Römisch-Palmyrenische Zusammenkunft

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    Yarhai ben Mattabol, Sklavenhändler


    Genauso wie sich der römische Senat gelegentlich in einem der Tempel anstatt der Curia zu seinen Sitzungen versammelte, oder die Leute sich privat bei einem bestimmten Heiligtum verabredeten, so nahmen die Tempelvorhallen der östlichen Kulturen natürlich ebenso eine ähnliche soziale Rolle für die Gesellschaft als Treffpunkt und Verweilort ein. So war es nur natürlich, dass der Sklavenhändler Yarhai ben Mattabol als neutralen Ort eine der Seitenloggias des Bēl-Tempelkomplexes für das Treffen mit dem Quaestor Provincialis Iulius Caesoninus gewählt hatte. Es war eine, auf einer Seite hin offene Loggia mit zwei tragenden Säulen. Sie war eine kleine Ausbuchtung mit Blick in den großen zentralen Hof des Heiligtums und wies zwei übereinanderliegende Reihen Steinbänke im Halbrund auf. Kurz gesagt ein perfekter Ort für informelle Treffen im öffentlichen Raum. Der Tempel des Bēl war für diese Zusammenkunft auch in jener Weise passend, weil speziell dieser semitische Tempel ja auch ein gehöriges Maß an römischer Architektur aufwies und somit eine Art Brücke zwischen der römischen und der palmyrenischen Welt sein konnte, wenn man so wollte.


    Yarhai ben Mattabol war hier nicht alleine, mit ihm saßen ein paar weitere Männer auf den Steinbänken, alles einflussreiche Freunde von ihm. Der Sklavenhändler hatte schon gehört, dass der römische Statthalter im fernen Antiochia allerlei Reformen für Syrien angestoßen hatte. Reformen die auch ihr geliebtes Palmyra betreffen sollten, somit war die Ankunft eines seiner Repräsentanten die perfekte Gelegenheit, um diese Sache näher zu erkunden. So saßen die Palmyrener dar und warteten darauf, dass der Römer erschien.

  • Caesoninus hatte ja gewusst, dass er auf seine Ankündigung betreffend seines Ankommens bald Antwort von den Einheimischen bekommen würde, doch dass sie gleich so gehäuft an einem einzigen Tag käme, das hatte er nicht kommen sehen. So also war er nach den Einladungen der beiden Boten am nächsten Tag zur neunten Stunde zuerst zum Haus der Bene Mazin gegangen für die Wahrnehmung der Einladung des Adai ben Mazin. Dann jetzt saß er zusammen mit seinen beiden Schreibern erneut in seiner Sänfte, welche sich langsam durch die dichtgedrängten Straßen Palmyras schob. Vorneweg lief der von Yarhai ben Mattabol versprochene Bote, um den Weg zum nächsten Treffen zu zeigen. Unterwegs diktierte er seinen Untergebenen einige Dinge aus den letzten Stunden, um sie entsprechend für später festzuhalten. Als sie dann schließlich am Bēl-Tempel angekommen waren, stoppten die Sänftenträger und Caesoninus stieg mit seinem Gefolge aus und sah sich um. Sie standen inmitten des großen Innenhofs des Heiligtums, ein höchst beeindruckener Anblick. Die Grundform der Cella entsprach jener eines klassischen griechisch-römischen Tempels, jedoch das Baumaterial war gelber Stein anstatt weißer so wie in Italia und außerdem wiesen der Dachschmuck wie auch die äußeren Begrenzungsbauten, Säulengänge, Loggias und Altarnischen arabische Zinnen wie auch weiteres orientalisches Beiwerk auf, was einen interessanten, jedoch auch trotzdem harmonischen Mix grundverschiedener Baustile ergab. Caesoninus gefiel der Tempel, er musste ihn sich bei Gelegenheit unbedingt einmal in Ruhe näher ansehen. Sobald er genug sich für den Moment genug umgesehen hatte, blickte er zu seinem Führer, welcher neben der Sänfte stand und auf Caesoninus‘ Bereitschaft wartete weiterzumachen. Dieser Moment war jetzt gekommen und so zeigte er in eine Ecke des, den Hof begrenzenden Säulengang zu einer dort gelegenen Loggia und sprach: „Mein Herr und seine Freunde warten dort auf dich, oh Kyrios.“ Caesoninus blickte in die angegebene Richtung und sah dort in der Ferne wirklich eine Gruppe Männer sitzen. „Vielen Dank, du kannst gehen.“ Der Sklave verbeugte sich nach östlicher Sitte und verschwand dann. Caesoninus selbst ging mit seinen beiden Schreibern (je einer links und rechts) direkt auf die Männer zu. Es war ein flotter Schritt den er da an den Tag legte, gekleidet war er in seine Amtstoga als Quaestor Provincialis. Alles in allem machte er einen guten Auftritt als römischer Magistrat. Dann dazu noch sein energischer Gang um Selbstsicherheit und Stärke auszustrahlen und schon waren seiner Meinung nach alle nötigen Zutaten zusammen, um den bestmöglichen ersten Eindruck auf die Eingeborenen zu machen.

    Bei der Loggia angekommen kam er zwischen die beiden Außensäulen hindurch unter ihr Dach und trat in die Mitte des Halbrunds auf dem die Männer Palmyras saßen. Die linke Hand hielt er über der Brust an seine Toga gelegt, die rechte erhob er zum Gruße: „Salvete, ihr Männer von Palmyra! Ich bin Quaestor Gaius Iulius Caesoninus, römischer Magistrat und Vertreter hier in Palmyra von Legatus Augusti pro Praetore Gnaeus Publicius Marcellus!


