~~Plausch nach Feierabend~~

  • Seit seinem letzten Treffen war Quintus praktisch ständig für Faustus im Einsatz. Er wusste nicht, warum, doch hatte er den Eindruck, Resultate liefern zu müssen. Nicht nur konnte er Faustus gut leiden, er hatte ihm auch einiges zu verdanken. Was wohl auch der Grund war, weshalb er ihn gut leiden mochte. Das erste Unterrichtstreffen stand allerdings noch aus. Quintus hatte keine Ahnung, wie Faustus das plante. Er würde ihm wohl kaum selbst das Lesen beibringen.

    Nein, halt, Stopp.

    Nicht wieder abdriften. Konzentration! Er hatte schließlich eine Aufgabe.

    Obwohl er beinahe davon überzeugt war, mit seiner Ahnung wieder ins Leere zu laufen. In den letzten Tagen hatte es schon so einige Sackgassen gegeben. Es war eben nicht einfach, eine womöglich schon jahrelang operierende Waffenschmuggler-Bande aufzuspüren. Es war frustrierend. Er kam einfach nicht weiter. Und mehr als ein gestaltloser Schatten war dieser Ontos - hinter dem Quintus den Drahtzieher dieser Sache vermutete - ebenfalls nicht. Faustus schien er nicht wirklich zu kümmern, die Waffen waren wichtiger. Doch wenn die Lage so übel war wie gedacht, dann waren ja schon jede Menge Waffen in der Stadt. Womöglich genug für eine kleine Rebellion.

    Er hing wieder den frustrierenden Gedanken nach, als ihm auf der Straße ein bekanntes Gesicht auffiel.
    Ein wenig peinlich berührt (und dann wieder irgendwie angetan) dachte er an seine letzte Begegnung mit Publius zurück. Seine jetzige Erscheinung war schon etwas ganz anderes als ihre erste, als Publius weit schmutziger ausgesehen hatte als er selbst. Er schien sich hier gut eingewöhnt zu haben. Große Namen halfen also wirklich viel. Quintus wusste nicht recht, ob er ihn grüßen sollte. Er glaubte, dass der Mann nicht unbedingt die beste Meinung von ihm hatte. Als jedoch der Blick zufällig in seine Richtung fiel, blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Halbherzig winkte Quintus ihm zu.

  • Das umständlichste aller möglichen Kleidungsstücke war die Toga des römischen Bürgers, ein riesiges Stofftuch, das auch noch auf die umständlichste Art und Weise getragen wurde, die man sich denken konnte. Es wurde dergestalt um den Körper geschlungen, dass man sich kaum mehr bewegen konnte, ohne wahlweise das Ding von der Schulter rutschen zu lassen oder auf eines der herabhängenden Stücke beim Gehen zu treten. Und wäre all das nicht schon schlimm genug, war es darüber hinaus auch noch verteufelt warm darunter.

    Das erste, was ich jeden Tag machte, wenn ich heim kam, war das Ding an Ort und stelle auf den Boden fallen zu lassen und mich ins Balneum zu geben, um den Schweiß abzuwaschen. Ich war froh um jeden einzelnen Tag, den ich einfach nur in einem Officium oder zuhause verbringen konnte, ohne ein solches Ding anziehen zu müssen. Aber ich war Magistrat. Ich musste als solcher erkennbar sein, sonst vergaßen die Leute viel zu schnell, dass ich ein Magistrat war. Und das hieß, ich musste in dem blöden Ding durch die Stadt spazieren und so zu tun, als wäre mir darunter gar nicht heißt.


    Auch heute war ich unterwegs. Im Moment lernte ich im Grunde noch, wie das alles mit den Münzen denn nun wirklich praktisch umgesetzt wurde. Ich war zwar ein Triumvir aere argento auro flando feriundo, also einer von drei Männern, die Bronze, Silber und Gold schmelzen und (in Münzen) schlagen, aber wirklich war ich zu dem Teil mit dem Schmelzen und Münzen schlagen noch nicht gekommen. Abgesehen davon, dass es bei den Schmelzöfen noch heißer war als unter dieser Toga. Nein, im Moment war ich mehr dafür zuständig, aufzupassen, dass die Sklaven an den Öfen beim Schmelzen und Münzen schlagen nichts klauten und mir von einem Vorarbeiter erklären zu lassen, was sie da den lieben, langen Tag denn taten.

