stehen und atmete tief durch. Sie sah Mezena an und versuchte, aus diesem Mann schlau zu werden. Warum hatte er das nicht Agricola erzählt? Warum hatte er die Iunier nicht um Hilfe gebeten und sie stattdessen betrogen? Welches Bild hatte er von ihnen allen? Und warum erzählte er es ihr jetzt? "Wie geht es dir jetzt damit?" fragte sie aber stattdessen.

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  • Idiot? Gewiss doch. Süß? Naja. Als süß hatte ihn noch niemand bezeichnet. Als Idioten schon. Im Moment jedenfalls war er eindeutig ein verdatterter Idiot. Er hatte sich auf vielerlei Reaktionen eingestellt, auf diese nicht. Entsprechend durcheinander reagierte er auf Axillas Frage. «Hm? Sicher? Also … ja, schon, denk ich.» War er tatsächlich süß in Axillas Augen? War es das für einen Mann schmeichelhaft oder eher entwürdigend?

    «Ähm .. ich weiß es von Gryllus. Gryllus ist der Botenjunge des elenden Römers .. ein aufrichtiger und anständiger junger Bursche. Also, Gryllus .. nicht der Römer.» Honig war süß, Obst und manche Wurzeln, Traubensaft auch.

    «Sie ist weg .. verschwunden .. der Vilicus hat nach ihr suchen lassen.» Das warme Getränk war auch süß gewesen. Also war ihr Süßes doch angenehm, oder?

    «Ich habe sie wissen lassen, dass ich dem Patron die Wahrheit sagen würde .. ich nehme an, dass sie das zur Flucht getrieben hat. Jedenfalls hoff ich es. Obwohl ich bezweifle, dass sie das alleine schaffen wird. Geplant war es so nicht.» Gut, Axillas Küsse schmeckten auch süß, aber nicht wie Honig oder so, eher wie Kräuter. Das Aroma aber, das er am ehesten mit ihr verband, war herb und salzig. Glück gehabt? Ja, er hatte Glück gehabt. Das war ihm durchaus bewusst. Er hatte meistens Glück, nicht selten unverdient. Er nickte zu ihren Aussagen, was sollte er auch sonst tun? Sie hatte recht, es war gefährlich gewesen, wahrscheinlich auch dumm. Trotzdem wollte sich keine wirkliche Reue einstellen. Das Leben an sich war gefährlich und der Mensch an sich war eben dumm. Er hatte niemandem schaden wollen, das nicht, einen anderen Ausweg hatte er aber auch nicht gesehen, er sah immer noch keinen. Vielleicht war Anaxandra ihren Peiniger tatsächlich los. Nichts anderes als das hatte er gewollt.


    «Ich weiß nicht recht, wie es mir damit gehen soll.» gab er achselzuckend zu, «Vielleicht war es verwerflich, dem Schicksal in’s Handwerk zu pfuschen. Vielleicht war es aber auch mein Schicksal, genau das zu tun. Ich weiß es wirklich nicht.»

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  • So ganz sicher klang es nicht, ob das Mädchen nun geflohen oder tot war. Und wirklich zuversichtlich klang er auch nicht, dass sie nun frei wäre. Axilla war bei ihrer Wanderung wieder an ihrem Schreibtisch angelangt und lehnte ihre Hüfte leicht dagegen. "Möchtest du, dass ich auch Nachforschungen anstelle?" Sie überließ ihm die Entscheidung darüber. Manchmal war es besser, eine Wahrheit nicht zu erfahren, da sie schmerzlicher war als die Ungewissheit, die immer einer gewissen Hoffnung unterlag. Manches Mal aber brauchte man auch Gewissheit, um einen Abschluss zu finden. Axilla wusste nicht, zu welcher dieser beiden Möglichkeiten Mezena tendierte. Aber es war seine Liebe und sein Schmerz, nicht der ihre. Daher war es auch seine Wahl.


    Leicht verschränkte Axilla die Hände vor dem Bauch. Es war eine kleine Geste, die ihre Unsicherheit ausdrückte. Etwas, das ihr nur noch selten unterlief, da sie meistens auf ihre Körpersprache achtete und auf den Eindruck, den sie nach außen hinterließ. Üblicherweise war das wahlweise der gedankenverlorene Freigeist oder der souveräne Verhandlungspartner. Aber Unsicherheit zeigte sie eher selten. Aber jetzt wollte sie nicht so sehr auf alles achten. Mezena war ehrlich mit ihr gewesen, also war sie ehrlich mit ihm. So einfach war das.