    Caesoninus sprach in Latein mit diesen Palmyrenern, schon alleine zur Verdeutlichung dessen wer hier der eigentliche Herr und wer die Untergebenen waren. Palmyra gehörte zu Rom, welches Caesoninus als Magistrat verkörperte, ergo würde er sich sicherlich nicht den lokalen Gepflogenheiten unterordnen, sondern verlangte von ihnen sogar genau das Gegenteil, nämlich, dass sie dies taten. „Ich danke euch, dass ihr euch heute hier eingefunden habt, ich bin gekommen in dem Bestreben eure Stadt, eure Heimat kennenzulernen und euch, ihre Bewohner zu treffen, damit ich später in Antiochia das bestmögliche und akkurateste Urteil für Palmyra treffen kann, wenn es gilt eine neue Gemeindeordnung für Palmyra zu erlassen! Oder genauer gesagt überhaupt eine Gemeindeordnung, welche nicht aus ungeschriebenen Gewohnheitsrechten und alten Sitten besteht so wie bisher!

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    Yarhai ben Mattabol, Sklavenhändler


    Endlich kam der römische Magistrat zu ihnen in ihre Mitte. Es war ein schneidiger junger Mann, was Römer anging also nicht weiter auffällig. Alle Blicke ruhten auf ihm, als er dann zu sprechen begann. Ein paar erste Gesichter zuckten, als lateinische Worte seinen Mund verließen, welche jene nicht verstanden, die meisten anderen jedoch verstanden Lateinisch und hörten weiterhin dem Rhomäer zu. Yarhai ben Mattabol konnte ebenfalls Latein und somit weiter dem Quaestor in dessen Rede folgen, auch wenn er es nur selten anwendete. Wann immer eben er Geschäfte mit Rhomäern machte was nicht allzu häufig vorkam. Die ersten Sätze waren ja noch gut, als er davon sprach, dass er ihre Oase und deren Bewohner kennenlernen wollte, doch als er neue Gesetze speziell für Palmyra erwähnte, ging ein Raunen durch die Menge mit da und dort verfinsterten Gesichtern. Auch Yarhai ben Mattabols Augenbrauen hatten sich zusammengezogen. Schon hatte sein aufbrausendes Gemüt einen Wutanfall in ihm aufgepeitscht, doch zügelte er sich so gut es ging, immerhin hatte er keinen dummen Baktrer hier vor sich. Dennoch ergriff er das Wort: „Oh, Jarchibol und Bēl müssen einen bösen Stern auf uns gerichtet haben, wenn solch schlechte Kunde zu uns dringt. Wir haben deine Worte gehört und sie missfallen uns! Wir lehnen es ab, dass sich Römer in unsere inneren Angelegenheiten einmischen! Wir zahlen unseren Tribut und wir dulden auch Rhomäer in unseren Gassen, doch dafür erwarten wir uns Ruhe!“ Yarhai ben Mattabol stoppte seine Rede und begnügte sich damit nur noch grimmig auf den Römer vor ihnen zu starren so wie die anderen auch. Hätte er jetzt weitergesprochen, er wusste ganz genau er hätte sich in Rage geredet und dann auch sicherlich Rom und diesen Römer vor sich beschimpft und beleidigt.


    Die anderen Männer um dem Sklavenhändler drückten ebenfalls durch Raunen und Mimik aus, dass sie eine Einmischung durch Rom ablehnten. Immerhin hatte es bislang auch immer so funktioniert wie es nun einmal gewesen war und sie sahen keinen Anlass dazu welcher eine Änderung ded Status Quo rechtfertigen könnte.

  • Caesoninus widerstand dem Impuls sich über die Lippen zu lecken. Jetzt musste er durchweg Stärke demonstrieren, um nicht zu unterliegen, was durchaus schnell passieren konnte, wenn er einen Fehler tat. In seiner bisherigen Laufbahn auf dem Pfad des Cursus Honorum hatte er ja schon einiges erlebt, doch trotzdem war all dies nichts zu seiner jetzigen Situation. Hier hatte er wohl jetzt zum ersten Mal einen Konflikt zwischen Rom und einer nichtrömischen Volksgruppe auf die meist staatstragende Weise zu lösen, die ihm als Magistrat möglich war. Er hatte „Politik zu machen“, wenn man so wollte. Er hatte eine Gruppe vor sich, die ihm klaren Widerstand bot, welchen es aufzulösen galt.

    Das Problem nur war, dass es jetzt auf der Stelle geschehen musste und er keinerlei Vorbereitungsphase hatte, das erhöhte noch einmal die Schwierigkeit.


    Zur Beschwichtigung hob er seine Hände: „Ihr Männer Palmyras! Ich verstehe euer Begehr jenen Status Quo zu erhalten so wie er jetzt ist! Rom möchte auch in Zukunft eure Treue und Freundschaft sichergestellt wissen, weshalb es euch auch nicht einfach eine beliebige neue Verfassung aufoktroyiert, nein, genau aus diesem Grunde wurde ja ich geschickt! Damit wir gemeinsam ein für alle genehmes Dekret verfassen, das die Interessen Palmyras wahrt und dabei gleichzeitig im Einklang mit dem übrigen Imperium steht! Es soll in Form eines römischen Gesetzes auch für die Zukunft geschützt sein, anders als jetzt, wo es zwar vielleicht ungeschriebene Gewohnheitsrechte in Sachen Kommunalverwaltung und diverse Verträge mit Rom gibt, Palmyra im Rechtskontext Roms aber praktisch nicht existiert. Dies ist es was wir damit bereinigen! Wir nehmen Palmyra nichts weg, wir verschaffen ihm zusammen eine vor römischem Gericht und der Justiz gültige Rechtsperson!