    Für heute hatte ich dabei wohl genug gelernt, denn ich befand mich auf dem Weg zurück vom Capitol zum Aventin. Zurück zum wohl dreckigsten und lautesten Teil Roms, aber dafür auch irgendwie dem lustigsten mit der besten Aussicht. Und dorthin, wo man mir großräumig Platz machte, wenn ich mit meiner Toga entlang spaziert kam. Ja, die meisten Magistrate stammten eher vom Esquillin oder vom Quirinal. Hier im Herzbezirk des Plebejertums waren wir wohl etwas seltener. Da konnte man seinen Handkarren mit halb fauligen Rüben schon mal auf die Seite schieben, wenn einer kam.

    Ich stieg also nichts ahnend wieder die etwas weniger steile Straße Richtung Dianatempel hinauf, als mir jemand bekanntes zuwinkte. Ich grinste leicht und ging zu Quintus hinüber. Wir hatten uns schon eine Weile nicht mehr gesehen. Zum Baden – und allem anderen – war er nicht noch einmal vorbeigekommen. Ich nahm es ihm auch nicht übel. Ich hatte angenommen, dass ihm das alles doch eine Nummer zu groß gewesen war und er deshalb dezent den Rückzug angetreten hatte. Umso erfreulicher war es da dann doch, jetzt gegrüßt und nicht ignoriert zu werden. Also konnte ich dann auch meinen Teil dazu beitragen und nun im Gegenzug nicht einen auf unnahbarer Magistrat machen. So locker, wie das in einer elenden Toga eben ging, ging ich zu ihm herüber. "Salve, Quintus. Na, suchst du wieder verlorengegangene Wanderer?"

  • Und nun kam er rüber. Quintus hatte schon bald damit gerechnet, ignoriert zu werden. Schließlich war Publius nicht mehr darauf angewiesen, dass ihm jemand wie er half und seiner neuen Aufmachung zu urteilen, hatte er das gewöhnliche Volk schon jetzt, so kurz nach seiner Ankunft, überragt.

    Als sich sein Bekannter zu ihm gesellte, nickte Quintus ihm lächelnd zu.

    „Sei du mir auch gegrüßt, mein Freund. Und in was für einem schicken Aufzug! Kannst du in dem Ding überhaupt atmen? Und nein, heute lese ich keine verlorenen Seelen auf.“

    Interessiert und auch ein wenig amüsiert musterte er die Erscheinung seines Gegenübers. Diese Toga sah überaus unbequem aus. Es war kein kühler Tag, schon nicht für Quintus in seiner Tunika. Wie also musste es dann Publius gehen?

    Darüber hinaus war der Dieb froh, dass ihr Austausch gewohnt ungezwungen vonstatten ging. Publius präsentierte sich nicht so steif wie befürchtet. Immerhin hatten sie eine Weile lang einander nicht gesehen und Politiker waren kein guter Einfluss.

    „Darf ich dieses Auftreten so verstehen, dass deine Pläne Früchte tragen? Für so ambitioniert hatte ich dich bei unserer ersten Begegnung zugegebenermaßen nicht gehalten. Dennoch ist es schön zu sehen, dass du offenbar Erfolg hast. Irgendwann kann ich mal behaupten ‚Hey, dem hab ich mal den Weg gezeigt!‘“ Nicht, dass Publius jemals eine Bekanntschaft mit ihm zugeben wollen würde. Politische Türen aufstoßen konnte er jedenfalls nicht, auch wenn er zugegebenermaßen inzwischen ein paar ziemlich einflussreiche Freunde hatte. Komisch, wie die Götter manchmal würfelten.

  • Ganz kurz zuckte es um meine Mundwinkel, als Quintus mich Freund nannte. Es war nicht so, als ob ich ihn nicht sympathisch fände, denn das tat ich durchaus. Er hatte schon einen gewissen Charme, und das nicht nur, weil er gut aussah und sich mir im Balneum einmal hingegeben hatte. Nein, er hatte diesen locker-lässigen Esprit, den man sich wohl nur zulegte, wenn man ohnehin nichts zu verlieren hatte und für Verbitterung nicht der Typ war. Aber ehrlicherweise kannte ich ihn zwei Nachmittage lang, da war es wohl kein Zeichen von besonders inniger Freundschaft, das ganze so zu bezeichnen. Aber aus seiner Warte konnte ich das schon verstehen. Hätte ich auf der Straße schlafen müssen an jenem Tag damals, ich wär wohl auch sehr schnell darin geworden, Freundschaften zu schließen. Insbesondere solche, die mir womöglich mein Überleben sicherten.

