KELLERRÄUME / HYPOCAUSTUM

  • Gadir, der auf Grund seines Alters der Schmalste war, zeigte Tiberios zum ersten Mal den niedrigen Heizungsraum unter dem Fußboden der Casa, in dem das praefurnium, der Ofen, stand, mit dem das hypocaustum* beheizt wurde.

    Der Ofen nahm eine Seite des Raumes ein, der Brennholzstapel die andere. Nicht einmal der nicht sonderlich große Tiberios konnte wirklich aufrecht stehen, und er dachte bei sich, dass hier in der kalten Jahreszeit am glühenden Ofen Holz nachzuschippen, wirklich harte Arbeit war.


    Gadir öffnete nun eine Klappe in der Decke und zeigte Tiberios, wie der Boden über ihnen aufgebaut war:
    Er war mit Abzügen für heiße Luft und Abgase versehen und folgendermaßen angeordnet:

    Ungefähr einen pes hohe Ziegeltürme aus quadratischen Ziegeln wurden im Abstand von etwas weniger als einem cubitus aufgestellt.
    Diese Türme trugen die sogenannte Deckplatte.
    Auf der Deckplatte lag die Tragplatte.
    Auf diese Tragplatte war der Estrich aufgetragen, und die oberste Schicht bildeten dann die Mosaik- oder Fliesenböden.
    Die gesamte Konstruktion der Platten war etwa ein semipes** dick.


    Tiberios steckte den Kopf durch die Klappe: „Die Kanäle, die zur Wand hingehen, wohin führen sie?“, fragte er: „ Sie sind vermutlich für den Rauch und die Abgase vorgesehen, nicht wahr?“
    „Ja richtig, die Wände werden durch die Kanäle nämlich auch warm. Sie führen nach draußen zum Rauchabzug. Der liegt unterm Dach und muss auch regelmäßig sauber gemacht werden.“, erwiderte Gadir.


    Da gerade erst Spätsommer war, wurde nur die Unterfeuerung für die Warmwasserbereitung geheizt, die sich im anschließenden Kellerraum, der vom ersten durch eine Porta getrennt war, befand.
    Dort saß Krates mit unterschlagenen Beinen auf einem Hocker, trank gerade Wasser und passte auf.
    Gadir zeigte Tiberios dort die drei hintereinanderstehenden Bronzekessel.
    „Fass sie mal der Reihe nach an, aber Vorsicht mit dem letzten!“, grinste er.
    Tiberios legte seine Hand auf das Metall: Kalt – Lauwarm und – bevor er den dritten Kessel berühren konnte, packte Gadir ihn am Arm: „Du verbrennst dir die Finger“, mahnte er.
    Tiberios bemerkte, dass die Kessel miteinander verbunden waren. Sobald heißes Wasser verbraucht wurde, floss aus dem Lauwarmkessel welches nach, wobei der wieder aus dem Kaltwasserkessel gespeist wurde.

    So funktionierte das also. Sehr schlau.

    „Früher hatten wir hier Bleirohre, aber mittlerweile sind sie aus Ton.“, erklärte Gadir weiter.
    „Weil Vitruvius schreibt, dass das Bleiweiß gesundheitsschädlich ist.***“, wusste Tiberios ,und Gadir nickte, er hatte Vitruvius nicht gelesen, aber das würde wohl richtig sein.
    Dennoch war Tiberios froh, als sie aus dem niedrigen Keller wieder oben an der frischen Luft waren. Ab da wusste er die Wärme und das warme Wasser mehr zu schätzen, und dachte an die, die unter Anstrengung dafür sorgten.



