• RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    "Ich zeige sie dir einfach, falls ich sie erwerben sollte", meinte Ezra ben Abraham achselzuckend. Seine Einwände hatte er ja schon vorgebracht, also war es nicht mehr seine Sache, falls Athenodoros Geld mit dieser Sache verschwenden wollte.


    Nachdem sich die Wogen mit Shahnaz wieder geglättet und sich alle jetzt zum Essen niedergelassen hatten, äußerte Athenodoros einige hochtrabende Heirats- und sonstige ähnlich bedeutend angelegte Zukunftspläne mit seinem persischen Wildfang, die Ezra ben Abraham innerlich nur den Kopf schütteln ließ. Er riss mit den Zähnen eine Strähne Fleisch von seinen Rinderrippchen und kaute darauf herum. Nachdem er diesen Bissen hinuntergeschluckt hatte, hob er einen mahnenden Daumen. "Verkaufe nicht das Fell der Löwin, ehe du sie nicht erlegt hast, Athenodoros. Es bringt Unglück jetzt schon an derartige Schritte zu denken, wo du bislang nur Probleme mit dem Mädchen gehabt hast. Außerdem mag es auch nicht ganz ungefährlich sein. Was machst du, wenn z.B. die Spione des Schah eines Tages sie hier in Palmyra aufstöbern und ihr Vater somit erfahren würde, dass seine Tochter von einem unadeligen Nichtperser geschwängert wurde und sie dazu noch eine Weile als seine Sklavin gehalten hat? Was würdest du in so einem Fall machen, wenn du, ein gewöhnlicher palmyrenischer Kaufmann, sich den Zorn eines Königs zugezogen hat? Auch diese, zugegeben schlechteste Option eines Ausgangs dieser Geschichte musst du in deiner Rechnung miteinbeziehen. Von den kommenden Problemen, die dir das Mädchen selber noch bereiten wird ganz zu schweigen und glaube mir, sie werden kommen."


    Auch wenn er kein Wort ihres kleinen Streitgesprächs verstanden haben mochte, so sollte Athenodoros trotzdem Shahnazs Mienenspiel beobachtet und mitbekommen und ebenfalls den rebellischen Glanz in ihren Augen gesehen haben, der auch am Ende nicht ganz verschwunden war. Während seiner Rede hatte Ezra ben Abraham es übrigens absichtlich vermieden Shahnazs Namen zu erwähnen, denn auch wenn sie nun nichts von ihrer Unterhaltung verstand, ihren eigenen Namen kannte sie ja immerhin und wüsste dann, dass sie über sie sprachen. Nicht, dass man normalerweise besondere Rücksicht auf Sklaven nehmen musste, jedoch aktuell hielt Ezra ben Abraham es für richtig die Emotionen des verschleppten Mädchens nicht unnötig zu strapazieren.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Athenodoros nickte, denn das war, was er gewünscht hatte und es kostete ihn nur die Empfehlung an einen Verwandten und keine einzige Drachme.


    Aber die Mahnung seines Gastfreundes bezüglich Shahnaz nahm er ernst, denn Ezra ben Abraham war ein integrer, uneigennütziger Mensch, soviel der Palmyrener wusste, und hätte keinen Vorteil davon gehabt, ihn zu warnen.

    Er antwortete:

    "Probleme mit dem Mädchen fürchte ich nicht.
    Erinnerst du dich noch an eine andere Sklavin in meinem Haus in Alexandria, die Caenis? Ich hatte die Kleine sogar recht gern. Es kam heraus, dass sie eine Hexe war. Ich habe sie sofort in die Auripigmentminen nach Kleinasien verkauft. Also sei gewiss, dass ich mit unbotmäßigen Dienern und Dienerinnen umzugehen weiß.
    "


    Wie viele Menschen grauste sich auch Athenodoros vor Hexerei und Flüchen. Dennoch waren die Arsengelbminen eine fürchterliche Strafe, selbst ein kräftiger Mann überlebte dort nur ein, zwei Monate.*


    Der nächste Punkt allerdings, der von Ezra angeführt wurde, betraf Athenodoros kostbares Leben persönlich, und er erschrak etwas:

    "Meinst du denn, der Shah von Persis schickt seine Spione bis hierher? Das wäre schlecht!"

    Die Perser bewiesen eine ganz und gar grausige Phantasie, was Strafen betraf und so wurde der Synhodiarches etwas bleich:

    "So sage dem Mädchen nichts von Heiraten", sagte er: "Nur dass ich sie selbst vor meinem lüsternen Sohn Alexandros bewahrt habe, ich hoffe, sie ist mir dankbar."


    Er fand wenig dabei, den abwesenden Alexandros zu beschuldigen:


    "Deine Argumente sind nicht von der Hand zu weisen. Bei Allat, irgendwelche wildgewordene Perser hier, das passt mir nicht die Vorstellung. Du scheinst dich so gut mit Prinzessin Shahnaz zu verstehen: Also welches Vorgehen würdest du mir raten?"




    Sim-Off:

    * Über das Auripigment **

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Na das war ja eine schöne Bescherung, falls Athenodoros auch einmal eines Tages seine persische Prinzessin in die Auripigmentminen schicken würde! Zuzutrauen war es ihm jedenfalls. „Ich kann mich leider nicht mehr wirklich an das andere Mädchen erinnern, doch glaube mir, Shahnaz wird abermals Sorge dafür tragen, dass dir Sorgen durch sie bereitet werden, so viel ist sicher.“ Oder anders gesagt es war so sicher wie das Amen in der Synagoge.


    Was das weitere anging, so schien dies Athenodoros bislang nicht bedacht zu haben und erschrak regelrecht bei Ezra ben Abrahams Erwähnung des Schahs. Er nickte mit dem Kopf und sprach: „Natürlich, es ist gut möglich, dass er Leute nach Palmyra schickt. Immerhin ist diese Stadt einer der größten Märkte der gesamten Region und ein Hauptumschlagplatz für Sklaven. Du hast Glück, dass der persische Schah nicht der parthische Schahanschah ist und daher über weit begrenztere Mittel verfügt, doch stelle ich mir durchaus vor, dass er Männer in die, rund um Persis liegenden größeren Marktzentren schicken wird, damit die sich dort nach seiner verlorenen Tochter umhören. Und nach Palmyra natürlich. Eine zum Kauf angebotene echte Prinzessin, sowas müsste doch irgendwo Aufsehen erregt haben! Oder falls du eine anderweitige Einschätzung haben willst wie wahrscheinlich persische Agenten eine Gefahr für dich werden könnten, so frage dich zweierlei Dinge: Erstens, wenn du ein Sklavenhändler wärst und möglichst gewinnbringend eine geraubte Prinzessin verkaufen wollen würdest... wo würdest du hingehen? Und Zweitens, wenn du persischer König wärst und dir die geliebte Tochter geraubt werden würde... wo würdest du anfangen sie zu suchen? Überlege einmal.