    "Hast du ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber? Weil du sie nicht begleiten konntest. Und... wegen dem, was hier passiert ist?" Ja, es war eine Mädchenfrage. Axilla hasste sich selber dafür. Sie war auch nicht eifersüchtig, und Mezena konnte auch ihretwegen schlafen, mit wem er wollte. Aber irgendwo tief in ihr wollte dann doch ein etwas unsicheres Mädchen wissen, ob er es bereute, mit ihr geschlafen zu haben, oder ob er es nur getan hatte, weil er dachte, sie hätte es ihm befohlen.

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  • Mezena hätte es sich einfach machen und alle Fragen Axillas mit einem kategorischen Nein beantworten können, aber natürlich tat er das nicht. Allein die Geste, ihm ihre Hilfe anzubieten, gereichte ihr zur Ehre und beeindruckte ihn außerordentlich.

    «Nein.» sagte er sanft aber bestimmt, «Ich werde dich da ganz sicher nicht mit reinziehen. Zudem müsste ich dafür sowohl ihre Identität als auch die des römischen Schweins preisgeben, und das kann ich nicht machen. Aus verschiedenen Gründen. Nicht einmal dir gegenüber.» Gut möglich, dass das Schicksal ihn eines Tage erneut zu seinem Werkzeug machen würde, um diese Drecksau ausbluten zu lassen, und in diesem Fall war es für Axilla besser, nicht allzu viele Details zu kennen.


    «Sicher mach ich mir Sorgen, aber ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber hab ich nicht. Wem würde das auch helfen? Ich hab getan, was mir möglich war. Falls sie wirklich geflohen ist, und davon ist auszugehen, kann sie sich viele meiner Vorkehrungen zunutze machen. Außerdem .. ich hätte sie ja begleiten oder zumindest nach ihr suchen können. Das hätte aber bedeutet, selbst zu fliehen. Und Iunius Agricola? Und mein Onkel? Beim einen wäre ich wortbrüchig geworden und der andere hätte seinen Kopf dafür hinhalten müssen. Nein, es war meine Entscheidung und damit kann ich leben.» Damit musste er auch leben, ob er nun konnte oder nicht. Am Ende hatte alles seinen Sinn.


    «Und das, was hier .. passiert .. ist..» Ein Lächeln stieg in ihm auf. So wie Axilla das sagte, klang es, als sei ihnen beiden Ungemach widerfahren. Schmunzelnd strich er sich die Haare zurück und schüttelte langsam den Kopf. «Wie bei Belen kommst du auf solch einen Unfug? Warum sollte ich deswegen ein schlechtes Gewissen haben?» Er konnte nicht anders als ihr eine ihrer widerspenstigen Strähnen aus der Stirn zu streichen. «Axilla, ich bin kein Lustknabe und du bist keine Frau, die eine Dienstleistung nötig hat. Hattest du etwa den Eindruck, ich täte es aus Pflichtschuldigkeit? Das würde mich sehr, sehr nachdenklich machen.» Erneut schüttelte er den Kopf. «Also ehrlich, ein schlechtes Gewissen. So ein Quatsch.»

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  • Dass er sie nicht mit hineinziehen wollte, ließ Axilla leicht schmunzeln. Wenn Axilla irgendwo reingezogen werden wollte, konnten nicht einmal die Götter höchstselbst sie davon abhalten. Aber wenn Mezena die Identitäten jetzt nicht preisgeben wollte, dann akzeptierte sie das. Vielleicht mochte sich das eines Tages ändern, aber jetzt war es sein Schmerz, seine Entscheidung.


    Beim Rest klang Mezena sehr sachlich und fast schon abgeklärt. Er übernahm die Verantwortung für sein Umfeld und wollte sich da auch gar nicht rausreden. Natürlich war es sachlich richtig, dass sein Onkel wohl dafür hätte geradestehen müssen, was er als Neffe in dessen Namen getan hatte . Aber er hätte auch trotzdem einfach abhauen können und den Onkel sich selbst überlassen. Dass er genau das nicht getan hatte, sagte doch einiges über seinen Charakter aus.


    Für Axillas unsichere Frage kam er zu ihr, berührte sie sogar leicht. Sie sollte ihre wilden Locken irgendwann einmal zähmen, denn immer fanden sich Strähnen, die sich nicht an die Regeln hielten. Auf der anderen Seite war ihr Haar da so wie der Rest von Axilla: Nur soweit den Regeln unterworfen, wie es unbedingt sein musste, ansonsten am liebsten frei.

    Das kleine Mädchen in ihr wollte erschauern und sich heilsuchend an ihn werfen, aber der Rest fand das reichlich albern. Dieses Mal siegte da auch der Rest und meinte, für alles andere sei sie auch ernsthaft zu alt.