    * Hypocaustum von griech. hypocaustos "Unterfeuer" , eine Warmluftheizung
    ** 1 pes (Fuß) ca 30 cm
    1 cubitus (Elle) ca. 44,5 cm
    1 semipes(Halbfuß) ca. 15 cm
    *** Vitruvius, de architectura,, achtes Buch:


  • Tiberios

    Hat den Titel des Themas von „Kellerräume/ Hypokaustenanlage“ zu „KELLERRÄUME / HYPOCAUSTUM“ geändert.
  • Experimente im Keller 


    Folgende Voraussetzungen liegen vor: Der Verbrauch von gut durchgetrocknetem Rotbuchenholz liegt bei ca. 1,5 trilibra* in der Stunde, so dass 20,4 trilibra etwa 13 Stunden lang das Hypocaustum mit Brennstoff versorgen. Die Frage lautet, ob die Presslinge aus Haushaltsabfall diesen Heizwert erreichen oder weniger oder gar mehr davon haben. Zu diesem Zweck hat mir der verehrte Vigintivir Tiberius Caudex jene Menge des Produktes aus dem AblageplatzII der VDR überlassen, was heute geliefert wurde.

    Wie entstehen die Presslinge? Der Hausmüll wurde vorsortiert und von extra Verwertbarem wie Glas, Metallen und Tonscherben befreit, soweit das die Bürger nicht schon im Vorfeld getan haben. Dann trocknet und verrottet er eine Woche, wobei sich die faulenden und gärenden Miasmen verflüchtigen. Was übrig ist, wird gepresst, um es von Wasser zu befreien. Folgendes halte ich für einleuchtend: Da die energeia, die Wirksamkeitskraft,  nie verloren geht, sondern nur verwandelt wird, steckt auch in jedem Pressling noch genug energeia, um ein Feuer zu nähren, wie dass das die Heizungen der Stadt betreibt.

    Folgende Überlegungen wurden im Vorfeld gemacht: Waldfrisches Holz brennt schlechter als länger gelagertes, was an der Restfeuchte liegt. Je weniger Feuchte die Presslinge aufweisen, desto mehr dürften sie dem Verhalten von Holz gleichkommen.


    Tiberios hörte auf, zu schreiben, sah den Stapel der Abfallpresslinge an, der nun den Platz des Brennholzes einnahm. Sonnwinn und Gadir warteten auf sein Kommando.

    Der Grieche entfernte den Verschluss der Klepshydra, einer einfachen Wasseruhr, die begann zu laufen. Er selbst würde, so oft er konnte, dabei bleiben, um sie zu beobachten. Sie war recht groß; und man konnte sie nicht einfach wie eine Sanduhr umdrehen.

    "Sobald die Schale vollgelaufen ist, musst du sie in den Abguss leeren und die obere Schale neu füllen ", schärfte er Gadir ein, der schlanke, schweigsame Junge nickte.

    "Mal sehen, ob wir mit den Presslingen auch auf 20 Stunden kommen", sagte er.


    Das erste Zünden war eine Überraschung: Die Presslinge fingen schneller als Holz Feuer und brannten lichterloh. Tiberios biss sich auf die Lippen, wenn das so schnell ging; würden sie rascher verbrennen als das Buchenholz. Er schrieb weiter:


    Zündverhalten: Die Presslinge entzünden sich rascher als Holz, da sie wohl weniger von Wasser in sich haben.


    Er schaute Gadir an, der viel Erfahrung besaß. Der zuckte die Schultern: "Warten wir ab, Maiordomus, ich bin da.", sprach er.



    Sim-Off:

    * trilibra = 0,98 kg

  • .....Stunden später


    Der Bronzekessel mit dem Heißwasser glühte förmlich. Andreas feuerte mittlerweile, und er konnte sich Zeit lassen, da die Presslinge heller und schneller brannten und seltsamerweise länger vorhielten. An was konnte das liegen? Tiberios zerbrach sich den Kopf. Hatte der gepresste Abfall wirklich mehr energeia als Holz? So wie Fleisch auch mehr Energiegehalt als pflanzliche Nahrung hatte und zwar daher, dass die Tiere Pflanzen fraßen, also sozusagen eine doppelte Wirksamkeitskraft mit auf den Teller brachten.

