(Obergeschoss) Wohnbereich Jumshagin

  • Missmutig und sehr griesgrämig, saß Jumshagin in seinem Wohnbereich. Kurz nachdem er sich mit Anippe amüsiert hatte, ging jene auf Reisen.

    Er hatte keine Freude an der Arbeit, keinen rechten Appetit.

    Vielmehr stapfte er durch den Wohnbereich, wie ein aufgebrachter Bär, oder er saß im Sessel und blies Trübsal.

    Er, welcher stets allein, von Cengiz abgesehen, höchstens noch seine Reiter um sich habend, vermisste plötzlich etwas und das machte ihn reizbar, sehr reizbar.

    Nicht einmal Cengiz traute sich zum ihm.

  • Handle nie in Wut. Es bedeutet, im Sturm in See zu stechen.

    Thomas Fuller (1608 – 1661)


    Auch Yaris war das plötzliche abreisen der jungen Frau ein Rätsel. Sie schien doch so glücklich mit seinem Herrn zu sein. Wieso also diese plötzliche Flucht? Ja. Es kam einer Flucht gleich, zumindest in den Augen des jungen Persers. So war es nicht verwunderlich, dass sich Yaris sehr um seinen Herrn sorgte und sich dennoch auf Zehenspitzen durch das Haus bewegte. Denn von Cengiz hatte er in Erfahrung gebracht, dass die Gemütslage seines Herrn äußerst angespannt war und dieser äußerst jähzornig sein konnte. So hielt sich der Sklave bedeckt und versuchte seine Studien der römischen Sprache weiter voran zu treiben.


    Eines Tages jedoch konnte es Yaris einfach nicht mehr mit ansehen, wie sich sein Herr in Trübsal aalte und beschloss all seinen Mut zusammen zu nehmen, und seinem Herrn unter die Augen zu treten. Um einen Grund zu haben, seinen Herrn zu besuchen, hatte er sich in der Küche eine Schüssel mit kleinen Küchlein geschnappt. Diese würde er auf direktem Weg zu seinem Herrn bringen. Vielleicht würde diese Nascherei die Laune des Dunkelhaarigen heben.


    Als Yaris schließlich vor den Räumlichkeiten seines Herrn ankam, atmete der Perser tief durch, bevor er anklopfte und auf das wohl vertraute -Herein- wartete. Danach erst würde der Sklave eintreten und hinter sich die Türe schließen. Die Schüssel mit den kleinen Küchlein präsentierte er auch schon seinem Herrn, nachdem er dessen Räumlichkeiten betreten hatte.


    “Eine süße Kleinigkeit, damit dein Herz wieder fröhlicher wird Herr.“


    Sprach Yaris mit samtener Stimme, in lateinischer Sprache, wenngleich diese Sprache ihm immer noch schwerlich über seine Lippen entwich.

  • Immer noch griesgrämig saß er im Sessel, als es klopfte. Er brummte ein "Herein". Yaris, der treue Diener, stand da und brachte kleine Küchlein. Er winkte den Knaben heran und deute auf einen der Sessel. Yaris sollte sich setzen, auch wenn die ungehörig, so war es doch Jumshagin egal, er wollte mit jemanden reden und Cengiz schien der Mutverlassen zu haben, um ihn aufzusuchen.

    "Danke Yaris und setzt Dich hin. Nimm Dir ein Küchlein und höre zu. Sie ist weg, einfach so auf Reisen gegangen. Dein Herr ist nun zutiefst unglücklich."

    Er nahm selbst eines der Küchlein und aß es. Es war schon ungewöhnlich genug, dass er vor einem Diener seine Seele offenbarte.

  • Handle nie in Wut. Es bedeutet, im Sturm in See zu stechen.