    Noch konnte er nicht einschätzen wie gut ihn diese Leute hier eigentlich verstanden, insbesonders bei der Erörterung komplexerer Themen, weshalb er etwas langsamer und dafür eindrücklicher sprach als sonst. Denn auch weiterhin beharrte er auf Latein als Konversationssprache. Ob er mit dem Ansatz seiner Rede richtig gelegen hatte warum Palmyra plötzlich eine neue Gemeindeordnung brauchte, sah er ja gleich. Was sich in ihm jedoch jetzt schon nach und nach klar wurde war, dass sie wohl eine römisch geführte Kommunalregierung nicht akzeptieren würden. Er hatte ja schon vorher um den Stolz der Palmyrer um ihre Eigenständigkeit gewusste und grade nochmal hatten sie ihm das auch persönlich gezeigt. Vielleicht war es auch aus einem weiteren Grund klüger doch von dieser Idee abzukommen, weil Palmyrer damit neutraler gegenüber Parthien auftreten konnte in Sachen des Fernhandels auf der Seidenstraße, was dieser kleinen Oase ja doch Vorteile verschaffte, die andere Endpunkte der Via Serica wie z.B. Antiochia nicht hatten.

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    Yarhai ben Mattabol, Sklavenhändler


    Mit anderen Worten Palmyra wird durch diese Maßnahme doch enger an Rom gebunden!“ schloss der Sklavenhändler. Mittlerweile hatte er sich wieder halbwegs beruhigt. Von den anstehenden Reformen innerhalb der Provinz hatten sie, wie schon gesagt, ja vorherr schon gewusst, doch es dann noch einmal so unverblümt ins Gesicht gesagt zu bekommen so wie eben, dies hatte doch seinen Unmut erregt. Jetzt jedoch wich dies einem Gefühl von… es war nicht direkt „Hilflosigkeit“, jedoch etwas ähnliches, weniger greifbares. Sie hatten die nähere Erklärung des Quaestors gehört und verstanden auch was er wollte, doch zu hundert Prozent waren sie trotzdem nicht damit einverstanden. Er wollte seinen Worten nach also die bestehenden palmyrenischen (=nichtrömischen) Kommunalvorschriften in römische Gesetze überführen, damit sie summiert als gültige römische Gemeindeordnung in Zukunft dastehen würden. Natürlich, Palmyra war schon gut seit einem Jahrhundert und mehr Teil der römischen Welt und sie zahlten auch Tribut, doch mit der Errichtung dieser Gesetze wurde ihnen auf ideeller Weise doch noch einmal etwas weggenommen. Nicht unbedingt in der inneren Verwaltung, doch durchaus in der Absteckung des äußeren Rahmens und vor allem wer diesen zukünftig bestimmte.

    Die Männer rund um Yarhai ben Mattabol dachten alle ähnliches, eine ganze Weile schwiegen sie, jeder in den eigenen Gedanken vertieft.

  • Caesoninus stand da und wartete darauf den nächsten Widerstand der Einheimischen zu begegnen, doch nichts dergleichen. Anstatt weiter auf ihn und Rom zu schimpfen saßen sie alle dar wie Ölgötzen und dachten stumm in sich hinein. Abgesehen von Yarhai ben Mattabols Bemerkung natürlich. Doch dies ausgenommen blieb es stumm. Er sah sich im Halbrund um. Jetzt wo die Männer so ruhig um ihm saßen konnte er einen natürlicheren Ton in seiner Sprache anschlagen anstatt des Rednerhaften von vorhin, der eher vor dem versammelten Senat in der Curia oder gegenüber dem Volke von der Rostra herab passte, denn in eine private Runde. Doch natürlich hatte er ihm geholfen die Situation in den Griff zu bekommen. So sprach er jetzt in gewöhnlicher Stimme weiter: „Nicht unbedingt, es ist wohl eine Frage der Interpretation. Es ist nicht unbedingt ein Akt des Verlustes, sondern eher der einer Wandlung. Immerhin gewinnt es so ja auch etwas, es rückt mit den Zentren des näheren Westens ein Stück näher zusammen wie Antiochia, Alexandria, Halikarnassos, Athen oder Petra.

    Petra ist doch gar nicht Teil des Imperiums!“, warf da ein Mann aus der oberen Bank ein. Während Caesoninus gesprochen hatte, hatte er damit begonnen von der Mitte des Halbrunds weg auf die Bänke der Palmyrener zuzugehen. Als der andere Mann sprach, war Caesoninus gerade dabei sich in ihrer aller Mitte auf die mittlere Bankreihe zu setzen um damit endgültig den letzten Rest der imaginären Mauer zwischen sich und des Bene Mattabols Gefährten einzureißen. Jetzt standen sich nicht mehr Rom und Palmyra Aug’ in Aug‘ gegenüber, nein, nun waren sie eine harmonische miteinander interagierende Gruppe. Ein kleiner psychischer Trick, den Caesoninus einmal von seinem politischen Lehrmeister Purgitius Macer gelernt hatte für die Überwindung von konfliktanziehenden Situationen. Sein aktuelles Gespräch mit den Palmyrenern mochte wohl so eines gerade sein.


    Caesoninus antwortete dem Mann: „Das stimmt, du hast Recht. Und trotzdem bringt eine römische Gemeindeordnung Palmyra und Petra einander näher, denn denkt doch nur; sie bewirkt, dass sich Palmyra ein Stück an Rom harmonisiert. Ganz Syrien, also auf tausend Meilen in alle Richtungen ist Palmyras Umland römisch, da liegt es auf der Hand, dass sich auch Reichsfremde wie die Nabataäer leichter tun werden beim Handel mit Palmyra, wenn es einhellig mit seinen Nachbarländern wallt.