    Ezra ben Abraham machte eine Pause, damit Athenodoros diesen Gedankenpfaden ein wenig folgen konnte. Gleichzeitig nutzte er auch diese Gelegenheit selbst noch einmal darüber nachzudenken was er ihm nun raten sollte, denn Athenodoros hatte sich ja immerhin auch Rat von ihm erbeten. Ezra ben Abraham hielt es für das klügste, wenn Athenodoros Shahnaz einfach freilassen und nachhause schicken würde. Was hielt sie denn hier in diesem Haus sonst noch gefangen, außer die Arroganz des Hausbesitzers, eine waschechte Prinzessin besitzen zu wollen? Shahnaz war keine Kriegsgefangene, sondern hatte nur aus Pech das Los der Sklaverei erhalten. Als Königstochter hatte sie nie brauchbare Fertigkeiten wie Kochen oder Putzen gelernt und als Gespielin, oder Tänzerin war sie aufgrund ihrer bockigen Natur ebenfalls ungeeignet, so Ezra ben Abrahams Vermutung. Was blieb dann also noch übrig außer ihrem königlichen Status? Wäre dieser nicht vorhanden, so wäre Shahnaz eine nur höchst aufwendig vermittelbare Sklavin und nur von geringerem Wert (jetzt einmal wirtschaftlich gesprochen), besser also Athenodoros würde sie einfach freilassen.


    Doch Ezra ben Abraham kannte den Palmyrener und wusste daher auch, dass dieser Shahnaz niemals einfach so freilassen würde. Eher noch verkaufen, oder schlimmeres. „Da wäre zu aller erst natürlich einmal die Möglichkeit sie einfach wieder zu verkaufen und so das Risiko auf jemand anderes abzuwälzen. Lehnst du dies ab und willst sie behalten, so gibt es weiterhin zwei gangbare Wege: den unvorsichtigen und den vorsichtigen Weg. Der unvorsichtige Weg wäre dieses Problem einfach in den Wind zu schlagen und darauf zu vertrauen, dass schon nichts passieren wird. Parsastaxra ist sehr weit weg und es gibt viele große Städte, die wie z.B. Ktesiphon viel näher zur Persis hin liegen, außerdem wer sagt, dass Shahnaz nicht ganz außer Landes, z.B. nach Rom gebracht worden ist? Als Prestigeobjekt eines schnöden Senators, oder gar des Kaisers selbst? Und selbst wenn persische Agenten in Palmyra auftauchen sollten, wie hoch ist die Chance, dass sie ausgerechnet die richtigen Leute treffen, um eine Spur zu dir zu finden? Shahnaz könnte auf jeden Fall dein Prestige um vieles steigern unter deinen Kaufmannskollegen, wenn sie von ihrer Herkunft hören und auch erfahren, dass sie dein Eigentum ist! Stell dir nur vor wie sie sich damit überbieten würden mit dir Geschäfte machen zu wollen, oder versuchen werden dir das Mädchen für ungeheure Summen abzukaufen! Das wäre der unvorsichtige Weg.


    Wieder eine kurze Pause.


    Bliebe noch der vorsichtige Weg. Die Gefahr bleibt bestehen, dass der Schah sein Kind bei dir findet und das dürfte dich vermutlich den Kopf kosten. Vielleicht ein schnelles Messer in einer dunklen Gasse, Gift in einem unbewachten Getränk während eines Festes oder er lässt dich entführen und nach Parsastaxra schaffen, damit du dort öffentlich hingerichtet werden kannst. König Darayan fielen hier bestimmt einige Grausamkeiten ein. Diese Eventualitäten kannst du vielleicht verhüten, indem du das Mädchen versteckst. Du gibst ihr einen neuen Namen, sie darf das Haus nicht verlassen und du sagst niemandem, dass du sie hast. Dann sollte es auch für die Schergen des Königs sehr viel schwerer werden sie zu finden, wenn dies überhaupt dann noch möglich ist. Die Kehrseite ist jedoch, dass sie dir keinen Gewinn bringen wird. Wenn niemand weiß, dass du sie hast, wird sie auch nicht dein Prestige steigern können und es werden auch keine Kaufgebote kommen. Sie wäre nur rein zu deinem privaten Vergnügen da und wie amüsierend dies ausfallen mag ist aufgrund ihres bislang gezeigten Charakters eher fraglich.


    Dies waren die Möglichkeiten, so wie sie Ezra ben Abraham im Moment durch den Kopf gegangen waren. Möglich, dass es auch noch einen weiteren Weg gab und Athenodoros diesen finden mochte (einfach auch den Schah ermorden?), doch lag es nicht in der Verantwortung des Buchhändlers eine Entscheidung zu fällen. Dies müsste schon Athenodoros selbst tun.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Ezra ben Abraham hatte recht mit seinen Ausführungen und machte gute Vorschläge. Athenodoros wiegte den Kopf hin und her und wollte schon eine Möglichkeit aufgreifen, da fiel ihm siedendheiß noch etwas ein:


    "Yarhai ben Mattabol - der weiß ja, dass ich Shahnaz gekauft habe! Und der Mann lungert immer auf dem Parthischen Markt herum, sozusagen als erste Anlaufstelle für alle möglichen windigen Leute und auch persische Spione. Mit Vergnügen täte der gedungenen Mördern den Weg hierherweisen und wenn die meinen Kopf auf einen Spieß stecken, würde er damit sein Domation dekorieren! "


    Ob all das ein abgekartetes Spiel dieses Unruhestifters war? Athenodoros bei der Kraft seiner Lenden zu packen, und ihm die verführerische Shahnaz in die Hände zu spielen?

    "Was meinst du, Ezra, hat Yarhai so etwas geplant oder wäre er zu dumm dazu?", fragte Athenodoros nach, denn davon würde seine Entscheidung abhängen:

    "Auf jeden Fall habe ich Prinzessin Shahnaz vor Unheil bewahrt. Sie ist ja immer noch das, was die Römer als virgo intacta bezeichnen. "

    So langsam glaubte er selber daran.



