[Officium] Große Neuigkeiten aus dem Herzen der Stadt

  • Wenn dein Leben interessant wird, hast du plötzlich verrückt viel Verwandtschaft.

    © Billy (1932 - 2019), eigentlich Walter Fürst, Schweizer Aphoristiker



    Mittlerweile hatte Iduna den Verlust ihrer Tochter rein äußerlich überwunden. Und auch die Tatsache das sich Angus nicht mehr an ihrer Seite befand. Innerlich jedoch weinte die Rothaarige noch immer bittere Tränen, wenn sie darüber nachdachte, ihre Tochter Aislin erst wieder im Totenreich zu treffen. Bis dahin musste sie sich das glückliche Lachen ihrer Tochter aus ihren Erinnerungen zusammen stückeln. Auch wie Aislin ihre ersten Schritte gewagt hatte und dabei immer wieder auf ihren Popo geplumpst war. Dies hatte die Halbgermanin jedes Mal mit einem begeisterten quietschen kund getan. Ein tiefes durchatmen ließ Iduna aus ihrer düsteren Gedankenwelt zurückkehren und sich unauffällig über die Augen wischen. Denn tatsächlich hatten sich Tränen in ihren Augenwinkeln angesammelt. Jene wischte Iduna rasch beiseite und straffte ihre schlanke Statur. Denn eigentlich war die Rothaarige auf dem Weg zu ihrem Dominus, um ihm eine wichtige Neuigkeit mitzuteilen, die sie auf der Agorá erfahren hatte. Jenem Marktplatz auf dem sich wichtige Nachrichten herumsprachen wie ein Lauffeuer. Und eine solche Nachricht war eben auch an das Gehör der germanischen Sklavin gedrungen. Ein Verwandter des Iuliers war in der Provinz Syria eingetroffen. Sein Name? Tiberius Iulis Antia. Und von eben jenem Verwandten wollte Iduna ihrem Dominus berichten. Auch wenn sie Octavia Flora gehörte, so diente Iduna doch auch deren Ehemann. Mit raschen Schritten, ohne jedoch zu hastig zu wirken, eilte Iduna durch die Gänge der Domus Iulia in der Provinz Syria. Ihr Ziel war das Officium ihres Dominus, denn dort hielt sich der Iulier des meist auf, wenn er sich nicht gerade mit seiner Gemahlin in den prächtigen Gärten verlustierte. Als Iduna vor dem Officium ihres Dominus ankam, wartete sie einige Wimpernschläge, bevor sie anklopfte und auf das obligatorische -Herein- aus dem Inneren wartete. Erst dann würde die Rothaarige eintreten und die Türe hinter sich schließen.


    “Salve Dominus. Verzeih wenn ich dich störe. Aber ich habe auf der Agorá eine Neuigkeit erfahren, die ich dir unbedingt mitteilen muss. Es scheint als wäre ein Verwandter von dir hier in der Provinz Syria eingetroffen. Sein Name? Tiberius Iulius Antia.“


    Berichtete Iduna von der Nachricht und verstummte anschließend. Denn jetzt lag es an ihrem Dominus diese Ankündigung erst einmal zu verdauen.

  • Caesoninus rauchte der Kopf voller Paragrafen und Gesetzesformeln. Die meiste Zeit vollrichtete er ja seine Arbeit im Provinzarchiv, doch heute war er zu faul gewesen, um durch die halbe Stadt zum Statthalterpalast zu wandern. So hatte er es sich zuhause gemütlich gemacht und versuchte so weit wie möglich vorwärts zu kommen. Manche Stellen von städtischer Juristerei waren doch trockener als er sie sich vorgestellt hatte. Irgendwann im Laufe der Wochen war ihm der Vergleich in den Sinn gekommen, dass es vermutlich eine ähnliche Schreibarbeit war so wie wenn ein Poet ein Epos in Hexametern verfasste. An guten Tagen kam man wohl ganz passabel voran und an schlechten mochte man jede einzelne Zeile verfluchen. Aktuell hatte Caesoninus eine eher schlechte Phase wo sich die Arbeit nur schleppend dahinzog. Natürlich war er nicht völlig untätig geblieben bei seinem Versuch die Sache zu verbessern (anstatt zu warten, dass es von alleine wieder interessanter wurde). So hatte er als Experiment auch schon einmal versucht in den Thermen zu arbeiten. Vielleicht hatten die dort herrschende Geselligkeit der umgebenden Leute und der Ortswechsel an sich eine positive Auswirkung. Er war auf diese Idee gekommen, da sich Caesoninus erinnert hatte mal von einem Senator von vor fünfzig Jahren gehört zu haben, der angeblich alle seine Reden ausschließlich in der Therme verfasst hatte. Selbst verfasst wohlgemerkt. Doch für Caesoninus war dies wohl doch nichts, denn als er es selbst versucht hatte kam dabei nur raus, dass die Tinte ständig verlief und wegen der Hitze der Räume einfach nicht trocknen wollte und der Lärm der durcheinanderplärrenden Leute seine Konzentration aufs empfindlichste störte. Zurück also an den heimischen Schreibtisch. So schrieb er hier eben manchmal, wenn ihm der Weg in den Palast zu weit war.