    Als er dann fragte, ob ich in der Toga atmen könne, lachte ich doch. "Um ehrlich zu sein, ich kann es kaum erwarten, mir das Ding von meinem halbgöttlichen Körper zu reißen und ins Balneum zu verschwinden – sofern noch Wasser da ist. So langsam dürfte es wirklich mal wieder regnen." Das war noch so ein Nachteil, wenn man am Aventin wohnte: Es gab zwar zwei Aquaedukte, die belieferten aber fast nur den südlichen Teil mit frischem Wasser. Der Rest musste zum Brunnen latschen. Da war Regen, der sich im Impluvium sammelte, viel einfacher.

    Trotzdem zwinkerte ich Quintus bei meinen Worten zu, denn sowohl das eine, als auch das andere würden Erinnerungen in seinem Kopf wecken. Naja, hoffte ich zumindest. Wenigstens damals hatte er so gewirkt, als hätte ihn unser Intermezzo im Balneum durchaus gefallen. Er hatte mich mit Dionysos verglichen. Ich grinste leicht schief bei der Erinnerung.

    "Ja, ich hatte seit unserem letzten Treffen ein tirocinium fori beim letztjährigen Aedil Tiberius. Du weißt schon, der, vor dem ich dich nicht erwähnen sollte." Ja, auch das hatte ich mir gemerkt und grinste noch mehr. "Und das hat mir wohl ein paar Türen geöffnet. Entweder das, oder der Senat war am Wahltag besoffen. Auf jeden Fall bin ich jetzt Tresvir monetales. Ich hatte ja fast gehofft, dich auf dem Forum zu sehen, als ich meine Ansprache dort gehalten habe. Aber falls du dort warst, hab ich dich zumindest nicht bemerkt. Nicht, dass du irgendwas verpasst hättest, außer mich in einer anderen Toga an einem anderen heißen Tag schwitzen zu sehen."

    Ich versuchte, mich zu erinnern, was er mir beim letzten Mal so erzählt hatte. Es war so lange her und es war so viel in der Zwischenzeit passiert. "Und bei dir? Hattest du nicht was von einem reichen Freund erzählt, der ein dubioses Angebot für dich hatte?" So ganz genau wusste ich es nicht mehr, aber Quintus würde mich schon aufklären, wenn er darüber reden wollte.

  • Nicht ahnend, dass sie schon wieder beide viel zu viel in den jeweils anderen hineininterpretierten, zeigte Quintus eben diese lockere Art, die anscheinend so anziehend wirkte. Eine Art, mit der man sich beliebt machen konnte und die gleichzeitig den Zweck verfolgte, Schwäche zu bedecken wie das Herbstlaub den matschigen Boden. Wie anders ließ sich ein Leben wie seines sonst ertragen?

    Obwohl sich die Lage ja zum Besseren zu wenden schien, auch wenn Publius wohl seine Zweifel daran hatte. Dubioses Angebot. Na, Unrecht hatte er nicht, obwohl Quintus dem Faustus inzwischen ein wenig mehr Vertrauen entgegenbrachte als bei ihrer ersten Begegnung. Zumindest schien es ihm ehrlich zu sein. Immerhin war Quintus mit seinen Gedanken zu ihm gekommen und hatte zugegeben, dass er mehr wollte, als nur zu stehlen, dass ihm die Mittel fehlten, in der Subura wirklich einen Unterschied zu machen. Faustus hatte ihm für seine bisherigen Dienste lediglich angeboten, eben diese Mittel zu beschaffen. Aber dieses von Hoffnung getragene Verhältnis Publius zu erklären, war wohl nicht einfach.

    „Tatsächlich befinde ich mich gerade auf Arbeit für eben jenen Freund“, gab Quintus zu. „Wobei ich für heute Feierabend machen wollte. Es gibt da ein paar kriminelle Aktivitäten in der Subura, denen wir nachgehen. Könnte eine gefährliche Sache dahinterstecken und ich bin sozusagen die Augen und Ohren am Ort des Geschehens, weißt du?“

    War es riskant, über diesen Auftrag zu sprechen? Möglicherweise, hätte er nicht Publius‘ Ankunft in Rom miterlebt. Nein, der steckte sicherlich nicht da drin und solang er nicht ins Detail ging, würde er auch keine Probleme machen.

    „Ist eigentlich ziemlich einfach. Wieso sind nicht schon mehr Politiker auf die Idee gekommen? Augen wie ich sehen einfach mehr als Soldaten in ihren blitzenden Harnischen.“

    Quintus erzählte dies völlig nonchalant, ohne irgendeine Spur von Stolz oder Angeberei. Es war eine Arbeit, nicht einmal besonders gut bezahlt (wobei Faustus ihm schon sein Auskommen ermöglichte). Die wahre Belohnung war ja eben die Zeit, die Faustus bereit war, in ihn zu investieren. Beziehungspflege war hier mehr wert als Geld.

