[litus Ostiense] Ein Tag am Meer

  • Sie waren etwa zwei Stunden geritten, ehe sie den Strand erreichten. Caudex war eindeutig der bessere Reiter von ihnen beiden, und hätte er ein besseres Pferd gehabt, er hätte Atticus sowas von abgehängt, wenn er gewollt hätte. Spinter trottete auf den feinen Strand und schnaubte erst einmal protestierend, um klar zu machen, dass ihm egal war, wessen Hintern nun wund war oder nicht, er aber grade keine Lust mehr hatte, noch weiter zu laufen. Atticus tätschelte ihm den Hals und stieg mit einer geübten Bewegung ab. Nach dem Ritt fühlte es sich irgendwie wackelig an, selbst zu stehen. Er nahm Spinther am langen Zügel und winkte Caudex mit sich.

    Er ging nicht weit. Er kannte diesen Strand noch aus seiner Kindheit sehr, sehr gut. Er hatte hier sehr lange Stunden damit verbracht, einfach dazusitzen, die Möwen und die Fischer zu beobachten und einfach nur zu sein. Das hier war sein ganz persönlicher, friedlicher Ort. Selbst noch im Dezember, wenn die See rau war und beständig gegen den Strand zu donnern schien, und die Fischer eigentlich hauptsächlich am Strand waren und ihre Netze mit geschickten Fingern kontrollierten und flickten.

    Atticus führte sie beide zu einer Düne mit einem kleinen Felsen darauf. Von hier aus hatte man einen guten Blick nach Süden nach Ostia und vor allen Dingen den Schiffen im Hafen, während Richtung Norden sich einfach nur endloser Strand erstreckte. Atticus setzte sich auf den kleinen Felsen und ließ Spinther einfach gehen. Das Tier lief nicht weg, solange nicht eine Schlange oder ähnliches auftauchen würde, sondern nutzte die Gelegenheit, ein paar Schritte weiter zu gehen jenseits der Flutkante und dort nach etwas Gras zu suchen.


    Einen Augenblick lang schwieg Atticus einfach und nahm den Ort in sich auf. "Ich war als Kind oft hier", sagte er aus dem nichts heraus. "Da hinten am Rand von Ostia haben wir gewohnt. Ich bin dann rausgegangen nach Norden, bis zu diesem Fels, und hab einfach den Fischern zugesehen, was sie so machen." Es war eine friedliche Zeit gewesen, wenngleich es kurz vor dem Bürgerkrieg gewesen war, und auch noch zu dessen Beginn. "Wo bist du eigentlich aufgewachsen?" fragte er dann bei Caudex nach. Er hatte ihn nie wirklich gefragt, fiel ihm auf. Überhaupt hatte er ihn nicht viel gefragt. Aber dieser Ort schien ihm ein guter Ort, um das vielleicht nachzuholen.

  • Ja Atticus war einen guter Reiter. Ungewöhnlich für einen Stadtjungen, aber das Geheimnis lüftete er mit seinen Ersten Worten. Auch Nero ließ den Hengst grasen. So setzte er sich neben ihn und sah auch eine Weile in die Ferne. „Die Fischer sind irgendwie freier als wir....“ Waren seinen ersten Worte. „Sie fahren raus, sind mit sich und dem Meer allein. Trotzen den Widrigkeiten und brauchen sich niemanden beugen oder Erwartungen erfüllen.“ Nero sah noch eine Weile aufs Meer. „Ich bin auf einem Landgut in Mantuae aufgewachsen. Als fünftes Kind und jüngster von vier Brüdern.“ Nero hatte seinen Blick starr aufs Meer gerichtet. "Hast du Geschwister?“

  • Atticus blickte zu den Fischern und nickte. "Genau deshalb war ich immer gern hier und hab ihnen zugesehen. Sie... leben einfach." Atticus wusste nicht, wie er es anders ausdrücken sollte, aber er glaubte, dass Caudex ihn da verstand. Sie waren einfach mit sich und dem Meer, und was Neptun ihnen geben wollte, gab er. Es war einfach. Keine Komplotte, keine Pläne, keine Ambitionen und Erwartungen zu erfüllen.


