[Tablinum] Ein erstes Gespräch mit Claudia Agrippina

  • ....und setzte sich auf den Platz der für den Empfang der Klienten vorgesehen war und nahm einen Schluck von verdünnten Wein. „ Die Architektur ist die eine Sache. Die Nebensache wegen der ich hier bin. Der Hauptgrund ist ein anderer.“ Lucius wartete ab , bis Claudia Agrippina aufgeschlossen hatte. „ Der Hauptgrund ist, dass ich zur Zeit der einzig greifbare Nachkomme der Claudier bin und das Zeug dazu hätte in den Senat einzuziehen. Es wird wieder einen Claudier im Senat geben, das habe ich mir vorgenommen und werde es bei allen Göttern durchziehen. Das bin ich unserer Gens und meinem verstorbenen Vater schuldig.“ Was weiter zu realisieren war, das würde sich mit der Zeit zeigen. „ Jetzt kennst du den Hauptgrund meiner Anwesenheit.“ Das bedeutete, dass er nicht nur vorübergehend hier weilte. Er blieb in Rom. „ Wer bewohnt zur Zeit die Villa?“ fragt er höflich nach um sich ein Bild zu machen.

  • Oh, natürlich! Wie hatte ich nur so unaufmerksam sein können! Nach so einer langen und wahrscheinlich auch entbehrungsreichen Reise, war das Atrium gewiss nicht der beste Ort für eine Konversation. So folgte ich meinem neu angekommenen Vetter ins Tablinium und nahm ihm gegenüber Platz. Ich war schon sehr gespannt darauf, was er zu erzählen hatte. Denn bisher war Eleusis meine kleine Welt gewesen. Seitdem ich in Rom angekommen war, war diese kleine Welt stetig gewachsen und neue Aufgaben, die zuvor mein Vater oder mein Bruder übernommen hatten, fiel nun auf mich zu.

    Wie sich in unserem Gespräch dann ergab, war die Architektur lediglich eine Nebensache, weswegen er nach Rom gekommen war. Nein, seine Pläne waren weitaus ehrgeiziger und zielstrebiger. Es waren jene Pläne, weswegen jeder prädestinierte junge Mann von guter Herkunft aus der Provinz nach Rom kommen wollte. Es war die Bestimmung einer jeden alteingesessenen Familie von Rang und Namen, zumindest einen der Ihren im Senat zu sehen. Mit keinem geringeren Ziel war Claudius Calvus nach Rom gekommen und seine Worte klangen so, als ließen sie keinen Widerspruch zu.


    "Mein Beileid, Calvus"!, entgegnete ich ihm zunächst, da er den Tod seines Vaters erwähnt hatte. Ich wusste selbst, wie schmerzlich es war, den Vater zu verlieren. Ein solcher Verlust verlangte oft von uns, dass wir über uns selbst hinauswachsen mussten, um den freigewordenen Platz wieder füllen zu können.


    "Das ist ein sehr lobenswertes und erstrebenswertes Ziel, lieber Vetter! Im Augenblick ist es in der Tat nicht sehr gut um unsere Familie bestellt. Nach dem Tod meines Vaters, obliegt es nun meinem Bruder Maecenas, sich um unser Landgut  in Eleusis zu kümmern, bis sich ein vertrauenswürdiger Verwalter dafür gefunden hat. Solange wir er wohl noch fern bleiben müssen von Rom." Ich betete fast täglich dafür, dass der Tag bald kommen würde, an dem ein Brief seine Ankunft in Rom in Aussicht stellte.


    "Ansonsten bewohnt derzeit noch Tante Marcella die Villa und natürlich meine Wenigkeit. Marcella ist die jüngere Schwester meines Vaters. Ihr Gatte ist erst vor wenigen Monaten verstorben. Dies hat sie nun zum Anlass genommen, um nach Rom zu kommen. Ihre Intention war es, mich hier zu unterstützen und mir etwas Halt zu geben. Denn der Grund meines Hierseins ist der, einen geeigneten Gatten für mich zu finden. Dafür hat mein Bruder mir einen altgedienten Klienten meines Vaters als Begleiter und Verhandlungsführer mitgeschickt, ein gewisser Maevius Tullinus. Unglücklicherweise sind seine Bemühungen bislang wenig von Erfolg gekrönt worden." Ich schon sehr versucht, ihm auch über meine eigenen Bemühungen zu berichten. Doch mir schwante, dass das unkonventionelle Zusammenreffen mit Tiberius Caudex nicht unbedingt den Traditionen und Gepflogenheiten unserer Familie entsprach. Doch vielleicht gelang es mir ja, ihn geschickt auf den Tiberius aufmerksam zu machen.