    „Aber du! Tresvir monetales! Glückwunsch! Es tut mir leid, ich habe deine Ansprache und den Anblick deines halbgöttlichen Körpers auf der Tribüne leider verpasst, aber wenn du es wünschst, bin ich bei sämtlichen zukünftigen Anlässen stets in erster Reihe und juble dir zu. Ich werde dein größter Bewunderer, versprochen.“

    Dabei zwinkerte auch er, denn die Anspielungen hatte er durchaus verstanden. Ob er dies ernst gemeint oder gescherzt hatte, ließ er an der Stelle mal offen.

    „Du bist immer noch so bescheiden, wie ich sehe. Beinahe so bescheiden wie ich“, lachte er, stimmte aber im Stillen überein, dass die Wasserknappheit langsam lästig wurde. „Aber sag, ich halte dich nicht auf, oder? Wenn du dringend heimwillst, dich waschen, so lasse ich dich ziehen. Oder, naja, begleite dich. Dann kannst du mir mehr von deinem neuen Leben erzählen. Und mich zum Essen einladen. Ein Tresvir monetales sollte nicht knausrig sein.“

    Etwas verlegen und dennoch lächelnd wartete er die Antwort des Mannes ab.

  • "Gibt es nicht immer kriminelle Aktivitäten in der Subura?" fragte ich gut gelaunt. Denn ja, dass in der Subura – oder an jedem beliebigen anderen Ort in Rom – nicht immer alles mit rechten Dingen zuging, war jetzt wirklich keine Überraschung. "Und ich bin mir sicher, dass so einige Politiker ihre Spione haben. Nur geht wohl keine der Seiten damit hausieren. Würde ja die ganze Sache ein wenig ad absurdum führen." Ich zuckte leicht die Schultern. Ja, im Senat saßen einige Snobs, ganz sicher. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass die wirklich alle Idioten waren, die nirgendwo ihre kleinen Vögelchen hatten. Und selbst, wenn sie das nicht selber taten, ein gewiefter Maiordomus würde schon wissen, wen er wo bestechen musste, um an Informationen zu kommen. Ich fragte da ja auch meinen Cousin oder eben den Maiordomus im Haus, wenn ich etwas wissen wollte.


    Die Glückwünsche nahm ich römisch gelassen entgegen, musste dann aber doch lachen. "Ne, lass mal. Am Ende werden noch unangenehme Fragen gestellt, wer der verrückte Typ ist, der wegen mir immer in Beifallsstürme ausbricht", lachte ich bei der Vorstellung. "Aber sofern du von meiner Erscheinung nicht gänzlich überwältigt wirst, kannst du gerne kommen und mir zuhören, wie ich Unfug rede." Denn seien wir mal ehrlich, das meiste, was man so auf der Rostra sagte und hörte, war Unfug.


    Und ja, ich wusste immer noch, was ich zu bieten hatte, weshalb ich es Quintus auch nicht übel nahm, wenn er mich deshalb foppte. Er selber war ja ebenfalls mit einem Selbstbewusstsein gesegnet, das weit oberhalb seines Standes operierte. Und brachte mich damit zum lachen. "Dringend würde ich es nicht nennen, aber ja, ich sehne dem Bad schon entgegen." Ich lehnte mich mehr in seine Richtung, immerhin waren wir auf offener Straße, damit niemand die folgenden Worte mitbekam. Es war wahrscheinlich so schon auffällig genug, wenn ein Togaträger mit einem etwas abgeranzten Dieb sprach. Offensichtlich war sein neuer Beruf zumindest nicht so erträglich, als dass er sich gehobene Kleidung deshalb leisten wollte. Oder er war gut getarnt. Wie auch immer.

    "Und gib es zu, dich lockt nicht nur die Aussicht auf eine Mahlzeit." Ich grinste und ging langsam los, damit er sich anschließen konnte, wenn er wollte. "Ich bin sicher, dass meine Köchin auch noch so einen Hungerhaken wie dich satt bekommt", lud ich ihn nonchalant ein, sich anzuschließen.

  • „Kriminelle Aktivität, ja. Aber nicht von der Sorte“, gab Quintus zu. Er machte sich wirklich Sorgen. Er hatte nie beabsichtigt, mal in so eine Sache reingezogen zu werden. „Aber wer sagt eigentlich, dass ich ein Spion bin? Du bist ja wirklich schnell mit deinem Urteil.“

    Lachend gab sich Quintus der Vorstellung hin, wie ein Irrer Publius‘ Namen über das Forum zu brüllen, doch das war wohl wirklich ein wenig indiskret.

