• Wenn ein Consul Roms mit vollen Amtsornat und insbesondere Liktoren auf dem Forum anrückte, dann war das schon ein Anblick für sich. Wenn neben ihm ein Mann in blutbefleckter Toga marschierte, war das aber noch einmal ganz was anderes. Sextus musste nicht einmal viel dafür tun, dass die Menge sich um sie sammelte und mitkam um nachzusehen und mitzubekommen, was los war. So mussten die Liktoren ihm schon fast einen Weg zur Rostra bahnen, damit er hinaufsteigen und von dort sprechen konnte. Aber sprechen wollte er. Und sprechen würde er!

    Ja, er war wütend, dass diese Sache überhaupt passiert war. Aber er war Staatsmann genug, um zu wissen, dass jetzt der wohl einzige Zeitpunkt war, das ganze für sich auch zu nutzen. Wenn sie jetzt erst warteten, bis sie herausgefunden hätten, wer das war und warum dieser Mann das getan hatte, würde das ihren Gegnern nur Zeit geben, sich zu sammeln und weiter zu planen. Während wenn Sextus jetzt das Volk auf seine Seite ziehen könnte, würde niemand es riskieren, den Zorn der Stadt auf sich zu ziehen, indem er selbiges noch ein weiteres Mal wagte.


    Er trat also auf die Rostra und blickte hinunter auf eine Menge, die schon gebannt tuschelte und wartete.

    "Bürger Roms!" erschallte seine Stimme laut und donnernd über den Platz, damit auch der letzte Schaulustige mitbekam, dass es jetzt losging.

    "Ich bin Consul Sextus Aurelius Lupus, und es ist meine Pflicht, euch von einem schändlichen verbrechen zu berichten, das gegen euch alle am Tempel der Iuno vor wenigen Augenblicken geschehen ist! Euer gewählter Magistrat, der Tresvir Capitalis Aurelius Rufio, wurde auf dem Vorplatz des Tempels der göttlichen Iuno von einem gemeinen Mörder und Messerstecher angegriffen. Er, der für eure Sicherheit die niedersten Verbrecher der Gesellschaft aufspüren und ihrer Strafe zuführen soll, er, der euch alle vertritt, damit in Rom Gerechtigkeit herrsche, er, der in Pietas und Auctoritas den Schutz der Götter beschwor und euch alle an diesem Segen teilhaben ließ, wurde angegriffen, in der Absicht, ihn zu töten! Entgegen dem heiligsten Recht in Rom. Innerhalb des Pomeriums, Roms heiligster Grenze!"

    Ja, Sextus konnte sie vielleicht nicht dabei Packen, dass ein Patrizier angegriffen worden war. Aber jemand, der die Subura vom Abschaum befreite für die kleinen Leute innerhalb der heiligen Zone bei einem Tempel mit einem Messer? Das sollte sämtliche auch nur halbwegs gläubigen oder auch nur halbwegs rechtstreuen Bürger Roms eigentlich auf die Barrikaden bringen.

    "Seht selbst, was der feige Angreifer getan hat", forderte Sextus die Menge auf und machte einen schritt beiseite, so dass Rufio sich in seinem blutgetränkten Gewand präsentieren und ein paar Worte sagen konnte. Jetzt würde sich zeigen, ob sein Neffe etwas bei Sextus gelernt hatte und das Zeug zum Staatsmann hatte. Sextus hoffte es zumindest.

  • Ich hatte mich tatsächlich in die blutverschmierte zerschlissene Toga gehüllt. Und doch tat ich was von mir erwartet wurde. Ich senkte nicht den Kopf, sonder schritt hocherhobenen Hauptes hinter meinem Onkel her. Auch stand ich aufrecht hinter meinem Onkel. Natürlich musste ich vortreten und das tat ich auch. Natürlich musste auch ich mein Wort an die Bürger Roms richten. Ja ich wusste was von mir erwartet wurde und genau für so was hier war ich erzogen worden. Genau für so was hier hatte ich von meinem Onkel gelernt. So strafte ich meine Schulter und breitete meine Arme aus, damit jeder wirklich jeder das volle Ausmaß meines Zustandes, die zerschlissene Toga und das viele Blut – wen auch nicht das meine – sehen konnte. Ein Anblick der mehr sagte als tauschend Worte und doch musste ich Worte finden.