    "Nun ja, auf Grund dieser unzufriedenstellenden Situation, habe ich mich inzwischen nun selbst ein wenig informiert. Die Tiberii verfügen über einen jungen aufstrebenden Kandidaten, den es ebenfalls in den Senat zieht. Ein gewisser Tiberius Caudex."

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  • Er nickte ihr, der dargebrachten Beileidsbekundung, dankend zu. „ Es ist über ein Jahr her. In dem Jahr hatte ich Zeit um alles zu kümmern. Unsere Güter waren schon in der Obhut von Verwaltern. Ich musste mir nur den großen Überblick verschaffen. Nicht leicht aber sehr interessant und eine Erweiterung meines Wissens.“ Der Quell des Geldes versiegte nicht, sondern schwoll weiter an. Clavus hatte zu seinen bescheiden zwei Villa rusticae, durch das Erbe, 5 weitere dazu bekommen. „ Claudia Marcella und du. Natürlich auch der Klient deines Vaters. Damit ist die Villa relativ leer, also ausreichend Räumlichkeiten um meine 5 Veteranen hier unterzubringen. Claudia Marcella wird nicht ihren ganzen Haussklaven mitgebracht haben?“ Calvus rief Mina heran. „ Rufe die Sklavenschaft des Hauses im Atrium zusammen. Ich habe etwas mitzuteilen.“ Er sah zu Claudia Agrippina und lächelte. „ Ich glaube du bist froh die Geschäfte abgeben zu können.“ Alles was es sonst zu regeln und zu klären galt musste man nicht an diesem Abend klären. „ Tiberius Caudex, der Name ist notiert, da kümmere ich mich morgen. Eine Einladung, eine kleine cena, es wird sich finden.“ Calvus merkte wie sich Müdigkeit bei ihm breit machte. Die Sklaven waren seine heutige letzte Abhandlung. Danach ins Balneum. „ Würdest du mich ins Atrium begleiten, Agrippina?“

  • Nickend verfolgte ich Calvus Rede. Gewiss würde mein Bruder Maecenas das Gleiche von sich behaupten können, wenn er in Eleusis alles geregelt hatte. Es war nur zu hoffen, dass es nicht auch ein Jahr dauerte, bis ich ihn wieder sehen würde. Ich vermisste ihn jetzt schon ganz schrecklich!

    In der Tat, die Villa war beinahe verwaist. Doch vielleicht würde nun mit ihm wieder etwas mehr Leben einziehen.

    "Marcella hat die meisten ihrer Sklaven verkauft.Sie wollte sich wohl hier in Rom mit neuen Sklaven eindecken. Einen weiblichen Custos hat sie sich bereits angeschaft."

    Ein weiblicher Custos war zwar etwas unkonventionell, wie ich fand, jedoch war ja auch Tante Marcella in ihrer Art etwas speziell. Gewissermaßen ihrer Zeit vorraus."Ganz gewiss wird genug Platz sein, für deine Veteranen."


    Als Calvus der Sklavin befahl, alle Sklaven im Atrium antreten zu lassen, wagte sie erst einen Blick zu mir, als wolle sie sich absichern. Doch ich nickte ihr lächelnd zu, so dass sie darauf das Tablinium verließ und die Anordnung des neuen Hausherrn ausführte. Kaum war sie verschwunden, wandte sich Calvus wieder an mich und lächelte. "Du sagtst es, lieber Vetter. Schließlich bin ich ja nur eine Frau! So kann ich mich wieder mehr meinen Aufgaben und Interessen widmen." Dann hatte ich auch wieder mehr Zeit für Onatas. Ich liebte es, ihm beim Zeichnen zuzuschauen. Vielleicht konnte er nich eine weitere Zeichnung von mir anfertigen, die dann dem Tiberius zukommen lassen konnte. Zumindest hatte Calvus nun schon einmal seinen Namen gehört und war nicht gegen ihn abgeneigt.

    Schließlich erhob ich mich und schritt nach ihm zurück ins Atrium. "Aber gerne, Vetter!"

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