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    Anippe hatte zwischenzeitlich ein schönes Zimmer für Shahnaz gerichtet, ein eigenes gynaikon. Sie hatte allerhand gehört. Shahnaz, wie sie richtig hieß, sollte eine echte Prinzessin aus der Persis sein? Sie hoffte sehr, dass sie trotzdem noch als Freundin in Frage käme.

    Shahnaz saß immer noch auf ihrem Stuhl und aß. Vorsichtig näherte sich die alexandrinische Sklavin und schaute, ob sie ihr nooch Wein nachschenken sollte.

    Dann hob sie die Hand, weil sie etwas sagen wollte.

    Waballat ben Attar Athenodoros, noch in düstere Gedanken versunken, knurrte: "Was gibt es, Anippe?"


    "Ich möchte Herren Ezra etwas bitten.", sagte Anippe und schaute auf den Gast.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Jetzt packte den Bene Attar sogar schon regelrechte Paranoia, als er plötzlich eine Art Verschwörung gegen sich von Seiten der Bene Mattabol dahinter erkennen wollte. Ezra ben Abraham schüttelte entschieden den Kopf. „Wollte er dich tot sehen, gebe es wesentlich effektivere Wege, anstatt einen riesigen Umweg über irgendwelche Prinzessinnen von weit her zu gehen. Andererseits wenn er dich bloß wirtschaftlich mit einer falschen Prinzessin hereinlegen wollte, dann ist doch alles gut und du hast nichts vor irgendeinem zornigen König zu fürchten. Und ist sie doch echt, dann kehren wir lediglich zur vorhin besprochenen Ausgangslage zurück. Es war ja immerhin Zufall, dass du gerade an jenem Tag auf den Markt gegangen bist, oder? Also ich persönlich sehe hier keine Verschwörung speziell gegen dich, vorrausgesetzt das Mädchen ist echt und was meinen bisherigen Eindruck angeht, so ist sie das auch. Ihr Akzent passt genau zur Region rund um Parsastaxra und den kenne ich gut genug nach meiner Reise dahin. Und ihr Äußeres und ihren Dickkopf hast du ja beides selbst schon erleben dürfen. Es war also ein gewöhnliches Geschäft und Yarhai ben Mattabol ist ja auch nicht die einzige Person, die Kenntnis um ihren Aufenthaltsort hat. Da wäre ja auch noch Yarhais Zulieferer den wir gar nicht kennen. Ist es jemand von hier, aus Persis oder von wo ganz anders her? War er nur einmalig hier, oder beliefert er Yarhai ben Mattabol regelmäßig mit Sklaven? Also gibt es mehrere Unbekannte in dieser Rechnung, wie du sie schlussendlich lösen willst ist allein deine Sache.


    Anippe die Sklavin meldete sich zu Wort. Ezra ben Abraham wandte sich ihr zu. „Was gibt es Kind, was willst du mich fragen?

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Athenodoros runzelte die Stirn; Anippe hatte Gäste um gar nichts zu bitten, aber wenn Ezra so gütig der Unfreien gegenüber sein wollte, sei es darum. Er nickte also, dass sie sprechen konnte.


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    Anippe hatte zugehört und nun näherte sie sich Ezra und beugte sich zu ihm hinunter: " Kannst du Shahnaz bitte übersetzen, dass ich hier in der Fremde ihre Freundin sein will.", sagte sie: "Als sie eingesperrt war, habe ich ihr Wein und Käse gebracht anstatt Wasser und Brot und auch eine Kerze. Wenn sie etwas braucht, soll sie es besser mich wissen lassen, ich will ihr helfen."

    bat sie und wie so oft, nicht für sich, sondern für andere.

    Sie lächelte den alten Gelehrten schüchtern an. Ezra ben Abraham war immer freundlich zu ihr gewesen.

    "Ich freue mich schon sehr auf den Unterricht.", sagte sie etwas lauter. Das tat sie wirklich. Und da es ihr Herr ihr befohlen hatte, konnte sie ihre Freude auch offen zeigen.


    Athenodoros dachte inzwischen angestrengt nach. Ezra meinte also, dass das Hiersein von Shahnaz keinem besonders perfiden Plan der Mattabol entsprang.

    Qisma war es demnach, das von den Göttern zugeteilte Los. Es war nun an den Menschen, zu sehen, was man daraus machte, und hier an ihm.


    "So bitte ich dich, auch zu übersetzen, dass Shahnaz in meinem Hause bleiben wird. Denn in ihrem Vaterhaus war sie in Gefahr, und hier ist sie in Sicherheit. Diejenigen, die sie entführt haben, waren Feinde des Shahs.",

    wieder einmal drehte Athenodoros den Sachverhalt so, dass er ihm genehm wurde:

    "Shahnaz darf niemandem sagen, wer sie ist. Ich will ihr einen griechischen Sklavennamen geben, auf den muss sie hören. Nur hier bei mir ist sie in Sicherheit. Und eines Tages wird ihr Vater ihr die Nachricht schicken, dass sie heimkommen kann. Aber solange muss sie sich in Geduld üben."


    Athenodoros vertraute darauf, dass Shahnaz irgendewann ihre frühere Existenz vergessen hatte. Er hatte Zeit, sie war sein Eigentum und lief nicht weg.

    Nun sprach er zu Anippe:
    "Alles was hier besprochen wird, bleibt hier unter uns, Anippe; denke an die Caenis und ihr Schicksal!"


    Anippe hatte ihre Freundin Caenis oder wie sie sie nannte "Kainis" nie vergessen. Auch wenn sie an Flüche und Hexen glaubte, so war sie sich sicher, dass Kainis keine Zauberin gewesen war. Einen Moment trat wieder dieser traurige Ausdruck in ihre Augen, der manchem auffiel, der sie ansah.

    "Ja Herr", erwiderte sie und verbeugte sich.


    Athenodoros richtete seinen Blick auf Shahnaz:

    " Eingedenk der seltsamen Umstände deines Lebens sollst du ab heute Eutyche* genannt werden."


    Im gleichen Moment kam ein junger Diener herein, einer der Bene Attar. Auch er verbeugte sich, sein rascher Blick wanderte über die Anwesenden, dann sagte er:

    " Shlomo Wabballat, ich soll dich von Orodes grüßen. Deinen Wächtern bin ich bekannt, daher habe ich Zutritt erhalten. Ich soll dir berichten, was auf der Agora schon Stadtgespräch ist , denn das könnte bedeuten, dass Jabel nicht zurück gen Ktesiphon reisen kann."