    Thomas Fuller (1608 – 1661)


    Die Tatsache, dass Anippe einfach so verschwunden war, war auch an Yaris Gehör gedrungen und hatte den Dunkelhaarigen sichtlich verwirrt. Sein Herr und Anippe sahen so glücklich miteinander aus und verlobt hatten sie sich doch auch. Und dann war Anippe einfach so verschwunden? Nein. Das konnte der junge Perser einfach nicht glauben. Aber so scheint es tatsächlich den Eindruck zu machen. Denn das Gästezimmer war leer und auch sonst hatte Yaris die junge Frau nicht mehr erblicken können. Alles sehr merkwürdig, geisterte es dem Sklaven durch den Kopf, dessen Finger sich um die Schüssel mit den kleinen Köstlichkeiten betteten und er darauf wartete eintreten zu dürfen. Als schließlich ein gebrummeltes -Herein- erklang, atmete Yaris tief durch und betrat das cubiculum seines Herrn. Rasch hatte er die Türe hinter sich geschlossen und wartete.


    Sein Herr bemerkte ihn jedoch und was Yaris verwunderte war die Tatsache, dass er von seinem Herrn tatsächlich einen Sitzplatz ihm gegenüber angeboten bekam. Vorsichtig stellte Yaris die Schale mit den leckeren Köstlichkeiten auf einem kleinen Tisch ab, bevor er sich seinem Herrn gegenüber auf das weiche Polster des Sessels setzte. Das Polster war tatsächlich äußerst weich, so dass der persische Sklave den Eindruck bekam, er würde jeden Augenblick mit dem Polster verschmelzen. So setzte er sich an den Rand des Sessels, um bei Bedarf sofort aufspringen zu können, wenn dies sin Herr verlangte.


    Die Küchlein jedoch ließ Yaris unangetastet. Schließlich waren diese für seinen Herrn bestimmt und so bettete er seine Finger in seinen Schoß und lauschte den Worten des Älteren.


    “Mein Herr darf sich nicht in Trübsal aalen. Anippe hatte bestimmt einen Grund, wieso sie einfach so verschwunden ist. Und dir nicht Bescheid gegeben hat Herr.“


    Dabei nickte der junge Perser und neigte seinen Kopf kaum merklich auf die Seite.


    “Anippe würde es bestimmt nicht gefallen, wenn sie dich nun so sehen würde.“


    Dann verstummte Yaris auch schon und atmete tief durch. Jetzt war sein Herr an der Reihe. Aber Trübsal blasen kam nicht in Frage.

  • Jumshagin blickte auf und sah Yaris lange an.

    "Du bist sehr klug, mein persischer Freund. Du wirst hier noch viel lernen. Ach so wir werden einen Stallburschen kaufen, für unsere Rösser und das Fuhrwerk.

    Dann werdet ihr beide im Handwerk ausgebildet, jeder muss fast alles können, wie es bei uns Sitte."

    Dass Yaris ihm zuhörte und gut zusprach, beruhigte ihn, wie es ihn erfreute.

  • Handle nie in Wut. Es bedeutet, im Sturm in See zu stechen.

    Thomas Fuller (1608 – 1661)


    Den Ausdruck auf dem Gesicht seines Herrn, als dieser ihn so lange anblickte, konnte Yaris nicht deuten. Was der Perser jedoch erkennen konnte war, dass der melancholische Glanz aus den Augen seines Herrn verschwunden war. Und dies erfreute den Dunkelhaarigen sichtlich. Sein Herr sollte sich nicht grämen, weil Anippe ohne eine Nachricht zu hinterlassen, einfach verschwunden war. Die junge Frau hatte mit Sicherheit Gründe für ihren überhasteten Aufbruch gehabt.


