Die Fornicalia waren jedes Jahr ein herrliches durcheinander. Im Grunde war die Sache ja ganz einfach: Die Curien opferten der großen Göttin Fornax Getreide, jede Curie nach ihrem eigenen Ritus und ihren eigenen Formeln und Gebräuchen an einem vom extra dafür zuvor von der Curie gewählten obersten Priester, dem Curio Maximus, bestimmten Platz. Jetzt musste jedes Familie also nur zu eben jenem Platz gehen und das zuvor gewählte Getreide des Hauses dort opfern. So weit, so einfach.
Das schwierige war nur: Die meisten Familien wussten nicht, zu welcher Curie sie eigentlich gehörten. In der frühen Republik, als die insgesamt dreißig Curien noch eine gewisse Macht hatten, hatte man dies stets gewusst. Doch dann waren je zehn Curien zu einem Tribus zusammengefasst worden. Später lösten neue Tribus die alten ab und weitere Tribus kamen hinzu. Und während für sämtliche urkunden und Unterlagen eben jener Tribus dauernd gebraucht wurde, war das mit der dazugehörigen Curie eben nicht so. Man brauchte sie eigentlich nur noch an diesem einen Tag, und gerade bei den neuen Tribus und wenn man selbst kein Patrizier war, der die eigene Familiengeschichte bis nach Troja zurück herunterbeten konnte,, oder aber bei allen eingebürgerten Familien war das dann durchaus eine Herausforderung, die passende Curie zu erwischen. Mit ein Grund, warum es eine Woche später noch die feriae stultorum geben würde, damit all diejenigen auch noch opfern konnten, die es in erster Instanz versaut hatten und zur falschen Stelle gegangen waren.
Nun, die Iunier konnten ihre Familiengeschichte sehr, sehr, SEHR weit zurückverfolgen. Auch wenn Axilla dem plebeischen Zweig entsprang, der sich irgendwann einmal vor Urzeiten vom patrizischen Zweig gelöst hatte. Doch glücklicherweise änderte das nichts an der zuständigen Curie. Jetzt musste Axilla sie nur noch hier in diesem wilden Gewusel finden.
Sie kämpfte sich durch die ebenfalls suchende Menge, verteilte hier und da, wenn nötig, einen leichten Kick mit dem Ellbogen und sah schließlich den lang ersehnten Schriftzug, der zu ihrer Curie gehörte. Erleichtert atmete sie durch und schaute erst einmal, ob das kleine Bündel mit dem Emmer noch da war. Das war es.
Axilla trat die Stufen zu dem Gebäude hoch, das heute als Versammlungsort ihrer Curie dienen würde, und reihte sich bei den Opferwilligen ein, bis sie schließlich an der Reihe war.
"Im Namen der Familie der Iunier überreiche ich zu Ehren der Fornax dieses Getreide", übergab sie den Beutel mit dem Getreide. Der zuständige Curienmeister nickte, nahm das Bündel entgegen und tippte unauffällig auf eine Schriftrolle. Axilla nahm den Wink auf und las den archaischen Text, der in ihren Ohren so überhaupt keinen Sinn ergab, aber wohl zu der Zeit, als die heiligen Formeln aufgeschrieben worden waren, gängige Sprache waren. Es stand ihr nicht zu, Kritik an den Vorvätern zu üben, sie musste nur dem Ritus folgen. Und als eben das geschehen war und sie noch mit Wasser besprengt worden war, reihte sie sich auch in die Reihe derer ein, die warteten, während ihr Getreide zusammen mit dem anderen vermahlen wurde und schließlich in den großen Feldöfen zu Brot gebacken wurde, zu Ehren der Göttin.