RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham
"Ich zeige sie dir einfach, falls ich sie erwerben sollte", meinte Ezra ben Abraham achselzuckend. Seine Einwände hatte er ja schon vorgebracht, also war es nicht mehr seine Sache, falls Athenodoros Geld mit dieser Sache verschwenden wollte.
Nachdem sich die Wogen mit Shahnaz wieder geglättet und sich alle jetzt zum Essen niedergelassen hatten, äußerte Athenodoros einige hochtrabende Heirats- und sonstige ähnlich bedeutend angelegte Zukunftspläne mit seinem persischen Wildfang, die Ezra ben Abraham innerlich nur den Kopf schütteln ließ. Er riss mit den Zähnen eine Strähne Fleisch von seinen Rinderrippchen und kaute darauf herum. Nachdem er diesen Bissen hinuntergeschluckt hatte, hob er einen mahnenden Daumen. "Verkaufe nicht das Fell der Löwin, ehe du sie nicht erlegt hast, Athenodoros. Es bringt Unglück jetzt schon an derartige Schritte zu denken, wo du bislang nur Probleme mit dem Mädchen gehabt hast. Außerdem mag es auch nicht ganz ungefährlich sein. Was machst du, wenn z.B. die Spione des Schah eines Tages sie hier in Palmyra aufstöbern und ihr Vater somit erfahren würde, dass seine Tochter von einem unadeligen Nichtperser geschwängert wurde und sie dazu noch eine Weile als seine Sklavin gehalten hat? Was würdest du in so einem Fall machen, wenn du, ein gewöhnlicher palmyrenischer Kaufmann, sich den Zorn eines Königs zugezogen hat? Auch diese, zugegeben schlechteste Option eines Ausgangs dieser Geschichte musst du in deiner Rechnung miteinbeziehen. Von den kommenden Problemen, die dir das Mädchen selber noch bereiten wird ganz zu schweigen und glaube mir, sie werden kommen."
Auch wenn er kein Wort ihres kleinen Streitgesprächs verstanden haben mochte, so sollte Athenodoros trotzdem Shahnazs Mienenspiel beobachtet und mitbekommen und ebenfalls den rebellischen Glanz in ihren Augen gesehen haben, der auch am Ende nicht ganz verschwunden war. Während seiner Rede hatte Ezra ben Abraham es übrigens absichtlich vermieden Shahnazs Namen zu erwähnen, denn auch wenn sie nun nichts von ihrer Unterhaltung verstand, ihren eigenen Namen kannte sie ja immerhin und wüsste dann, dass sie über sie sprachen. Nicht, dass man normalerweise besondere Rücksicht auf Sklaven nehmen musste, jedoch aktuell hielt Ezra ben Abraham es für richtig die Emotionen des verschleppten Mädchens nicht unnötig zu strapazieren.