    Athenodoros schaute zu Ezra hinüber, der ja sein Gast war, und fragte ihn um Erlaubnis:

    "Möchtest du hören, was der Diener des Ältesten der Bene Attar zu berichten hat ?"




    Sim-Off:

    * gr. etwa Glückliche Fügung

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Eine Weile hatte Shahnaz am übrigen Tischgespräch völlig desinteressiert an ihren Nahrungshappen herumgekaut. Bis zu dem Moment, da sie von Bel Kyrios (sie hatte beschlossen Athenodoros auch weiterhin für sich mit diesem Namen zu bedenken, da er ihr 1) besser gefiel von der Klangmelodie her als dessen echter Name und 2) hatte sich dieser Name einfach schon viel tiefer in sie eingebrannt in Bezug auf diesen bärtigen Barbaren) das erste Mal die Worte "Persis" und "Shahnaz" wahrnahm. Einen Moment stoppte Shahnaz mit kauen, den Blick weiterhin auf ihren Teller gerichtet und spitzte die Ohren. Dann folgte ein langer Monolog von Ezra ben Abraham auf Ausländisch, doch sie hörte ganz klar die Worte "Schah", "Parsastaxra", "Schahanschah" und "Shahnaz" heraus. Jetzt war sie völlig sicher, dass die beiden bärtigen wandelnden Läuseherbergen über sie sprachen! Was zum Ahriman besprachen die da nur?!


    Jetzt blickte Shahnaz auf zu den beiden und wünschte sich wirklich sie würde verstehen können was sie miteinander sprachen. Es ging um sie, keine Frage, doch auch um ihren Vater und über zuhause und über... den Großkönig. Ein wenig verwirrte sie das ganze schon.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Der alte Bücherhändler hörte sich genau an was Anippe zu sagen hatte und nickte dann zum Zeichen seines Verständnisses. Dann sprach Athenodoros wieder und so wandte er sich diesem als nächstes zu. Doch zu Ezra ben Abrahams Missfallen verlangte dieser tatsächlich, dass er lügen sollte! Beim Klang dieser Worte verzogen sich seine Mundwinkel ein wenig.


    Mit der Handfläche nach unten vollführte er vom Körper weg eine ablehnende wischende Geste und sprach: "Tut mir leid Athenodoros, aber du verlangst Unmögliches von mir. Prinzessin Shahnaz musste ich zuvor schon meines Glaubens und auch meines Stolzes wegen ihren Wunsch ausschlagen mich vor ihr zu verneigen und genauso wie ich dies ablehnte, so muss ich auch dir absagen. Das achte Gebot unseres Propheten Moses verbietet uns Juden zu lügen und genau darum hast du mich soeben gebeten, dass ich lügen soll. Du bist kein Jude, daher konntest du dies nicht wissen und somit lege ich dir diese Aufforderung auch nicht negativ aus. Was ich dem Mädchen jedoch sagen kann ist die Wahrheit. Dass sie in deinem Hause bleiben soll, dass sie hier in Sicherheit ist und dass sie einen neuen Namen bekommt. Das ist es was ich dir anbieten kann." Ein klein wenig war Ezra ben Abrahams Herz ja doch über diese Bitte gekränkt so offen eines der heiligen Zehn Gebote seines Volkes brechen zu sollen, doch er hatte Athenodoros bereits gesagt, dass er ihm das nachsehen wollte und so bemühte er sich innerlich sehr darum dieser Aussage auch nachkommen zu können.


    Dieser Teil des Gespräches war noch nicht abgeschlossen gewesen und zum Übersetzen für die persische Sklavin war er schon gar nicht gekommen, als da plötzlich die Tür aufging und ein junger Bene Attar hereinkam mit offenbar wichtigen Familiennachrichten. So unterbrach sich Ezra ben Abraham und blickte zuerst zu Athenodoros und danach zu dem Jungen. "So lasse uns am Tratsch der Marktfrauen teilhaben, mein Junge."

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    "Aha, das achte Gebot des Propheten Moises, verbietet dir die Lüge.", nickte Athenodoros. Er selbst verehrte die Götter in einer Art abergläubischer Furcht, die ihn dazu trieb, es sich mit keinem Gott zu verscherzen. Auch nicht mit dem Hebräergott. Obwohl die alexandrinischen Juden ihre Schriften in der Septuaginta übersetzt hatten, um alle an ihrer Weisheit teilhaben zu lassen und auch die Diskussion zu erlauben, hatte er im Gegensatz zu seinem Sohn Alexandros nichts davon gelesen.

    Er erwiderte:

    "Das werde ich respektieren, Ezra ben Abraham. Du bist eine Art Priester unter deinesgleichen, oder? Aber sag mir, was hat das mit diesen Geboten auf sich? Dein Gott scheint nicht zufrieden zu sein damit, dass man ihm einen jungen Ochsen opfert, er gibt auch Verhaltensregeln für das alltägliche Leben? Ist das nicht fürchterlich unbequem?"

    Er nahm sich nun ein paar der süßen Datteln, und als der Diener hereinplatzte mit Neuigkeiten, und Ezra ihm die Erlaubnis gegeben hatte, zu sprechen, hörte er hin.


    " Bei der Krönung des Shahanshahs hat es einen Skandal gegeben.", erzähle der Junge und machte große Augen: " Der Vertreter des Königreiches Osrhoene hat sich von Parthien losgesagt und unter den Schutz Romas gestellt. Und Mithridates hat Osrhoene damit gedroht, sie in Blut zu ersäufen. Er rüstet - und die anderen auch.

    Sie stellen schon Truppen auf, und wer fürchtet, dass ihm alles um die Ohren fliegt, der flieht hier nach Syria.

    Orodes richtet dir aus, Herr: Schick Jabel nicht nach Ktesiphon, wenn wir Pech haben, wird der Osten brennen."


    Athenodoros schaute finster drein: Krieg?! Die parthischen Panzerreiter würden reiten, die Römer würden marschieren, die Wege nach Serica verschlossen sein. Wäre Ezra nicht anwesend gewesen, hätte er einen üblen Fluch ausgestoßen, in dem Abgar von Osrohene, Mithridates und deren beider Mütter eine Hauptrolle spielten, doch so beherrschte er sich.