    „Bürger Roms!“ Donnerte nun meine feste Stimme über den Platz.

    „Ihr habe mir die Aufgabe übertragen für Recht und Ordnung in den Gassen Roms zu sorgen. Ich nehme diese Aufgabe ernst und habe schon einigen das Handwerk gelegt. Ich habe mein Wirken und mein Tun in den Dienst Roms und damit in den euren gestellt. Ich habe meine unabdingbare Treue dem Land meiner, unserer aller Vorfahren geschworen. Damit auf ewig der Glanz und Ruhm Roms erstrahle. Rom das Land der Schönheit und der Tapfersten. Unsere ewig Stadt Rom. Feinde bedrohen uns vergeblich, ihr Bestreben ist hoffnungslos. Denn wir wenden uns ab von Arglist und den verlockenden Täuschungen. Die Stimme des Volkes von Rom erklingt überall in unserem Vaterland und ruft nach Gerechtigkeit, ruft nach der Einhaltung unserer heiligsten Gesetze und jeder der sich dem entgegenstellt soll gerichtet werde und den gerechten Zorn des Volkes von Rom erfahren. Überall in unserem Vaterland wird die Stimme des Volkes ihren Nachhall finden damit auf immer die Freude und der Stolzes Rom erfüllt unsere Stadt auf ewig.

    Ruft mit mir gemeinsam nach Gerechtigkeit und last uns gemeinsam die gerechte Strafe für diese frevelhafte Tat fordern.“

    Als ich nun geendet hatte atmete ich tief durch und ließ meine Blick über die Menge schweifen

  • Nero war gerade in Sachen Wahlkampf unterwegs, als er den Tumult auf der Rostra bemerkte. Natürlich blieb er stehen. Denn es war immer interessant zu hören, was eine derartige Unruhe auslöste. Als nun sein Blick nach vorn fiel und er die donnernde Stimme seines Patrons vernahm horchte er auf. Dann fiel sein Blick auf Rufio und seine Hände ballten sich zu Fäusten. War er ein friedliebender Mensch? Ja war er ohne Zweifel. Aber nur so lange wie seine Familie und seien Ideale nicht bedroht wurden und dass was er da erblickte und vernehmen musste war ein Angriff auf beiden. Nero bahnte sich einen Weg durch die Menge nach vorn und er trat neben Rufio und erhob nun seinerseits seine Stimme. „VOLK VON ROM!“ Seine die Stimme, die kaum den unter seiner Oberfläche brodelnden Vulkan verbarg schallte über den Platz, bis hinein in die angrenzenden Straßen. „Diese Tat von Feinden Roms können, dürfen und werden wir nicht dulden. Diese tat ist nicht nur ein einfacher Angriff auf einen Bürger Roms. Es ist ein Angriff auf einen von euch gewählten Magistrat. Es ist ein Angriff auf Rom selbst! Ein Angriff auf uns, unsere Werte unseren tief verwurzelten Glauben und unser Vertrauen. Feinde wie diese dürfe wir nicht dulden und sie müssen vom Angesicht dieser Welt geteilt werden. Niemand darf ungestraft Rom, seine Werte und seine Bürger angreifen. TOD ALLEN FEINDEN ROMS!" Sagte er und trat nun wieder einen Schritt zurück. Die von den drei Reden aufgepeitschte Menge schwang nun Fäuste und sie riefen nach Vergeltung und dem Tod derer die die s zu verantworten haben.


    "TOD ALLEN FEINDEN ROMS!" Schallte es nun hundertfach über den Platz.

  • Wenn sich eine größere Menschenmenge auf der Rostra sammelte, dann gab es entweder eine langweilige rede, oder ein Problem. Atticus war grade eher zufällig noch dienstlich unterwegs, als er mitbekam, dass diese Menschenmenge wohl eher letzteres hatte: Ein dickes, fettes Problem. Er sah zur Rostra hoch und erkannte da drei Patrizier, die er mehr oder weniger gut kannte. Offenbar war der schweigsame Aurelius, mit dem er das Trainingsrennen noch vor kurzem hatte, angegriffen worden. Aber das Blut auf dessen Toga war wohl nicht sein eigenes, sonst würde er wohl kaum noch hier stehen und Reden schwingen. Trotzdem war das ganz und gar nicht gut.

