Raubtiere in der Subura

  • Quintus war froh, dass Tiberios all die Fragen stellte, denn so blieb es ihm erspart, darüber nachzudenken, was er eben gehört hatte. Weshalb ihn allein die Erwähnung dieses Orts so aus der Fassung brachte, war ihm selbst nicht klar.

    "Oh ja, es ist ein realer Ort auf dieser Erde", erklärte er. "Er befindet sich direkt unter dieser Stadt, auch wenn die meisten Römer nicht von seiner Existenz wissen. Du wirst keinen Senator und keinen der Cohortes finden, der dir den Weg beschreiben könnte. Der Ort kann nicht gefunden werden, außer von denen, die wissen, wo er ist."

    Quintus machte ein paar Schritte vorwärts, weg von der Taberna und hinein in die noch geschäftige Straße.

    "Wir wissen nun also, dass jemand sich dort unten nach Mördern umgesehen hat und wir haben den Namen dieses Jemands. Es gibt keinen Grund, dort runterzusteigen. Uns wird dort niemand helfen, also würde ich vorschlagen, wir konzentrieren uns auf den Auftraggeber. Ein gewisser 'Lucius Petrus Dextrus'. Kenne ich nicht, aber das sollte mich nicht aufhalten. Aber ich werde erst einmal was trinken gehen. Ich brauche Alkohol..."

  • "Lucius Petrus Dextrus? Nie gehört", sagte Tiberios. Quintus schien außer Fassung geraten zu sein, als er von jenem hadesgleichen Ort sprach; sie würden also nicht dorthin gehen, gut, das Explorieren konnte warten. Schließlich waren sie nicht zum Vergnügen unterwegs.

    "Ich begleite Dich. Wenn du Alkohol brauchst, bedeutet das, es ist wichtig damit Du funktionierst und deinen Auftrag ausführst, ergo setze ich es auf die Spesenabrechnung für Dominus Aulus", er griff in seinen Beutel, zog zehn Sesterze hinaus - das war weit mehr, als es in den Spelunken der Subura brauchte, um sich die Kante zu geben - drückte sie Quintus in die Hand und notierte es auf eine seiner Wachstafeln:

    Abrechnung für FS:  Desinfektionsmittel - X s

  • „Vielleicht ein politischer Rivale oder auch jemand, der persönlich gekränkt wurde. Vielleicht hat dein Herr ihn auch nicht gewollt und er kommt mit der Zurückweisung nicht klar.“

    Quintus zuckte mit den Schultern.

    „Vielleicht kann dein Herr uns Aufschluss darüber geben, was Dextrus wollte. Das erklärt aber noch lange nicht, wieso er Leute aus dem Mare Lamentorum anwerben wollte und dann dennoch bei den drei Schwachköpfen gelandet ist. Dass jemand mit viel Geld irgendwelche Leute engagiert, die sich als Auftragsmörder betiteln, ist nichts Neues. Nur wenige wissen, dass die drei Nieten sind. Aber der Rest… der ist rätselhaft…“

    Sie betraten eine weitere Taberna. Nicht weniger dreckig, aber respektabler als jene, in der sie die Leoparden angetroffen haben.

    „Die drei erzählen sowas nicht aus Spaß. Das ist eine beunruhigende Situation.“ Er zahlte und ließ sich zwei Becher mit Wein bringen. Tiberios deutete er, sich zu ihm zu setzen. „Ich glaube, deinem Herrn steht Ärger ins Haus, mein Freund.“

  • "Die Stelle mit dem politischen Rivalen außer Acht gelassen, könnte die Beschreibung auch auf dich passen, Quintus", sagte Tiberios: "Ich meine: Persönlich gekränkt, nicht gewollt und zurückgewiesen. Damit möchte ich nichts unterstellen, nur andeuten, dass das sehr viele Männer meinen kann. ", er schaute den Anderen gespannt an:

    "Was findest Du so rätselhaft daran, dass der Auftraggeber bei den drei... bei den Schwachköpfen wie Du sie nennst, gelandet ist? Ich für meinen Teil fand die schon furchteinflößend genug. Aber Du hast Recht, die Nubier sind noch furchteinflößender. Wenn mir auch viel sympatischer, da sie nicht vorhatten, mich zu töten, zu schänden und zu foltern"

    Schon die Erinnerung ließ den Griechen die genaue Reihenfolge durcheinander bringen: "Du wirst Recht haben mit dem Ärger. Gut, dass wir Dich getroffen haben, sonst wüsste Dominus Aulus nichts davon. So sind wir vorgewarnt. ",

    er trank von dem Wein und verzog das Gesicht, der reinste Essig, fand er:

    "ich hoffe, dass Dominus Aulus sich Dir gegenüber dankbar zeigt. "

  • "Sich dankbar zeigt...? Du meinst, dass er mir eine schlecht bezahlte Stelle verschafft, bei der ich mich zu Tode langweile? Machen wir uns nichts vor." Quintus seufzte und hob den Becher an seine Lippen. Götter, er musste sich betrinken.

