[Hortus] Ich weiß, dass ich nichts weiß

  • Nach der großen Liebe klang es nicht in Corvinas Ohren, aber die konnte ja noch wachsen. Auch sie hatte schließlich eine ganze Weile gebraucht, bis sie sich mit dem Gedanken an die Ehe auch nur angefreundet hatte, und noch mehr Zeit, bis sie ihre Zuneigung zu Nero entdeckt hatte. Und noch einmal mehr Zeit, ehe sie sich eingestand, dass sie sich tatsächlich zu ihm hingezogen fühlte. Und so wirklich bewusst wurde es ihr erst, als er sich ihr so gänzlich anvertraut hatte, indem er ihr seinen vernarbten Rücken gezeigt und sich so verletzlich gegeben hatte und sie erst einmal nur geschockt dagestanden und geweint hatte. Erst da hatte sie wirklich gemerkt, dass sie ihn tatsächlich haben wollte.


    “Du wirst das sicherlich großartig machen. Und wir sind Aurelier, da sollte die Aufnahme in ein Collegium doch reine Makulatur sein“, versuchte Corvina ihn ein wenig aufzumuntern. Aber es stimmte auch, dass wohl wenige Familien so gute Voraussetzungen hatten, in ein beliebiges Collegium Roms aufgenommen zu werden, wie die Aurelier, die in einigen Collegien schon gut vertreten waren.


    Als er sich dann wieder aufrichtete, um sie anzusehen und zu necken, wurde Corvina rot, was mit ihren vom weinen geröteten Augen und der blassen Haut sicherlich besonders auffiel. “Ja, er küsst wirklich gut, aber das war es nicht. Also, ich meine, das hat sicherlich dazu beigetragen, aber wir haben uns ja nun schon ein paar mal mehr getroffen und so viel miteinander geredet und er ist in so vielen Dingen so ähnlich wie ich! Und er ist so sanft und nett, wenn wir beieinander sind. Wir haben so viel gesprochen miteinander und er hat mir so viele Dinge versprochen....“ Corvina versuchte, es zu erklären, ohne gewisse körperliche Aspekte ihrer treffen zu erwähnen, die sicherlich auch mit hineinspielten. Aber sie konnte Faustus gegenüber keinesfalls zugeben, dass sie sich noch weit öfter geküsst hatten als das eine Mal, ganz zu schweigen von den Dingen, die er mit seiner Hand erst nur ganz leicht in der Villa Tiberia, dann aber sehr deutlich im Garten der Villa Aurelia getan hatte. Das durfte sie auf gar keinen Fall erwähnen. Aber beim Gedanken daran errötete sie noch ein wenig stärker.

    “Er erlaubt mir sogar, unsere Kinder selbst zu stillen, wenn ich das möchte. Also, wenn die Götter uns welche schenken.“ Wenn sie in der Hochzeitsnacht nicht vollkommen versagte und Nero sich von ihr dann abwenden würde. Letzteres glaubte sie zwar nicht wirklich, dafür war er wirklich zu nett, aber er war auch ein junger Mann mit Bedürfnissen.

    “Und er möchte gerne etruskisch lernen, damit wir beide es dann mit den Kindern üben können. Völlig freiwillig!“ Und ja, Faustus wusste, wie schwer es war, diese Sprache zu lernen, die so viele fremdartige Laute in ihrer Sprache vereinte. “Und ich möchte unbedingt, dass das alles gelingt. Wenn die Hochzeit doch nur schon vorbei wäre, damit ich keine Angst mehr davor haben muss...“

  • Ich grinste. „Nett...?“ fragte ich als ich das rot angelaufene Gesicht meiner Cousine sah. „Lass ihn das bloß nicht hören.“ sagte ich dann laut lachend. „Wenn ein man was nicht hören will, dann ist es das er nett ist.“ Ich musste mich wirklich beherrschen keine Lachanfall zu bekommen. Nun ja wen er sanft und nett zu meiner kleine Corvina war, dan war für mich zumindest soweit alles in Ordnung. „Wirklich?“ Fragte ich und runzelte die Stirn. „Du willst deinen Kinder selbst stillen und er erlaubt es?“ Törichter Kerl, aber das sollte nicht meine Sorge sein. Wenn de beiden das so wollten dann wegen mir. „Er will was..?“ Und nun lachte ich doch wieder. „Corvina? Das willst du ihm antun? Du weiß wie schwer uns das gefallen ist und wir waren Kinder, die lernen bekanntlich schneller. Aber wenn er es wirklich lernen will, dann musst du mich unbedingt zu einer Unterrichtsstunde einladen, das will ich mir nicht entgehen lassen.“ Oh ja das wollte ich nicht, denn er würde sich die Zunge dran brechen, dass wusste ich aus eigener Erfahrung.