    "Ja, ich hab einen kleinen Bruder. Cossus Largus. Was lustig ist, denn er ist nicht annähernd so groß wie ich. Aber mein... Vater wollte ihm unbedingt diesen Namen geben." Das Wort allein war schon zu viel Ehrbezeugung an den Kerl, der seine komplette Familie kläglich und feige im Stich gelassen hatte. Atticus verabscheute ihn zutiefst dafür und er hasste es, sein Sohn sein zu müssen. Aber je älter er wurde, umso mehr verstand er, warum manche Söhne ihre Väter töteten. Allein schon für seinen kleinen Bruder und dass dieser komplett ohne Vater hatte aufwachsen müssen, hätte er seinen Vater umbringen wollen. "Cossus ist jetzt dreizehn. Bald wird er erwachsen, und meine Mutter plant, ihn in die Beamtenlaufbahn zu stecken. Ich denke, er wird das auch ganz gut machen, er ist ein eher ruhiges Gemüt und mag Zahlen." Atticus atmete tief durch. "Ich denke, ich werd ihn ganz schön vermissen. Er vermisst mich jetzt schon, sagt er." Kurz lächelte Atticus. Wie sollte es auch anders sein? Atticus war so ziemlich die einzige Konstante im Leben seines Bruders gewesen, abgesehen von Malachi. Und Malachi war... nunja, eben Malachi. Streng, lachte selten und trainierte viel.

    "Wie ist es mit dir und deinen Brüdern?" fragte Atticus, weil sich die Frage quasi aufdrängte. Er kannte nur die Perspektive eines großen Bruders, Caudex nur die des kleinen Bruders.

  • Nero hörte sehr wohl die Nuance, die im Wort Vater mitschwang. „Die beiden Älteren waren schon fast aus dem Haus, als ich geboren wurde. Aufgewachsen bin ich eigentlich nur mit Verus und auch der ist ja 12 Jahre älter als ich. Und auch er ging als ich ich etwas über vier Jahre alt war und schlug einen nicht standesgemäße Laufbahn ein. So sind eigentlich nur ich und Corvina wirklich zusammen aufgewachsen. Keiner meiner Brüder hat die Erwartungen Vaters...“ Und in diesem Wort schwang sehr wohl der Hass auf diesen Mann mit. „...erfüllt. Sie haben alle mit dem Mann gebrochen und so...“ Neros Blick senkte sich auf seine Füße und er atmete tief durch. Atticus hatte es eh schon gesehen und dennoch sah er ihn nicht an als er weitersprach. „... wurde ich von ihm auserkoren und dazu erzogen das Erbe der Tiberii vorzusetzen.“ Nero hob den Blick zum Horizont. „Seine Methoden konntest du deutlich sehen, als wir im Bad waren.“ Wieder atmete Nero tief durch. „Ich habe mir immer große Brüder gewünscht, dir für mich da sind...aber das waren sie nicht.“

  • Volltreffer Atticus. Das war kein Tritt ins Fettnäpfchen, sondern die Arschbombe in die Fettwanne. Atticus saß da wie vom Blitz getroffen und schwieg einen Moment. Was sagte man da? 'Tut mir leid' klang da aber sowas von selten doof dafür.

    "Bis grade eben dachte ich, mein Vater wär ein beschissener Drecksack. Den Wettstreit gewinnst aber wohl du", sagte er stattdessen und schaute wieder zu den Fischern. Dieses Mal beruhigte es ihn nicht. Das machte ihn wütend, dass niemand Caudex beigestanden hatte. Dis Pater, er hatte drei Brüder, da musste doch wenigstens ein vernünftiger drunter sein! Aber anscheinend nicht.