    Zugegeben, wenn man genauer darüber nachdachte, mochte Caesoninus‘ Ausführung gar an sehr dünnen Schnüren hängen, doch dieses Risiko ging er ein. Es war eine (hoffentliche) rhetorische Brücke zu den Männern, gebaut in bester Absicht.


    Doch mir geht es ja jetzt gar nicht darum euch mit klugen Worten von bestimmten oder unbestimmten Dingen zu überzeugen, dazu bin ich nicht hier. Ich bin nach Palmyra gekommen um euch, die Männer von Palmyra zu treffen und euch ins Gesicht zu sehen! Ich will von euch lernen was Palmyras Seele ausmacht, so bitte ich euch, erzählt mir davon.

    Sich demütig und interessiert am Gegenüber zeigen, wieder so ein nützlicher Trick professioneller Rhetoren, um Menschen vergessen zu machen, dass sie eigentlich gerade noch böse auf einen gewesen waren. Oder aber auch um sie gedanklich abzulenken, damit sie nicht länger über eventuell schwache eigene Argumente drei Sätze zuvor nachdachten für deren Gegenrede. Und am Ende war er ja wirklich wegen dieses Lernprozesses hierhergekommen.

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    Yarhai ben Mattabol, Sklavenhändler


    Tötet die Vielfalt um den Rest einfacher zu machen, ging es Yarhai ben Mattabol bei den Worten des Römers durch den Kopf. Einen durchkommenden Händler war es prinzipiell egal wie ein Ort organisiert war solange er seine Geschäfte machen konnte. Höchstens in dem Maße war es für ihn interessant, ob er bestimmte Taxen oder sonstige Abgaben zu tätigen hatte, doch der Rest war für Ortsfremde ohnehin uninteressant. „Allat hat dir eine tönerne Zunge gemacht, Quaestor, deine Worte bedeuten wenig!“ erhob er daher, „doch ich will dir sagen was Palmyra ausmacht. Du siehst wir leben in einer Wüste. Alles totes Land, einzig nur unterbrochen vom Wasser und den Pflanzen unserer Oase. Hier gibt es nichts was wir dem Boden entnehmen können, wir sind auf Waren von außerhalb angewiesen und auf unsere Klugheit im Ackerbau um das Unmögliche möglich zu machen und auch in der Wüste gut gewässerte Felder bestellen zu können.

    Einer der anderen Männer, Yedi‘bel, nickte und führte Yarhais Ausführungen an dessen Stelle weiter fort: „Das stimmt, Freund, das Leben hier ist anspruchsvoll und so hat es das Volk von Palmyra hart gemacht. Wir sind stolz auf das was unsere Ahnen und wir an diesem unwirtlichen Ort erschaffen haben, durch viel harte Arbeit hatten wir der Wüste jenes Paradies entlocken können, das du heute hier mit eigenen Augen sehen kannst, Rhomäer. Deshalb sehen wir es nicht gern, wenn Fremde kommen und sich in unsere Angelegenheiten mischen! Sie gehören nicht zu unseren Stämmen und kennen nicht die Art die wir zu leben gewohnt sind. Auch ihr nicht! Ihr da aus dem fernen Rom, die ihr euch anmaßt der ganzen Welt vorschreiben zu wollen wie sie zu wirken hat. Die Tücken der Wüste sind euch fremd und genauso der Umgang mit den hier lebenden Menschen. Was wollt ihr uns vorschreiben? Uns alle wie Römer zu verhalten? Dazu sind wir zu stolz! Auch wäre dies der geistige Tod unseres Volkes, Palmyra würde welken und zu einer kleinen Römerstadt unter vielen absinken. Davon hätte niemand etwas, nicht wahr?

  • Hoppla, war er etwa doch in seinen Argumenten erwischt worden? Zumindest wirkte es so bei der Erwähnung einer „tönernen Zunge“. Doch halb so schlimm, denn anstatt ihn darauf jetzt festzunageln taten ihm diese Männer hier den Gefallen und begannen endlich über Palmyra zu erzählen und was es ihnen bedeutete. Caesoninus saß da und hörte ihnen zu. Vieles war darunter was man auch so erraten konnte, wenn man etwas nachdachte, doch war es natürlich nochmal etwas anderes, wenn einem das Eingeborene selbst ins Gesicht sagten. Er bildete sich jedenfalls ein sie besser verstehen zu können durch dieses persönliche Gespräch, gleichzeitig jedoch mit einem typisch römischen kritischen Gedanken begleitet. Denn so wie sie gerade bzgl. der Einmischung Roms redeten konnten vermutlich alle Völker und Provinzen des Imperiums sprechen, extrem gedacht sogar die Städte Italias, die früher vor Jahrhunderten ja ebenfalls eigenständige Stadtstaaten und Kleinreiche wie den Etruskischen Städtebund gebildet gehabt hatten. Die Macht des Stärkeren hatte nun einmal entschieden, dass es Rom sein sollte, das letztendlich die Oberhand über alle behalten sollte, so auch über Palmyra. Der große Unterschied zwischen ihnen und anderen unterworfenen Völkern war jedoch, dass sie sich nach wie vor eine starke eigenständige Identität als Volk bewahrt hatten, eine Eigenheit die sie z.B. mit den Juden teilten. Italischen Völkern fehlte jedoch diese Eigenschaft, von Mediolanum bis nach Sizilien gab es praktisch nur noch Römer. Die weitere Sonderstellung, die Palmyra jetzt noch mit sich brachte war sein Kontakt nach Parthien und die übrigen benachbarten Völker wie die Nabatäer oder die arabischen Stämme, welcher größenteils nur über seine relative Eigenständigkeit der Oase möglich war. Sicher, all diese Völker trieben auch mit Rom Handel, doch deren Zugang zu Palmyra war trotzdem noch einmal ein ganz anderer und auch Rom profitierte davon solange diese Eigenständigkeit existierte.