    Fragend sah er zu Ezra, der ja hatte nach Hatra reisen wollen, und dessen Volk sich ähnlich wie die Palmyrener auch sowohl im Imperium Romanum als auch im Regnum Parthorum frei bewegten:

    "Wie schätzt du die Lage ein? Hätte Roma denn überhaupt Interesse an einem Klientelstaat Osrohene? Oder wird Abgar schlicht und einfach bestraft werden und samt seinem Volk untergehen? Im ersteren Fall könnte ein ausgewachsener Krieg entstehen, im zweiten Fall erledigen die Parther das Problem wohl innerhalb weniger Wochen. "





    Sim-Off:

    * Die Gerüchte und das Ereignis

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Ezra ben Abraham schüttelte den Kopf. "Ich mag Gelehrter sein und mein Vater war auch einst Teil des Sanhedrin in Jerusalem, doch Priester bin ich keiner. Ich bin ein bescheidener und einfacher Buchhändler. Priester in eurem Sinne gab es bei uns ohnehin nie. Höchstens vielleicht früher der jüdische Hohepriester, doch dessen Amt ist zusammen mit dem Tempel untergegangen." Nur weil man sich mit seinem Glauben beschäftigte und ihn ernst nahm, musste man ja nicht gleich Priester sein. Wie man dies in Palmyra handhabte wusste Ezra ben Abraham nicht, doch was Griechen und Römer anging, so war es ja kein Geheimnis, dass die das alles sehr lax nahmen. "Ich gebe, damit du gibst" war bei ihnen dann schon das höchste der Gefühle gegenüber ihren Unsterblichen. "Unbequem sagst du? Im Grunde sagen die Zehn Gebote doch nur das aus, was man für ein gutes Zusammenleben innerhalb einer Gemeinschaft ohnehin beachten sollte. Ehre jene, die dich gezeugt und geboren haben, denn ihnen verdankst du dein Leben. Nehme nicht, was nicht rechtmäßig dir gehört und sage nichts Unwahres. Alles Dinge, die man auch nicht selbst erleiden will, oder möchtest du, dass du von jemanden angelogen wirst? Möchtest du, dass dein Hab und Gut gestohlen wird? Oder möchtest du deinen Altvorderen jenen Respekt verweigern, den sie verdienen? Ich denke nicht, daher sehe ich nicht diese.. "Unbequemlichkeit", die du erwähnt hast. Die Gebote sind unser Gesetz, wie auch alle anderen Gemeinschaften das ihrige haben. Soweit ich informiert bin sagen ja auch die römischen Gesetze gleich wie die Zehn Gebote aus, dass man z.B. nicht stehlen, nicht morden, oder keine Ehe brechen soll."


    Mit Sorge hörte Ezra ben Abraham die Worte des Jungen. Dämliche Narren! (Interessanterweise verboten die Zehn Gebote das Schimpfen nicht, wie ihm im gleichen Moment auffiel). Da hatte er soeben noch davon gesprochen was das friedliche Zusammenleben in einer Gemeinschaft ausmachte und schon waren alle Beteiligten in den benachbarten Regionen der Umgebung Palmyras damit beschäftigt eben jenes zu zerstören. "Ist es denn schon sicher, dass Rom eingreifen wird?", fragte er.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Shahnaz beobachtete weiterhin die Lage. Schon wieder hörte sie ständig ihren Namen in den fremden Reden der beiden und das gefiel ihr überhaupt nicht. Was heckten sie nur aus? Gerade wollte sie den Mund aufmachen und Ezra ben Abraham dazu auffordern ihr Rede und Antwort zu stehen, als da plötzlich noch jemand hereinplatzte und atemlos irgendwas den Anderen mitteilte. "Schahanschah", "Mithridates", "Ktesiphon", "Parthien" und "Osrhoene" verstand die Prinzessin. Ein rascher Blick auf die Miene des Juden offenbarte Sorge darin. Was hatte denn der Kerl gesagt? War irgendwas geschehen? Shahnaz wollte jetzt auch eingeweiht werden! "Was ist? Was hat der Mann gesagt?" sprach sie Ezra ben Abraham an.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Die palmyrenischen Götter waren fern und erhaben wie die Himmelsgestirne; sie verlangten Ehrfurcht und Opfer, sie teilten den Sterblichen ihr Geschick zu, doch forderten sie außerhalb der Kultfrömmigkeit kein bestimmtes Verhalten. Das Zusammenleben unter den Menschen wurde durch der Väter Sitte geregelt. Oder neuerdings wie es die Römer vervollkommnet hatten: Durch das Ausarbeiten von Gesetzen und Strafmaß.

    "Ich müsste darüber nachdenken, ob es nützlich ist", sprach der Handelsherr langsam: "Vielleicht ja - denn wenn der Gott der Gesetzgeber ist, so ist ein Gesetzesbrecher ja zugleich ein Frevler und Gotteslästerer. Wie bestraft ihr Juden solche Menschen? Legt ihr selbst Hand an oder überlasst ihr dann auch die Bestrafung dem göttlichen Gericht? Doch wenn euer Gott alles regelt, weshalb erhebt ihr euch dann gegen die Römer und wartet nicht besser ab? "




    Mit Sorge hörte Ezra ben Abraham die Worte des Jungen. Dämliche Narren! (Interessanterweise verboten die Zehn Gebote das Schimpfen nicht, wie ihm im gleichen Moment auffiel). Da hatte er soeben noch davon gesprochen was das friedliche Zusammenleben in einer Gemeinschaft ausmachte und schon waren alle Beteiligten in den benachbarten Regionen der Umgebung Palmyras damit beschäftigt eben jenes zu zerstören. "Ist es denn schon sicher, dass Rom eingreifen wird?", fragte er.

    Doch dann kam der für seine Begriffe schon philosophisch - spitzfindigen Diskussion der junge Diener von Orodes ben Attar und seine Nachricht dazwischen.

    Der Junge zuckte nun die Schultern auf Ezra ben Abrahams Frage: "Das weiß ich nicht, Herr. "


    "Der römische Gesandte war über König Abgars Annsinnen vermutlich genauso verdattert wie Mithridates selbst", mutmaßte Athenodoros: "Weiß man denn, wie der Kerl reagiert hat? Und wo er jetzt ist? Ob er noch lebt? "

    Am Krönungstag selbst durfte kein Blut vergossen werden, doch in den Stunden danach schon.


    Athenodoros gab dem Jungen einen obolos, eine Kupfermünze:

    "Danke Orodes in meinem Namen! Und jetzt lauf zur Agora und spitze die Ohren! Solltest du Neuigkeiten hören, komm wieder her!"


    Der Junge ergriff das Geld und verneigte sich in einer flüssigen Bewegung, dann wieselte er mit breitem Grinsen davon.