    "Wenn jemand das meinem kleinen Bruder antun würde, ich würd ihn mit bloßen Händen umbringen", grollte er. Er sah kurz rüber zu Caudex. Der war der Ältere, Atticus war ein Stückchen jünger. Trotzdem fragte Atticus wohl, wie es wäre, sein älterer Bruder zu sein und was er dann getan hätte. Vermutlich auch den Vater getötet. Atticus konnte es nicht ausstehen, wenn jemand schwächere piesackte. Und Caudex' Rücken war kein piesacken, das war eine schwere Misshandlung.

    So, und jetzt? Drüber reden? Nicht drüber reden? Einfach mal die Klappe halten? Vermutlich am besten. Trotzdem kam sich Atticus reichlich arschig vor, die Stimmung verdorben zu haben. Und dass er jetzt wohl mehr von Caudex wusste, als der von ihm. Naja, zumindest den Umstand konnte Atticus ja ändern.

    "Mein Vater hat die Familie im Stich gelassen. Er war Klient von Publius Vettius Phanias und hat mit ihm die Machtergreifung geplant und wollte das Testament von Kaiser Hadrianus vernichten. Meine Mutter hat's gefunden und versteckt. Und dann hat er uns nach Ostia verbannt, kam nur ab und zu zum vögeln vorbei. Meine Mutter hat meinen Bruder hier gekriegt und nicht in Rom, ganz allein in einem kleinen Mietshaus unter falschem Namen, während er in Rom saß und Bürgerkrieg plante. Und als der sich dann gegen Publius Vettius Phanias wendete, ist er abgehauen und hat sich nach Griechenland abgesetzt. Er muss hier durch Ostia durchgekommen sein und ein Schiff genommen haben, hat es aber nicht für nötig befunden, seine Familie auch nur zu warnen. Wäre meine Mutter nur ein klein wenig anders, als sie ist, wären sie, mein Bruder und ich jetzt tot. Und es war ihm scheiß egal, er wollte einfach nur seine eigene Haut retten."

    Atticus nahm einen kleinen Stein, der herumlag, und warf ihn Richtung Meer, so weit er konnte. Am liebsten wollte er gegen etwas schlagen, bis seine Faust schmerzte. Bei all der Wut, die er über seinen Vater empfand, war das zwar immer noch nichts im Vergleich zu Caudex. Aber jetzt wussten sie wenigstens beide um das düstere Erbe des anderen und die damit einhergehenden Dämonen.

  • „Ich wäre wohl glücklich gewesen einen Bruder wie dich gehabt hätte.“ Sagte Nero. „Sie wussten es aber auch nicht. Sie sind gegangen ohne je zurückzukehren. Verus weiß es selbst heute noch nicht“ Er zuckte mit den Schultern. Damit hatte er Atticus wohl gerade gesagt, dass er nun mehr über ihn wusste, als der eigene Bruder. „Ich war ihnen egal. Ich wäre wohl auch gegangen hätte er Corvina nicht bedroht.“

    Ja eigentlich stand dieser Plan ja damals schon, der Vater hatte es zu verhindern gewusst.

    Dann hörte Nero sich an, was Atticus über den seien zu berichten hatte. Und nickte nur stumm und verstehend. „Einigen wir uns darauf, dass wir Drecksäcke als Väter hatte, Du kannst du glücklich schätzen, dass du eine Frau wie deine Mutter zur Mutter hattest.“ Sagte er. „Meine war feige und hat sich als ich sechs Jahre alt war das Leben genommen. Meine Amme hat mir erzählt, dass sie es nicht mehr ertragen hätte. Also ob sie was zu ertragen hatte. Das einzig gute was sie getan hat, war das sie Corvina ihren gesamten Besitz hinterließ und der Drecksack nicht dran kam.“ Nero atmete noch einmal tief durch und grinste dann schief. „Denn Wettstreit habe ich dann wohl auch gewonnen.“ Er stand auf und reichte Atticus die Hand um ihm hoch zu helfen. „Aber es ist wie so vieles im Leben, was uns nicht umbringt... nicht wahr?“