    „Ich werde schweigen und genießen, während ich den weisen Worten lausche, die unsere Welt verändern werden.“

    Es war ein hin und her zwischen ihnen beiden und Quintus hatte zu allem einen flotten Spruch parat. Dennoch achtete er darauf, nicht eine Grenze zu überschreiten und Publius lächerlich zu machen.

    „Stimmt“, sagte er schließlich, bevor sie sich in Bewegung setzten, aber noch. „Nicht nur der Hunger. Die hübsche Greta wiederzusehen, ist mein wahres Ziel.“

    Mit einem Zwinkern schritt er neben dem gutaussehenden Togaträger einher und gab sich möglichst diskret, hielt keinen Blickkontakt und sah sich um.

    Im Stillen war er ein wenig frustriert, wieder einen Tag vergeudet zu haben. Er wollte Faustus Ergebnisse liefern. Und wie um doch noch etwas auf den letzten Drücker zu erblicken, ließ er den Kopf mal hierhin, mal dorthin schwenken. Doch natürlich war da nichts Verdächtiges. Langsam war ihm, als ob die Waffen nicht durch die üblichen Handelswege hereingeschmuggelt wurden.

    Nun. Er hatte sich einen Feierabend verdient. Es war nicht so, als habe er herumgelungert. Nun, nicht nur.

    Zu zweit bahnten sie sich ihren Weg durch die Heimkehrer und ausrückendes Nachtvolk. Quintus mochte diese Gegend. Jetzt in der Abendsonne war es hier besonders lebhaft, auch wenn ihr Ziel natürlich eher ruhigerer Natur war.

    „Hast du dich denn eigentlich bereits eingelebt?“, wollte er wissen, als sie sich dem Haus seines Bekannten näherte. „Hattest sicher noch nicht viel Zeit, die Stadt kennenzulernen, was?“

  • Es gab verschiedene Sorten von Kriminalität? "Möchte ich wissen, in was für einen Scheiß dein Freund verstrickt ist?" fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Quintus hatte so geklungen, als wär das, was auch immer er machte, eine ernste Angelegenheit. Aber scheinbar störte er sich an dem Wort Spion. "Naja, wie nennst du die Augen und Ohren von jemand anderem?" So hatte er sich immerhin selbst beschrieben. Ich nannte so jemand Spion. Aber vielleicht bevorzugte er ja aus irgendwelchen Gründen ein anderes Wort.


    Aber zumindest wusste er sehr gut von diesen ernsten Themen abzulenken, während er sich mir anschloss. Ich tat theatralisch ein wenig so, als hätte mich getroffen, dass er Greta wiedersehen wollte, indem ich mir eine Hand an die Brust hielt und seufzte. Nun, ich glaubte ihm, dass er an die kleine Blondine durchaus noch das ein oder andere Mal gedacht hatte. Ich bezweifelte aber, dass sie es ihm so angetan hatte, dass er nur deshalb mitkommen wollte. Zumal seine Interessen zumindest nicht auf die Damenwelt beschränkt waren.

    "Nun, das wird dann wohl Hanna endgültig das Herz brechen", meinte ich mitfühlend. "Sie wartet ja immer noch darauf, dass du sie erwählst." Gut, tat sie nicht wirklich. Ich hatte sie wohl doch sehr gut abgelenkt und wahrscheinlich erinnerte sie sich nicht einmal mehr an Quintus. Das würde sich aber sicher schlagartig ändern, sobald er bei uns ins Atrium trat und sie ihn erspähte. Und Eifersucht zwischen den Sklavinnen im Haus wollte ich nun wirklich nicht unbedingt. Das war immer so anstrengend.


    Wir gingen weiter den Aventin hinauf. Irgendwann würde ich mir eine Sänfte leisten, die mich diesen Hügel immer hinauftragen würde. So ziemlich alle Magistrate ließen sich herumtragen, anstatt zu laufen. Ein Blick auf den Saum meiner Toga sagte mir auch, warum das so war. Diese Stadt war einfach dreckig. So war das eben, vor allen Dingen in trockenen Sommern. Regen wusch wenigstens den gröbsten Dreck mal weg. Jetzt aber klebte er an allem, was den Boden berührte, fest.

    "Immerhin war ich schon bei einem Pferderennen und in einem Tempel. Ich würde sagen, ganz unbeleckt bin ich nicht mehr. Ich sollte, wenn die Zeit es zulässt, mal die Thermen aufsuchen und mich durchprobieren, welche die beste ist. Nur sind die alle so weit vom Aventin weg."

    Ich sah zu Quintus hinüber. "Wo wohnst du eigentlich?" fiel mir da ein. Irgendwie hatten wir da nie drüber gesprochen.