    Athenodoros Blick fiel auf Shahnaz, die gerade Ezra etwas in ihrem Persisch fragte - vermutlich was denn der junge Diener gewollt hatte.

    "Bitte übersetze der Prinzessin auch dies. ", sprach er: "In diesen unruhigen Zeiten kann sie nicht in die Persis zurückkehren. Sie wird hier bleiben müssen und einen neuen Namen bekommen, und sie darf Aramäisch lernen. Ich werde sie gut behandeln, sie braucht mich nicht mehr zu fürchten."


    Athenodoros dachte immer noch, um sie zu werben, da er nun von ihrer hohen Abkunft überzeugt war. Aber diesmal mit Geduld, so wie es gegenüber einer zukünftigen Gattin ziemlich war. Shahnaz wäre nicht die erste Sklavin, die von ihrem Herren freigelassen wurde, um sie zu heiraten.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    "Ich denke Iesous der Nazaräner ist ein gutes berühmtes Beispiel dafür, dass auch wir Juden durchaus eine übliche weltliche Strafverfolgung haben. In seinem Fall hatten wir ihn der Justiz der Römer übergeben, die sich dann darum gekümmert hatten, aber ich habe nie behauptet, dass unser Gott alles für uns regelt. Immerhin haben wir von ihm einen freien Willen erhalten und so müssen wir nicht von vorne bis hinten bedient werden. Es ist eines jeden Menschen seine eigene Sache was er tut oder nicht."


    Nachdem der Junge mit den Neuigkeiten vom Markt zurückgekommen war, verfolgte Ezra ben Abraham aufmerksam was dort gesprochen wurde. Von kriegerischen Auseinandersetzungen hielt er ja generell nichts noch weniger, wenn sie im Nachbarland passierten. Natürlich hatte er auch schon ganz persönliche Erfahrungen mit dem Krieg gemacht, damals in Alexandria zuhause während des Diasporaaufstands.


    Dieser, im Jahre 868 A. U. C.* in Kyrene ausgebrochene Konflikt, war auf einen sogenannten König Andreas und seiner Schar jüdischer Fanatiker zurückgegangen. Diese Juden hatten in Kyrene viele griechische und römische Tempel zerstört und auch andere Grausamkeiten begangen. Ihre Zerstörungswut war so schlimm, dass die kyrenischen Griechen aus der Stadt nach Osten, nach Alexandria in Ägypten flohen, wo sie aus Rache ein Massaker an den Alexandriner Juden verübten. Doch nicht lange und König Andreas erschien seinerseits mit seinen jüdischen Gotteskriegern in der großen Stadt am Nil und besetzte Alexandria und brannte es nieder. Die Juden waren auf keine nennenswerte Gegenwehr gestoßen, da sich der zuständige römische Praefect in jenem Moment zurückgezogen hatte, da Andreas am Horizont erschienen war.

    Ezra ben Abraham war damals zum Glück nicht in Alexandria gewesen, als die kyrenischen Griechen gekommen waren und die jüdische Bevölkerung massakriert hatten, da er gerade wieder auf einer seiner Handelsreisen gewesen war. Diesem Zufall verdankte er sein Leben, denn den Überfall der kyrenischen Griechen auf das Deltaviertel hätte er wohl genauso wenig überlebt gehabt, wie alle seine übrigen damals anwesenden Bewohner. Ezra ben Abraham kam damals nichtsahnend ungefähr zu jenem Zeitpunkt zurück, da König Andreas schon Alexandria besetzt, die griechische Bevölkerung seinerseits umgebracht und die Stadt niedergebrannt hatte. Dies war damals ein schwerer Schock für ihn gewesen. Alexandria, sein gebliebtes Alexandria zerstört und entvölkert! Wie benebelt war er zwischen den schwarzen Ruinen der Häuser umhergetaumelt, nicht begreifen könnend, wie dies alles passieren hatte können. Doch allzu lange hatte Ezra ben Abraham gar nicht Zeit gehabt sich seiner Trauer hinzugeben, da er schon kurz nach seiner Ankunft von König Andreas' Gotteskriegern ergriffen worden war. An jenem Tag hatte Ezra ben Abraham zum zweiten Mal Glück, denn die Männer ließen ihn nur aufgrund der Tatsache wieder laufen, weil er ebenfalls Jude war. Wäre dem nicht so gewesen, sie hätten den Bücherhändler gleich an Ort und Stelle umgebracht. Der zweite große Schock, den der Diasporaaufstand Ezra ben Abraham beigebracht gehabt hatte. Zuerst der Verlust der Heimat und danach die Bedrohung seines Lebens selbst. Auf dieses Ereignis hin hatte er Alexandria gleich wieder verlassen und war für einige Jahre nach Palmyra ins Exil gegangen. Von dort aus hatte er in Sicherheit sitzend den weiteren Verlauf des Konflikts verfolgt und die Zeit abgewartet gehabt, bis es wieder sicher war an die Ufer des Nils zurückzukehren, doch die geschlagenen Wunden des Diasporaaufstands waren in Ezra ben Abraham nie wirklich verheilt. Das was für die Generation vor ihm der Jüdische Krieg und die Zerstörung Jerusalems gewesen war, das war für ihn jener Konflikt und die Zerstörung Alexandrias gewesen.


    An all dies musste Ezra ben Abraham unweigerlich denken, als da schon wieder die Rede von einem kommenden Krieg war. Zwar nicht in unmittelbarer Nähe, sondern jenseits der römischen Grenzen, doch immer noch nah genug, dass es auch für Palmyra bedeutend werden konnte, sollte Rom wirklich eingreifen und sich die Kampfhandlungen auch auf römisches Territorium ausbreiten. HaSchem verhüte, dass dies geschehen mochte!


    Es hatte keinen Zweck über das Schicksal des römischen Gesandten in Ktesiphon zu spekulieren, solange nichts gewisses bekannt war, doch auch der Bücherhändler würde zusätzliche Informationen begrüßen. Indes trug Athenodoros ihm auf auch diese Neuigkeiten seiner neuen persischen Sklavin mitzuteilen, doch das hätte Ezra ben Abraham ohnehin gemacht, wo das Kind ihn ja auch gerade eben selbst gefragt hatte was denn los war. Eine Spur erheiterte es ihn ja doch etwas, dass Athenodoros sogar jetzt nicht ganz vom Schwindeln ablassen konnte. Natürlich war der Weg in die Persis genauso sicher, bzw. unsicher so wie er es auch schon die letzten Jahre gewesen war, nur weil irgendwo Truppen ausgehoben und in Marsch gesetzt wurden, beeinflusste dies doch nicht die Karawanen auf den Handelswegen, insofern sie sich nicht im Kampfgebiet befanden und dies lag momentan ja noch in Osrhoene. Daher schätzte Ezra ben Abraham Reisen nach Hatra oder in die Persis als genauso sicher wie immer ein und zur Not versuchte man eben einer marschierenden Armee möglichst früh auszuweichen, sollte man dann doch einmal das Pech haben den Weg von einer zu kreuzen.