  • Der Vater hatte auch seine Schwester bedroht? Gut, klang logisch. Atticus hoffte nur, dass sie nicht auch so zugerichtet worden war. Wobei Caudex sich dann wohl anders ausgedrückt hätte. Noch ein Grund mehr, warum er den Wettstreit um den miesesten Vater gewann, so oder so.

    Und auch in puncto Mutter hatte Caudex da wohl ein ganz anders Los zu Schultern. Selbstmord war nun unter Römern nicht allzu ungewöhnlich, und erst recht nicht ehrenrührig. Aber mit sechs die Mutter zu verlieren, weil diese diesen Ausweg genommen hatte, anstatt für ihre Kinder einzustehen, war ebenfalls schlimmer als eine nervige, willensstarke Mutter, die einem in das eigene Leben reinpfuschte.

    Atticus ließ sich von Nero hochziehen und schaute recht sparsam. "Wollen wir eine Runde Ringen oder so? Wenigstens irgendwas muss ich doch mal gegen dich gewinnen." Es war jetzt nicht sein bester Scherz, aber es sollte hoffentlich genügen, um die Stimmung wenigstens ein bisschen aufzuhellen.

  • Nero konnte tatsächlich lachen und klopfte Atticus auf die Schulter. „So wir machen das. Obwohl du das Letzte Mal ja auch schon gewonnen hast und wir uns nur netterweise auf einen Unentschieden geeinigt haben.“ Sagte und und pfiff nach seinem Pferd. „Aber einen Vorteil habe ich inzwischen, ich bin in meinen Entscheidungen frei. Da er mich zum Alleinerben gemacht hat. Verus, mein Bruder der noch lebt wurde von ihm enterbt. Ich habe nun also alles was die Tiberii besitzen.“

    Sagte Nero und schwang sich wieder auf das Pferd. „Wollen wir langsam zurück?“ Ja sie brauchten wohl keine weiteren Wettstreit. Auch wenn er unter ihnen immer irgendwie freundschaftlich und von gegenseitigen Respekt geprägt war. „Sag mal du kommst ja auch langsam in das Alter.“ Nero grinste. „Und du sagst ja deinen Mutter plant für dich alles. Hat sie dir schon eine Frau ausgesucht?“



  • "Na, ob ich wirklich gewonnen hätte, darüber sind wir wohl unterschiedlicher Meinung. Mein Rücken war drei Tage lang blau von dem Treffer mit dem Schild" gab Atticus das Kompliment zurück.

    Dass Caudex wirklich frei war, dafür war er zu beneiden. Auch noch als Erbe. Atticus wollte zwar nach wie vor nicht tauschen, aber wenigstens was. "Ich hab mich beim Census von meinem Vater emanzipieren lassen, wegen erwiesenem Verlassen-Werden. Dadurch bin ich jetzt zwar offiziell enterbt, aber das war es mir wert. Und meine Mutter hat eh genug Kohle, so dass niemand von uns auf seine angewiesen ist." Enterbt zu sein musste nicht das schlechteste sein.


    Atticus lockte auch Spinther zu sich zurück, damit sie in Richtung Heimat wieder zurückkonnten. Dann wären sie pünktlich zum Mittagessen wohl irgendwo in Rom. Aber bevor er dazu kam, aufzusteigen, kam Caudex mit einem ganz anderen Thema um die Ecke.

    "He, nix da! Du bist wieviele Jahre älter als ich und nicht verheiratet? Ich hab noch jede Menge Zeit. Als Ritter im Exercitus guckt da noch nicht einmal einer schief, wenn ich keine Frau hab." Da hatte es Caudex als angehender Senator schwerer. "Von daher mach du es erst einmal vor, dann folge ich vielleicht mit gebührendem Abstand nach. Und meine Mutter halten wir da am besten raus, sonst hetz ich sie auf dich!"