    Nachdem der zweite Mann fertig war antwortete Caesoninus den Männern: „Ich verstehe eure Argumente und bin zu dem Schluss gekommen euch zuzustimmen, dass die Eigenständigkeit Palmyras ein erhaltenswertes Gut ist. Ich möchte gerne mehr über eure politische Organisation erfahren, was könnt ihr mir hierbei erzählen?

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    Yarhai ben Mattabol, Sklavenhändler


    Yarhai ben Mattabol konnte den Rhomäer noch immer nicht zur Gänze einschätzen. Mal sagte er das eine und dann das andere, wie ein Schiff das auf den Wellen schaukelte. Dies hielt somit sein Misstrauen wach, doch dies war natürlich noch kein Grund ihm seine Antworten zu verweigern. Er war eben kein Palmyrener, sondern ein Wilder aus dem Westen. Vielleicht lernte Rom durch seine Botschaft ja noch etwas. Da sein Freund Yedi‘bel nicht auch auf dies antwortete, übernahm das wieder Yarhai: „Wir haben keine „Politik“ in eurem Sinne. Wir sind Nomaden, Söhne der Wüste die nur ihren Clans gegenüber wahre Treue kennen. Alles in Palmyra wird von seinen Stämmen bestimmt, es gibt gut 14 Stämme auf die sich die ganze Bevölkerung aufteilt. Über diesen stehen die vier größten Stämme, die auch die Bule besetzen; die Bene Mattabol, die Bene Mazin, die Bene Komare und die Bene Attar.

    Der vierte Mann links neben dem Sklavenhändler nickte und erhob sich um das Wort zu ergreifen: „Das stimmt! Ich bin Haggāgū, Sohn des Ogailū von den Bene Zabûd! Meine Familie ist seit vieler Väter Leben ein Teil der Bene Mattabol, uns gehören die Herden schwarzer Kamele westlich Palmyras! Ihr Fleisch ist sehr zart und sehr schmackhaft und es ist mir eine Ehre sie für meine Familie und die Bene Mattabol zu schlachten und das Fleisch zu verkaufen. Es sind auch intelligente Tiere die sich gut zum tragen von schweren Lasten eignen und so nehmen wir sie auch gern für unsere Karawanen.


    Yarhai ben Mattabol nickte Haggāgū ben Zabûd huldvoll zu, dieser erwiderte die Geste und setzte sich dann wieder. „Was mein Freund Haggāgū damit sagen möchte ist, dass seine Familie viele Karawanenführer stellt und er für die Bene Mattabol in der Bule sitzt. Bei uns geht alles nur über ein dicht gewebtes Netz an Ältesten und ihren Stämmen, mögen sie auch klein sein so gehören sie doch alle komplexen Verbänden zu mächtigeren Familien an die sich letztendlich alle irgendwo im Geflecht der großen vier Stämme Mattabol, Mazin, Komare und Attar wiederfinden, lass mir dir davon mehr erzählen!

    Und so erzählte Yarhai ben Mattabol näheres zu den zahlreichen Seilschaften der palmyrenischen Stämme untereinander mit einem Abriss des griechischen Überbaus einer groben griechischen Polis. Unterstützt wurde er dabei von allerlei Einwürfen der anderen Männer, auch jene die kein Latein beherrschten meldeten sich zu Wort, deren Gesagtes von den übrigen für den Quaestor übersetzt wurde. So verbrachten sie gut eine Stunde oder zwei damit von ihrer Heimat zu erzählen und was es hieß Palmyrener zu sein.

  • Als der vierte Mann links von Yarhai ben Mattabol aufstand und sich als sowieso vorstellte, wandte Caesoninus natürlich ihm seine Aufmerksamkeit zu. Sowieso schaffte es sein Interesse zu wecken, als er etwas von „schwarzen Kamelen“ erzählte. „Es gibt schwarze Kamele? Wirklich?“ Das klang durchaus besonders! Bislang kannte er ja nur normale sandfarbene. Zuhause in Rom hatte er sie ein oder zwei Mal in einer Arena gesehen und natürlich auch schon oft während seiner Syrienaufenthalte. Aber schwarze Exemplare waren ihm bislang wirklich noch nicht untergekommen.


    Doch auch so bekam er im folgenden viel zu hören und zu erfahren. Caesoninus saß da und lauschte den Männern wie sie von dem Leben in der Oase und dem Funktionieren ihrer Polis erzählten. Obwohl sie miteinander vorher schon eine ganze Weile gesprochen hatten, so hatte er das Gefühl, dass sie jetzt erst zu den eigentlichen wichtigen Themen kamen. Dazu wie es hier wirklich ablief und er diesen Sachverhalt langsam zu verstehen beginnen konnte. Sie erzählten ihm viel und wie essenziell für die Eingeborenen ihre Stämme waren und wie weit weniger die politische Polis mit der Bule und den Archonten zählte, dies war ihm vorher nicht klar gewesen. Schön, es gab viele Kamelreiter in der Wüste, aber davon abgesehen hatte er bei Palmyra eigentlich einen gewöhnlichen griechisch geprägten Stadtstaat angenommen. Doch wie fundamental falsch er dabei lag merkte er erst jetzt. Es war in Wirklichkeit ganz anders.