    Doch dieses Mal schwieg er zu dem Thema, sondern machte sich daran endlich Shahnaz aufzuklären: "Da sind mehrere Dinge. Der Junge gerade eben hat gesagt, dass es Krieg geben wird in Parthien. Der König von Edessa rebelliert und der Schahanschah stellt in diesem Moment Truppen für einen Angriff auf. Das andere ist, dass du hier in diesem Hause bei deinem neuen Herrn, Athenodoros bleiben musst. Du gehörst ihm jetzt und du bist hier in Sicherheit. Solange du hier bist, trägst du einen neuen Namen, den er dir gegeben hat, fortan heißt du Eutyche, verstanden? Auch hat er nochmals seinen Entschluss wiederholt, dass du seine Sprache lernen sollst." Doch letzteres war ja nichts neues, wenn man die erst wenige Minuten alte, lautstarke Auseinandersetzung bedachte, die Shahnaz bei der ersten Verlautbarung dieser Nachricht veranstaltet gehabt hatte. Einen Moment schwieg Ezra ben Abraham, doch dann fiel ihm ein, dass er ja noch eine Botschaft zu überbringen hatte. "Achja und dieses Mädchen dort, Anippe ist ihr Name, will, dass du weißt, dass sie es war, die dir Brot und Kerze in die Kammer gestellt hat. Sie will dir eine Freundin sein und falls du etwas benötigen solltest, wende dich an sie."


    Sim-Off:

    * = 115 n. Chr.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Shahnaz bekam nicht sofort eine Antwort, denn die Männer und der Junge redeten noch kurz untereinander, bis Letzterer wieder den Raum verließ und der Jude endlich Zeit für sie hatte. Er teilte Shahnaz mehrere komische Dinge mit (unter anderem, dass sie plötzlich einen neuen hässlichen Fremdlingsnamen erhalten sollte??), doch dies alles wurde von dem ersten Teil seiner Mitteilung überschattet, nämlich, dass in Parthien Krieg am Horizont aufgezogen war. Diesen ganzen lächerlichen Firlefanz von Bel Kyrios einstweilen zur Seite schiebend, kam Sorge in Shahnazs Gesichtsausdruck; Sorge um ihre Heimat. "Dann ist mein Vater auch involviert, oder? Weißt du irgendwas darüber, niyāg? Sag es mir bitte, falls es so sein sollte!"


    König Abgar VIII. kannte sie sogar persönlich, als dieser vor einigen Jahren einmal mit seinem Vater Parsastaxra besucht gehabt hatte. Damals war er natürlich noch kein König, sondern osrhoenischer Kronprinz gewesen. Abgar war nur wenige Jahre älter als Shahnaz, sie wusste noch gut, dass sie ihn damals hübsch gefunden hatte. Umso bitterer jetzt, falls ihr Vater jetzt wirklich gegen den Jungen kämpfen würde müssen. Blieb nur zu hoffen, dass der Großkönig nicht allzu sehr auf persische Truppenkontingente zurückgreifen, oder schlimmer noch, König Darayan zum General einer Teilarmee berufen würde. Falls dem so wäre, Shahnaz würde im Boden versinken aus Sorge um ihren Vater.


    Derart mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, hatte sie Ezra ben Abrahams Nachsatz bzgl. Anippe gar nicht mehr richtig gehört. Hoffentlich würde ihr Vater vom Großkönig nicht zum General berufen werden, Ahura Mazda, bitte bitte mach, dass er nicht berufen wird.


    Sim-Off:

    niyāg = Pahlavi für "Großvater", hier als sehr respektvolle Anrede gemeint

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    Eigentlich hatte Ezra ben Abraham ja schon halb mit einem neuerlichen Wutanfall von der Prinzessin erwartet, doch nichts da. Im Gegenteil sogar, er durfte eine bis dato ihm völlig unbekannte Seite an ihr kennenlernen. Die besorgte und verletzliche Seite. Eine Shahnaz, die Angst um ihren Vater hatte und die damit Mitgefühl für andere Personen außer ihr selbst demonstrierte. Das hätte er nicht gedacht angesichts ihres bisherigen Verhaltens.

    Ja mehr noch, jetzt wo es um etwas ging, was dem Frollein wirklich am Herzen lag, schaffte sie es sogar plötzlich höflich zu ihm zu sein und ihn sogar niyāg zu nennen! Wäre es in dem Moment nicht unangebracht gewesen, Ezra ben Abraham hätte fast darüber geschmunzelt, so erheiternd fand er das. Im ersten Moment war er für sie noch Ahriman persönlich und im nächsten plötzlich ein ehrenwerter niyāg. Tja, so konnte die Welt auch manchmal spielen.

    "Darüber ist mir nicht bekannt, tut mir leid, mein Kind."


    An Athenodoros gewandt sprach er: "Ich habe Shahnaz alles gesagt, was du ihr mitteilen lassen wolltest und auch deine Botschaft wurde übermittelt, Anippe", bestätigte er auch noch einmal dem Sklavenmädchen. "Du gedenkst also jetzt angesichts dieser Neuigkeiten deine Handelsbeteiligungen in Parthien vollkommen zurückzufahren?", fragte er an seinen Gastgeber gewandt.

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham

    An Athenodoros gewandt sprach er: "Ich habe Shahnaz alles gesagt, was du ihr mitteilen lassen wolltest und auch deine Botschaft wurde übermittelt, Anippe", bestätigte er auch noch einmal dem Sklavenmädchen. "Du gedenkst also jetzt angesichts dieser Neuigkeiten deine Handelsbeteiligungen in Parthien vollkommen zurückzufahren?", fragte er an seinen Gastgeber gewandt

    "Ich danke dir für deine Hilfe beim Übersetzung, Ezra", sprach Athenodoros: "Und was du über deinen Gott erzählst, werde ich mir durch den Kopf gehen lassen. Das klingt doch alles nach einem förderlichen Zusammenleben."