  • Nero nickte. “Falls deine Mutter dir den Geldhahn mal abdrehen sollte. Ich kann dich immer noch adoptieren.“ Bot er grinsend an. Er gab dem Pferd das Signal in einen langsamen Trab zu gehen und ritt nun neben Atticus. „So viel älter nun auch nicht.“ Sagte er. „Knapp vier Jahre oder? Ich werde im Martius 22.“ Nero grinste. „Wehe du hetzt sie mir auf den Hals. Ich habe schon einen Claudia ins Auge gefasst. Aber ich hätte gern erst Corvina an den Mann gebracht. Je nach dem für wen sie sich entscheidet, danach richte ich mich dann aus. Wenn sie einen Claudier will, schau ich mich halt bei den Flaviern oder Aureliern um und so weiter und so weiter.“ Ja er musste Atticus wohl nicht erklären, dass er nicht aus Liebe oder so einem Schnickschnak heiraten würde. Seine ehe würde einzig und allein dem Zweck dienen. „Aber ja du hast recht, du hast ja noch Zeit. Hätte ja sein können, dass du schon ein Auge auf eine junge Frau geworfen hat. Ich mein du müsstest doch Schlag bei den Frauen haben, schließlich stichst du aus der Masse hervor.“ Ja die gelöste Stimmung war eindeutig wiederhergestellt, so das Nero Atticus nun wegen seiner Größe aufzog.

  • "Damit du mich dann enterben kannst, weil ich Vigil und kein Senator bin?" lachte Atticus zurück. Rein rechtlich wäre das ja tatsächlich möglich, aber wohl für sie beide reichlich albern und irgendwie auch seltsam, das sie ja wirklich nur wenige Jahre voneinander trennten.

    Caudex fragte auch gleich nach diesem Unterschied. "Ja, ungefähr vier Jahre" bestätigte er und lachte dann, als Caudex auch Respekt vor Iunia Axilla zeigte. Seine nachfolgende Erklärung nahm Atticus nickend hin. "Da bin ich raus. Patrizierin, deine Schwester,... da bin ich sowas von raus", stellte er einfach nur fest und war sich sicher, dass sie beide sich da ganz und gar einig waren. Zumal Tiberia Corvina abgesehen von dem ein oder anderem Flirt – oder was auch immer Frauen machten, um Männer zu verwirren – kein Interesse an ihm zu hegen schien. Daher war sein Junggesellendasein noch gesichert.

    Dass er da in seinen Planungen schon weiter war, wunderte Atticus weniger. Auch wenn er da sehr sachlich dran ging, obwohl er alle Freiheiten hätte, es auch anders zu machen. "Ist sie denn hübsch, die Claudia?", fragte er nochmal nach. "Ich hatte ja neulich bei den Vigiles mit einer zu tun, die war... hoffentlich keine Referenz für die gesamte Gens." Vom Alter mal abgesehen und der ganzen Art des Auftretens hatte die Frau für Atticus' Geschmack deutlich zu viel Bleiweiß aufgetragen.


    Spinther trabte leicht neben Caudex' Pferd her und war mit dieser gemütlichen Gangart scheinbar ganz zufrieden, denn er schnaubte nur dann und wann einmal hörbar aus.

    "Schlag bei Frauen? Wenn du damit meinst, dass sie mich schlagen, wenn ich ihnen zu nahe komme, dann vielleicht." Atticus zuckte die Schultern und grinste. "Es gibt eine, aber... nicht zum heiraten oder sowas. Das ist mehr sowas wie eine Freundschaft", gab er dann aber zu. Und schalt sich einen Augenblick später einen Narren, da er ja gerade Caudex besser nichts von Lea erzählen sollte. Es war aber auch irgendwie schwer, die Balance zu finden zwischen den Geheimnissen, die er ihm gegenüber bewahren musste, und der Freundschaft, die er für ihn empfand. Es war einfach beschissen, wenn man vor Freunden Geheimnisse bewahren musste.