  • Warum lachte er denn jetzt so? Corvina sah verwirrt auf, dann wurde sie eine kleine Spur ärgerlich und piekste ihn mit einem spitzen Finger in die Seite genau unterhalb der Rippen. “Du bist auch nett. Zumindest, wenn du aufhören könntest, meinen Verlobten auszulachen“, sagte sie. Was hatte er gegen nett? Sie war auch nett, hoffte sie zumindest. Nett war doch gut?

    Corvina hätte sich denken können, dass er Einwände gegen das Stillen hegte. In der besseren Gesellschaft überließ eine Frau das einer Amme, abgesehen von vielleicht den ersten paar Wochen. Frauen, die stillten, waren von wichtigen, gesellschaftlichen Ereignissen ausgeschlossen, da diese selbstverständlich ohne Säugling im Arm zu absolvieren waren. Außerdem war eine Frau häufig nicht fruchtbar, während sie stillte, und es galt schließlich, Nachkommen zu zeugen. Corvina hatte nicht vor, jahrelang zu stillen – eine Amme tat dies üblicherweise, bis das Kind etwa 4 Jahre alt war – aber eben doch länger als die ersten zwei oder drei Wochen. “Es ist bislang nur ein grober Plan und ja, er erlaubt es“, antwortete sie entsprechend kurz angebunden und fühlte sich töricht, ihm überhaupt davon erzählt zu haben.

    Noch törichter fühlte sie sich, als er gleich wieder den nächsten Lachanfall bekam, weil Nero etruskisch lernen wollte. Sie piekte ihn wiederholt nochmal, damit er aufhörte. “Hörst du wohl auf, meinen Verlobten zu verspotten“, sagte sie, musste aber selber grinsen. Es war so albern. “Und ich finde es sehr edel von ihm, das lernen zu wollen. Und nein, ich lade dich ganz sicher nicht ein, wenn wir üben. Du könntest selber nochmal Unterricht brauchen.“

  • Ich lachte noch mehr. „Ach komm schon.“ Sagte ich und lachte. „Nett mag für einen Frau gut sein, aber wirklich ein Mann will nicht nett sein.“ Sagte ich zwinkernd. „Also bitte sag nie das ich nett bin. Ich bin gutaussehend, lieb, zuvorkommend, Frauen verstehend aber ich bin nicht nett.“ Ich musste mich erst mal beruhigen. „Ja ich weiß das ich auch eine Auffrischung gebrachen kann und genau deswegen wirst du mich zu einer Unterrichtsstunde einlade.“ Sagte ich und grinste breit. „Du willst dich nicht das ich es verlerne oder?“ Ich grinste immer noch, denn ja da würde lustig werden. „Ich kann ja auch mit deinem baldigen Mann zusammen lernen.“ Das würde noch witziger, ich würde ihm allen möglichen Quatsch beibringen. Das würde ein Spaß werden, der Kerl war eh immer viel zu ernst.

  • Jetzt lachte der noch mehr! Jetzt war dann doch auch Corvinas Spieltrieb auch geweckt und ihre kindische Seite kam durch. Meistens war diese ja unter einem Berg an Sittsamkeit begraben, aber gerade eben schaffte ihr Cousin es doch, sie vorzuholen, als wären sie beide wieder zehn Jahre alt und säßen in ihrem selbstgebauten Castell im Garten.

    “Du bist der netteste Mann, den ich kenne“, meinte sie und streckte ihm kurz die Zunge raus. Da er aber nicht mit Lachen aufhörte und jetzt noch mehr herumalberte, warum er bei Unterrichtsstunden dabei sein musste, rutschte sie jetzt doch weiter auf die Knie, um zum Angriff übergehen zu können. Da der pieksende Finger offensichtlich nicht gereicht hatte, mussten jetzt halt beide Hände die kitzligen Stellen an der Seite finden. “Such dir gefälligst deine eigene Lehrerin!“ lachte sie dabei und versuchte, sich zu erinnern, wo Faustus kitzelig gewesen war.