    Was aber noch viel schlechter war, was sie hier sagten. Atticus sah einmal hoch zu Nero, der ihn wohl kaum sehen würde, und beschloss, irgendwann mal ein ernstes Wörtchen mit seinem Freund zu reden und darüber, wie man den Vigilen die Arbeit einfacher machte, und wie nicht. Das hier fiel wohl eher unter: Wie man den Vigilen einen ganzen Arsch voll Arbeit machte. Aber ernsthaft: Tod den Feinden Roms? Fehlten nur Fackeln und Mistgabeln.


    Sich jetzt irgendwo hinzustellen und die Leute zur Ruhe zu ermahnen, wäre wohl wenig aussichtsreich. Nein, Atticus machte sich lieber auf zur nächsten Station der Vigiles und dem nächsten Stützpunkt der Urbaner und machte alle darauf aufmerksam, mal ein paar mehr Patrouillen loszuschicken und ein Auge darauf zu haben, was auch immer hier grade passierte. Denn niemand, und zwar absolut niemand, wollte marodierende Horden in der Stadt haben. Ganz egal, was auch los sein mochte.

  • Rufio machte seine Sache wirklich ordentlich, wie Sextus anerkennend feststellte. Dass dann auf einmal der Tiberier aus dem nichts auftauchte und in dieselbe Kerbe hieb, war tatsächlich eine Überraschung. Vielleicht wurde aus dem Burschen doch noch irgendwann ein Gewinn für die Familie. Lediglich sein Schluss war vielleicht ein wenig zu viel des Pathos. Sie wollten ja keinen Großbrand anzetteln oder einen neuen Bürgerkrieg. Sextus hatte keine Lust, sich wegen Aufwiegelung noch verklagen zu lassen. Nein, man musste auf dieser Seite des schmalen Grates zwischen gerechtfertigter Empörung und dem chaotischen Mob bleiben.

    Deshalb trat Sextus jetzt auch wieder nach vorne und hob beschwichtigend beide Hände. "Bürger Roms: Ich teile euren Zorn. Solch ein Angriff darf nicht geduldet werden. Darum bitte ich euch, mir euer Vertrauen als eure Stimme zu schenken! Ich werde jetzt zum Praefectus Urbi gehen und Gerechtigkeit fordern! Dieser feige Angriff wird der Gerechtigkeit Roms zugeführt werden, bei der ich euch bitte, alle Zeuge zu sein und zu verkünden, dass niemand der Gerechtigkeit Roms entkommen wird."


    Er gab seinen Liktoren ebenso wie seinem Neffen und seinem Klienten einen Wink, so dass sich ihr Geleit formierte, und setzte sich dann auch in Bewegung, in der Hoffnung, das zumindest ein Teil der aufgeheizten Menge sie begleiten würde, um zu sehen, was noch passieren würde.

  • Die Aufmerksamkeit des Griechen wurde geweckt, als er gleich drei wichtige Männer Romas auf der Rostra sah: Den Konsul Aurelius; den Vigintivir Aurelius, der ein Freund von Dominus Aulus war und den Patron, Senator Tiberius Caudex, den er selbst nicht Dominus zu nennen brauchte. Vor seinen Augen entspann sich eine Szene mit blutbefleckter Toga , die klassische Referenzen hatte - Tiberios hatte Plutarch mehr als einmal gelesen - und er fragte sich, was wirklich geschehen war. Dann war es klar, es hatte ein Attentat auf den Vigintivir gegeben. Das war schweres todeswürdiges Unrecht, aber aufgehetzt durch Demagogie, kochte nun die Volksseele und man rief nach Blut.

    Jetzt begann sich Tiberios Sorgen zu machen. In der Mosaikwerkstatt arbeiteten, so wie es Tiberius Caudex Anliegen gewesen war, Freie, keine Sklaven. Wenn es Unruhen gab, wer wusste, ob sie zur Arbeit erschienen? Die Unruhen konnten sich auch ausweiten. Kein erwachsener Furier war in Roma; er trug die Verantwortung für das Haus und die Firma. Vorsichtig wie er war, schloss er sich der Menge an, um zu sehen, was noch passieren würde. Im besten Fall wurden die Attentäter gefasst und von der Menge an Ort und Stelle zerfleischt; dann würden alle nach Hause gehen und das Leben seinen geregelten Gang. Nichts wünschte er mehr.