    "Und, hat Albina dich inzwischen soweit, dass du doch ein Tribunat machen willst?" wechselte Atticus dann so halb das Thema. Seine Gedanken waren immer noch bei Lea und ihrem Erzeuger, der wohl auch ein Tribun oder etwas ähnliches gewesen sein musste.

  • „Oh das wäre ich auch gern.“ Sagte er und nickte in Richtung der Fischer. „Manchmal wünsche ich ich könnte mit denen tauschen.“

    Nero sah dann wieder zu Atticus. „Ja ist sie, jung, hübsch und ja Patrizierin.“ ja sie war vorzeigbar aus gutem Haus. Eigentlich erfüllte sie damit schon alle Voraussetzungen. Alles andere spielte ja keine Rolle. Nero zuckte mit den Schulter. „Eigentlich ist es sogar fast unerheblich wie sie ist. Solang der Stammbaum stimmt.“ Ja genau das war es was stimmen musste.

    „Mehr so wie ein Freundschaft?“ Nero grinste wissend. „Oh solche FREUNDSCHAFTEN solltest du dir warm halten. Die sind immer von Vorteil.“ Wieder ritten sie eine Weile schweigend. Bis Albina zur Sprache kam. „Ja hat sie, zumal sie Unterstützung bekommen hat. In letzter Zeit wollen mich immer mehr Frauen zur Legio schicken. Ich weiß nicht wie ich das finden soll. Ja ich weiß ehre und so, aber ich bin nicht unbedingt erpicht darauf in die Schlacht zu ziehen.“ Nun die Schlacht war es nicht was er scheute, es war eher das was kommen konnten wenn es nicht so lief. Zu vieles was nicht in und unter seiner Kontrolle war. „Wie ist es bei dir? Müsstest du nicht ach für deinen Laufbahn noch einen weiteren Posten machen?“

  • Atticus folgte seinem Blick. "Ja, ich auch." Den ganzen Tag etwas tun können, ohne, dass jemand einem reinquatschte. So schlecht konnte das nicht sein.


    "Und wenn sie häßlich ist, ziehst du eine Decke übers Gesicht, oder wie?" fragte Atticus lachend, als Caudex meinte, nur der Stammbaum würde zählen. Das war ja wie bei der Pferdezucht. Atticus würde zwar auch jemanden von entsprechendem Stand heiraten, aber hübsch musste sie schon sein. So reich konnte die Frau gar nicht sein, dass er sich sonst überwinden würde.

    Zu der Freundschaftssache nickte er. Ja, er hatte vor, sich das warmzuhalten. Es war viel zu gut, als dass er das nicht tun würde. Auch wenn er nicht verliebt war oder sowas. Aber er wär ja schön blöd, das ganze deshalb sein zu lassen.


    "Hat das denn in deiner Familie Tradition? Also diese Tribunensache und das in die Schlacht ziehen und so?" Wär ja schonmal gut zu wissen, ob es da viele gab, die Leas Vater sein könnten, oder ob die Liste gleich auf ein oder zwei mögliche Kandidaten zusammenschrumpfte. Hauptsache, Caudex' Vater wäre nicht auf dieser Liste, dann wär alles schonmal halb so schlimm.


    "Klar, noch mehrere. Erstmal Subpraefectus, dann Einheitenwechsel irgendwohin, und zum Schluss Praefectus Vigilum. Aber hat alles noch Zeit, bin ja noch jung. Muss ja nicht gleich mit 25 halb Rom leiten."