    Bei der nächsten Frage wiegte er den Kopf hin- und her: "In der Tat möchte ich erstmal abwarten. Ich weiß nicht, ob dir das Kapitel der palmyrenischen Geschichte bekannt ist, als Marcus Antonius einmal eben Pferde und Gold requierieren wollte*  - requierieren sage ich, tatsächlich war es kein offizieller vom Senat abgesegneter  Akt, sondern Lust am Plündern.  Es ist ihm auch nicht gelungen.  Natürlich ist auch jetzt niemand von offizieller Seite daran interessiert, das Geschäft zu unterbrechen, aber ein übereifriger General oder auch nur Centurio könnte angesichts einer gutbeladenen Karawane auf dumme Gedanken kommen. Wenn es hart auf hart kommt, sind wir doch nur Peregrine - und zwar für beide Seiten. Aber du wirst nach Hatra reisen, nehme ich an?  "


    Er schaute zu Shahnaz oder Eutyche, wie sie ja jetzt nun hieß, hinüber, die einen besorgten Gesichtsausdruck zeigte, fast sanft wirkte sie nun und sehr sehr schön:

    "Was hat sie?", fragte er:

    "Du scheinst einen guten Einfluss auf sie zu haben, Ezra. Wenn ihr euch so gut versteht, sollte ich es in Erwägung ziehen, sie dir zu schenken.", das war ein Scherz, aber nur zur Hälfte. Der Gedanke an die persischen Schergen, die sich auf die Spur der Prinzessin setzen würden - freilich, wenn Krieg war, hätten die Perser ganz andere Sorgen- bereitete ihm Unbehagen. Würde Shahnaz bei Ezra leben - Ezra würde sie nicht anrühren, nahm er mal an, er war aus dem Alter des heißblütigen Liebhabers raus - könnte er, Athenodoros trotzdem um sie werben, wäre aber nicht schuld an ihrem Schicksal.


    Sein Blick fiel auf Anippe. Eigentlich war solch eine liebe hausgeborene Sklavin doch sehr praktisch: hilfsbereit, fügsam und gut im Bett. Leider fehlte ihr der Reiz des Neuen, und als Gattin kam sie für ihn nicht in Frage.



    Sim-Off:

    * In den klassischen Quellen hat Palmyra seinen ersten Auftritt im Zusammenhang mit einem Plünderungszug, zu dem M. Antonius seine beschäftigungslose Reiterei ausgeschickt haben soll (41 v. Chr.): Die Soldaten fanden, am Ziel angekommen, eine von ihren Bewohnern geräumte Oase vor. Mitsamt ihren Habseligkeiten hatten die Palmyrener sich über den Euphrat auf parthisches Gebiet geflüchtet.
    (nach Appian)

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    "Hm, denkst du wirklich, dass die Römer so weit gehen und deine Karawanen plündern würden? Ich denke eine komplette Legion hat wenig Interesse an einer einzelnen Karawane wo deren Waren niemals für alle Soldaten ausreichen würden. Nein wenn, dann denke ich eher, dass sie sich an Städten und deren Erzeugnisse vergreifen würden." Wie gefährlich es werden würde, würde sich ja noch zeigen, aber vorerst schien sie sich noch einzig und alleine auf Osrhoene zu konzentrieren. Karawanen im römischen Syrien sollten eigentlich noch nach wie vor sicher sein. "Und ja natürlich werde ich weiterhin nach Hatra reisen, denn die Händel der drei beteiligten Parteien gehen mich ja nichts an. Ich muss auf meine eigenen Unternehmungen achten und diese gebieten nun einmal, dass ich mir diese Schriftrolle ansehe."


    Als Athenodors laut überlegte Ezra ben Abraham seine neue Sklavin (ob im Scherz oder nicht) zu schenken, schüttelte er entschieden mit dem Kopf. "Vielen Dank aber ich lehne ab. Wie du weißt beschäftige ich in meinem Haus keine Sklaven, sondern nur freie Diener. Wie kann jemand anderen die Freiheit rauben, dessen Volk selbst viele Jahre unter der Knute des Pharaos versklavt gewesen ist? Ich lehne daher die Sklaverei ab, aber ich weiß deine freundliche Geste dahinter natürlich zu schätzen."


    Noch eine ganze Weile der Plauderei, dann kam der Zeitpunkt des Aufbruchs. Ezra ben Abraham stand auf, bereit sich zu verabschieden. "Es wird Zeit mich wieder zurückzuziehen. Vielen Dank für deine freundliche Einladung, Athenodoros! Wann wirst du mir meine beiden Schülerinnen für die erste Lektion vorbeischicken?"

  • RE: Der Besuch von Ezra ben Abraham


    "Die Römer sind Kleptomanen.", sagte Athenodoros mit schiefem Lächeln: " Versteh das nicht falsch, ich bewundere sie. Sie haben schon so oft bewiesen, dass sie die Stärkeren sind. Ich halte Palmyras Zusammenhalt mit dem Imperium für eine politische und wirtschaftliche Notwendigkeit. Aber gib ihnen einen Grund, nur einen einzigen Grund, dann würden sie diese Stadt schleifen, ihren Reichtum hinwegtragen, Frauen und Kinder versklaven und uns Führer Palmyras ans Kreuz schlagen. In Jerusalem haben sie ein Exempel statuiert, und jeder Mensch im Osten von Alexandria bis Caesarea hat die Warnung verstanden."

    Er lächelte:

    "Auf alle Fälle wünsche ich dir Glück, Freund, auf deiner Reise. Ja, du hast nie Sklaven gehalten, nicht wahr, aus ethischen Gründen.

    Aber hätte ich dir Shahnaz geschenkt, hättest du die Macht gehabt, sie in die Freiheit zu entlassen. Siehst du, dass Gutes nicht immer nur Gutes gebiert oder Schlechtes Schlechtes. Manchmal verspottet uns Tyche ganz gewaltig. So ist es Tyches Wille, dass Shahnaz bei mir bleibt."


    Er zuckte die Achseln:

    "Die beiden Mädchen - ich schicke sie dir, wann immer du möchtest. Wie wäre es mit Morgen?

    Ich danke dir noch einmal dafür, dass du dir die Zeit nimmst. Ich hoffe wirklich, dass es Shahnaz glücklich macht, wenn sie sich mit anderen Menschen verständigen kann. Wo man nicht verstanden wird, ist man ein Barbar, auch als Prinzessin.

    Chairete, Ezra ben Abraham, der Segen deines Gottes für dich."


    Athenodoros respektierte nicht viele Menschen, aber die Weisheit und die lautere Güte des alten jüdischen Buchhändlers achtete er.