    So zuckte sie mit den Schultern. "Verliebte Menschen machen dumme Dinge, wie gesagt." Damit könnte das Thema auch erledigt sein. Auf der anderen Seite ergaben sich so abseits von Gewissensbissen und Pflichterfüllung auch Möglichkeiten, über die man sprechen konnte. Und über die Axilla auch gerne reden wollte. "Könntest du dir vielleicht eine Wiederholung vorstellen? Sagen wir, auf Basis einer beidseitig offenen, unverbindlichen Vereinbarung?" Ja, es klang ein wenig sachlich und geschäftsmäßig. Aber Mezena machte auf sie auch nicht den Eindruck, besonders gefühlsduselig und emotional zu sein. Und sie wollte definitiv die genauen Punkte geklärt haben, ohne dass sich jemand in etwas verrannte, weil er dachte, der andere hätte etwas anders gemeint.

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  • Beidseitig offene und unverbindliche Vereinbarung? Mezena runzelte die Stirn. Waren sie gerade dabei, eine geschäftliche Transaktion auf den Weg zu bringen? Zu gegenseitigem Nutz und Frommen, so etwa? Vögeln ohne Verpflichtung klang vielleicht derber aber damit konnte er etwas anfangen.«Du willst aber keinen Vertrag abfassen oder so?» grinste er. «Schau Axilla, für mich bist du begehrenswert, auch in diesem Moment. Wärst du das nicht, könnte mich keine Vereinbarung der Welt dazu bringen, mit dir das Lager zu teilen. Auf den Gedanken, aus unserem Beisammensein irgendwelche Rechte oder Ansprüche abzuleiten, wär ich niemals gekommen. Ich hatte auch nie die Vorstellung, dass wir als Liebespaar vor deiner Dienerschaft oder gar deinem Vetter herumstolzieren. Lass uns einfach das Beste draus machen. Ich bin gern mit dir zusammen und ich bin immer nur einen Schuhwurf entfernt.»


    Er war geneigt, sie hier und jetzt an sich zu ziehen, riss sich aber zusammen. Das hätte gewirkt wie eine wohlfeile Untermauerung seiner Aussagen, zudem stand tatsächlich noch etwas im Raum, das geklärt werden musste, sollte ihre Vereinbarung wirklich offen und unverbindlich sein. «Es gibt da nur eine Sache ..» sagte er ohne jedes Grinsen. « .. was ich getan habe und was ich euch schulde, weiß ich und ich werde es auch nicht vergessen, egal wie unsere Beziehung sich gestaltet. Nur kann ich nicht mit dir zusammenliegen und dabei ständig an meine Verpflichtungen denken. Der Patron erinnert mich schon oft genug daran. Also .. lass uns dieses Thema ad acta legen. Du willst nicht das schleichende Gefühl haben, es würden dabei Schulden abgetragen, und ich will das auch nicht.» Eine Weile blickte er ihr ernst in die Augen, dann schlich sich wieder ein Lächeln in seine Züge. «Ich mag deine Beine.»

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  • Oh, so ein Vertrag hätte doch auch mal was. Axilla konnte es sich schon lebhaft vorstellen: Unterpunkt IV – Art, Dauer und Häufigkeit des Koitus. Unterpunkt V – Liebschaften außerhalb von Unterpunkt IV. Unterpunkt.... Sie schmunzelte. "Keine Sorge, mir reicht auch ein Handschlag mit Spucke wie beim Pferdehandel", spöttelte sie zurück.


    Allerdings wurde er dann wieder ernst und sprach das an, was auch Axilla wichtig war. "Ich hoffe doch, dass du dann nicht an deine Verpflichtung denkst. Und ich würde es auch nicht wollen." Axilla sah an ihm auf und ab. "Ich schlafe nicht mit Sklaven. Hab ich nie und werde ich auch nie. Und ich sehe dich auch nicht so." Tat sie wirklich nicht. Nicht einmal jetzt.

    Sein Kompliment ließ sie wieder lächeln. "Meine Beine? Die hier?" meinte sie und lehnte sich etwas weiter gegen den Schreibtisch, um ihr Bein leicht vorzustrecken und die Tunika dabei leicht hochzuziehen, um ihre Schenkel leicht zu zeigen. Nicht zu weit, nur ein wenig. "Und ich dachte, du stehst auf meinen Hintern." Ja, ein wenig zurückflirten, das war definitiv besser als das ganze, traurige Thema zuvor.