  • Nero lachte „Ein Familienwappen wäre auch noch eine alternative, denn schließlich tut man es doch für die Familie oder?“ Genau dafür tat man es doch und ob nun alt oder jung, schön oder hässlich. Er würde es nehmen wie es kam. Lieber oder dergleichen konnte die Frau nicht erhoffen. Respekt vielleicht wenn sie sich seinem Respekt würdig erweisen würde. „Hm nein eigentlich nicht. Der letzte tiberische Senator ist ja auch schon etwas her und der hat sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Sonst... nun ja meine Brüder waren aber alle bei der Legio... nicht standesgemäß, aber als sie mit Vater gebrochen ahben mussten sie ja irgendwie an Geld kommen. Was macht man wenn man mittellos ist? Genau...“ Nero rollte mit den Augen. „Ich weiß gar nicht so recht wo es sie hin verschlagen hat. Verus war in Germanien das weiß ich. Meine Brüder eher im Nordosten. Zumindest weiß ich das von Cerco. Ich fand unter den Unterlagen einen Brief, den er geschrieben hat. Viel bla bla, das er weiß das er verstoßen wurde und so. Aber das er einen Frau irgendwo wo am schwarzen Meer hatte und dass wenn ein Sohn von ihm eines Tages mit seiner Marke und dem Wappen bei uns vor der Tür stehen sollte wir ihn aufnahmen müssten, weil er dann nur noch uns hätte und von seiner Mutter verstoßen worden wären. Ich habs nicht so recht verstanden. Irgendwas mit das die nur Töchter behalten und die Söhne zur ihren Vätern schicken oder so was. Wirrer Mist. Ich glaub er war schon nicht mehr bei Sinnen. Kurz danach ist er ja auch verstorben. Aber ich glaub nicht das da noch wer kommt. Immerhin ist der Brief schon 16 Jahre alt.“

    Huch da hatte Nero den jungen Mann wohl zu getextet. Aber irgendwie war es bei seiner Familie schon komische alle seine Brüder hat es in die unteren Ränge der Legio verschlagen. Warum, dass wussten wohl nur die Götter.

    „Hm warum nicht. Ich denke die Kaiserin würde das schon gen sehen.“ Sagte Nero grinsend. „Also ich denk du kannst als der jüngster Praefectus Vigilum in die Geschichte Roms eingehe.“

  • Atticus musste bei der Bemerkung mit dem Wappen lachen. An der Stelle tickten sie wohl unterschiedlich, denn es gab Dinge, die Atticus bei aller Familienliebe nicht übers Herz bringen würde.

    Aber das Lachen hielt auch nicht lange. Caudex erzählte. Von seinem Bruder. Warum ausgerechnet von seinem Bruder? Konnte es nicht irgendein entfernter Schwippschwager neunten Grades sein, den man nur auf irgendwelchen Ahnentafeln fand? Musste es ausgerechnet ein so naher Verwandter sein? Atticus war nicht gänzlich blöde. Die Chance, dass Lea die Tochter eben jener Frau war, war astronomisch hoch. Es passte einfach alles zusammen. Insbesondere, als Caudex noch die Marke mit dem Wappen erwähnte. Woher sonst sollte Lea die haben?


    Mit einem Mal fühlte Atticus sich elend. Wirklich elend. Warum nur hatte er überhaupt gefragt? Warum nur hatte er überhaupt mit Lea geschlafen? Warum überhaupt hatte er sich um diesen Drecksanhänger gekümmert und ihn wieder sichtbar gemacht? Es hätte alles so schön sein können. So einfach. Einfach nur genießen und leben. So ein wenig wie die Fischer am Strand. Nichts weiter. Keine Gedanken, keine Komplotte, keine Geheimnisse. Atticus hasste das alles.

    Und stattdessen? Geheimnisse über Geheimnisse, Intrigen, Sex, vielleicht irgendwo ein Mord, den er schon wieder vergessen hatte, Komplotte und lauter Lügen.