    Während Caesoninus zuhörte vergaß er beinahe schon seine beiden Schreiber, die ganz am rechten Ende der untersten Bank Platz genommen hatten und gerade dabei waren sich die Finger glühend zu schreiben. Denn natürlich wollte ihr Vorgesetzter, dass alles wichtige des hier Gesprochenen festgehalten wurde, immerhin waren sie aus diesem Grund hier. Dass sie längst schon keine ganzen Sätze mehr schafften war klar und so behalfen sie sich mit aberhunderten Stichwörtern und so viel Hirnschmalz wie möglich, um später noch das eine oder andere aus dem Gedächtnis nachschreiben zu können.

    Als sie am Ende ihrer Gespräche angekommen waren, stand Caesoninus auf und stellte sich noch einmal vor ihnen in die Mitte des Halbrunds auf so wie ganz am Anfang. „Meine Freunde! Ich danke euch für eure Zeit und all das was ihr mir heute erzählt habt! Ich habe viel gelernt und bin sicher, dass dies dazu beitragen wird Rom und Palmyra miteinander noch enger befreunden zu können! Und auch ich will ein Zeichen für Freundschaft setzen! Ihr da!

    Caesoninus zeigte auf seine beiden Schreiber, die wie von der Tarantel gestochen auffuhren. „Lauft in die Stadt und holt alles für ein großes blutiges Opfer! Auch entsprechende Opferdiener vergesst mir nicht!“ Sie nickten heftig und rasten davon, während Caesoninus weiter zu den Männern sprach: „Ich will ein Opfer hier in diesem Tempel eurem Gott darbringen um ihm und euch meine Gunst und Freundschaft bezeigen zu können! Ich bin sicher mit dem Segen der Götter wird unser Band noch tiefer werden!“ Dann, nachdem er geendigt hatte ging er wieder zur untersten Stufenbank und setzte sich hin, darauf gefasst falls er angesprochen werden würde.


    Caesoninus konnte es noch nicht mit Bestimmtheit festmachen, doch er hatte sie jetzt so lange beim Sprechen beobachtet und wie sie Gestik und Mimik einsetzten, sodass er sich einbildete schön langsam ein Gefühl dafür zu bekommen wie diese Menschen tickten. Besonders jene Älteste waren sehr interessant gewesen die kein Latein beherrschten und damit überhaupt nicht direkt mit ihm kommuniziert hatten. Diese -so fand er- benutzten noch einmal eine andere Körper- und Silbensprache als Yarhai ben Mattabol oder die anderen Lateiner. Rauer, nicht ganz so elegant und mehr aufs direkte hinaus dem Ton nach. Hier merkte man wirklich eine andere Mentalität den Söhnen der Wüste an.

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    Yarhai ben Mattabol, Sklavenhändler


    Als Haggāgū ben Zabûd die Rede auf schwarze Kamele brachte, zeigte sich der Quaestor ehrlich erstaunt. Dies amüsierte Yarhai ben Mattabol, immerhin waren derlei Tiere für ihn das normalste der Welt. Auch der Sohn des Ogailū zeigte sich erfreut über das Interesse des Rhomäers und so stand er noch einmal kurz auf und sprach: „Ja, es gibt sie. Ich zeig sie dir! Komm morgen an die westlichen Ausläufer der Oase, dort wo sie in die Wüste übergeht, dort liegen gerade die Zelte meiner Familie. Komm uns besuchen und wir zeigen dir schwarze Kamele!“ Auch Yarhai ben Mattabol hatte nichts dagegen einzuwenden, denn 1) gehörten die Tiere in erster Linie den Bene Zabûd und 2) tat es dem Quaestor bestimmt nur gut, wenn er einmal einen Hauch des wahren palmyrenischen Nomadenlebens einatmen würde. Denn dies war ja doch auch schon mal was anderes als hier stocksteif auf einer Sitzbank aufgereiht in einem Tempelgelände zu sitzen und miteinander zu debattieren. Das war die Art der Griechen oder der Römer, aber nicht die der Palmyrener. Zumindest nicht derjenigen die noch wahre Nomaden waren. Denn Yarhai ben Mattabol hatte auf seine alten Tage hin und seiner Pflichten als Clanoberhaupt der Bene Mattabol wegen auch immer weniger und weniger Palmyra verlassen und so etwas wie sesshaft geworden. Die Tage als junges Kind, da er mit den Kamelherden seines Onkels jahrelang regelmäßig an die phönizische Küste und zurück gezogen war, waren lange schon vorbei. Er war wohl schon genauso sesshaft wie diese Römer, oder noch schlimmer… wie Waballat ben Attar.


    Doch Iulius Caesoninus hatte nicht nur Dankesworte für sie, er wollte noch etwas mit ihnen angehen. Und zwar ein großes blutiges Opfer zur Völkerverständigung hier im Tempel von Bēl, ihrem allerobersten Gott! Ein Raunen ging durch die Menge, die einen achteten diese wohlmeinende Geste an sie und ihre Götter sehr und rechneten es dem Rhomäer entsprechend hoch an, während die anderen nicht so recht wussten, was sie davon halten sollten.

  • Es war sehr freundlich von Sowieso ihm diese besonderen Tiere zeigen zu wollen und natürlich würde Caesoninus diese Möglichkeit ergreifen. Auch später noch, als er bei den Eingeborenen auf der Bank saß und darauf wartete, dass seine Schreiber mit den nötigen Opferdingen zurückkehrten, war er in Gedanken bei den Kamelen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen wie so ein Höckertier mit einer schwarzen Fellfärbung auszusehen hatte. Dann sprach ihn ein Mann hinter ihm an und fragte Caesoninus in gebrochenem Latein wie lange er noch in Palmyra bleiben wollte. So unterhielt sich Caesoninus mit ihm bis zur Rückkehr seiner Schreiber. Sie brachten alles geforderte mit, auch die angemieteten Opferdiener. „Entschuldige für die lange Wartezeit, aber Mola Salsa war nirgends zu bekommen. Nur durch Zufall haben wir etwas davon finden und von einem alten römischen Händler kaufen können, es war sein letzter Rest!