  • Quintus räusperte sich, ein wenig ertappte.

    „Nun, ich würde mich eher als so eine Art… jaaa… Ermittler betrachten. Ja, das ist es, ich finde Dinge heraus, kombiniere und stelle dann Vermutungen an, wie man gewisse Verbrechen aufklären oder verhindern kann.

    Ähm… Also quasi wie eine Art… Spion! Das war das Wort, das ich gesucht habe.“

    Aye, wenn man Quintus für albern hielt, hatte man wohl recht. Aber wenn man den Dieb fragte, machte eben das einen Teil seines Charmes aus.

    „Und wegen deiner Hanna bin ich fast sicher, dass du sie in der Zwischenzeit hervorragend von mir abgelenkt hast. Nun, es ist nie zu spät, sich noch einmal vorzustellen.“

    Ein wenig erzählte ihm Publius von den Streifgängen, die er schon unternommen hatte. Für Quintus war es fast putzig, dies zu hören, denn er hatte nicht einmal an der Oberfläche geleckt. Und selbst die, die schon lange hier lebten, kannten meist nicht alle Ecken dieser Stadt.

    „Ich? Nun, mal hier, mal da“, sagte Quintus ausweichend, denn tatsächlich hatte er seit Aulus‘ Einmischung keine feste Bleibe mehr, was ihn sehr bedrückte. „Hab da ein paar Optionen. Meist über der Taberna eines Bekannten oder im Schuppen hinter nem Lupanar… Ich hatte mal was Festes, aber das ist vorbei.“ Er überspielte, wie sehr ihn das Thema bedrückte und blickte nach vorn, wo er den Eingang von Publius‘ Heim vor sich erblickte. Auch wenn er es ins Lächerliche zog, die Aussicht auf ein Bad lockte ihn ebenso sehr, wie seinen Gastgeber. Es war sicher auch eine Sache des Stolzes, aber es war nicht so, dass Faustus ihm so viel schuldete, ihm eine Bleibe zu besorgen...


    Die eingangs gestellte Frage seines Freundes, der sich nicht als Freund betrachtete, hatte er jedoch nicht vergessen. Nein, vielmehr hatte er nach einer Antwort gesucht, die nicht allzu viel preisgab.

    Faustus hatte ihm nie verboten, über die Sache zu sprechen, denn immerhin musste er ja seine Quellen anzapfen. Natürlich musste man aufpassen, wem man was erzählte, denn im Grunde konnte ja jeder da drin stecken.

    Publius jedoch gehörte sicherlich nicht dazu, denn seine Ankunft in Rom und seinen bisherigen Werdegang hatte Quintus ja persönlich bezeugen können.

    „Hör zu, ich erzähl dir von meinem Auftrag, aber du musst Stillschweigen bewahren“, sagte er ernst. Quintus dachte, dass im Falle eines Falles wenigstens seine Freunde gewarnt sein sollten und sicher stimmte Faustus ihm zu, dass man einen (einigermaßen) vertrauenswürdigen Politiker schützen musste, indem man ihm das Wissen mitteilte. „Wir vermuten, dass eine unbekannte Anzahl unbekannter Leute eine ebenso unbekannte aber sicherlich sehr große Anzahl Waffen in die Stadt schmuggelt. Ich gehe von einer Verbindung zu einem Anschlag auf Ritter Furius‘ Leben aus. Derzeit warte ich auf… ein wenig Unterstützung und sondiere die üblichen Wege durch die Stadt. Aber du kannst dir sicher vorstellen, dass das allein so gut wie unmöglich ist – selbst für so einen klugen und hübschen Kopf wie den meinen.“

    Aufmerksam musterte er Publius‘ Mimik. Wie er ihn einschätzte, hielt er das Ganze sicher für einen Witz. Schließlich hatte er ihn beim letzten Mal noch für eine Hure gehalten, da kam dies hier jetzt sicher als große Überraschung.

    „Glaubst du mir?“

  • Ich zog die Augenbrauen hoch und grinste vor mich hin. "Gut, dann nenne ich dich nicht mehr Spion, sondern Spion", sagte ich lachend und marschierte weiter. Weit war es nicht mehr bis nach Hause und zu meinem wohlverdienten Bad.

    "Ich hab mich aufgeopfert", meinte ich dann noch als Kommentar zur Causa Greta-Hanna und sah Quintus schief an. "Falls du dich heute aber mit Hanna zufrieden geben könntest, wäre ich dir durchaus sehr verbunden." Das meinte ich wirklich ernst. Ich hasste Gezicke. So gern ich auch mit Frauen vögelte, es war einfach nur anstrengend, zu versuchen, sie zu beschwichtigen. Das wollte ich mir sehr gerne ersparen.