    Wie gerne hätte er Tiberius Caudex bei sich gehabt, um dieses erstaunliche Ergebnis durchzudiskutieren.

    Weiter schrieb er:

    Dem Zündverhalten entspricht das Abbrennverhalten. Die Presslinge erreichen schneller eine höhere Temperatur, so dass das Wasser im Bronzekessel für Heißwasser schneller erhitzt wurde als mit Holz. Ich erwartete, dass somit auch alles schneller verbrennen würde und der Vorrat an Presslingen sich schneller aufbrauchen würde als die gleiche Menge Holz. Doch das geschah nicht. Es gibt einen erstaunlichen Effekt von Nachwärme, den ich mir nicht erklären kann. Wurde die Wirksamkeitskraft durch etwas gebündelt?

    Ich bat Gadir, mir einen noch nicht verbrannten Pressling aus dem Ofen zu fischen. Er tat das mit einer eisernen Zange. Ich berührte ihn und fand ihn sehr heiß und das lange Zeit - länger als Holz. Die hohe Temperatur scheint also in diesem Stoff oder vielmehr es sind viele Stoffe, eher zu verweilen. Fast wie bei Kohle oder heißer Asche. *


    Tiberios war nun alleine, er hatte seine Helfer schlafen geschickt. Wieder füllte er die Klepshydra auf. Als der letzte Pressling verfeuert war, schrieb er auf:

    Die gleiche Menge Holz brannte dreizehn Stunden, die gleiche Menge Presslinge jedoch fünfzehn. Je weiter die Stunden voranschritten, desto vorteilhafter zeigten sich die Presslinge, da sie durch ihre Natur dazu neigen, die Wärme zu speichern. Da sie leichter sind und weniger nachgeschoben werden muss, bedeuten sie eine Erleichterung für die Sklaven an den Hypokaustenanlagen. Der einzige Nachteil wäre der vermehrte Lagerpkatz, da ihr Volumen beim gleichen Gewicht größer ist. Pro Scheffel (ca. 26 kg) Holz etwa ein ein Talentum ( 2,6 kg) mehr.

    In einer Heizperiode verbrauchen wir in der Casa Furia, die ein mittelgroßes Stadthaus ist, für das Hypocaustum etwa 182 Zentner Holz oder 60 Zentner Holzkohle, je nachdem. Der Lagerraum müsste dann etwa neun Quadratmeter** groß sein, größer als für Holz, bei dem sieben Quadratmeter ausreichen und bei Holzkohle, die kompakter ist, noch weniger.

    Allerdings würde man auf Grund ihres Heizverhalten auch mit weniger Gewicht auskommen und zwar mit nur 157, 7 Zentner Presslinge anstatt 182 Zentner, das sind 13,35 procent ** Ersparnis für den Käufer.

    Das Äquivalent ist LXXXVII zu C ( 87 Teile Presslinge anstatt 100 Holz)



    Es war spät, sehr spät geworden. Tiberios wollte in sein Bett gehen, da hörte er Stimmen im Garten. Er erkannte die Stimme der Domina, und daher ging er nicht näher; ein Stelldichein der Sklavenmädchen hätte er mit Hinweis auf die späte Stunde unterbunden. Aber es war nicht so, dass Tiberios das kalt ließ.

    Etwas brannte in ihm, und als er sich hinlegte, wusste er, was es war: Tiberios war eifersüchtig auf Sonnwinn.



    Sim-Off:

    * . Dabei ist zu beachten, dass die Temperaturabnahme bei den Biomassebriketts durch den hohen Aschegehalt (Speichereffekt) eher gemindert wird.

    https://tu-dresden.de/ing/masc…_90-07/Be-103.pdf?lang=de ** Die Lagerraumgröße entspricht modernen Verhältnissen *** Die Griechen kannten Prozentrechnungen, allerdings nur additiv