    Somit konnten sie also beginnen. Caesoninus stand auf und mit einer winkenden Geste rief er den Palmyrenern zu: „Kommt! Lasst uns gehen!

    Dann begann Caesoninus mit seinem Opfertross über den großen Hof auf den eigentlichen Tempel zuzuschreiten. Unterwegs überlegte er wie er dieses Opfer vollziehen sollte. Er hatte keinerlei Ahnung davon wie Palmyrener, Phönizier oder sonstige Syrer ihre Opferrituale für ihre -ihm- fremden Götter vollzogen. Dies war der Grund, dass er es wohl auf die gewohnte Art und Weise durchführen würde, die damit geehrte Gottheit würde das Opfer bestimmt auch so zu deuten wissen. Als einzige Reminiszenz an die lokalen Bräuche wollte er jedoch heute einen gewundenen Lorbeerkranz auf dem Haupte tragen anstatt sich seine Toga überzuziehen.

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    Yarhai ben Mattabol, Sklavenhändler


    Während sie auf die beiden Männer des Quaestors warteten, plauderten die Männer auf den Bänken locker miteinander. Teils auf Griechisch, teils auf Aramäisch nach Art ihrer Stadt. Um den Rhomäer kümmerten sie sich nicht weiter außer der eine Nomade der ihn angesprochen hatte. Yarhai ben Mattabol redete gerade mit einem Freund über seine morgen zu erwartende Sklavenlieferung, als da endlich die Männer zurückkamen und es losgehen konnte. Alle standen auf und folgten Iulius Caesoninus in einer lockeren Traube über den Hof in Richtung des Tempels. Der Tempel des Bēl mochte auf den ersten Blick zwar wirklich fast wie ein römischer Tempel aussehen, wenn man das Baumaterial und die arabischen Zinnen am Dach einmal beiseite ließ, doch bei näherem hinsehen hielt er weitere Besonderheiten bereit. Denn ganz im Gegensatz zum baulichen Ideal der Besatzer befand sich das Tor ins Innere nicht an der Schmal-, sondern an einer der Breitseiten, außerdem dort auch nicht genau mittig, sondern leicht versetzt. Auch besaß der Tempel hoch oben kleine Fenster. Im Inneren befanden sich zwei anstatt bloß so wie üblich einem Kultplatz, dies war durch die Querdrehung des Zugangs möglich. Die Nordnische beherbergte eine undefinierbare Kultfigur eines stehenden Mannes mit langem Spitzbart, der mit an den Körper eng anliegendem Ellenbogen eine Handfläche nach vorne zeigte und trotz normalgroßer Körpermaße im Gesicht schon fast zwergenhafte Züge trug. In der Südnische stand die eigentliche Kultfigur des Bēl, hier würde dann auch das Voropfer stattfinden.


    Beim Tempel angekommen nahmen sie alle Aufstellung auf der Rampe vorm Tor, hier war es geräumiger als unterm schmalen Säulendach. Hier wollten sie stehen und das Opfer verfolgen.

  • Beim Tempel angekommen stellten sich die Palmyrener auf die Rampe, Caesoninus blieb jedoch davor schon stehen. Denn bevor auch er als Opferherr einen Fuß auf die Rampe setzte und damit die Tempelanlage berührte, musste er sich noch fix dafür bereit machen was seine Kleidung anging. So zog er seine Sandalen aus und entledigte sich auch seiner färbigen Toga, sodass er barfuß war und nur noch seine blütenweiße Tunika trug. Immerhin wollte er dieses Opfer wie schon erwähnt nach griechischem Ritus heute vollziehen und Griechen trugen normalerweise ja auch keine Toga. Dafür aber einen Lorbeerkranz zu Anlässen wie diesem und so setzte er sich ebenfalls einen aufs Haupt. Nun konnten also auch er und die Opferdiener auf die Rampe steigen hin zum Tempelbrunnen für die rituelle Waschung. Dann betrat er mit zwei Begleitern den Tempel.


    Im Inneren war er kurz verwirrt wohin er sich wenden musste. Von der Längsseite aus die cella betreten, fand er jetzt zwei Kultnischen vor, eine links (Norden), die andere rechts (Süden). Welche nur war die richtige? Oder war es egal? Er sah zwischen ihnen hin und her, ehe einer der beiden einheimischen Opferdiener sich räusperte und nach rechts nickte. Ah, da ging es also hin! Aber natürlich, immerhin war das hier stehende Kultbild viel imposanter als das in der anderen Nische, wie hatte er das nur übersehen können! So also ging Caesoninus zum foculus vor der Statue Bēls. Der oberste Gott Palmyras war überlebensgroß als Sitzfigur dargestellt. Ein bärtiger Mann in lange Kleider gehüllt und auf dem Haupt eine Art Krone. So präsentierte sich Caesoninus‘ Umgebung, als er sich den Weihrauch geben ließ und diesen entzündete. Hernach hob er die Hände und rief: „Pater Ianus, höre mich! Höre mich und komme hierher nach Palmyra, Ianus, komme zu mir in die Wüste und sei meine Verbindung zu Bēl, ich bitte dich, auf dass er meiner gewahr werde und mein Opfer sehen kann!“ Mit einer Wendung nach rechts schloss er das Gebet ab. Als nächstes ließ er sich die Voropfer geben. Es waren vier pralle Weinreben und drei Votivfiguren. Diese stellten semitische Gottheiten dar, sie alle trugen von den Füßen bis auf Brusthöhe eine Art Schild vor sich der als Freiraum Platz dafür bot, dass der Opfernde seinen Namen auf die Figuren schreiben konnte, was die beiden Schreiber beim Kauf direkt erledigt und Caesoninus‘ Namen eingravieren hatten lassen. Erfreut betrachtete er kurz die Figuren, später musste er sich nochmal so eine Gravierte als Andenken für zuhause kaufen. Doch die hier jetzt wurden natürlich dem großen Gott vor ihm geopfert!

