Tiberios fand den Brief des Tiberius Caudex unter der Post, und da er an ihn gerichtet war, brach er das Siegel auf und las ihn.
Erst einmal schlug Tiberios das Herz vor Freude bis zum Hals. Der Patrizier hatte ihn nicht vergessen! Sein Versprechen war kein leeres Versprechen gewesen.
Amtsantritt - ja, Dominus Caudex war zum Vigintvir gewählt worden. Doch noch mehr als durch den bloßen Titel wurde der Grieche durch die Tatsache fasziniert, dass der Römer nun aus Ideen Realitäten schaffen konnte, dass das, was auf bloßem Papyrus und auf tabulae stand, plötzlich nicht nur mehr in der Welt der Ideen, sondern in dieser Welt existierte, dass es Menschen aus Fleisch und Blut betreffen konnte, dass es in Gesetzesform gefasst und getan wurde. So waren die Römer eben.
Wie gerne hätte Tiberios mit eigenen Augen gesehen, wie Ideen sich in Wirklichkeit verwandelten.
Aber Tiberios war sich seiner Situation sehr bewusst: Nero Tiberius Caudex hatte sich angewöhnt, mit ihm umzugehen, als sei er, Tiberios, ein freier Mann. Doch Tiberios gehörte nicht Dominus Caudex, er gehörte auch sich selbst nicht, er war der Sklave von Domina Stella oder noch exakter: Nur der Sklave.
Daher würde er nun den Brief zu seiner Herrin tragen.
Während er noch überlegte, stach ihm der letzte Satz von Caudex ins Auge: war es denn möglich, mit Müllresten Schmelzöfen zu befeuern?
Tiberios dachte sofort an Plinius Minor und proxime indicari debent metalla ferri, optumo pessimoque vitae instrumento. .* Das würde er in der Bibliothek nachlesen, noch bevor Tiberius Caudex einen Schmied fragen würde.
* Nun folgt die Behandlung des Metalls Eisen, des besten und zugleich schlimmsten Dieners der Menschen..
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