[Officium Maiordomus]

  • Morrigan reichte mir eine kleine Bulla. Ich nahm sie fast ehrfürchtig in die linke Hand – die rechte war ja schon voll mit der Wachstafel und dem Geldbeutel – und fuhr mit dem Daumen einmal das Emblem nach. Es war ein Löwe, soviel erkannte ich, und einige Buchstaben. Aber ich konnte nicht lesen. Ich hatte keine Ahnung, was dort oder auf der Rückseite stand. Oder doch, eigentlich wusste ich es, denn es war überall dasselbe. Ich bin Sklave. Bring mich zurück. Und trotzdem war es ein Stück Freiheit.

    "Danke" sagte ich und umschloss die Bulla ganz fest mit der Hand. "Ich beeile mich und werde rechtzeitig zurück sein", versprach ich noch und machte mich dann auch gleich auf den Weg.

  • Zwei Kerle, einer lebendig, einer wütend


    Ich ging zum Officium des Maiordomus, in der Hoffnung, Morrigan dort zu treffen. Sie war häufig hier. Nicht immer, aber häufig. Ich klopfte also an und wartete, bis ich hineingebeten wurde. Dann schlüpfte ich hinein wie ein geprügelter Hund.

    "Dominus Rufio möchte, dass du ihm hilfst. Ich fürchte, ich hab ihn wütend gemacht", brachte ich mit hängendem Kopf meinen Auftrag hervor. Ja, ich fürchtete, dass er sehr wütend auf mich war und mich vielleicht wegschicken oder verkaufen würde. Was nützte schon eine Sklavin, die man nicht so gebrauchen konnte, wie man es wollte?

  • Morrigan brühtete wie immer über den Unterlagen. Sie machte Abrechnungen, Berechnungen und übertrug die Ausgeben sorgfältig. Gerade war sie dabei die enorm hohe Rechnung des Medicus einzutragen, als Rhian herein kam. Im ersten Moment dachte sie, dass etwas mit Angus sei und so sah sie Rhian erschrocken an, dann aber gab diese mehr oder weniger Entwarnung und teilt ihr mit, dass der junge Dominus ihre Hilfe wollte. Sie zog eine Augenbraue nach oben. „Womit genau hast du ihn wütend gemacht?“

  • Womit hatte ich ihn wütend gemacht… tja, wenn ich das so genau wüsste!

    "Ich war spät, weil ich ja noch bei Angus war. Er ist aufgewacht und es geht ihm auch viel besser! Das Fieber ist weg!" Kurz erhellte sich mein Gesicht und ich lächelte auch, aber es wurde sofort von der sorge wieder weggespült.

    "Der Dominus und ich unterhielten uns über Angus, und… ich hab ihn gefragt, ob er Einwände hat, wenn Angus und ich zusammen sind. Und er sagte, er hätte keine, aber Angus müsse mich teilen. Und dann hat er mich an sich gezogen und geküsst, und… ich hab Angst bekommen. Ich weiß, das war dumm, und ich hätte nichts sagen sollen, aber… Ich hab ihn gebeten, mir nicht weh zu tun, wenn er… weil er doch so groß ist und… ich hab noch nie mit einem Mann, den ich nicht geliebt habe und… ich will doch Angus. Und, ach, ich weiß auch nicht. Es war dumm, und er meinte, ich würde ihm unterstellen, dass er mich vergewaltigen wolle. Aber das wollte ich doch gar nicht. Ich wollte doch nur, dass er sanft ist und vorsichtig und… jetzt ist er wütend auf mich und will mich nicht mehr sehen."

    Ja, das war wohl so ungefähr das, was passiert war. Aber mein Dominus hatte mich auch wirklich überrascht und auf dem falschen Fuß erwischt. Nicht, dass es da einen richtigen Fuß geben würde. Ich liebte Dominus Rufio ja nicht. Und bislang hatte er mich ja auch absolut gar nicht beachtet. Wer rechnete denn dann ausgerechnet an einem Tag wie heute mit sowas?