    "Außerdem, hör mal, mein Freund. Sehe ich aus wie jemand, den man zurückweist? Nur zu deiner Information, ich bin heiße Ware." Er zwinkerte und zeigte Anzeichen seiner früheren guten Laune, ehe er zurück zu seinen Mutmaßungen kam:

    "Es ist überhaupt nicht rätselhaft. Wer die schlechtesten Mörder anheuert, hat im allgemeinen keine Ahnung, was gut oder schlecht ist oder ist schlichtweg geizig. Aber wenn man jemanden wie Aulus töten lassen will, darf man nicht geizig sein.

    Und dann das Mare Lamentorum: Wer darüber Bescheid weiß, der hat Ahnung. Und wer Ahnung hat, engagiert nicht die Rangelbrüder. Du siehst, das macht alles nur wenig Sinn. Irgendwas übersehen wir hier... Ich schätze, es spielt keine Rolle, da wir den Namen des Schuldigen haben. Dennoch... hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack bei mir..."

  • "Ich meinte nicht diese Art von Zurückweisung", sagte Tiberios kopfschüttelnd und sein Blick glitt über die Züge seines in seinen Augen durchaus ansehnlichen Gegenübers: "Ich meinte damit, dass dich Dominus Aulus nicht auf die Bezugsliste der Cura Annonae setzen wollte. Wer weiß, wieviele Feinde ihm durch solch ablehnende Bescheide schon erwachsen sind. Ich würde dich übrigens auch nicht zurückweisen, und ich verstehe etwas von männlicher Schönheit." Die meisten Griechen taten das, oder glaubten es zumindestens.

    Er trank nochmal von dem Wein:

    "Ich bin der Geschäftsführer in der Werkstatt, und ich würde dich nicht zu den Steineklopfern stecken. Dazu bist du zu clever. Und eine ehrliche Arbeit wäre es, ja.. Aber ich merke schon, dass du unter horror laboris leidest - Angst vor mühesamer Arbeit", der Sklave lachte"Vielleicht gab es ja jemanden, der Petrus Dextrus in das Mare Lamentarum geschickt hat. Und da es nach deiner furchtbaren Beschreibung ein schrecklicher Ort ist, bekam er Angst und kehrte um ", mutmaßte er jetzt und wurde wieder ernst.

  • Quintus musste lachen. Leise nur und kontrolliert, aber durchaus erheitert. Dass er so schnell ins Persönliche geschlittert war, sprach dafür, dass er eindeutig nicht bescheiden war, er gab es ja zu. Scharfsinniger wurde sein Lächeln, als er das nicht ganz so subtile Lob des Griechen wahrnahm und kurz den Blick abwenden musste, da ihm eine schamhafte Röte in die Wange stieg, die man wohl aber auch mit dem Alkohol verwechseln mochte. Es stimmte schon, er war bislang stets eher Frauen zugetan gewesen, hatte den Gedanken an die Nähe zu Männern jedoch nie grundsätzlich abgelehnt. Sich aber auch nicht besonders ausführlich mit der Vorstellung beschäftigt.

    "Du hast immerhin Geschmack", sagte er, um sich bei dem Thema elegant aus der Affäre zu stehlen und klopfte Tiberios auf die Schulter, woraufhin er gleich nochmal losprustete.

    "Hey, hast du mich gerade faul genannt?!", wollte er wissen und machte eine höchst pikierte Miene, ohne es ernst zu meinen. "Ich kann arbeiten. Ich will nur das richtige. Außerdem willst du mich nicht als Mitarbeiter. Ich würde dich nur in den Wahnsinn treiben."