    So legte Caesoninus die Weinreben und die Votivfiguren auf den Altar und hob wieder betend die Hände: „Bēl, du höchster Gott Palmyras, ich rufe dich an in all deiner Pracht und Herrlichkeit! Bitte, nimm dies Opfer an das ich, Gaius Iulius Caesoninus, Sohn des Aulus Iulius Antoninus, dir schenken will!“ Mit einer Wendung nach rechts schloss er das Gebet ab. Dann formierten sie sich und verließen wieder das Tempelinnere.


    Zurück im Sonnenlicht gab es noch einmal Weihwasser für die Reinigung, ehe es auch schon „Favete linguis!“ erscholl und Caesoninus vor das Opfertier trat. Es war ein prächtiger weißer Widder. So hob er ein weiteres Mal die Hände und betete: „Bēl, du Herr dieser Oase, blicke herab auf uns! Wir opfern dir diesen stolzen Widder, auf dass du dies Band der Freundschaft segnen und es gutheißen möchtest, welches Rom und Palmyra hier und heute vor deinem Angesichte schließen. Wir erflehen deine Gunst und wollen dir auch weiterhin regelmäßig hier an deinem Tempel opfern, auf dass du auch in Zukunft so wie immer schon deine schützende Hand über diesen Ort behalten mögest, Palmyrenern und Römern zum Schirm!“ Caesoninus endete und wandte sich nach rechts.

    Dann wusch er nochmal seine Hände und griff anschließend zum mallium latum zum Abtrocknen, während Flötenspieler aufspielten. Dann griff er nach der Mola Salsa, welche ein Opferdiener hielt und bestrich den Widder damit. Ein anderer reichte ihm das Opfermesser. Caesoninus strich dem Tier mit der Klinge vom Kopf bis zum Schwanz, um das Messer anschließend wieder zurückzugeben. Der victimarius legte das Messer an die Widderkehle.

    Agone?“

    Age!“ antwortete Caesoninus.

    Der Schlächter stieß zu und tötete das Tier. Dessen Blut ergoss sich in die bereitgestellten Schalen. Danach wurden ihm die Organe entnommen und Caesoninus gebracht, welcher mit der Eingeweideschau begann.

  • Es war ganz gleich, in welcher Form er angerufen wurde. Ob nun als Iuppiter, als Zeus, als Serapis, als Thor, als Marduk oder als Baal, es war immer dasselbe göttliche Prinzip, das angesprochen wurde. Und so betrachtete eben jenes Prinzip nun unter dem Namen Bel dieses Opfer. Als Voropfer eine kleine Figurine und etwas Weihrauch. Ein paar Weinreben waren auch dabei. Der Widder war da noch mehr nach seinem Geschmack und sah ganz passabel aus. Und das Versprechen weiterer Opfer, die dann vielleicht auch noch etwas üppiger ausfallen mochten, war ja auch nicht schlecht.


    Kurzum: Bel überschlug sich vielleicht nicht unbedingt vor Begeisterung, aber er sah jetzt auch keinerlei Grund, dieses Opfer nicht anzunehmen oder der Stadt seinen Segen zu entziehen. Und so fand sich an dem Widder kein Makel.

  • Caesoninus fand eine perfekte Leber vor. „Litatio!“ verkündete er daher voller Freude. Somit hieß also auch der oberste Gott der Oase ihr Ansinnen gut, dass Rom und Palmyra einander noch näher rücken sollten. Eine große Erleichterung für Caesoninus bei seinen zukünftigen Gesprächen mit den Reichen und Mächtigen dieser Stadt in den kommenden Tagen, immerhin hatte er eine genügend große Zeugenschar an Einheimischen hier vor sich, die alle den Tathergang selbst gesehen hatten und bestätigen konnten. Er ließ die Leber reihum gehen, damit jeder sich selbst überzeugen konnte. Währenddessen wurde ein großer Kessel von den Opferdienern aus einem Nebengebäude des Tempelkomplexes herbeigeschleppt und dann mit Wasser gefüllt und angezunden. Darin wurden Leber, Lunge, Bauchfell und das Herz des Widders gekocht. Anschließend wurden sie mit Mola Salsa bestrichen und zur Speisung des Bēl am Altar verbrannt. Das übrige Fleisch wurde ebenfalls gekocht und dann auf mehrere kleine Tontöpfe aufgeteilt. Ein Widder war jetzt kein Stier, doch trotzdem wurde darauf geachtet mit seinem Fleisch so viele Töpfe wie möglich zu füllen, damit es trotzdem noch brauchbare Füllmengen für einen Imbiss abgab. Dann wies Caesoninus in Gegenwart der palmyrenischen Männer die jetzt entlassenen Opferdiener an, dass sie die Fleischtöpfe nehmen und an die Armen und Kranken verteilen sollten, was diese auch sogleich bewerkstelligten. So endete das erste Treffen zwischen Caesoninus und den Palmyrenern, in den kommenden Tagen wollte er diesen Dialog weiter vertiefen.


    Sim-Off:

    Dieser Moment, wenn Götter ihren eigenen Wertekanon vergessen :wand: :-D