    Atticus schwieg, und Spinther spürte, dass irgendwas mit seinem Reiter nicht stimmte. Oder er war einfach nur faul und nutzte die Unachtsamkeit. Er wurde ein wenig langsamer. Atticus fiel etwas zurück und merkte es erst einmal nicht mal, so tief war er in Gedanken. Wie kam er da nur wieder raus? Vielleicht sollte er doch die Kaiserin ansprechen und sie bitten, ihn zu versetzen. Germanien sollte ja gar nett sein.

  • Nero sah Atticus verwundern an und brachte sein Hengst zum Stehen, bis Atticus wieder auf seiner Höhe war. „Hab ich was falsches gesagt?“ Nero fuhr sich unsicher durch die Haare, tat er immer wenn er nicht weiter wusste. „Als du weißt, dass ich nur einen Scherz gemacht habe mit der Kaiserin und so. Ich denk schon, dass sie deiner Karriere auf die Sprünge helfen wird, aber so massiv wird sie das wohl nicht tun. Nimm es mir nicht krumm? Ja?“ Nero hatte nun wirklich nicht gewollte, das Atticus sich deswegen angegriffen fühlte. „Ich will und wollte in keinster Weise deinen Leistungen schmälern.“ Versuchte er irgendwie die Situation zu retten.

  • Scheiß Zwickmühle. Atticus hasste es. Wofür sollte er sich entscheiden? Caudex war ein guter Freund geworden, aufrichtig, fürsorglich, auf das Wohl anderer bedacht. Lea war wunderschön, aufregend, andersartig. Caudex hatte ihm Geheimnisse anvertraut. Lea hatte ihm Geheimnisse anvertraut. Caudex war ein Kerl, Lea eine Frau, die gerne ein Kerl wäre. Die Freundschaft mit Caudex war einfach. Die Freundschaft mit Lea beinhaltete Sex.


    "Hm?" machte Atticus, als Caudex eine Antwort auf etwas gab, das gar nicht gefragt worden war. "Was? Du..?" Atticus brauchte einen Augenblick, um die Aussage mit seinem eigenen Gesichtsaudruck in Verbindung zu bringen. Als der Sesterz dann gefallen war, hob er beschwichtigend die Hand.

    "Das? Nein, du brauchst dich nicht entschuldigen. Hat nichts mit dir zu tun. Ehrlich. Ich... musste nur grade an was denken." Atticus atmete tief durch und trieb Spinther wieder zu etwas mehr Enthusiasmus bei der Reise an. Der große Fuchs war alles, außer enthusiastisch.

    "Ich werd morgen wohl mal zu meiner Mutter gehen. Saturnalien feiern und so. Ich werd dann wohl nicht in der Villa Tiberia vorbeikommen. Aber danach gehen wir uns amtlich besaufen, in Ordnung? Also... ich saufe, und du trägst mich dann heim." Dass Caudex nichts trank, wusste er ja. Aber nach dem, von dem Atticus wusste, dass er es tun musste, würde er sich definitiv betrinken wollen.

  • Nero war erleichtert, denn ja Atticus war inzwischen ein Freund geworden. Wenn er es genau betrachtet war er der einzige Freund den er je hatte. Alle wollten mit ihm bekannt sein, Freund sein. Weil er eben war wer er war. Aber Atticus war anders ihm ging es nicht um seien Geld, den Ruf oder sonst was. Er war einfach.. ein Freund eben. „In Ordnung.“ Sagte er daher schlicht. „Du trinkst und ich pass auf, dass du auch sicher nach Hause kommst.“ Dann nahm er die Zügel in die Hand und sah Atticus herausfordern an. „Wer zuletzt bei den Stallungen ist, ist ne lahme Ente.“ Und schon trieb er sein Pferd an, er wusste doch zu genau, dass Atticus sich nicht lange würde bitte lassen, denn Wettstreit war eben Wettstreit.