    Außerdem hatte ich wirklich nichts gegen eine weitere Wiederholung unseres letzten Treffens, nur diesmal mit anderer weiblicher Nebenrolle.


    Auf die Frage nach seinem Wohnort wich er aus. Offenbar wohnte er hauptsächlich auf der Straße. Sehr einträglich konnte die Stelle bei seinem neuen Freund wohl nicht sein. Andere Leute hätten jetzt ein weiches Herz bekommen und ihn eingeladen, doch bei sich zu wohnen, bis bessere Zeiten kämen. Aber ich hatte keine so naive Ader. Wir kannten uns ja eigentlich kaum, und was ich von ihm kannte, sprach nicht unbedingt dafür, ihn als Gast einzuquartieren. Ich mochte ihn, er war charmant, gutaussehend und witzig. Und ich wollte ihn auf jeden Fall noch einmal vögeln. Oder mehrere Male. Nach wie vor war ich einem entsprechendem Arrangement nicht abgeneigt. Aber das hieß alles nicht, dass ich nicht auch glaubte, dass er mich beklauen würde, wenn er sich davon einen Vorteil versprach. Ich war weder naiv, noch weltfremd.

    Aber ich war auch kein Ekel. "Nun, ich kann einmal meinen Nachbarn fragen. Der hat ein paar Wohnhäuser. Du weißt schon, fünf Stockwerke und fragwürdige Nachbarschaft. Aber eben sein Eigentum. Wenn er eine Wohnung frei hat und ich ihm verbürge, für mindestens drei Monatsmieten zur Not aufzukommen..." Das war eigentlich kein wirklich schlechtes Angebot und auf jeden Fall besser als die flohverseuchten Schuppen hinter irgendwelchen Lupanaren. Ich beugte mich leicht zu ihm. "Schade, dass du nicht mein Geliebter werden wolltest. Zu denen bin ich etwas großzügiger." Das stimmte. Für die Zeit, die sie mich zu fesseln wussten und ich ihre Gesellschaft genoss, war ich großzügig. Im Rahmen meiner Möglichkeiten, versteht sich.

    So oder so wollte ich jetzt aber Quintus nur necken. Er hatte immerhin abgelehnt, und ich drängte mich niemandem auf. So nötig hatte ich es dann ja nun doch wirklich nicht. Erst recht nicht in Rom, wo man sich käuflich jederzeit Abhilfe schaffen konnte, auch bei spezielleren Vorlieben.


    Kurz bevor wir in die Straße zur Domus Pompeia abbogen, wurde Quintus dann aber doch noch einmal verschwörerisch. Ich sollte das folgende niemand erzählen? Jetzt war ich mir ziemlich sicher, dass Quintus irgendwo hineingezogen worden war, wo er eigentlich nichts zu suchen hatte und für das er sicher nicht gut genug bezahlt wurde.

    Und dann erzählte er mir etwas von Waffenschmuggel und Anschlägen auf Ritter, und mein Gefühl, zu wenig bezahlt zu bekommen, verstärkte sich. Sowieso, ich bekam hier gar nichts gezahlt. Und Quintus eindeutig zu wenig. Wenn ihn irgendeiner dieser Typen erwischte, dann konnte er seine Eingeweide über fünf Straßenzüge hinweg wieder einsammeln gehen. Und den Kopf irgendwo von einem Brunnen aufsammeln, wie damals die Senatoren unter Sulla am Lacus Servilius.

    Und seine einzige Sorge war, dass ich ihm nicht glaubte? Ich blinzelte kurz. "Ich glaube nicht, dass jemand sowas erfindet", antwortete ich ehrlich und schaute Quintus an. "Wie kommt es, dass du da mit reingezogen wurdest? Du weißt, was die mit dir machen, wenn du irgendwann auffliegst?" Nein, wahrscheinlich wusste er es nicht. Ansonsten würde er definitiv eine bessere Bleibe haben als der flohverseuchte Schuppen hinter dem Lupanar, weil er definitiv mehr Geld für sich rausschlagen würde.

  • Dass Quintus sich unter Wert verkaufte, das wusste er selbst. Er machte eine gefährliche Arbeit für, ja, Geld, doch vor allem für Faustus‘ Unterstützung. Wer wusste es schon? Wenn er ihn fragen würde, womöglich würde er ihm aushelfen. Vielleicht aber auch nicht. Und wenn er ehrlich war: Machte es nicht gerade seinen Wert aus, dass er eben nah an jenen lebte, die er beobachten sollte?

    Nur war das nicht alles. Denn wenn Quintus eines nicht wollte, dann, abhängig zu werden. Erst recht nicht von Gefallen.