    Manchmal fragte sich Quintus, weshalb seine Talente nicht erkannt wurden. Er war schlau. Konnte Dinge herausfinden. Und statt von diesem Talent Gebrauch zu machen, wollten Tiberios und sein Dominus ihn in eine Werkstatt stecken, wo er Mosaike zusammenklöppeln sollte. Es war eine Vorstellung, die ihn im Stillen wütend machte. Leute wie der Furier beschwerten sich darüber, dass Menschen wie er bettelten oder stahlen. Doch erlaubte man ihnen auch nicht, sich einzubringen, wo es am nützlichsten war. Hier war er und rettete gerade Aulus' Leben. Danken würde es ihm niemand. Die Zurückweisung von der Annonnae war da nur die Spitze gewesen. Und die hatte ihm den ganzen Ärger ja erst eingebracht...


    "Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass er jemanden dorthin geschickt hat, denn das würde ja sein Wissen in der Angelegenheit voraussetzen. Ich weiß einfach nichts mit dieser Information anzufangen... Vielleicht ist es nicht einmal wichtig. Aber ich habe ein seltsames Gefühl bei der Sache... Es gefällt mir nicht. Aber wir sollten wahrscheinlich einfach deinem Dominus Bescheid geben, oder? Er wird schon wissen, was er mit Lucius machen will. Vermutlich wird er uns den Rest nicht einmal glauben. Ein Ort mitten in Rom, wo die Verzweifelten zum Sterben hingehen? Er wird uns auslachen."

  • Quintus errötete auf jünglingshafte Weise und wendete den Blick ab; es konnte aber auch sein, dass das flackernde Licht der Taberna Tiberios Scheu vorgaukelte, wo gar keine war:

    " Faul ist nicht das Wort. Verzeih, ich vergesse ab und zu, dass du als freier Römer auch Freiheit bei der Berufswahl hast. ", sagte er. Er war als Kind von seinem damaligen Herren zum Scriba bestimmt worden. Es wurde eher gefragt, was er konnte, nicht was er wollte:

    ". Was würdest du denn gerne arbeiten, wenn du alle Möglichkeiten der Welt hättest? Vielleicht kann dich Dominus Aulus den richtigen Leuten vorstellen, wenn die Werkstatt nichts für dich ist. Ich für meinen Teil wäre aber entzückt über deine Mitarbeit. ", er versuchte an Hand des Sonnenstandes die Uhrzeit zu bestimmen:

    "Jetzt ist Schluss im Büro , und Dominus Aulus vermutlich bereits in der Casa Furia angekommen. Also wenn du möchtest, dann siehst du auch, wie ich wohne. Sagen wir ihm Bescheid, dass Du einen Namen herausgefunden hast. Es ist gut möglich, dass er das mit diesem Mare Lamentorum nicht glaubt. "

  • Quintus war überrascht über das Interesse. Sicher, sie verstanden sich ganz gut, aber letztendlich waren sie doch Fremde füreinander, nicht wahr? Über seinen Weinbecher hinwegblickend, brummte er nachdenklich bei der Frage, was er gern tun wollte. Er hatte ja nie die Chance gehabt, etwas zu lernen. Und einen wie ihn würde auch niemand nehmen. Nachdem er sein ganzes Leben lang gelernt hatte, wo sein Platz war, sah er sich auch nirgends mehr als auf der Straße.

    "Ich frage mich, was du wohl für ein Chef wärst", schmunzelte er amüsiert und verbarg die Zweifel geschickt hinter seinem Lächeln. In Wahrheit wusste er nicht, ob er dieses Leben mit einer geregelten Arbeit ertragen würde oder ob er es nicht völlig in den Sand setzen würde.

    "Aber ehrlich gesagt... weiß ich es gar nicht... Mein Leben war schon immer so... Gab nie eine große Wahl, frei oder nicht. Naja, das... soll nicht deine Sorge sein, mein Freund. Lass uns zu deinem Herrn gehen. Dann begleiche ich meine Schuld und muss diesen Kotzbrocken nicht mehr wiedersehen."

  • "Wie ich als Chef wäre? Du kannst es herausfinden, wenn du nur willst?", sagte Tiberios: "Doch ich will dich nicht drängen. Es ist nur, dass sie dich irgendwann beim Stehlen erwischen werden. Und dann haben sie das Recht, mit dir zu machen, was sie wollen: Sie binden dich an einen Pfahl und peitschen dich aus. Das würde mir sehr leid tun",

    Quintus hatte schon bezahlt, obgleich der Furiersklave fand, dass jedes As für dien Essig, den sie hier Wein nannten, eines zu viel war. Er zuckte etwas zusammen, als sein neuer Freund seinen Dominus erneut in Worten beleidigte.

    "Bitte nenne Dominus Aulus nicht so. Er ist kein grausamer Herr. Er hat mich noch nie geprügelt. Gehen wir denn ",


    >>> Casa Furia