    Als sein Herr zu erzählen begann, dass sie einen Stallburschen kaufen würden, der sich um die Pferde und das Fuhrwerk kümmern würde, ließ Yaris seine Ohren spitzen und seinen Kopf aufmerksam auf die Seite neigen. An was für einen Stallburschen hatte sein Herr gedacht? Wäre dieser Stallbursche etwa in seinem Alter oder im Alter seines Herrn? Unzählige Fragen geisterten dem jungen Perser durch den Kopf, welche er jedoch nicht wagte zu stellen. Keine einzige davon. Und so blieb Yaris stumm, wobei er den weiteren Ausführungen seines Herrn höchst aufmerksam und mit gespitzten Ohren lauschte.


    “Du möchtest das ich im Handwerk ausgebildet werde? Ich weiß nicht ob ich dazu in der Lage bin Herr. Mein sehnlichster Wunsch ist es, dein Scriba zu werden. Ich möchte dein persönlicher Sekretär werden.“


    Unter Anleitung des Cengiz natürlich. Denn dieser war Sekretär des Jumshagins und Cengiz konnte sich Yaris Verehrung sicher sein.

  • Jumshagin lachte laut, als er den fast entsetzten Ausdruck im Gesicht von Yaris sah, als er jenem eröffnet, ihn und den neuen Stallburschen auch im Handwerk ausbilden zu wollen.

    "Yaris, keine Panik, Du wirst zum Schreiber ausgebildet, Cengiz sorgt dafür und wenn es so weit ist, werden wir einen weiteren Diener benötigen.

    Allerdings wirst Du auch das Handwerk erlernen, Ende."

    Letzteres sage Jumshagin schroffer als er es eigentlich wollte

  • Handle nie in Wut. Es bedeutet, im Sturm in See zu stechen.

    Thomas Fuller (1608 – 1661)


    Auf das urplötzlich laute Lachen seines Herrn war Yaris nicht vorbereitet und so zuckte der persische Sklave zusammen und duckte sich unwillkürlich. Was hatte dieses Gelächter nur zu bedeuten? Machte sich sein Herr etwa lustig über seinen Sklaven?


    Die weiteren Worte seines Herrn offenbarten Yaris jedoch, dass sein Herr tatsächlich vorhatte, ihn von Cengiz zum Schreiber ausgebildet zu werden. Und das sie danach einen weiteren Diener benötigten? Aber wieso denn das? War sein Herr mit ihm nicht zufrieden und wollte ihn gegen einen weiteren Diener eintauschen? Erneut waren es unzählige Fragezeichen die unsichtbar über Yaris Kopf erschienen und den jungen Perser wahrlich verwirrt dreinblicken ließen.


    Bist du mit meiner Leistung etwa nicht zufrieden, dass du einen weiteren Diener benötigst?“


    Wagte der Dunkelhaarige nach einigen Wimpernschlägen des Schweigens eine vorsichtige Frage über seine Lippen dringen zu lassen.


    “Ich werde das erlenen was sich mein Herr für mich vorstellt.“


    Musste der Jüngling dann doch noch einmal seine Stimme erheben, um diese Worte über seine Lippen dringen zu lassen. Dann senkte Yaris seinen Kopf.


    “Wünscht mein Herr noch etwas das ich für ihn erledigen kann?“


    Eine abschließende Frage an seinen Herrn gewandt. Dann würde sich der junge Sklave nämlich zurück ziehen, um seinen Lehren der lateinischen Sprache weiter nachzugehen.

  • Wieder lachte Jumshagin laut.

    "Yaris, Yaris Yaris, was machst du Dir für Sorgen, ich bin sehr zufrieden mit Dir, aber wen du dann zweiter Schreiber, eventuell Haushofmeister bist, benötigen wir jemand für die niedrigen Dienste.

    Im Übrigen man wird Dir auch Bogenschießen und reiten beibringen, es sei den du beherrschst es bereits?

    Wenn du mir noch einen Krug wein brächtest, das wäre dann alles.

    Yaris, ich danke dir, dass du mir Gesellschaft geleistet hast, das vergesse ich dir nicht!"

    Freundlich nickte Jumshagin Yaris zu, seine Stimmung hatte sich merklich verbessert.