  • Morrigan hörte sich an was Rhian zu sagen hatte. Mit Erleichterung nahm sie auf, dass es Angus scheinbar besser ging. Gut er würde mindestens noch zwei, wenn nicht sogar drei Wochen ans Bett gefesselt sein, aber er schien das gröbste überstanden zu haben. Dann aber sprach sie weiter. Morrigan riss die Augen auf und kniff sie dann zu, während sie sich über das Gesicht rieb. Viel lieber hätte sie ihre Hände in die Luft geworfen und die Götter gefragt ob sie ihren Spaß hatten. Sie atmete hörbar aus. „Beruhige dich bitte erst mal.“ Sagte sie zu Rhian und überlegte schon fieberhaft, wie sie Dominus Rufio klar machen konnte, dass Rhian nicht wirklich Angst vor ihm sondern eben vor seiner Größe hatte. „Er will dich nicht mehr sehen? Was hat er genau gesagt?“ Fragte sie, denn sie musste sich ein Bild machen wie groß der Schaden war. „Nicht mehr sehen im Sinne von raus mit dir aus dem Haus oder geh mir aus den Augen?“ Ja sie konnte jetzt nicht wirklich sanft oder tröstend sein. Sie musste wissen, was auf sie zukommen würde, wenn sie gleich zum Dominus ging um ihm zu helfen.

  • Ja, ich stand da wie ein geprügelter Hund, denn Morrigans Reaktion machte es wirklich nicht besser. Gut, es war auch meine Schuld gewesen. Aber es war ja nicht in meiner Absicht gewesen, ihn zu verärgern! Ich wollte doch nur, dass er wusste, dass er nicht zu gierig und hart sein durfte.

    Beruhigen war da nicht so einfach. Ich war verzweifelt! Was sollte ich denn machen, wenn er mich verkaufte? Was würde dann passieren? Und je mehr ich darüber nachdachte, was ich aus Unbedarftheit angerichtet hatte, umso mehr Panik stieg in mir auf. Wie sollte ich mich da ernsthaft beruhigen? Ich riss mich einfach zusammen, so gut es eben ging und versuchte, zu antworten. "Er sagte, ich solle mich in den nächsten Tagen um den Sklaven kümmern, er würde mich nicht mehr brauchen", wiederholte ich so gut es ging seine Worte. "Aber es klang definitiv so, als ob er mich nicht mehr sehen will", fügte ich leiser und etwas geknickt an.

  • Morrigan nickte. „In Ordnung, du sollst dich also um Angus kümmern. Das heißt doch er gibt dir einen Aufgabe.“ Sagte sie und versuchte nun wirklich Rhian zu beruhigen. „Wenn er dich nicht mehr im Haus haben wollte, dann hätte er dich einfach ohne Aufgabe weggeschickt und einen anderen Sklaven zu mir oder er wäre selbst gekommen um mir zu sagen, dass u weg sollst.“ Sagte sie mit ruhiger Stimme. Sie ging Langsam auf Rhian zu. Und drückte sie ganz sanft an sich. „Mach dir nicht solche Sorgen. Kümmere dich um Angus und ich werde Dominus Rufio helfen und sehen was ich in Erfahrung bringen kann. In Ordnung?“

  • Wie sollte ich Angus denn so unter die Augen treten? Er würde sicher gleich merken, dass etwas nicht mit mir stimmte. Ich war schon heute Morgen eine miserable Schauspielerin gewesen. Bestimmt würde er auch jetzt sehen, dass es mir nicht gut ging. Oh Götter, ich hatte keine Ahnung, wie ich diesen Tag überstehen sollte!

    Aber ich nickte trotzdem. Was blieb mir auch anderes übrig. Mein Herr wollte mich nicht sehen, da konnte ich wohl kaum zu ihm hingehen und mit ihm reden. "Ja, gut...", sagte ich nur leise und schicksalsergeben und überlegte schon, wie ich mich soweit ablenken könnte, um fröhlich genug zu sein, damit Angus nichts von meinem Ärger merkte. Er sollte doch gesund werden und sich keine Sorgen machen!

    Ich sah nochmal entschuldigend auf. "Ich wollte ihn wirklich nicht verärgern oder abweisen", sagte ich noch einmal, weil es mir irgendwie wichtig war, dass sie mir das glaubte. Da sie aber jetzt genauso wie ich einen Auftrag hatte und Dominus Rufio ohnehin schon wütend war, ließ ich sie dann jetzt auch ihrer Pflicht nachkommen, während ich mich erstmal auf den Weg in die Culina machen wollte, um Angus noch etwas zu essen vorbei zu bringen, sofern nicht einer der anderen Sklaven daran gedacht hätte.