  • Das pieksen ging noch, als sie nun aber anfing mich zu kitzeln, war es als wären wir wieder Kinder. Und ich quietschte, ja auch Männer quietschen wenn man sie kitzelt, auf. „Na warte.“ Schon war ich es der sie ordentlich kitzelte. Als wir nun beide kaum noch Puste hatten,. Fragte ich. „Friede?“ Und nahm sie lachend in den Arm. Ihre Wangen waren vom toben und vielen lachen gerötet. Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange. „So gefällst du mir schon besser, denn so sollte eine glückliche Frau aussehen.“ Sagte ich und zwinkerte ihr zu. Denn ja sie war immer so zurückhaltend, ab und an musste man das kindlich mal herauslassen. Und ich war für so einen Blödsinn immer zu haben. „Ich hab dich lieb Cousinchen“ Sagte ich noch und drückte sie noch einmal fest an mich.

  • Als er anfing, zurückzukitzeln, kreischte Corvina auf und versuchte noch, zu entkommen, aber keine Chance. “Zurückkitzeln gildet nicht!“ beschwerte sie sich kindlich und versuchte, sich so gut es ging zu wehren.

    Als er schließlich um Frieden bat, japste sie nach Luft und stimmte dem Waffenstillstand mit einem Nicken zu. Faustus war größer und stärker als sie, sie waren keine Kinder mehr, und wenn er wirklich gewollt hätte, sie hätte ohnehin keine Chance gehabt. Er zog sie in seine Arme und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Corvina umarmte ihn zurück und genoss noch einen kurzen Moment die Unbeschwertheit. Sie war froh, dass ihr Cousin hier in Rom war. Mit ihm war es so wie früher. Mit ihm war es einfach. Und sie hatte gar nicht gewusst, dass sie das ab und an mal brauchte.

    “Ich liebe dich auch, Faustus. Und du bist trotzdem nett.“ Bei den letzten Worten bekam auch er einen dicken Schmatz auf die Wange, ehe sie ihn losließ und einmal nachfühlte, wie schlimm ihre Haare wohl gerade gelitten hatten. “Den Göttern sei dank war unser Onkel beschäftigt. Stell dir vor, der hätte uns erwischt.“ Sie grinste wie früher, wenn sie als Kinder etwas ausgefressen hatten, was niemand von den Erwachsenen mitbekommen durfte, weil sie sonst riesigen Ärger bekommen hätten. Aber ja, Mann und Frau, die sich lachend und kreischend auf einem Bett balgten, das hätte schon andere Assoziationen wecken können.

  • Ja unser Onkel war beschäftigt. Störte es mich, das er seien Sklavinnen vögelte nicht im geringsten. Störte es mich, dass er einen vögelte die Corvina schon sehr ähnlich sah? Ja gewaltig. Würde ich mir deswegen das Maul verbrennen? Nein, denn ich hatte keine Todessehsucht. „Ja er ist in letzter Zeit öfter mal intensiv beschäftige. Unser Glück.“ Aber was hätte er denn schon machen sollen wen er uns erwischt hätte? Nichts genau nichts, denn wir waren zusammen aufgewachsen wie Bruder und Schwester und benahmen uns mitunter halt genau so. „Aber nun werden wir wieder so tun als sein wir erwachsen in Ordnung?“ Fragte ich grinsend und erhob mich. „Wir sehen uns ja später beim Abendessen.“

  • Als Glück würde Corvina das nun doch nicht unbedingt bezeichnen, aber sie wusste ja, was Faustus meinte. Oder zumindest dachte sie sich, dass sie wusste, was er meinte.

    Er verabschiedete sich dann auch gleich und grinste Corvina frech an. “Ja, bis zur Cena. Und Faustus? Danke.“ Corvina war ihm ehrlich dankbar, dass er sie aus ihrer Melancholie geholt hatte. Die Grüberleien waren zwar dadurch nicht verschwunden, aber Corvina fühlte sich von ihren Gedanken nicht mehr gar so sehr erschlagen.


    Sie wartete also, bis Faustus gegangen war, schnappte sich ihre Haarbürste, um ihr Haar einigermaßen zu richten, und ging dann wieder in Richtung ihres Nähzimmers, um weiter an ihrer Tunica Recta zu arbeiten.