    Caesoninus hatte gerade über einen besonders komplizierten Paragrafen gesessen, als da plötzlich Iduna vor ihm erschien. Caesoninus sah auf. "Muss es unbedingt jetzt sein?" maulte er. Das nächste was sie dann erzählte brachte ihn dann doch dazu seinen Unmut vorerst zu vergessen und sich aufrechter hinzusetzen. "Was sagst du da? Ein Verwandter? Ich kenne keinen Tiberius Iulius Antias, am besten du beginnst ganz von vorne. Wie bist du auf dieses Gerücht gestoßen und warum denkst du, dass der Teil ausgerechnet von meiner Familie ist? Das Imperium ist groß, wir sind mitten in der Provinz und außerhalb von Rom gibt es noch viele andere ehemals peregrine Familien, die durch Bürgerrechtsverleihungen den Namen Iulius erhalten haben."

  • Etwas ungeduldig wirkte Iduna, als ihr Dominus nicht wie erwartet sogleich reagierte. War an dieser Neuigkeit etwa doch nichts dran? Hatte sich die rothaarige Sklavin einfach nur verhört oder ging es bei den Gesprächsfetzen auf der Agorá vielleicht sogar um ihren Dominus und nicht um diesen entfernten Verwandten? Etwas nachdenkliches hatte sich nun in Idunas Gesichtszüge geschlichen, während sie versuchte den genauen Wortlaut wiederzugeben, den sie auf dem Marktplatz vernommen hatte.


    “Es tut mir wirklich Leid Dominus. Aber ich dachte, dass dich diese Neuigkeit interessiert.“


    Entschuldigte sich der Rotschopf und hielt ihren Blick gesenkt. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie dann doch, wie sich ihr Dominus aufrechter hinsetzte und er seiner Sklavin dann doch seine wertvolle Aufmerksamkeit widmete. Ein kleiner Pluspunkt den Iduna für sich in Anspruch nahm. Das ihr Dominus keinen Tiberius Iulius Antias kannte, ließ die Sklavin ein leises Seufzen über ihre Lippen entweichen. Natürlich kannte ihr Dominus diesen Iulier nicht, wenn er doch vollkommen fremd in der Provinz ist. Zumindest hatte Iduna dies vernommen. Es konnte sich natürlich auch vollkommen anders darstellen. Aber dazu würde dann wohl doch ihr Dominus einige Worte verlieren müssen.


    “Ich habe es erfahren, als ich mit einer Liste der Köchin auf die Märkte geschickt wurde. Dort hat es einer der Budenbesitzer einem anderen Budenbesitzer mitgeteilt. Das ein gewisser Tiberius Iulius Antia in der Provinz eingetroffen ist. Und da es hier nicht so viele Iulier gab, zumindest habe ich keine anderen bisher kennen gelernt, außer die Mitglieder deiner Familie, dachte ich eben, dass dieser Iulier Antias auch zu deiner Familie gehören muss.“


    Erklärte Iduna mit ihrer ruhigen Lektorenstimme, die sie sich in den Übungsstunden mit dem furischen Sklaven Tiberios antrainiert hatte.


    “Mich würde es also nicht wundern, wenn dieser Tiberius Iulius Antia in einigen Tagen an die Porta klopft.“


    Dabei zwinkerte die Rothaarige ihrem Dominus verschmitzt zu. Denn mittlerweile wusste sie, wie weit sie bei dem Iulier gehen konnte, ohne das er sie gleich bestrafte.

  • Caesoninus gluckste. „Dieser Iulius Antias muss ja ein richtig hohes und bekanntes Tier sein, wenn er in einer Millionenstadt wie Antiochia sogar die Budenbesitzer dazu bringt mit seinem bloßen Erscheinen ehrfürchtig zum tuscheln zu bringen. Na wir werden ja sehen ob sich wirklich demnächst so ein großer Mann hier zu uns verirrt.“ Er selbst glaubte es zwar nicht, doch konnte man nie wissen. Gleichzeitig war er noch einmal sein Namensgedächtnis durchgegangen, doch nach der letzten Prüfung konnte er sich sicher sein, dass ihm der Name unbekannt war.


    Caesoninus stapelte einen Packen Papyri und fragte dann: „Gibt es sonst etwas Iduna meine Sklavin?

  • Das glucksen ihres Dominus blieb Idunas scharfen Gehör nicht verborgen und so wusste sie auch, dass er sie mit seinen Worten einfach nur verspotten wollte. Wie er es so gerne tat – der Iulier. Unwillkürlich biss sich die Rothaarige auf die Unterlippe und senkte ihren Kopf, wobei sie ihre Lippen fest aufeinander presste. Ihr Dominus machte sich tatsächlich über sie lustig und das nur weil sie Neuigkeiten weitergegeben hatte, die ihn offenbar nicht zu interessieren schienen. Oder aber die Budenbesitzer hatten sich einen Scherz mit ihr erlaubt. Einen falschen Namen verwendet? Doch wieso sollten diese so etwas tun? Schließlich war Iduna lediglich eine rechtlose Sklavin.


    “Nein Dominus. Ich habe keine weiteren Neuigkeiten.“


    War Idunas leise Stimme dann doch noch einmal zu vernehmen. Während sie abwartend verharrte. Vielleicht hatte ihr Dominus eine dringliche Aufgabe für sie, der sie sich sogleich widmen sollte.