    „Oh, ich weiß, wo ich da reingeraten bin“, seufzte Quintus resigniert. „Ursprünglich war es nur ein Gefallen für einen lieben Freund, der auch nur ein Opfer der Umstände war. Aber dann wurde es zu einem Rätsel, das ich lösen wollte. Und dann stand ich auch schon in Diensten und beobachtete die Sache weiter. Der Drahtzieher hinter dem Ganzen hat, wenn ich Recht habe, seine Klauen ganz tief in den finstersten Abgründen der Subura – und glaub mir, die reichen tiefer als du glaubst. Und als stolzer Suburaner will ich wissen, was da vor sich geht. Ich habe nämlich das Gefühl, es könnte eine sehr unangenehme Sache werden. Aber das ist eine lange Geschichte… Danke, dass du mir glaubst. Das tut gut.“

    Ihm war klar, dass Publius nichts Verbindliches wollte (genauso wenig wie er selbst), aber Quintus für seinen Teil konnte den Mann zumindest ganz gut leiden. Nun… meistens.

    „Und ich danke dir auch für dein Angebot. Ich denke darüber nach, doch will ich deine Großzügigkeit nicht überstrapazieren.“ Er schmunzelte. „Auch, wenn dein Interesse mir schmeichelt.“

    Verdammt, ja das tat es! Leider klang es wirklich verlockend. Hin und wieder diskret für Publius die Beine breit machen für ein paar Extras. Aber da war er wieder, der verdammte Stolz, den er sich eigentlich gar nicht leisten konnte. Die Beine breit machte er jetzt auch – nur hatte er davon eben keinen Profit.

    „War das etwa eine subtile Art, mir das Angebot nochmal zu unterbreiten? Wenn du so weitermachst, denke ich wirklich noch darüber nach.“ Er musste sich bei Publius mal über die Rahmenbedingungen dieses gewollten „Arrangements“ informieren.

    Inzwischen hatten sie den Eingang von Publius‘ Heim erreicht. Irgendwie war er wieder ziemlich aufgeregt. Beim Beischlaf mit Frauen war er das nie. Er war eben immer noch, äh, neu in diesem speziellen Bereich.

    „Tjaaa… Hier sind wir. Ich hoffe, ich habe dir mit meiner Schmuggelgeschichte jetzt keine Angst gemacht.“

  • Irgendwie widersprach sich die Phrase stolzer Suburaner in meinem Kopf, aber das behielt ich wohlweislich für mich. Dass Quintus eine sehr eigenwillige Definition von Ehre hatte, hatte ich ja auch schon mitbekommen. Und ich hatte fest vor, meine Lust an ihm im Balneum gleich noch zu stillen. Und ob der andere Partner Männlein oder Weiblein war, die eine Weisheit galt in dem Fall: Wer ficken will, muss lieb sein. Also war ich lieb und hielt die Klappe. "Welchen Grund sollte ich auch haben, dir nicht zu glauben? Die Alternative wäre, dass du dich nur interessant machen willst. Und das hast du bei mir nicht nötig." Ich gab ihm mein bestes Gewinnerlächeln, denn ein wenig flirten konnte auch nicht schaden, um ans Ziel zu gelangen. Auch wenn ich mir inzwischen doch ziemlich sicher war, dass Quintus zum einen wusste, was ich vorhatte, und zum anderen damit nicht nur einverstanden war, sondern es wollte.

    Als er aber mein Angebot, mich für ihn nach einer Bleibe umzuhören, ablehnte, musste ich doch seufzen. "Irgendwann musst du mal lernen, gute Angebote von schlechten zu unterscheiden", zog ich ihn leicht auf und klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. Und die Hand blieb da einen Moment liegen, als er mich fragte, ob ich mein Angebot wiederholen wollte. "Wie gesagt, du solltest gute Angebote erkennen lernen", grinste ich zweideutig als Antwort, ehe ich ihn wieder losließ und mich in Richtung der Porta begab, wo der Ianitor mir auch schon öffnete, ohne dass ich angeklopft hätte. Jetzt, wo es noch so warm war, stand die Porta tagsüber offen, damit etwas Durchzug im Haus herrschte. Ein grimmiger Ianitor und die Aussicht auf einige Bewaffnete im Haus hielten den Pöbel auch so draußen.


    "Ich kann dir ja im Balneum zeigen, wie eingeschüchtert ich davon jetzt bin", zwinkerte ich ihm zu und trat ein in dem festen Glauben, dass er mir folgen würde. Zumindest ließ ich schonmal nach Hanna rufen, sie solle ins Balneum kommen.