    Aber Axilla sollte aufpassen, eigentlich wollte sie noch etwas anderes besprechen. Das hier nahm gerade schon wieder eine Richtung, die ihr viel zu sehr gefiel, als dass sie sich davon nicht ablenken lassen könnte. Sie zwang sich, sich von seinen Augen zu lösen und blickte zur Seite zu ihrem Schreibtisch. "Hat Agricola dir denn schon eine Aufgabe zugeteilt? Ansonsten habe ich hier etwas, bei dem du mir helfen kannst."

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  • Mezena nickte. Eine Beziehung auf Augenhöhe. Zumindest, wenn sie unter sich waren. Genau das hatte er gemeint. Dass Axilla nicht mit Sklaven schlief, glaubte er ihr unbesehen. Das hatte sie auch gar nicht nötig. Sie war eine ausgesprochen anziehende Frau, kein Backfisch mehr, und eben das machte ihren Reiz aus. Er fragte sich, warum eine Frau wie sie allein lebte. Nicht, dass es ihn etwas anginge, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass alle Römer blind oder dämlich waren. Vielleicht wollte sie es einfach so? Gut möglich.
    Weiters Nachsinnen war jedoch müßig, zumal sie seine Aufmerksamkeit nun erst recht auf ihre Beine zog. «Mmhmm, genau die mein ich.» bestätigte er ihr schmunzelnd. Wieder stieg ihm ein wohliges Prickeln in die Lenden und die wachgerufene Erinnerung an ihren Hintern tat ein Übriges. ‹Jetzt nicht!› beschwor er sich ‹Bleib bei der Sache!› Aber was war nochmal die Sache?


    Bevor das Blut seinen Kopf endgültig in Richtung Unterleib verließ, riss er sich schweren Herzens zusammen. «Äh was? Ach so .. nein. Nichts Spezielles. Ein paar Besorgungen hat er mir aufgetragen, das war’s auch schon.» Wenn er ihr helfen konnte, würde er das sehr gerne tun, nicht nur, weil er deswegen im Grunde ja hier war. «Natürlich. Jederzeit gerne. Solange es nichts mit Schreibkram zu tun hat. Der Patron wird dir gewiss davon abgeraten haben, mich auch nur in die Nähe einer Tabula zu lassen.» Sein Grinsen wurde ein wenig schuldbewusst. Aber nur ein klein wenig. Agricola übertrieb es maßlos mit seinem Misstrauen.

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  • Hatte sie ihn abgelenkt? Axilla lächelte vor sich hin und musste der Versuchung widerstehen, ihren Körper eben in jener Art und Weise zu bewegen, der subtil ihre Rundungen betonte und von der sie wusste, dass Männer darauf reagierten. Aber zumindest ein wenig Reizen konnte sie sich dann doch nicht verkneifen, als sie sich dann doch richtig auf den Rand ihres Tisches setzte und sich nur lang über den Tisch streckte, um nach einer dickeren Schriftrolle mit den Fingerspitzen zu fischen. Es wäre einfacher gewesen, einfach um den Tisch herumzugehen, aber sie wusste, dass so ihre schlanke Silhouette gut betont wurde. Und irgendwie weckten auf Tischen sitzende Frauen bei Männern (und mitunter auch bei den Frauen) doch recht eindeutige Phantasien.

    "Ja, wir haben darüber gesprochen. Und du darfst ihn ruhig Agricola nennen. Ich verpetz dich auch nicht", meinte sie mit einem Zwinkern. "Aber ich habe ihn davon überzeugt, dass das Unsinn ist." Glaubte Axilla zumindest, dass sie das getan hatte. In jedem Fall hatte er keine weiteren Widerworte gegeben.

    Sie hatte die Schriftrolle zu sich gezogen und lockte Mezena mit einem Finger etwas näher zu sich. Verdammt, das machte schon wieder viel zu viel Spaß, und dabei wollte sie doch wirklich mit ihm das hier durchsprechen.

    "Das hier ist meine Betriebsübersicht." Sie öffnete die Rolle und legte sie neben sich auf den Tisch, so dass sie leicht gedreht darauf blicken konnte und Mezena neben ihr bequem Platz hätte, um selbst darauf zu sehen. "Hier die Betriebe... Einnahmen... Ausgaben... Warenbestände... Kreditoren... Debitoren...." Axilla zeigte mit ihrem Finger die jeweiligen Spalten an. "Natürlich hat jeder Betrieb auch noch eigene Listen und Übersichten. Wie du siehst, ziemlich viel Arbeit für einen allein." Axilla nahm den Finger vom Blatt und sah Mezena direkt an. "Ich hatte gehofft, du würdest mir vielleicht dabei helfen."

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    Ius Trium liberorum